Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

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mgritsch
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von mgritsch »

300 Seiten, beachtliche Hausarbeiten! Leider inhaltlich dann doch etwas dünn, auf Schulniveau reduziert und zu konkreten Versuchsvorschriften gibt es nur Internet-Verweise die - welch Überraschung - nach 10 Jahren tot sind. Leider keine konkreten Anregungen…
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mgritsch
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von mgritsch »

eule hat geschrieben: Sonntag 30. Januar 2022, 09:34 habe etwas nachgelesen zu Treibladungen für Projektilwaffen (zur jeweiligen Zusammensetzung fand ich nur wenig) und frage mich nun, ob das mit den Nitritspuren auch für zumindest die Mehrzahl der modernen Pulver gilt. Immerhin soll es da sog. "rauchlose" und Hochleistungstreibladungen geben.
Abrieb vom Projektil und ggf. von Teilen der Waffe wird es vmtl. nahezu immer geben. Da Pb aber zunehmend durch andere Materialien verdrängt wird werden wohl zunehmend andere Reagenzien zum Einsatz kommen.
Als Treibladung kommt Schwarzpulver heute nur noch in Replikas alter Vorderlader vor, für eine eine eingefleischte kleine Fangemeinde.

Der Standard sonst - von ganz klein bis ganz groß - ist Nitrocellulose Pulver (=rauchlos, praktisch zumindest so einigermaßen, siehe die Videos am Ende des Artikels.)

Um die Abbrandeigenschaften so einzustellen dass es den Erfordernissen der unterschiedlichen Kaliber und Waffen gerecht wird (maximal zulässiger Druck, Geschossgewicht, Durchmesser, Lauflänge, Selbstladevorgang,…) werden noch verschiedene Zusatzstoffe und Mittel zur Stabilisierung (zB Diphenylamin, Ruß) beigemischt und auch die Form und Größe der Körner müssen richtig definiert sein. Nitrocellulose ist und bleibt aber Hauptbestandteil und ergibt bei unvollständiger Verbrennung eben unter anderem Nitrite als Rückstand.

Schwermetalle resultieren vor allem aus dem Anzündsatz. Ganz früher benutze man Quecksilberfulminat und Chlorate, das hinterlässt aber stark korrosive Rückstände. Waffen aus der Zeit des 1. WK haben deswegen teilweise ganz schön zerfressene Läufe! (Kuriosum am Rande: um korrosive Rückstände zu entfernen war es im Feld durchaus üblich durch den Lauf zu pinkeln…) Seit ca 90 Jahren ist nur noch „Sinoxid“ üblich das aus Bleistyphnat und Tetrazen - und vermutlich wieder einigen anderen Zusatzstoffen die ebenfalls Schwermetalle enthalten - besteht.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Anzündhütchen

Heutzutage werden zwar „nontox“ Patronen angeboten (zB https://www.sellier-bellot.cz/en/produc ... etail/267/) haben aber keine breite Verwendung gefunden. Schießstände müssen so oder so sehr gut belüftet sein und die größte Pb Belastung entsteht wenn das Geschoss am Kugelfang zerstäubt.
Wie die Verteilung der Spuren im Bereich des Verschlusses beim Pistolenschützen aussehen mag und ob dort ebenfalls Schmauch herauskommt ist mir nicht ganz klar.
Siehe Die Zeitlupenvideos, da kommt auch einiges raus, vor allem bei einem Revolver aus dem Trommelspalt. Das meiste aber eher als Wölkchen, nicht so gerichtet.

Wer ohne WBK und Waffe solche Schmauchspuren auf ein Blatt Patier als Belegbeispiel bekommen will könnte beim örtlichen Schießstand der Polizei Hilfe erhalten. Dort kann man auch ohne eigene Waffe und Erlaubnis einmal unter sicheren Bedingungen/ Aufsicht eine mini-Einführung incl. ein paar Schüssen bekommen. Zumindest war das bis in die frühen 2000er noch möglich.
Das kann ich mir weniger vorstellen, die müssen über Munitionsverwendung streng Rechenschaft ablegen und schießstände für die Polizei gibt es nicht gerade auf jedem Revier, geschweige denn dass man dort Zivilisten hin lässt.

Ich empfehle eher den nächsten Schützenverein aufzusuchen, die sind in jeder Hinsicht gerne behilflich! Oder auch einen Jäger zu fragen…
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lemmi
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von lemmi »

Na, so sehr lag ich mit meiner Vermutung, was als nächstes kommt, gar nicht daneben ... :mrgreen:

Sehr schöner Artikel! Nur ... Barium und Strontium sind keine Schwermetalle (Dichte bei beiden deutlich kleiner als 5 g/cm3)! :wink:
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mgritsch
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von mgritsch »

Keine Ahnung was die offizielle Definition von Schwermetall ist :) Umgangssprachlich werden die beiden ja schon eher dazu gerechnet, Baryt heißt auch „Schwerspat“…
aliquis
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von aliquis »

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Schwermetalle

Bei aller gebotenen Zurückhaltung gegenüber Wikipedia: es scheint wohl tatsächlich an der Dichte festgemacht zu sein.
Dies ist in der Tat ziemlich willkürlich, da es darüberhinaus kaum eine gemeinsame Eigenschaft gibt, die eine saubere Abgrenzung ergibt.
Giftigkeit: warum sind Barium und Beryllium nicht dabei?
Gallium und Aluminium sind von den chemischen Eigenschaften nahe beieinander, aber nur Gallium gilt als Schwermetall. Mehrere Oxidationsstufen und Vielfarbigkeit der Salze: und was ist mit Titan?

Ein typischer Fall von "war schon immer so": die Alkali- und (bis auf Radium) Erdalkalimetalle haben sich halt als typische Leichtmetalle eingeprägt. Hier lassen sich am ehesten Gemeinsamkeiten festmachen: die hohe Reaktivität und die sture Ein- bzw. Zweiwertigkeit in Verbindungen.

Für die "Schwermetalle" finde ich Einordnungen wie Übergangsmetalle oder Lanthanoide eigentlich sinnvoller...
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mgritsch
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von mgritsch »

Ich hätte „schwer“ an der Atommasse festgemacht...
aliquis
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von aliquis »

Auch interessant... aber z. B. Caesium ein Schwermetall - eher nicht, oder?

Da die Unterscheidung, was ein Schwermetall ist und was nicht, aber selbst unter Chemikern nicht ganz eindeutig zu sein scheint, möchte ich gar nicht wissen, was aufgrund dessen in den Laboren alles in den entsprechenden Abfallbehältern landet bzw. - im Zweifelsfall schlimmer - was alles nicht...
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lemmi
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von lemmi »

Ich weiß gar nicht was ihr habt? Man muss sich einfach nur an die Definition halten. Wie der Name "schwer" sagt hängt sie am spezifischen Gewicht. Das ist doch logisch. Physiologische Wirkung hat damit nix zu tun. Nicht alle Schwermetalle sind giftig (Eisen) und es kann genausogut giftige Leichtmetalle geben.

Aber von Definitionsfragen abgesehen würde ich gerne wissen, wieso du speziell Ba und Sr erwähnt hast. Weil sie mit dem Reagenz Färbungen geben, oder kommen diese Metalle auch in Schmauchpuren vor? (vielleicht wenn die Pistole mit Wunderkerzenmischung geladen wird :mrgreen:)
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Montag 31. Januar 2022, 14:08 Ich weiß gar nicht was ihr habt? Man muss sich einfach nur an die Definition halten.
:lol: "einfach nur" :lol:
aus https://www.chemie.de/lexikon/Schwermetalle.html:

"Durch das Fehlen einer eindeutigen wissenschaftlich akzeptierten Definition des Begriffes „Schwermetall“, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen in der Literatur. Eine Studie der IUPAC fand mindestens 38 Definitionen des Begriffes, der angefangen von der Dichte, dem „Atomgewicht“ oder der Ordnungszahl bis zu den chemischen Eigenschaften oder der Toxizität reicht."

wobei ich die Toxizität auch als am allerwenigsten passend finden würde. Was soll daran "schwer" sein... schwer zu überleben? :roll: 8)

Wie auch immer, ich mach mich nicht fest an sowas, nehme ich den Zusatz "Schwer" eben raus wenn es so besser conveniert :)
wieso du speziell Ba und Sr erwähnt hast. Weil sie mit dem Reagenz Färbungen geben, oder kommen diese Metalle auch in Schmauchpuren vor? (vielleicht wenn die Pistole mit Wunderkerzenmischung geladen wird :mrgreen:)
sowohl als auch :)
Anscheinend sind zumindest Spuren von Wunderkerze verarbeitet worden. Ich nehme an dass Ba und Sr in Form ihrer Salze (Nitrate? Styphnate? Pikrate? Azide?) zur Optimierung zumindest in kleiner Menge enthalten sind, vermutlich im Anzündsatz. Ganz zufällig dürften Hersteller wohl nicht mit deren Abwesenheit werben, zB S&B schreibt bei der Nontox-Munition: "free from toxic exposure to barium, lead, mercury, antimony." Also, Sb ist evtl auch noch mit im Spiel...
Ich erinnere mich auch an einen Besuch bei der KTU wo sie mit dem SEM all diese Elemente in den Schmauchspuren erfasst haben. SEM ist natürlich ein bisschen professioneller als nur Rhodizonat...

Hier wurde Sr ebenfalls mittels SEM nachgewiesen, sogar in einem "CleanRange" Produkt; Konventionelle Munition enthielt nur Ba: http://dx.doi.org/10.1016/j.forsciint.2007.07.005
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von aliquis »

Strontiumnitrat wird immer wieder mal als weniger giftiger* Ersatz für Bariumnitrat zur Selbstherstellung** von Wunderkerzen gehandelt. Das kommerzielle Produkt enthält aber nie Strontiumnitrat - aus gutem Grund: es ist hygroskopisch, die Wunderkerzen wären somit nicht lagerfähig.

* Obwohl mir bislang kein Fall einer Vergiftung durch Wunderkerzen bekannt ist. Wer knabbert denn schon an sowas? :roll: (Für Kinder unter 3 Jahren sind die ja eh noch nichts...).

** in DE nicht erlaubt, also wenn schon, dann entweder besser hinter der Grenze zu NL/PL/CZ anmischen und abbrennen oder aber hierzulande mal bei Chemielehrern/-dozenten nachfragen, die das im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit ermöglichen dürfen, z B. im Zuge eines Projekts.
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von mgritsch »

Für euch getestet: ich habe Schinken gebügelt der lt Etikett Nitrite enthalten soll. 8) :lol:
Ergebnis: kein sichtbarer Abdruck. Das Papier ist zwar auf eine sehr kleine Absolutmenge empfindlich wie sie in einem Partikel vorliegt, offensichtlich muss aber die lokale Konzentration ausreichend hoch sein um ein sichtbares Ergebnis zu verursachen. So homogen verteilt über eine große Masse kommt nichts erkennbares mehr raus...
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von aliquis »

Naja, der Massegehalt an Nitrit ist in der Wurst ja eh schon nicht sooo hoch... (sonst müsste ein Totenkopfaufkleber auf den Schinken... :wink: ). Zudem dürfte auch das Fett auf dem Papier eine hydrophobe Barriere für das Reagenz darstellen...
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lemmi
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Re: Forensische Chemie: Analyse von Schmauchspuren

Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: Korrektur gelesen und verschoben]
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