cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

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mgritsch
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von mgritsch »

so, wiedermal bisschen Zeit für virtuelle Chemie :)
Wie immer ein sehr guter Artikel der schön die Aufarbeitung mit allen Abweichungen von der Theorie zeigt! Was mich interessieren würde: dass die beiden Isomere sich in ihren Eigenschaften unterscheiden ist augenscheinlich, aber wie gelingt es (gelang es damals) deren absolute Konfiguration zu ermitteln, also welches der beiden nun cis oder trans ist?
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frankie
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von frankie »

Toller Artikel Lemmi! Das freut das Anorganiker-Herz :D

@mgritsch: Im Zweifel die Kristalle zu mir ins Labor bringen - dann gibts die absolute Konfiguration in 5 Stunden.
Aber damals (um 1900) wäre vielleicht die Messung des Dipolmoments eine Idee? Bzw., wie damals üblich durch Derivatisierung und Abbau-Reaktionen.
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lemmi
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

Die Konfigurationsbestimmung hat tatsächlich schon Werner 1893 hergeleitet, und zwar allein aufgrund chemischer Untersuchungen - die er aus den Veröffentlichungen von Jörgensen entnommen hatte! 8)

Damals waren die beiden Isomere mit den Namen "Platosamminchlorid" und "Platosemidiamminchlorid" belegt. Man kann sie - wie im Beispiel oben gezeigt, anhand charakteristischer Reaktionen unterscheiden. Es waren auch bereits andere Plato-(= Platin(II))-Komplexe mit anderen Liganden bekannt, die sich genauso verhielten. Diese konnte man also ebenfalls als "Platosammin-" und "Platosemidiammin-"Verbindungen bestimmen.

Werner wies den Verbidnungen folgende Strukturen zu:
Formeln Platosammin und -semidiammin.jpg
Er begründete diese Zuordnung folgendermaßen: bringt man Platosemidiamminchlorid mit Pyridin zur Reaktion (oder auch Platosemidipyridinchlorid mit Ammoniak) so entsteht ein gemischtes Plato-pyridinamminchlorid [Pt(NH3)2Py2]Cl2. Wird dieses trocken erhitzt, so spaltet es Pyridin und Ammoniak ab und geht in ein gemischtes Platosammin über:

Formeln Reaktion Platosemidiammin.jpg
Lässt man dagegen Platosamminchlorid mit Pyridin reagieren (oder Platospyridinchlorid mit Ammoniak) so entsteht zwar auch ein gemischter Komplex [Pt(NH3)2Py2]Cl2, der beim Erhitzen Ammoniak und Pyridin abspaltet. Es wird jedoch ein äquimolares Gemisch zweier verschiedener Reaktionsprodukte, zwei einheitliche Platosammine, erhalten:
Formeln Reaktion Platosammin.jpg
Egal welches Isomer man einsetzt, im Verlaufe der Reaktion entstehen immer Platosamminkomplexe. Die beobachteten Reaktionen passen zu den vorgeschlagenen Strukturen. Auch diese Reaktionen lassen sich heute mit dem Trans-Effekt erklären. Werner hat das später als "Trans-Elimination" bezeichnet. Schon Reiset hatte sein "Chlorid der zweiten Base von Reiset" durch trockenes Erhitzen von Tetraamminplatin(II)-chlorid (dem "Chlorid der ersten Base von Reiset") erhalten. Dabei wird Ammoniak abgespalten und es ensteht trans-[Pt(NH3)2Cl2]

Nun könnte man einwenden, dass man die Bezeichnungen doch auch einfach vertauschen könnte. Das geht aber nicht! Nehmen wir an, die Platosamminsalze seien die jenigen mit der cis-Kofiguration, so würde man erwarten, im Verlauf der Umsetzung ein Gemisch aus drei verschiedenen Platosamminen zu erhalten, was nie beobachtet wurde:
Formel Reaktionen Platosammin 2.jpg
Mir gefällt diese Beweisführung ausgeprochen gut! Erstens ist es eine geniale theoretische Interpretation der experimentellen Ergebnisse - und zweitens hat sie den pikanten Nebenaspekt, dass Werner nicht einen der Versuche selbst gemacht hatte! :yeah:
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mgritsch
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Freitag 7. Januar 2022, 11:24 …so würde man erwarten, im Verlauf der Umsetzung ein Gemisch aus drei verschiedenen Platosamminen zu erhalten…
Ähm, hm… wieso würde man das „erwarten“? Nach welchen zwingenden Regeln?
Ich verstehe dass Py zunächst immer Cl ersetzt und beim erhitzen entweder NH3 oder Py (nach welchen Regeln?) wieder durch Cl ersetzt wird… wieso entsteht aus cis nach erhitzen das (Cl-)trans und nicht wieder cis und wie konnten die unterschieden werden?

Ich kann der Beweisführung noch nicht folgen… :conf: :|
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lemmi
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

Ich musste mir die Beweisführung auch dreimal durchlesen, ehe ich sie richtig verstanden habe ... 8)

Man kann trans- und cis-isomere (alias Platosammin- und Platosemidiammin) durch chemische Reagenzien unterscheiden. Ausserdem sind erstere viel blasser gefärbt als letztere.

Werner spielt einfach alle theoretisch möglcihen Reaktionen durch. Die erste oben angegebene Rektion lässt nur einen Ablauf zu, die zweite zwei - das stimmt mit den Beobachtungen überein. Die dritte Version - theoretisch drei mögliche Reaktionen, wurde nie beobachtet.

Dabei muss man beachten, das nur Plastosammine (mittels ihrer Eigenschaften experimentell als solche klassifiziert) entstehen! Im ersten Falle ist es also nicht möglich, zwei Ammoniak oder zwei Pyridin zu eliminieren, denn sonst würden Platosemidiammin (cis-Komplexe) resultieren, was nicht beobachtet wird. Im dritten - nicht vorkommenden - Fall wird den Platosamminen die cis-Struktur zugeweisen. Es wären drei differente cis-Reaktionsprodukte möglich, was ebenfalls nicht beobachtet wird.
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Glaskocher
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von Glaskocher »

Das nenne ich effektive Beweisführung! Erst macht Jörgensen das Glas dreckig und Werner findet dann die passende Erklärung. Jetzt müßte man noch die Erklärung der modernen "Elektronenpaar-Dompteure" dazu bekommen, die auch für "Halblaien" verständlich ist.
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lemmi
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

Nachdem ich mir das ganze nochmal angesehen habe, kommt mir der dritte Teil von Werners Herleitung doch fragwürdig bzw. widersprüchlich vor. Denn er beschreibt im ersten Teil der dritten Reaktionsfolge dasselbe, wie in der ersten Reaktionsfolge. Wie kommt er dazu, zu sagen dass da drei Reaktionsprdukte zu erwarten wären und bei der ersten Reaktion nicht?

Dennoch finde ich die Erklärungen der Befunde 1 und 2 überzeugend: aus Platosemidiamminchlorid entsteht nur ein (gemischtes) Platosammin, aus Platosammminchlorid entstehen zwei (nicht gemischte) Platosammine. Vorausgesetzt, man kann Platosammine und Platosemidiammine durch Reagenzien klar unterscheiden, ist diese Konfigurationsherleitung die einzig mögliche.
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mgritsch
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von mgritsch »

Ich glaube nach mehrfachem Studium kann ich mir einen Reim drauf machen.
Die ganze Sache steht und fällt mit der Hypothese dass Cl immer trans dirigierend ist für den nächsten eintretenden Liganden.
Können wir mal die super verwirrende Platose..si..mi.. bla Nomenklatur beiseite lassen :) Dann lässt sich das so erklären:

Im cis-Komplex werden zuerst beide Cl durch Py ersetzt. Beim erhitzen geht das retour, und zwar nicht in einem Schritt sondern in 2. Tritt zunächst ein Cl an die Stelle des Py, dann kann das zweite anschließend nur ein NH3 ersetzen. Tritt es zuerst an Stelle eines NH3, dann muss das zweite ein Py sein. In jedem Fall erhalte ich als Ergebnis ein PtPyNH3Cl2.

Im trans-Komplex das gleiche Prinzip angewandt führt zu der genannten Mischung. Sofern ich diese auch in ihre beiden Komponenten trennen und getrennt deren Zusammensetzung quantifizieren kann, habe ich gewonnen (das Mischprodukt hätte sonst die gleiche durchschnittliche Zusammensetzung wie bei cis).

Aus dem cis Produkt können die 3 als unmöglich gezeigten Konformere nicht entstehen da dabei immer 2 Cl zueinander in cis eintreten müssten.
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lemmi
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

So - ich habe nochmal eine Nacht drüber geschlafen... :D Werner hatte doch recht! Seine Beweisführung ist logisch und bedarf keiner weiteren Annahmen.

Deine Erklärung, @mgritsch, stimmt natürlich, denn das ist der trans-Effekt: das zuerst eintretende Chlorid dirigiert das zweite in trans-Position. Aber das ist für die Richtigkeit von Werners Beweisführung unerheblich. Die Erklärung steht und fällt nicht mit der Hypothese, dass die Cl trans-dirigierend sind, denn der Effekt war damals noch nicht bekannt und noch viel weniger erklärbar.

Du möchtest die se..mi..bla-Nomenklatur weglassen? Kann ich verstehen, verwirrt einen schnell. Nennen wir die Verbindungsreihen A und B. A und B können wir mit Reagenzien im Probierglas unterscheiden.

Experimenteller Befund:
Wir beobachten, dass bei der Umsetzung einer Substanz der Gruppe A eine Substanz der Gruppe B entsteht. Setzen wir als Edukt eine Substanz der Gruppe B ein so erhalten wir zwei Substanzen der Bruppe B als Reaktionsprodukte.

theoretische Überlegungen:
1. wir weisen A die cis-Struktur und B die trans-Struktur zu. Das Ergebnis aller theoretisch denkbaren Reaktionen unter der Vorraussetzung, das die entstehenden Substanzen B trans-konfiguriert sind (wir hatten experimentell gefunden, dass nur B entsteht!), entspricht dem beobachteten (siehe oben Reaktionen 1 und 2)
2. wir weisen A die trans-Struktur und B die cis-Struktur zu. Dann müssten in Reaktion 1 unter der Vorraussetzung, das die entstehenden Substanzen B cis-konfiguriert sind (wir hatten experimentell gefunden, dass nur B entsteht!) drei Reaktionsprodukte zu finden sein. Gefunden wird aber nur eines.

Zuweisung 2 steht im Widerspruch zu den Beobachtungen, Zuweisung 1 ist damit im Einklang. Also ist 1 richtig und A (Platosemidiammin :angel: ) ist cis- und B (Platosammin) ist trans-Konfiguriert.

Allemal ein intellektuell anspruchsvollerer Beweis, als eine Substanz in ein Gerät zu schieben und das Erbnis abzulesen :wink:
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mgritsch
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von mgritsch »

Hmm, dann erkläre mir bitte wieso auch ohne Zuhilfenahme des trans-Effekts aus dem cis-PtPy2(NH3)2 sicher nicht ein PtPy2Cl2 entstehen kann?

A priori kann ja offensichtlich relativ beliebig entweder Py oder NH3 wieder durch Cl ersetzt werden. Die absolute Konfiguration des PtPy2Cl2 ist nicht bekannt, ebensowenig kann im Prinzip ausgeschlossen werden dass beim erhitzen Liganden Platz tauschen, für Umlagerungen gibt es genug Beispiele…

IMHO dünnes Eis.
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lemmi
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

mgritsch hat geschrieben: Samstag 8. Januar 2022, 10:28 Hmm, dann erkläre mir bitte wieso auch ohne Zuhilfenahme des trans-Effekts aus dem cis-PtPy2(NH3)2 sicher nicht ein PtPy2Cl2 entstehen kann?
Auf dem Papier könnte es das - es wird aber nicht beobachtet. Denn das PtPy2Cl2 wäre dann cis-konfiguriert und wäre als Substanz der Reihe A zu identifizieren. Es entsteht aber eine Substanz der Reihe B.
mgritsch hat geschrieben: Samstag 8. Januar 2022, 10:28 A priori kann ja offensichtlich relativ beliebig entweder Py oder NH3 wieder durch Cl ersetzt werden. Die absolute Konfiguration des PtPy2Cl2 ist nicht bekannt, ebensowenig kann im Prinzip ausgeschlossen werden dass beim erhitzen Liganden Platz tauschen, für Umlagerungen gibt es genug Beispiele…
Du kannst aber eindeutig die beiden Reihen unterscheiden, anhand von Reaktionen. Die Beobachtungen passen nur zu den o.g. Annahmen. Wenn Liganden beliebig die Plätze tauschen könnten, wären in Reaktion 2 fünf Reaktionsprodukte möglich. Gefunden werden aber nur zwei und zwar der genannnten Zusammensetzung.

Der Trans-Effekt wurde aus den o.g. Schlussfolgerungen hergeleitet und ist nicht etwa eine Voraussetzung dafür.
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

@Frankie: wenn du hier noch mitliest guck doch bitte mal in deine PNs! :wink:
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Samstag 8. Januar 2022, 10:54Denn das PtPy2Cl2 wäre dann cis-konfiguriert
Mir fehlt nach wie vor ein „warum muss das rauskommen“. Dass bei Deckung der Ergebnisse mit den vorgeschlagenen Ergebnissen jeweils die cis und trans Konfiguration vorliegt ist soweit so trivial.

Aber ich sehe noch keinen zwingenden Ausschussgrund warum ohne vorherige Annahme des trans-Effekts in der ersten Reaktion aus cis-PtPy2(NH3)2 nicht (cis-) PtPy2Cl2 oder in Umkehrung einfach wieder (cis-)Pt(NH3)2Cl2 werden sollte (ebensowenig woher ich deren absolute Konfiguration kennen sollte?) und stattdessen nur PtPyNH3Cl2 entstehen kann…
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von lemmi »

Nochmal: es gibt keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass nicht auch cis-[PtPy2Cl2] herauskommen könnte! Es kommt aber nicht heraus, PUNKT. Das ist eine induktive Ableitung einer Erkenntnis, nicht eine deduktive. Du musst von den experimentellen Befunden ausgehen, nicht davon "welches molekulare Prinzip erlaubt welche Reaktion".

Werner nimmt nicht an, dass die Liganden die Plätze tauschen - und seine Annahmen stimmen mit den beobachteten Tatsachen überein. Wenn du Umlagerungen zu unterstellst, ergeben sich Schlussfolgerungen, die nicht zu den Tatschen passen. Das ist doch überzeugend, oder?
Dass bei Deckung der Ergebnisse mit den vorgeschlagenen Ergebnissen jeweils die cis und trans Konfiguration vorliegt ist soweit so trivial.
So trivial nun auch wieder nicht, sonst würden wir nicht eine Threadeite lang mit dem Verständnis ringen :wink:

Das entscheidende ist wirklich, die Schlüssigkeit der Beweisführung auf dem damaligen Niveau der Erkenntnis nachzuvollziehen. Der Trans-Effekt wurde erst danach - und zwar als Folge der obigen Übrlegungen, überhaupt formuliert! Er ist eine weitere induktive Schlussfolgerung aus den aufgestellten Theorien, sozusagen ein Theorieniveau höher. Und von dort aus ist es uns heute möglich, die Reaktionen deduktiv zu erklären ("unter der Annahme, dass Cl immer trans-dirigiert").
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Re: cis- und trans-Diammindichloroplatin(II)

Beitrag von mgritsch »

Okay, also im Prinzip:
Wenn ich keinen trans-Effekt annehme, dann müsste bei Substanz A („zufälligerweise“ cis ;) ) eine Mischung wie von mir postuliert herauskommen. Da aber keine Mischung sondern nur ein Reinstoff entsteht (dessen Konfiguration ich dabei nicht mal kennen muss), muss es einen trans-Effekt geben der gleichzeitig auch die Befunde von Substanz B erklärt.

Gäbe es einen cis-Effekt dann müsste die von dir skizzierte 3er-Mischung rauskommen, bei gar keinem Effekt sogar eine 4er-Mischung.

Somit habe ich (bzw hat Werner) in einen Aufwasch sowohl die absolute Konfiguration als auch den trans-Effekt entdeckt :)

Jetzt passt alles zusammen.
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