Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

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mgritsch
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Samstag 15. Mai 2021, 20:31 Ich habe eine Frage zu der Reduktion mit Ethanol! Dort entsteht eine kolloidale Lösung, die zunächst blau ist und dann rot wird (der Farbumschlag geschieht übrigens ziemlich plötzlich). Das würde doch bedeuten, dass die Größe der Kolloidteilchen im Laufe der Zeit abnimmt. Wie kann man das erklären?
Die Reaktion fand ich besonders faszinierend, vor allem dass es dabei einen verzögerten aber raschen Umschlag gibt!

Die Absorption von Quantenpunkten kann man sich ähnlich wie bei Molekülen vorstellen. Die zB 100 Goldatome verhalten sich nicht mehr wie ein kleines Stück Metall sondern wie ein Molekül aus 100 Goldatomen, mit entsprechenden „Molekülorbitalen“. (Bänder sagt man eher in dem Fall).

Mit sinkender Partikelgröße sinken somit die Wellenlängen des absorbierten und emittierten Lichts. Kennt man auch sonst von Chromophoren in Molekülen, je ausgedehter das π-System, desto langwelliger. Farbe Rot deutet auf ca 520-530 nm Absorption hin, Farbe Pink eher schon 540-550 nm und bei Blau sollte der gelb/orange Anteil absorbiert worden sein = 600-620 nm.

Blau zu rot - ja, muss kleiner geworden sein.
Inwiefern bei solchen Systemen die Agglomeration/Trennung von ansich diskreten Teilchen (du beschriebst die Solvathülle...) tatsächlich genügt um π-Systeme wachsen/schrumpfen zu lassen - gute Frage.
Was mir komisch vorkommt, ist, dass durch längeres Erhitzen die Größe der Nano Partikel abnimmt. Intuitiv hätte ich das umgekehrt gedacht: entweder die Reaktion schreitet fort und die Partikel werden größer, oder eventuelle Schutzhüllen werden zerstört ( erhöhte molekulare Bewegung) und die schon vorhandenen Partikel aggregieren.
Erklärungsversuch: was sicher nicht passiert ist dass bestehende Nanoteilchen noch mal gespalten werden. Rein logisch muss in dem Fall wohl ursprünglich schon sehr fein verteiltes Gold entstanden sein (das rot wäre) und nur wegen dem Lösungsmittel zu größeren Aggregaten zusammengeballt war. Irgendwann schaffen es dann wohl die Solvathüllen zwischen die Partikel und die Agglomerate brechen auf. Der Alkohol wurde von Wasser (oder anderem was die Oberfläche besetzt und für Abstoßung sorgt) verdrängt.

Grundsätzlich dürften das ähnliche Effekte sein wie bei der Titration nach Fajans, da ändern sich ja auch je nach Bedingungen die Oberflächenladungen und somit die Adsorption bzw auch die Zusammenballung. Kannst ja mal probieren was passiert wenn du ein wenig Dextrin zusetzt, bei AgCl verhindert das die Zusammenballung sehr erfolgreich ;)
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lemmi
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von lemmi »

Danke für das Lob! Über die exakt stöchiometrische Zusammensetzung habe ich mich auch gefreut und ein bisschen gewundert. In den Vorschriften von Roesky ist immer von “H[AuCl4] + x H2O“ die Rede.

In irgendeinem Buch steht, dass man Flecken auf der Haut am besten mit “verdünnter Zyankaliumlösung entfernt (Vorsicht bei Wunden!)“. :angel:
Aber das ist zum Glück nicht nötig, die Haut erneuert sich von selbst. Dauert nach eigenen Erfahrungen fünf bis sieben Tage... :mrgreen:

Natürlich Funktionieren praktisch alle Schnelltests nach dem lateral flow-Prinzip mit Immunkonjugaten, die kolloidales Gold beinhalten . Ich kenne die Feinheiten der Materie nicht, nehme aber an, dass es so ist, wie du sagst: Die Antikörper können auf die Oberfläche der Goldnanopartikel einfach und stabil adsorbiert werden, ohne dass diese chemisch mit den Eiweißmolekülen reagieren und sie dadurch in ihrer Reaktivität verändern.

Ob überhaupt auch andere Farbstoffe zum Einsatz kommen weiß ich gar nicht! Es gibt Schnelltests, bei denen die Kontroll- und die Test-Linien in verschiedenen Farben erscheinen, nämlich blau und rot. Ob dabei einmal blaues kolloides Gold und einmal rotes zum Einsatz kommt? Oder ob da doch andere Farbstoffe im Spiel sind? Allerdings habe ich außer blau und rot tatsächlich noch nie andere Farben gesehen.
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lemmi
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von lemmi »

“mgritsch“ hat geschrieben:Mit sinkender Partikelgröße sinken somit die Wellenlängen des absorbierten und emittierten Lichts. Kennt man auch sonst von Chromophoren in Molekülen, je ausgedehter das π-System, desto langwelliger.
“lemmi“ hat geschrieben:Die Teilchengröße ist umgekehrt proportional zur Wellenlänge des absorbierten Lichtes,
Ist mir gerade aufgefallen, dass ich da verkehrt herum gedacht hatte... Danke für die Korrektur!
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mgritsch
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Re: Tetrachlorogold(III)-säureh Z.Z., kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 10:24 Die Teilchengröße ist umgekehrt proportional zur Wellenlänge des absorbierten Lichtes
Und das absorbierte Licht zur wahrgenommenen Farbe.. zuviel umgekehrt auf einmal :mrgreen: :lol:

Insgesamt stellt sich bei dem Farbspiel und den möglichen Wechseln des Systems die Frage ob die Nanopartikel eventuell in einer deutlich bevorzugen Größe entstehen (die für Rot - Magenta sorgt) und andere Farben sind nur auf Agglomeration zurückzuführen. Nur mal so eine Idee ;)

Btw, nachträgliches Wachstum oder Auflösung der Partikel würde ich ausschließen - die Reduktion ist offenbar sehr vollständig und Au völlig unlöslich in Wasser. Da kann nichts mehr wachsen. Oder „altern“ rote Lösungen mit der Zeit noch und verändern die Farbe? (Man könnte ein Spektrum aufnehmen und nach 1 Tag oder 1 Woche noch mal... verschiebt sich das λ max?)

(P.s. für was steht das „Z.Z.“ im Titel? Und warum „säureh“? Ich glaube beim letzten edit ist da was reingerutscht 8) )
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frankie
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Re: Tetrachlorogold(III)-säureh Z.Z., kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von frankie »

Ich habe eine Kollegin die Goldcluster im Rahmen ihrer Diss herstellt. Und scheinbar ist es so, dass die Größe primär durch den pH-Wert der Lösung, aber auch durch die Konzentrationen, die Zugabegeschwindigkeit der Reagenzien und die Rührgeschwindigkeit des Magnetrühres bestimmt wird.

Zur Analyse wird u.A. standardmäßig einfache UV-Vis Photometrie verwendet.
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lemmi
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von lemmi »

Dazu mal eine analoge Überlegung:

Der Himmel ist tagsüber blau, wenn die Sonne hoch steht und durch relativ dünne Luftschichten dringen muss. Beim Sonnenuntergang, wenn das Sonnenlicht dickere Luftschichten durchdringen muss, gibt es einen roten Sonnenuntergang. Dasselbe passiert beim “chemischen Sonnenuntergang ", wenn man einen Lichtstrahl durch eine angesäuerte Thiosulfatlösung projiziert. Mit zunehmender Dauer des Versuchs (= zunehmende Dichte der entstehenden kolloidalen Schwefelsuspension) wird das durchgehende Licht immer röter.

Könnte es sein, dass nicht nur die Größe, sondern auch die Dichte der Teilchen eine Rolle spielt? Das könnte erklären, dass die Farbe von Blau nach rot wechselt. Dann wären die Partikel in der Lösung alle ungefähr gleich groß, aber schlicht am Anfang weniger da als am Ende.

Ist das plausibel?
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Calciumcitrat
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von Calciumcitrat »

mgritsch hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 09:36
Die Teilchengröße ist umgekehrt proportional zur Wellenlänge des absorbierten Lichtes, so dass die Farbe der Lösung je nach Teilchengröße verschieden ist.
Die Erklärung sollte man physikalisch mal genauer unter die Lupe nehmen bzw vertiefen :)
Wie können Partikel von ca 1/100 der Wellenlänge Größe noch wechselwirken? Warum kommt es überhaupt zu so einer Absorption bzw. Abhängigkeit? Hinweis: In modernen Papers/Produkten nennt man das heute wohl „Quantum Dots“ und macht es aus fast allem, nicht nur Gold...
In diesen Größenordnungen bei "Nanokristallen" skalieren viele Eigenschaften nicht mehr so, wie mal es normalerweise kennt. Viel hängt damit zusammen, dass der Anteil der Oberflächenatomen stark ansteigt. Beispiel Eisen: Bei einem Würfel mit 1 cm Kantenlnge sind 10E-5% der Atome Oberflächenatome, bei 10 nm Kantenlänge sind es 10%, bei 1 nm 100%!

Das erklärt z.B. die dramatischen Verringerung der Schmelztemperature bei kleinen Goldpartikeln: Bulk Gold und Partikel bis ca. 10 nm Radius schmelzen bei 1064 °C, ab 5 nm Radius sinkt diese Temperatur stark, bis auf 500 °C bei 2 nm Radius, da die Oberflächenatome eine geringere Koordinationszahl zu anderen Atomen haben und dementsprechend mobiler sind, bzw. in ihrer Bewegung leichter anregbar.

Zur Farbe (erstmal nur gültig für Metallnanopartikeln, bei Halbleitern sieht das anders aus): Hier geht es primär um Plasmonenresonanz, welche quantitativ durch die Mie Theorie erklärt werden kann. Grundsätzlich muss man, wen die Größe der Nanopartikel der der einfallenden Wellenlänge entspricht oder kleiner ist, quantenmechanisch und nicht mehr klassisch argumentieren (siehe auch: quantenconfinement of electrons). Schaut man sich die Fermilevel von Metallen an, so gibt es im Bulk ein Kontinuum, während im Nanobereich diskrete Energielevel auftreten (Stichpunkt hier density of states). Das heißt das kleine Partikel sich eher wie Moleküle mit diskreten Orbitalniveaus verhalten. Damit sind die Elektronen nicht mehr im Leitungsband delokalisiert. Diese Größenordnung wird erreicht, wenn die Größe von Metallpartikeln unter die de Broglie Wellenlänge fällt, ab dann sind die Elektronen zwischen den Atomkernen lokalisiert. Im Grenzbereich (Partikeldurchmesser = de Broglie-Wellenlänge/2) haben das Valenz- und das Leitungsband keinen Überlapp mehr, wir haben nun quasi ein s-Orbital eines riesigen Metallatomes (dem Nanopartikel), welches im Grundzustand mit zwei Elektronen besetzt ist und einen n=1 Zustand, welches im Molekül einem p-Orbital entsprechen würde mit einer "Bandlücke" dazwischen. Werden wir noch kleiner (für Metallnanopartikel: deutlich weniger als 2 nm im Radius, damit der energetische Abstand der Zustände 26 meV übersteigt (thermische Energie)) bekommen wir bindende und antibindenden Molekülorbitale, welche die lokalisierten Bindungen zwischen den Atomen im Cluster darstellen.

Der energetische Abstand zwischen diesen Zuständen verhält sich nun, analog zum Teilchen im Kasten, zunehmend mit abnehmender Größe der Teilchen (--> Blauverschiebung der Absorption).

Eine kleine Rechnung: Bei Metallpartikeln ist der Leitungsband halb gefüllt und die Dichte der Energielevel ist so hoch, dass es eine signifikante Separation der Energielevel im Leitungsband gibt (Intrabandübergang). Dazu darf der Partikel nur einige Atome groß sein. Der Abstand der Einelektronenzustände ist nun proportional zu EFermi/N. EFermi ist für die meisten Metalle ca. 5 eV, damit kommen wir für einen 10 nm Goldpartikel (entspricht 30000 Atomen als perfekte Kugel) auf einen Abstand von ca. 0.167 meV (entspricht 7.4 mm als Wellenlänge). Die Farbe ist in dieser Größenordnung also noch nicht durch Quantenconfinement zu erklären. Bei einem 30-Atomcluster kommen wir auf ca. 167 meV, das ist nun mehr als kBT und entspricht 7.4 µm, immer noch zuviel um die optischen Effekte hier zu erklären. Wie können wir diese bei Metallen nun also erklären:

Wie oben erwähnt, mit Oberflächenplasmonenresonanz. Wenn die "freien" Elektronen im Leitungsband kohärent angeregt werden, schwingen sie in Phase (resonant). Für sehr kleine Partikel ist diese Schwinugung stark gedämpft, im Bereich von einigen 10 Nanometern (also immer noch klein im Vergleich zu optischen Wellenlängen), liegt die Anregungswellenlänge für Plasmonenresonanz im sichtbaren Bereich. (Die Volumenplasmonen dieser Partikel liegt energetisch viel höher, etwa 6-9 eV). Das erklärt auch den immensen Einfluss der Oberfläche (Geometrie, Liganden), da hier die Polarisierbarkeit des Metalls an der Oberfläche geändert wird und sich damit die Resonanzfrequenz verschiebt. Caveat: Oberflächenplasmoneneffekte haben nichts mit den o.g. Quanteneffekten zu tuen. Die Wellenlänge shiftet auch hier rot und die Banden verbreitern sich mit zunehmender Partikelgröße. Um die Wellenlänge errechnen zu können, muss man die Maxwellgleichungen für eine elektromagnetische Welle, die mit einer kleinen Kugel (welche die selbe frequenzabhängige Dielektrische Konstante wie das Bulkmaterial hat) interagiert, lösen. Mie hat das 1908 getan: Für Nanopartikel viel kleiner als die einfallende Wellenlänge kontributiert nur die Dipolioszillation signifikant zur Extinktions cross section, damit kam Mie zu:
Screenshot 2021-05-16 140611.png
Screenshot 2021-05-16 140611.png (11.76 KiB) 4489 mal betrachtet
Hier ist V das Partikelvolumen, Omega die Winkelfrequenz des Anregungslicht, c die Lichtgeschwindigkeit, eta_m and eta(omega) sind dielektrische Funktionen des umgebenden Mediums und des Materials selbst. Die Resonanzbedingung ist nun erfüllt wenn eta1(omega) = 2etam and eta2 kleiner oder nur wenig an omega gekoppelt ist (was für Metalle im UV/vis Bereicht ok ist). Der farbliche Unterschied zwischen Gold und Silberpartikeln kann hier also durch die unterschiedliche Wellenlängenabhängigkeit von eta1(omega) beschrieben werden.
Interessant: sigmaext(omega) skaliert mit R3, während die number density mit R3 abnimmt. Der Absorptionskoeffizient ist also nicht an die Partikelgrößé gekoppelt. Das gilt bis etwas R = 30 nm, wo Streuungseffekte signifikant werden. Auf der anderen Seite (R < 5-10 nm), ändern sich die Materialeigenschaften selber (s.o., Oberflächenatome...), und damit auch die Dielektrische Funktion.

Für sehr große Nanopartikel (bei Au > 20 nm), ist die Dipolnäherung nicht mehr gültig. Damit hängt die Plasmonenresonanz plötzlich sehr wohl mit der Partikelgröße zusammen: Je größer der Partikel nun wird, umso wichtiger werden die Moden höherer Ordnung da das Licht die Nanopartikel nicht mehr homogen polarisieren kann. Diese höheren-Ordnungs Moden haben ihr Maximum bei kleineren Energien, damit verschiebt sich das Plasmonenband rot mit zunehmender Partikelgröße. Die Plasmonenbandbreit nimmt aber gleichzeitig ab. (Beschreibbar als das Dephasing der kohärenten Elektronenoszillation.) Große Bandbreiten korrespondieren mit einem schnellen Verlust der kohärenten Elektronenbewegung (einige wenige Femtosekunden, also kommt die Relaxation primär von Elektron-Elektron-Kollisionen).

Der Zusammenhang zwischen Farbe und Partikelgröße ist für kleine Metallpartikel, in denen nur der Dipolterm wichtig ist, also komplizierter zu erklären als für größere Metallpartikel oder kleine Halbleiterpartikel. Warum ist nun also die Absorption für Partikel mit R < 5 nm so stark gedämpft und breit und verschwindet komplett bei Partikeln kleiner als 2 nm im Durchmesser?

- Die Elektronendichte im "Leitungsband" wird sehr klein
- Die Annahme, dass die Bänder und elektronischen und optischen Eigenschaftem dem Bulkmaterial entsprechen ist nicht mehr tragbar
--> Mie Theorie muss angepasst werden! --> eta ist nicht mehr nur von omega, sondern auch vom Partikelradius abhängig. Des Weiteren erhöht sich das Elektronen-Oberflächen scattering, da die mittlere freie Weglänge der Leitungselektronen durch die Partikelgröße begrenzt ist. In Ag oder Au ist sie sonst etwas 40-50 nm. Je kleiner die Partikel sind, desto schneller erreichen die Eletronen also die Oberfläche, streuen dort und verlieren ihre Kohärenz schneller. --> Plasmonenbandbreite erhöht sich mit kleinerer Größe, sie ist invers proportional zum Partikelradius.

Ein klassisches Forschungsbeispiel an der Grenze zwischem Mie und Quantenverhalten ist der Cluster Au55(PPh3)Cl6. Hier gibt es kaum noch Mie-Resonanz, der Cluster verhält sich schon eher als Molekül (nicht mehr genügend mobile Elektronen für Plasmonenresonanz) und ist nun fluoreszent! Woran liegt das nun?

Wenn die Größe von Halbleiter oder Metallpartikeln die Nanometer erreicht, entstehen einzigartige elektronische Effekte. Dazu und zu den Effekten, die die Form und Größe bei der Synthese bestimmen, kommt aber später noch was, bevor das hier zu lang wird...
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mgritsch
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von mgritsch »

Das blau/rot des Himmels hat nichts mit Teilchendichte zu tun sondern ist ein Streueffekt (Tyndall-Effekt bzw Rayleigh-Streuung https://de.wikipedia.org/wiki/Rayleigh-Streuung). Die gestreute Wellenlänge/Farbe ist winkelabhängig, man kann das schön an einem Glas Wasser mit einem Tropfen Milch oder an kolloid abgeschiedenem Schwefel aus Thiosulfat demonstrieren. Durchlicht wirkt bläulich, Streulicht gelblich. Für die beobachteten Farben am Gold-Kolloid irrelevant.
lemmi hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 12:02 Mit zunehmender Dauer des Versuchs (= zunehmende Dichte der entstehenden kolloidalen Schwefelsuspension) wird das durchgehende Licht immer röter.
Nur das seitlich gestreute, das was gerade durchgeht ist bläulich aufgrund der unterschiedlichen Streuung je Wellenlänge (gelb-Anteil fehlt)!
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mgritsch
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von mgritsch »

Calciumcitrat hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 14:33 Hier geht es primär um Plasmonenresonanz, welche quantitativ durch die Mie Theorie erklärt werden kann.
Wow, danke für diesen „deep dive“ in die Welt der Physik des kleinen und kleinsten! Hier kann man wirklich noch etwas lernen...

Bleibt die Frage wie man das in eine korrekte aber etwas einfacher verständliche Erklärung für einen Artikel zusammenfassen könnte.
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lemmi
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von lemmi »

Schließe mich meinem Vorredner an! Das ist 'ne andere Liga. Bewundere ich, aber mitspielen kann ich da nicht... 8)

Meine angesäuerte, ehemals blaue, Goldlösung war offenbar instabil, sie hat sich über nacht abgesetzt:

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Bild für Illumina 2.2.jpg
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Ich habe Proben derf blauen Lösung (mit Hydrazin), der roten Lösung (mit Ethanol) und des Goldpurpurs mal in verkorkte Reagenzgläser abgefüllt und beiseite gestellt, um zu sehen wie gut sie sich halten.
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von Calciumcitrat »

Auf die Erklärungsfrage bezogen:
Das kommt drauf an, in welchen Größenordnungen Lemmis Partikel hier vorliegen. Sind wir bei > 10-20 nm, reicht es die Plasmonenresonanz zu erklären, Streueffekte spielen dann auch schon rein, während man Quanteneffekte ignorieren kann. Über die Oberflächenresonanz wären dann auch Unterschiede mit verschiedenen Reduktionsmitteln, die eventuell als Liganden dienen, erklärbar. Absorptionsmessungen und DLS wären nun im Labor zur Charakterisierung angesagt. Ersteres liegt vielleicht auch Bereich unserer Möglichkeiten?
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 16:57 Schließe mich meinem Vorredner an! Das ist 'ne andere Liga. Bewundere ich, aber mitspielen kann ich da nicht... 8)

Meine angesäuerte, ehemals blaue, Goldlösung war offenbar instabil, sie hat sich über nacht abgesetzt:
Ja, ich habe mich auch schon gefragt, wieviel Semester Physik man wohl braucht, um das verstehen zu können... :conf: - ohne dabei die Anerkennung solchen Spezialwissens schmälern zu wollen... :angel:

Die Sedimentation dürfte analog zur Goldpurpurbildung gelaufen sein. Wenn eine reduzierte Lösung blau erscheint, sind die Partikel bzw. deren Koagel so gross geworden, dass sie sich nicht mehr dauerhaft in Schwebe halten können.

Aber das ist nur meine bescheidene Laienlogik mit Abwahl von Physik nach der 10. Klasse... Die Physik war nie meine Welt und hätte mir daher in der physikalischen Chemie im Zuge eines zunächst angedachten Studiums sicher noch viel Kopfzerbrechen bereitet... :? Oder wie mein Chemielehrer bzgl. eines Chemiestudiums zu warnen pflegte: sehr gutes mathematisches und physikalisches Grundverständnis werden neben Informatikkenntnissen (und das war erst Anfang der 90er!) und fließendem Englisch vorausgesetzt - in der Chemie selbst kommt ihr während des Grundstudiums nicht über das Leistungskursniveau hinaus. Mit ein Grund, mich damals gegen diese Fachrichtung zu entscheiden... :(

Mein Tipp bzgl. der roten Kolloide: entweder bleiben sie rot und stabil oder aber sie schlagen irgendwann in blau um und sedimentieren dann ebenfalls.
Gott gebe mir die Kraft, zu ändern, was ich verändern kann,
die Gelassenheit, hinzunehmen, was ich nicht verändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
_______________________________________________

Ist das noch o. k. oder auch schon wieder zu viel?...
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von Glaskocher »

Ich tippe darauf, daß die Oberflächenladung der Partikel eine Rolle spielen kann. Je höher und gleichmäßiger die Partikel geladen sind, desto stabiler sollte das Sol sein. Außerdem spielen Adsorptionseffekte mit anderen Molekülen eine Rolle, die dann als Schutzhülle um die Goldpartikel herum liegen. Da gibt es organische Stabilisatoren (Oleylamin, Octadecen, ...) oder anorganische Kolloide wie Zinnhydroxide, die man vorteilhaft einsetzen kann.

Im oben genannten Fall gehe ich von einer Entladung der Oberglächen aus, die dann die Koagulation begünstigt.
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 16:57 Schließe mich meinem Vorredner an! Das ist 'ne andere Liga. Bewundere ich, aber mitspielen kann ich da nicht... 8)
Ich versuche mal zu dolmetschen.
Was ich postuliert habe ("Molekülorbitale" bei Nanopartikeln) ist bedingt richtig. Das gibt es, aber bei der in Frage kommenden Größenordung wird da keine passende Absorption im VIS draus, nur tiefes Infrarot bis Mikrowelle (für ein 10 nm Partikel abgeschätzt 7,4 mm Wellelnlänge)

Was aber schon in Frage kommt, sind "Plasmonen" - das bedeutet dass man sich sozusagen um ein kugelförmiges Partikel herum eine durch das Licht angeregte "stehende Welle" der Elektronen des Metalls an der Oberfläche vorzustellen hat (das geht sich dann mit dem Umfang ganz gut aus).

Abgesehen von "aha, dann halt so" ist das auch sehr relevant weil es bedeutet dass Interaktionen an der Oberfläche unmittelbaren Einfluss auf diese Welle und damit die Wellenlänge haben die absorbiert wird. Und das - abgesehen von Größeneffekten - beobachtetest du ja zB bei Farbänderungen...

@Calciumcitrat - passend vereinfacht / zusammengefasst?
Vanadiumpentoxid hat geschrieben: Sonntag 16. Mai 2021, 18:08 Ja, ich habe mich auch schon gefragt, wieviel Semester Physik man wohl braucht, um das verstehen zu können...
Um es lesen und einigermaßen verstehen zu können genügt ein Diplomstudium Chemie mit einer Vorlesung aus Festkörperhysik. Um es in der Genauigkeit formulieren und selber rechnen zu können schon ein bisschen mehr Vertiefung.
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Re: Tetrachlorogold(III)-säure, kolloidales Gold und Cassisus’scher Goldpurpur

Beitrag von immi07 »

Hallo,

Die Plasmonenresonanz von Nano-Goldpartikeln 13 Seiten PDF Jugend forscht

Gruß Thomas
Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Pläne zu machen, Arbeit zu verteilen, Werkzeug zu holen und Holz zu schlagen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Dann bauen sie das Schiff von alleine.

Du hast eine Handvoll Brombeeren und wirfst sie zur Erde. Sie verbinden sich mit der Erde zu Erdbeeren. Und Brom wird frei.

Können ist, wenn "Glück gehabt" zur Gewohnheit wird.
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