Herstellung von Seife

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mgritsch
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Herstellung von Seife

Beitrag von mgritsch »

Herstellung von Seife

Seife ist eines der ältesten chemischen Produkte der Menschheit, sogar im alten Testament gab es dazu bereits Erwähnungen. Sie ist heute ein allgegenwärtiges Haushalts-Produkt, wenngleich sie teilweise durch moderne, teils wirksamere und effizientere Detergenzien ersetzt wurde. Von der Haptik und dem Gefühl bei der Anwendung her ist sie zumindest als Kulturgut und Toiletteartikel nach wie vor aktuell, nützlich und beliebt.

Der Prozess der Seifenherstellung ist relativ simpel und kann bequem zuhause durchgeführt werden. Bei der Seifenherstellung wird ein Triglycerid (Tri-Ester aus drei Fettsäuren und Glycerin) durch alkalische Hydrolyse gespalten. Die Tatsache, dass der Prozess der Ester-Hydrolyse in der chemischen Fachsprache auch heute noch ganz allgemein "Verseifung" genannt wird, ist eine schöne historische Reminiszenz an dieses Verfahren.

Um eine qualitativ hochwertige Seife herstellen zu können, muss genau die für die Verseifung erforderliche Menge an Natronlauge eingesetzt werden. Die richtige Menge lässt sich aus der sogenannten "Verseifungszahl" leicht errechnen. Diese Zahl gibt an, wie viel Gramm reines NaOH bzw. KOH für eine vollständige Verseifung von 1 Gramm Fett erforderlich sind. (wenn Angabe <1, sonst sind mg pro g gemeint). Zahlenwerte für viele Fette findet man in Tabellen online, auf manchen Seiten gibt es auch fertige "Rezept-Rechner" für rechenfaule.
Sollte man ein unbekanntes Fett vorliegen haben oder sich nicht sicher sein, kann man die Verseifungszahl sehr leicht titrimetrisch selbst bestimmen. Ich habe das für Olivenöl, eine handelsübliche Margarine und für ein etwas ungewöhnlicheres Produkt "Lorbeeröl Pressum" gemacht.

Für die Seifenherstellung gibt es zwei grundsätzliche Prozesse. Bei der Heißverseifung ("Seifensieden") werden die Fette zusammen mit der Natronlauge unter Rühren gekocht, bis die Verseifung abgeschlossen ist. Dann wird Kochsalz zugegeben (Fällung durch gleichionigen Zusatz), wodurch sich aus dem dicken Seifenleim die "Kernseife" abscheidet - diese wird von der Lauge abgetrennt in der sich Wasser, restliche Lauge und das Glycerin der Verseifung befinden. Die Kernseife kann nun mit Zusatzstoffen vermischt, gut geknetet und in Formen gepresst werden wo sie aushärtet. Dieses Verfahren ist etwas aufwändiger und erfordert mehr Erfahrung. Es ergibt eine feste Kernseife die fast kein Glycerin enthält und rasch benutzbar ist. Größter Vorteil ist, dass das Produkt viel einfacher mit Duftstoffen versetzt werden kann, die sonst von der konzentrierten Natronlauge zerstört würden.
Beim Kaltverfahren werden Fett und Lauge kalt vermischt und unter kräftigem Rühren emulgiert. Schon bald setzt die Reaktion ein und die Masse erwärmt sich, sie wird cremiger und dickflüssiger. Der "Seifenleim" wird rasch in passende Formen gegossen und an einem warmen Ort zur Beendigung der Reaktion ruhig stehen gelassen. Das Verfahren ist sehr einfach und rasch durchführbar und ergibt eine glycerinhaltige, pflegende Seife von hoher Qualität. Lediglich bei der Parfümierung kann es zu Problemen kommen. Im Folgenden wird die Durchführung nach dem Kaltverfahren beschrieben.


Geräte:

Für die Analyse: Rundkolben, Rückflusskühler, Titrierkolben, Bürette
Für die Herstellung: Bechergläser, Stabmixer, Formen (zB Silikon, andere flexible Kunststoffbehälter)


Chemikalien:

für die Analyse:
KaliumhydroxidWarnhinweis: c
EthanolWarnhinweis: fWarnhinweis: attn
PhenolphthaleinWarnhinweis: xn
SalzsäureWarnhinweis: c

Für die Herstellung:
NatriumhydroxidWarnhinweis: c
Diverse Fette und Öle (bevorzugt pflanzlich)

Optional: mineralische Farbpigmente, Duftöle, EDTA

Seife


Hinweis:

Bei der Herstellung der Seife wird mit konzentrierter, heißer Natronlauge gearbeitet. Spritzer - vor allem im Auge - können schwerste Verätzungen hervorrufen, es ist unbedingt mit geeigneter Schutzkleidung (Brille, Handschuhe) zu arbeiten!
Wenn kein entsprechendes Becherglas zur Verfügung steht, kann alternativ auch in Gefäßen aus Edelstahl oder Kunststoff (sofern ausreichend temperaturbeständig bis min. 100 °C) gearbeitet werden. Keinesfalls darf man jedoch Gefäße aus Aluminium benutzen, da das Metall durch die heiße Lauge unter Auflösung und Bildung von explosivem Wasserstoff sehr rasch angegriffen und zerstört wird!


Durchführung:

Analyse

Zuerst wurde durch Auflösen von 2,8 g KOH in 100 ml Ethanol (empfohlen: Weingeist, kein Spiritus - die Vergällungszusätze stören) eine ca. 0,5 mol/l ethanolische KOH hergestellt. 25 ml dieser ethanolischen KOH wurden im Titrierkolben mit 25 ml dest. Wasser versetzt und mit einer 1 mol/l Salzsäure (Titer = 1,057) gegen Phenolphthalein titriert. Verbrauch = 11,85 ml (Leerwert).

In einem 50 ml Rundkolben wurden ca. 2 Gramm des zu bestimmenden Fetts genau eingewogen und mit 25 ml der ethanolischen KOH versetzt. Nun wurde 1 Stunde unter Rückfluss und Rühren (oder Zugabe von Siedesteinchen) gekocht. Der Ansatz wurde in den Titrierkolben überführt und der Rundkolben mehrfach mit kleinen Mengen dest. Wasser nachgewaschen und ebenfalls in den Titrierkolben überführt. Nun wurde ebenfalls gegen Phenolphthalein titriert.

Ergebnis:
Leerwert = 11,85 ml
Messwert = 6,30 ml
Verbrauch für die Verseifung = 5,55 ml
Das entspricht bei einer 1 mol/l Salzsäure (Titer = 1,057) einem Verbrauch von 5,87 mmol oder 0,329 g KOH.
Bezogen auf die Einsatzmenge Fett von 1,905 g ist das eine Verseifungszahl von 0,173 g KOH pro g Fett.
Für Natronlauge kann die Verseifungszahl einfach über die molaren Massen umgerechnet werden - in dieem Fall wären das 0,123 g NaOH pro g Fett.

Für Olivenöl konnte der "Literaturwert" (Tabellenwert 0,1345 g NaOH pro Gramm) auf diesem Weg weitgehend bestätigt werden (Messwert: 0,136 g NaOH pro Gramm; nur 1,25 % höher). Auch wenn es sich hier um ein Naturprodukt handelt, das immer gewissen Schwankungen unterliegt, ist doch eine bemerkenswerte artenspezifische Konstanz dieser Werte zu finden. Margarine besteht meist hauptsächlich aus Kokos- und Palmfett das mit Stärke, Wasser und Farbstoffen (z.B. Carotin) gemischt ist. Durch den relativ hohen Wasseranteil (Angabe auf der Verpackung: 70 % Fettgehalt!) ergeben sich niedrigere Verseifungszahlen.


Herstellung von Seife

In einem 2-Liter Becherglas wurden anderthalb Würfel Kokosfett (356,7 g) vorgelegt und bei geringer Hitze verflüssigt. Nachdem das Öl etwas ausgekühlt war, wurden 322,6 g Olivenöl und 354,2 g Rapsöl zugegeben und alles gut gemischt. Genaues Einwiegen der Komponenten ist hier wichtig! Will man Farbstoffe zusetzen, dann können diese jetzt im Öl gut mit dem Stabmixer verteilt werden.

Aus diesen Einwaagen und den Verseifungszahlen lt. Tabelle bzw. eigener Analyse (0,183 für Kokosöl, 0,136 für Olivenöl und 0,135 für Rapsöl) errechnet sich ein Bedarf an NaOH von 157 g. Damit die Seife nicht durch Restmengen NaOH zu stark alkalisch wird, wird eine sogenannte "Überfettung" von bis zu 10% empfohlen - um diesen Anteil ist die NaOH zu reduzieren. Nicht verseifte Fette verleihen dem fertigen Produkt auch einen pflegenden, rückfettenden Anteil. Für mein Rezept wählte ich eine Überfettung von 5%, die einzusetzende NaOH-Menge betrug somit 149,2 g NaOH.

Die Wassermenge in der die NaOH gelöst wird kann ebenfalls variabel gestaltet werden - ein geringerer Wasseranteil ermöglicht ein rascheres Festwerden und eine bessere Formstabilität des Produkts; setzt man mehr Wasser ein dann bleibt der Seifenleim länger gut verarbeitbar. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, 30% des Fett-Gewichts als Wasser einzusetzen, das entspricht in diesem Fall 310 ml.

In ein Becherglas wurden 149,2 g NaOH eingewogen und unter gutem Rühren rasch 310 ml dest. Waser zugesetzt. Vorsicht, beim Auflösen kommt es zu einer sehr starken Erwärmung und Aerosolbildung - hier ist unbedingt mit Schutzausrüstung und ggfs. im Abzug oder im Freien oder mit Atemschutz zu arbeiten! Die NaOH wurde nun auskühlen gelassen, bis sie nur noch handwarm war.

Das vorbereitete Öl wurde mit dem Stabmixer auf maximaler Drehzahl gut gerührt und dann langsam die Natronlauge zugegeben. Nun wurde so lange gut gemixt und umgerührt, bis sich eine optimale cremige Konsistenz eingestellt hatte. Erkennbar ist das daran, dass ein Tropfen des Seifenleims nicht mehr sofort in der Oberfläche versinkt bzw. der Becherglasinhalt vom Stabmixer nicht mehr komplett umgewälzt wird. Will man Duftöle zusetzen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, aber man muss bereits sehr rasch handeln - sonst wird der Seifenleim im Becherglas so dickflüssig, dass er nur noch schwer in Formen gegossen werden kann.

Nun wurde der Seifenleim rasch in die vorbereiteten Formen gegossen und ruhig an einen warmen Ort gestellt. Nach 24-48 Stunden sollte die Konsistenz vorsichtig überprüft werden - die Seife sollte jetzt bereits fest genug sein um unbeschadet ausgeformt werden zu können. Speziell bei größeren Blöcken ist es zu empfehlen, jetzt auszuformen und in gebrauchsfertige Stücke zu schneiden. Jetzt ist die Seife noch relativ weich und kann wie warmes Wachs einfach mit dem Messer geschnitten werden. Ist die Seife erst mal ganz ausgehärtet, kann sie nur noch schwer unbeschadet geschnitten werden.

Die Seifenstücke wurden locker auf einem Holzbrettchen aufgestellt und noch 2 Wochen fertig "reifen" und trocknen gelassen, dann waren sie gebrauchsfertig. Von einem früheren Gebrauch wird dringend abgeraten, da die Seife noch größere Anteile unverbrauchte NaOH bzw unverseiftes Fett enthält. Sie ist noch bei weitem zu alkalisch und würde empfindliche Hautstellen reizen bzw. wäre mit dem Fettanteil auch keine gute Reinigungswirkung zu erzielen. Manche Rezepte geben auch Reifezeiten von 4-6 Wochen an, meiner Erfahrung nach ist das aber nicht unbedingt notwendig.


Entsorgung:

Abfälle und Restmengen können ggfs. nach Neutralisation über den Hausmüll oder die Kanalisation entsorgt werden.


Erklärung:

Natronlauge reagiert mit Fetten (Triglyceriden) zu Natriumsalzen der Fettsäuren und Glycerin.
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mit R1, R2 und R3 = Alkylreste mit überwiegend C11 - C17, teils mit 1 - 3 Doppelbindungen. Häufigste Vertreter sind: Die Verseifungszahl ist dabei nicht nur eine "seifentechnisch" relevante Kennzahl sondern gibt auch eine grobe Orientierung über die vorhandenen Fettsäuren. Fette mit vor allem kurzkettigen Fettsäuren haben eine größere Verseifungszahl, da aufgrund der kleineren Fettsäure-Moleküle der Anteil an zu spaltenden Esterbindungen pro Masse relativ größer ist.

Bei allen Seifenrezepten macht es Sinn, ausgewogene Mischungen von Fetten und somit Fettsäuren einzusetzen. Kurzkettige Fettsäuren (C10-C16) ergeben eine sehr harte, feste Seife mit einem groben und wenig stabilen Schaum; langkettige (C18-C22) ergeben eine eher rasch erweichende, sehr cremige Seife. Seifen aus nur einem einzigen Fett sind selten besonders gut. Fette mit hohem Anteil ungesättigter Fettsäuren (Linolsäure, Linolensäure) neigen auch in der Seife noch dazu ranzig zu werden und sollten daher nicht in zu großer Menge enthalten sein. Olivenöl ist von Anfang an recht gut ausgewogen in der Zusammensetzung und kann als "Basis" in größerer Menge eingesetzt werden. Als Quelle für ausreichend kurzkettige Fettsäuren bietet sich vor allem Kokosfett an, es sollte daher immer ein Bestandteil sein. Fette mit markantem Eigengeruch (z.B. Leinöl) sollte man nur sparsam einsetzen. Seifenrezepte (Ölmischungen) findet man im Internet in großer Menge.
Benutzt man statt Natronlauge Kalilauge, so erhält man eine Schmierseife die nicht fest wird. Einen gewissen Anteil an KOH tolerieren die Seifenrezepte aber (getestet: 20% war kein Problem) und werden trotzdem noch normal fest. Seifen die KOH enthalten, schäumen besonders gut und haben auch eine sehr gute Reinigungswirkung. Die Mengen an NaOH sind natürlich entsprechend molar zu reduzieren.

Als Farbstoffe sollte man unbedingt (mineralische) unlösliche Pigment-Farben benutzen (z.B. Chromoxid-Grün, Titan-Weiß, Eisenoxidrot). Lösliche Farbstoffe würden später die Hände und das Badezimmer färben. Auf 1 kg Öl genügt je nach gewünschter Farbintensität ca. ein Teelöffel Pigment.
Optional kann auch etwas EDTA in der Natronlauge mit aufgelöst werden (z.B. 1-3% bezogen auf die Fettmenge). EDTA hilft, das Ca und Mg im Leitungswasser zu komplexieren, dadurch bilden sich im Gebrauch weniger Ablagerungen an "Kalkseife" und die Seife schäumt besser.

Da im Kaltprozess für lange Zeit eine große Menge freier Natronlauge vorliegt, kann es bei Verwendung von Duftstoffen zu mehreren Problemen kommen. Zum einen werden viele Duftstoffe (vor allem Ester, Aldehyde, Ketone) durch die Natronlauge angegriffen und zersetzt - das fertige Produkt riecht daher anders oder nur noch sehr schwach. Gut stabil sind Alkohole (Zimtalkohol, Linalool). Auch fertige Duftöl-Mischungen der Noten Patchouli, Zitrusfrüchte oder "Winterzauber" aus dem Billig-Laden haben sich als ausreichend stabil erwiesen - Dosierung: 20 ml auf 1 kg Öl. Ggfs kann man auch passende kommerzielle Seifen-Parfums erwerben.Zum anderen beeinflussen die Duftstoffe auch den Verseifungsprozess, vor allem wenn sie Alkohol oder andere Bestandteile enthalten, die als Lösungsvermittler zwischen Öl und Natronlauge wirken. Der Verseifungsprozess kann dadurch so stark beschleunigt werden, dass es zu einer Klumpenbildung oder Überhitzung kommt, der ganze Ansatz kann dann unbrauchbar werden. Ob ein Duftstoff geeignet ist, sollte daher immer mit einem kleinen Testansatz geprüft werden.

Auch andere Zusatz- oder Füllstoffe können nach belieben beigemischt werden, sollten aber immer vorher auf Kompatibilität getestet werden.


Bilder:

01.jpg
Fett-Analytik: Bestimmung der Verseifungszahl.

02.jpg
Alle Komponenten sind griffbereit vorbereitet

03.jpg
Seifenleim ist in die Formen abgefüllt

04.jpg
fertig geschnitten - bereit zur Reife!
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immi07
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Re: Herstellung von Seife

Beitrag von immi07 »

Hallo mgritsch,

"Papa, was ist EDTA?" Klick doch drauf, dann kommt Wiki. "Geht nicht. Wahrscheinlich die c-Dinger"
"Papa, das müssen wir auch machen."

Danke und Gruß
Johanna und Thomas

Edit fragt: Machst Du Deine Seife immer selber?
Ist die Kulisse im 2. Bild ein Abzug mit fest installierter Stativstange?
Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Pläne zu machen, Arbeit zu verteilen, Werkzeug zu holen und Holz zu schlagen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Dann bauen sie das Schiff von alleine.

Du hast eine Handvoll Brombeeren und wirfst sie zur Erde. Sie verbinden sich mit der Erde zu Erdbeeren. Und Brom wird frei.

Können ist, wenn "Glück gehabt" zur Gewohnheit wird.
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mgritsch
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Re: Herstellung von Seife

Beitrag von mgritsch »

jo, die "optionalen" Chemikalien hatte ich nicht so richtig in de Liste gestellt, wollte nicht mit einer zu komplizierten "Shopping-Liste" abschrecken wenn Seife doch auch ganz Natur ohne diese Zusätze geht.

EDTA ist das hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Ethylendi ... s%C3%A4ure
Als Chemikalie vor allem in der Analytischen Chemie extrem nützlich - mit EDTA-Lösungen und passenden Indikatoren lassen sich wahnsinnig viele Metalle durch Titration sehr empfindlich und genau quantitativ bestimmen. Haben wir schon einige Artikel hier, Allerwelts-Anwendung wäre zB die Messung der Wasserhärte (Ca, Mg). Eines meiner persönlichen Lieblingsgebiete.

Ja, nachdem die ersten Versuche recht rasch guten Erfolg gezeigt haben bin ich da inzwischen Selbstversorger, aus Freude an der Sache. Ein "Batch" Seife wie im Rezept sind gut 10-12 anständige Stücke und <1 Stunde Arbeit.

Und ja, das ist eine fest montierte Stativstange :) Alu-Rundstäbe, bisschen bohren und feilen, bisschen Gewinde schneiden, bisschen schrauben, ab damit in die Wand und fertig. Wollte auch noch mindestens eine zweite aber dann war ich ein bisschen zu faul :) und dann ist es auch oft angenehmer wenn man das zweite Stativ (zB Vorlage bei Destillation) flexibler im Raum platzieren kann.
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lemmi
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Re: Herstellung von Seife

Beitrag von lemmi »

Sehr schöne, praxisnahe Anleitung zur Eigenfabrikkation von Seife! Gut gefällt mir auch die vorangehende Analyse der Fette, um eine adäquate Menge Lauge zu verwenden! :thumbsup:

Ich habe das vor laaaanger Zeit auch mal gemacht, allerdings nicht so ausgefeilt und nur mit Heißverseifung. Ich habe Palmfett verwendet, die Seife ausgesalzen und dann unter Zusatz von Glycerin erneut geschmolzen und in Formen gegossen. Ist natürlich ein bisschen dämlich, das Glycerin erst rauszuwaschen und dann wieder zuzusetzen, aber damals gab es die "Fundgrube Internet" noch nicht und ich habe da selbst herumexperimentiert.

Du schreibst, kurzkettige FS gäben einen wenig stabilen, groben Schaum. Ist das deine Erfahrung? Mein Laborbuch (Eintrag vom 1.10.1987 :mrgreen: ) sagt, dass ich mit Palmöl (kurzkettige FS) eine viel besser schäumende Seife erhalten habe, als mit Olivenöl.

Die Analyse des Produktes wäre noch interessant! Zunächst mal würde ich mich davon überzeugen wollen, dass die Seife wirklich nicht zu viel freies Alkali enthält (von wegen Säureschutzmantel der Haut und so!). Als Prüfvorschrift könnte man diejenige aus dem DAB6 zu Sapo medicatus (medizinischer Seife) verwenden:

Zwischenablage01.jpg
Zwischenablage01.jpg (109.97 KiB) 3954 mal betrachtet
noch 2 Wochen fertig "reifen" und trocknen gelassen, dann waren sie gebrauchsfertig. Von einem früheren Gebrauch wird dringend abgeraten, da die Seife noch größere Anteile unverbrauchte NaOH bzw unverseiftes Fett enthält. Sie ist noch bei weitem zu alkalisch und würde empfindliche Hautstellen reizen bzw. wäre mit dem Fettanteil auch keine gute Reinigungswirkung zu erzielen. Manche Rezepte geben auch Reifezeiten von 4-6 Wochen an, meiner Erfahrung nach ist das aber nicht unbedingt notwendig.
Ist das eine qualitative Erfahrung, oder hast du das untersucht? :)

Letzteres wäre doch mal sehr spannend: Bei der nächsten Produktion aus der Masse zu verschiedenen Zeiten eine kleine Probe ziehen - sagen wird kurz nach dem Umgießen in die Formen und dann an Tag 1,3 ,7 ,10 und 14 - in etwas Ethanol lösen und mit HCl gegen Phenolphtalein titrieren. So müsste man gut verfolgen können, wie schnell die Verseifung fortschreitet. Das Resultat wird von der Umgebungstemperatur abhängen. Meine Vermutung wäre, dass die eigentliche Verseifung ziemlich bals vollendet ist. Die angegebenen langen Reifungszeiten haben vermutlich andere Gründe (Bildung stabilerer Stücke, teilweises Verdunsten von Wasser etc.)
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
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Re: Herstellung von Seife

Beitrag von mgritsch »

Du findest immer etwas das zu hinterfragen wert ist :D

Schäumen: das kommt drauf an wie man es betrachtet. Im Reagenzglas ein bisschen Lösung geschüttelt ist eines, mit dem ganzen Seifenstück in der Hand etwas anderes. Dadurch dass die längerkettigen recht leicht erweichen, löst sich sehr viel mehr auf und du hast einen cremigen, dichten Schaum in der Hand. Die harte Kokosseife gibt im Gebrauch schon mal weniger her, die Blasen sind dann mehrere mm groß (also grundsätzlich eh okay...) aber einfach anders. Wie geschrieben - eine Seife aus einem Öl allein ist nicht optimal, reine Olivenölseife ist nicht gut, weiß ich, da ist reine Kokosseife etwas besser aber auch nicht toll. Mein Rezept oben finde ich ziemlich optimal, probiere es aus. Btw, Rizinusöl enthält zB vor allem Ricinolsäure, eine ungesättigte Hydroxyfettsäure. Ein Zusatz davon (paar %) ist auch als „Schaumbooster“ bekannt.

Die DAB6 Prüfung kann ich gerne machen, das ist eine super Ergänzung.
Darf ich dazu das hübsche Kurrent-Schrift-Bild mit einbauen? :)

Den Prozess so genau verfolgen dafür habe ich nicht so recht die Motivation :) wie rasch es tatsächlich geht hängt von sehr vielen Dingen ab. Ein großer Block der etwas isoliert ist, entwickelt so viel Wärme dass es zu einer Kettenreaktion kommt und der schon fest gewordene Leim verflüssigt sich durch die Hitze wieder etwas („Gelphase“, etwas dunkler, sieht man auf meinem Bild ein wenig in der Box) während die kleineren Stücke langsamer in emulgiertem Zustand verseifen. Auch von den Fettsäuren hängt es ab - die kurzkettigen verseifen deutlich schneller. Dazu sinnvolle Versuche erfordern ausgiebige Temperaturkontrolle, sonst sind es Zufallswerte. Manche beschleunigen das Verfahren auch absichtlich indem sie die Kaltverfahren-Seife nach dem Gießen ins Backrohr stellen, danach reichen wenige Tage Trockenzeit.

Die Erfahrung ist jedenfalls qualitativ und für die Herstellung ausreichend :) Die Seife nach wenigen Tagen benutzen macht definitiv keinen Spaß. Ich schätze das hat nicht so viel mit Trocknen zu tun denn eher mit Verseifungsgrad. Wie immer, am Anfang geht es rasch, danach sind die Edukt-Konzentrationen gering und es wird alles sehr langsam. 90% Umsetzung hinterlässt immerhin 15% freies Fett (inklusive der geplanten überfettung) und auf die Gesamtmasse meines Rezepts bezogen gut 1% freie NaOH. Und das merkt man in jeder Hinsicht - freie NaOH macht die Haut schon in relativ geringer Menge unangenehm glitschig; freies Fett sorgt dafür, dass es sich nicht sauber anfühlt. Fraglich ist auch welche Wirkung auf das Produkt teilverseifung hat (zurückbleibende Mono- und Diglyceride).
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lemmi
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Re: Herstellung von Seife

Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: Formatierung leicht angepasst, korrekturgelesen und verschoben]
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

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