Frage und Antwort zum Glasapparatebau

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PSE
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Frage und Antwort zum Glasapparatebau

Beitrag von PSE »

Wie ich ja in meiner User-Vorstellung bereits geschrieben hatte, kann ich hier gerne eure Fragen zur Herstellung, Reparaturen und Umgang beanworten.


Was ist Borosilikatglas?

Es handelt sich um ein mittellanges Glas welches sich durch seine hohe Beständigkeit ggü. chemischen und thermischen Einflüssten auszeichnet.
Mittellang bezieht sich auf den "mittelgroßen" Temperaturbereich in dem es sich bearbeiten lässt.
Hier mal die Zusammensetzung laut Wikipedia:
70 % bis 80 % Siliciumdioxid (SiO2)
7 % bis 13 % Bortrioxid (B2O3).
4 % bis 8 % Alkalioxiden (Natriumoxid Na2O; Kaliumoxid K2O)
2 % bis 7 % Aluminiumoxid (Al2O3)
0 % bis 5 % Erdalkalioxiden (CaO, MgO, …)

Entscheidend ist dabei der Gehalt an Bor(III)oxid welches den geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten von α= 0,0000033 m/K zur Folge hat.


Womit lässt sich Borosilikatglas verschmelzen ohne dass es zur Rissbildung (mechanische Spannungen) kommt?

Es lässt sich mit allen Gläsern kombinieren die nicht weiter als α= +/- 0,0000007 m/K abweichen.
Für alle Gläser darüber und darunter gibt es die sogenannten "Schatelhalme" die sich fertig kaufen lassen.
Das am meisten verwendete reine Metall ist Wolfram, das sich in Form der grün markierten Schweißelektroden im Fachhandel finden lässt.
Es gibt allerdings noch spezielle Einschmelzlegierungen die ebenfalls für Boro geeignet sind.


Welche Flammentemperatur und Wärmeleistung benötigt man für die Bearbeitung von Borosilikatglas?

Der Brenner an dem ich gelernte habe hatte eine Temperatur von 2800°C (Erdgas/Sauerstoff) und 22kW Leistung.
Damit lassen sich z.B. noch 2L Dreihalsrundkolben mit NS 29 herstellen oder Rohrdruchmesser bis ~130mm an der Drehbank bearbeiten.
Wer ein Autogenschweißgerät besitzt kann beim Einsatz von Propan anstatt Acetylen damit aber auch gut Arbeiten. Acetylen würde zu heiß verbrennen und zum Aufschäumen des Glases führen.


Bei welcher Temperatur muss Borosilikatglas entspannt werden?
500°C - 550°C wobei stufenweise getempert werden muss.
Sprich ein Muffelofen mit entsprechendem Teperaturprogramm ist vollkommen ausreichend.
Bei kleineren Bauteilen/Glasanhängern ist gründliches Vor- und Nachwärmen ebenfalls praktikabel, sollte aber bei kritischen Anwendungen nicht angewendet werden!


Wo bekomme ich entsprechendes Material her?

Beim Glasapparatebauer vor Ort oder an der Uni nach Glasschrott fragen.
Ansonsten hier: https://www.g-v-b.de/
Wer an der Schmuckherstellung aus Boro interessiert ist, sollte sich parallel in Amerika umschauen.
Es gibt u.A. thermochromes, irisierendes als auch inzwischen phosphoreszierendes Borosilikatglas!


Womit bearbeitet man Borosilikatglas?

Die handgeführten Werkzeuge (Auftreiber) bestehen aus Graphit, Glaskohlenstoff (sehr teuer) oder aus Messingblech welches man regelmäßig mit Kerzenwachs benetzen muss. Man kann sich also eine kleine Vigreux-Kolonne mit einem handelsüblichen Bleistift basteln :D
Geschliffen wird unter Wasserkühlung mit entsprechendem Diamantwerkzeug (z.B. Normschliffe) oder auf einer rotierenden Stahlscheibe mit losem Korn.
Dafür wird i.d.R. Siliziumcarbid mit unterschiedlichen Korngrößen genutzt.
Wer bis zur Politur gehen will, kann es mit einfachem Eisen(III)oxid ausprobieren.


So, das war es erstmal! Wollte eigentlich noch mehr schreiben, aber ich werde gerade dazu genötig mich um das tägliche Einerlei zu kümmern... :roll:
"Bei seinen Experimenten mit der gefährlichen Verbindung kam es zu einer Explosion, bei der Dulong drei Finger verlor, was ihn dazu anregte, den Stoff weiter zu untersuchen."
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Das ist eine solide Information zum Beginn eines sehr interessanten Threads!

Ich trage mal einige Brennertypen zusammen, mit denen der Laie im Labor arbeiten kann, ohne sofort die "Buddel" leer zu saugen, denn: Ohne OOs nix loos!


Atmosphärische Brenner mit Erdgas oder Propan:
Der klassische Bunsenbrenner oder die Lötlampe mit Propan (Butan) ist eine recht günstige Wärmequelle im Labor. Mit diesem Brenner kann man AR-Röhrchen und Stäbe biegen, kleine Kugeln daraus blasen und zur Not auch zwei Rohre verbinden. Fiolax-Glas läßt sich noch so geradeeben dünn ziehen und zur Ampulle abschmelzen, aber ordentliche Arbeit ist nicht drin. Bei Borosilikat kann man nur noch Schnittkanten "entschärfen" und dünne Röhrchen biegen oder knicken. Ordentliche Verbindungen unmöglich.
In der Perlenmacherszene werden derartige Brenner als "Eingasbrenner" bezeichnet, da sie nur ein Brenngas per Schlauch zugeführt bekommen. Es gibt einen amerikanischen Brennerkopf, den "Hot-Head", der mit Propan eine recht gute Flamme macht und mit MAPP-Gas etwas heißer und sauberer brennt. In Deutschland erhältliche Gaskartuschen (400g im Spraydosenformat) enthalten eine Propan-Butan-Mischung. Es gibt auch Kartuschen mit MAPP-Gas-Mischung, die aber nur zur Hälfte halten, was sie versprechen. Der Rest ist Sondermüll, weil die Dose nie leer werden kann.

Propan-Sauerstoff-Brenner:
Es gibt auch Brenner, die sich mit einem Sauerstoffkonzentrator betreiben lassen. Ihre Leistung ist allerdings deutlich kleiner als die eines Glasbläserbrenners. Diese kleineren Brenner werden im Glaskunstbereich von Perlenmachern gerne eingesetzt. Neben den reinen "Oberflächenmischern", Brenner mit getrennter Gasführung bis zum Verlassen der Düsenplatte, gibt es auch Vormischbrenner (Daniell-Hahn) und ein Zwischending als "Thüringerr Modell". Die Firma H.Arnold hat einige Typen im Angebot und aus Amerika kommen mindestens vier verschiedene Hersteller. Für einen 5L-Konzentrator eignen sich u.A. der Minour-Burner von Nortel, der Minni-CC von Charlisle, der Alpha von Bethlehem und der Bobcat und Cricket von GTT (Glass Torch Technology). Diese Hersteller haben noch weitere größere Modelle im Programm. Jeder dieser Brenner hat eine etwas andere Flammcharakteristik. Es lassen sich Borosilikat-Stäbe bis ca. 20mm und -Rohre bis 30mm verarbeiten, sowie Murmeln bis ca. 40mm formen. Das ist aber schon das absolute Maximum, wo man sehr vorsichtig und konzentriert arbeiten muß. Einen 100ml-Kolben kann ich damit reparieren, Größeres wird schwierig, wenn der "Stern" zu groß ist.


Farbgläser:
Viele handelsübliche Farbgläser brauchen eine an ihren Bedarf angepasste Flammchemie, die meistens neutral bis leicht oxidierend sein sollte. Die maximale Wärmeleistung bringt der Brenner allerdings bei einem leichten Überschuß an Brenngas, wenn nicht der gesamte Kohlenstoff vollständig verbrannt wird. Bei manchen Gläsern darf/soll man auch vorsichtig reduzieren, um bestimmte Lüster- und Glanzeffekte hervorzurufen.
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mgritsch
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Re: Frage und Antwort zum Glasapparatebau

Beitrag von mgritsch »

PSE hat geschrieben:Wärmeausdehnungskoeffizienten von α= 0,0000033 m/K .... nicht weiter als α= +/- 0,0000007 m/K abweichen...
solche Zahlen lassensich in Exponentialschreibweise deutlich besser (und fehlerfreier :)) lesen und schreiben... also 3,3 10-6 m/K bzw. 0,7 10-6 m/K
Für alle Gläser darüber und darunter gibt es die sogenannten "Schatelhalme" die sich fertig kaufen lassen.
Das am meisten verwendete reine Metall ist Wolfram, das sich in Form der grün markierten Schweißelektroden im Fachhandel finden lässt.
was ist denn das? noch nie gehört :)
Bei welcher Temperatur muss Borosilikatglas entspannt werden?
500°C - 550°C wobei stufenweise getempert werden muss.
Sprich ein Muffelofen mit entsprechendem Teperaturprogramm ist vollkommen ausreichend.
also die einfachen Bastelarbeiten die ich beim Glasbearbeiten gemacht habe, da hat es gereicht in der mehr oder weniger leuchtenden Flamme "auszukühlen"....
Wie darf man sich das vorstellen mit Muffelofen? Ich kann doch ein frisch bearbeitetes Glas da nicht einfach rein legen, das würde sich doch noch verformen?
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Der Ausdehnungskoeffizient von Borosilikatglas wird in wissenschaftlichen und technischen Texten in der Maßeinheit 3,3*10-6 1/K angegeben. Im Umgangssprachlichen wird gerne "AK 33" gesagt, durch das Weglassen von "*10-7 1/K" spricht sich das angenehmer, besagt aber das Gleiche.

Einige übliche Gläser mit Ausdehnungskoeffizienten:
Quarzglas: 0,54*10−6 1/K
Borosilikat: 3,3*10-6 1/K
G20 und FIOLAX: 5,0*10-6 1/K
Floatglas: 8,7*10-6 1/K
Behälterglas: 8,5-9,5*10-6 1/K
AR-Glas und BULLSEYE Fusingglas: 9,0*10-6 1/K
Typische Studiogläser und System96: 9,6*10-6 1/K
Gläser für Glasperlen und andere Lampenarbeiten: 10,4*10-6 1/K
Gläser für Glasaugen: 12-15*10-6 1/K
Japanische Bleigläser für Lampenversrbeitung: 12-15*10-6 1/K


Der "Schachtelhalm" ist ein Rohr, das vom einen Ende zum Anderen eine Abfolge verschiedener Gläser aufweist, die jeweils zum Nachbarglas eine erträgliche Differenz in der Wärmeausdehnung aufweisen. Man muß über mehrere Übergangsgläser abstufen, um Quarzglas mit Borosilikat verbinden zu können. Solche Verschmelzungen sind recht heikel, da sie permanente innere Spannung aufweisen, die durch Tempern nicht zu beseitigen ist. Besonders das Ende zum Quarzglas ist recht empfindlich.


Zum provisorischen "Kühlen" reicht es oft, wenn man das Werkstück in der weichen, leuchtenden Flamme bewegt, bis es überall leicht eingerußt ist. Die Rußschicht sollte immer sofort leicht aufglühen, wenn die Stelle von der Flamme getroffen wird. Um ausreichend lange zu tempern kann man den Ruß auch mit der weichen, nicht leuchtenden Flamme fast wegbrennen und danach wieder dünn "auftragen". Das dunkelrote Glühen des Rußes entspricht ungefähr 500-550°C.

Beim Tempern gibt es zwei Strategien, die möglich sind. Das "gut warme" Werkstück in den vorgeheizten Ofen legen ist nur bei sehr komplizierten und dickwandigen Teilen nötig. Man transportiert die Teile mit ca. 400-550°C in den Ofen, wenn sie hart genug sind um sich nicht zu verformen. Das Meiste wird nach der Bearbeitung in der Flamme abgetempert und an der Luft oder in Isoliergranulat abkühlen gelassen, bevor es in den kalten Ofen gelegt wird. Man heizt den Ofen dann langsam auf die maximale Temperatur, bei der sich das Werkstück noch nicht unter dem Eigengewicht verformt. Diese Temperatur wird einige Zeit gehalten und dann langsam auf die Temperatur abgekühlt, unterhalb das Glas wie ein spröder Feststoff reagiert. Bei großen Werkstücken wird dann noch einige Zeit gehalten und anschließend so langsam abfekühlt, daß Temperaturunterschiede im Werkstück nicht zu seiner Zerstörung führen. Bei kleinen Dingen wird der Ofen einfach abgeschaltet und seine natürliche Abkühlkurve ist langsam genug, um das Glas heil zu lassen.


Tests, um die richtige Temperaturen im eigenen Ofen zu finden:
Mindesttemperatur ermitteln:
Man nimmt ein Glasteil (Stab) und schmilzt das Ende in der Flamme, wärmt etwas nach und läßt ihn abkühlen. Dann betrachtet man das bearbeitete Ende zwischen zwei gekreuzten Polarisationsfiltern, um die Spannungen zu sehen. Jetzt wird der Stab in den Ofen gelegt und der Ofen auf ca. 450°C aufgeheizt, eine halbe Stunde gehalten und abgeschaltet. Der erkaltete Stab wird erneut zwischen den Polfiltern betrachtet. Wenn die Spannung noch da ist, dann wiederholt man das Experiment mit 20°C höherer Temperatur und einem frisch angeschmolzenen Stab, bis die Spannung im Glas nicht mehr sichtbar ist.

Eine gute Quelle für polarisiertes Licht sind Flüssigkristallbildschirme.

Höchsttemperatur ermitteln:
Man legt einen ca. 30cm langen Stab mit den Enden auf zwei Klötzchen in den Ofen und erhitzt auf die letzte vorhin ermittelte Temperatur. Nach einer halben Stunde sieht man nach, ob der Stab noch gerade ist. Wenn ja, dann erhöht man die Ofentemperatur um 20°C, wartet erneut und beobachtet ihn wieder. Man sollte beim Tempern immer unterhalb der höchsten Temperatur bleiben, bei der der Stab noch gerade geblieben ist.
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PSE
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Beitrag von PSE »

Ich hatte es irgendwann aufgegeben die Beträge mit Exponenten zu versehen, da mir in der Vorschau des Beitrages nur die Befehle angezeigt wurden.
Aber ich habe es inzwischen herausgefunden: -6 :D
Ist wiegesagt etwas länger her dass ich in einem Forum mit verwandtem Layout unterwegs war...

Vielen Dank an Glaskocher für die ausführlichen Ergänzungen. Ich werde die Tage noch weitere Infos und Dokumente beitragen.

Ich habe mal ein par Kleinigkeiten aus meiner Ausbildung zusammengesucht:
Bild

Die Beiden Normschliffflaschen waren mal Nuckelflaschen die ich auf dem Sperrmüll gefunden hatte.
Also das Glasgewinde abgesägt und an der Drehbank einen starkwandigen NS29 drangesetzt.

Die Kugel unten links war Teil der Zwischenprüfung und die "Locke" entstand durch die sich immerwieder verstellende Glasrohrwickelmaschine (Modell aus den 60er Jahren...).

Die Teile der Abschlussprüfung (250mm Destillationsbrücke nach Liebig mit Vakuumvorstoß und 500ml Dreihalsrundkolben) habe ich leider nicht zur Hand.
"Bei seinen Experimenten mit der gefährlichen Verbindung kam es zu einer Explosion, bei der Dulong drei Finger verlor, was ihn dazu anregte, den Stoff weiter zu untersuchen."
RicHard
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Re: Frage und Antwort zum Glasapparatebau

Beitrag von RicHard »

Erstmal danke fürs Teilen eurer Expertise;)
Die Beiden Normschliffflaschen waren mal Nuckelflaschen die ich auf dem Sperrmüll gefunden hatte.
Also das Glasgewinde abgesägt und an der Drehbank einen starkwandigen NS29 drangesetzt.
Dann müssen die ja auch aus Boro gewesen sein, oder? Hätte ich nicht gedacht...

Also mich würde zum Thema Folgendes interessieren:
Was gehört zu einer vernünftigen Grundausrüstung für den Glasapparatebau, der über das Bearbeiten von kleinen Röhrchen mit dem Bunsenbrenner hinausgeht? Also sagen wir mal das Anfertigen von Übergangsstücken aus Normschliffhülsen, bzw. -kernen oder Ähnliches.
Da ich mir das hobbymäßig selber beibringen möchte und auch kein Problem mit Investitionen habe, frage ich mich was nötig ist.

Ich würde mal den Anfang wagen:

Ausrüstung:
-feuerfeste Unterlage/Werkbank
-Guter Brenner (klassischerweise Arnold Zenit)
-Zubehör wie Gasschläuche, Gasflaschen (O2, Propan)
-Glasschneider
-Auftreiber (verschiedene Größen?)
-Kohleplatten (verschiedene Größen?)
-Kohlepaddel (verschiedene Größen?)
-Wolfram-/Graphitstäbe
-Didymiumbrille
-Pinzetten
-Sechskantkohlen (verschiedene Größen?)
-Quetschzange
-Halterung für Kolben o.ä. wie zB. Krallen
-Roller
-Einschneideisen (V-Block)
-Einblasgelenk + Schlauch + Mundstück
-diverse Stopfen

Materialien:
-Glasrohre verschiedener Durchmesser und Wandstärken, vorzugsweise aus Boro 3.3
-Schliffrohlinge wie Kegel- oder Kugelschliffe und Oliven

Selbstverständlich kein Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit :lol:

Empfehlenswerte Lektüre zum Thema gibt es übrigens auch: Paul Le Pinnet - Laboratory Scientific Glassblowing. Bin auf das Buch durch einen älteren Forenbeitrag hier auf Illumina aufmerksam geworden und habe es direkt bestellt. Glaspparatebauer ist sicher einer der Berufe, die sehr viel Übung und Routine erfordern und man wahrscheinlich sein Leben lang Neues lernen kann und besser wird, dennoch will ich mir das ein bisschen beibringen und dazu ist dieses Buch glaube ich sehr gut geeignet, da jedes Detail gut beschrieben wird.

Was mich noch besonders interessieren würde: Beim klassischen Muffelofen liegen die Heizdrähte hinter dem Schamott. Kämen für das Tempern auch normale Brennöfen in Frage, bei denen die Heizdrähte innen liegen oder veträgt sich die starke Hitzeentwicklung an den Drähten schlecht mit dem Glas? Und ab welcher Werkstückgröße macht so eine Anschaffung überhaupt Sinn? Bei kleinen Dingen kann man ja, wie bereits erwähnt, "manuell" tempern. Aber was ist schon klein?
Glaskocher
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Re: Frage und Antwort zum Glasapparatebau

Beitrag von Glaskocher »

Ein "klassischer" Brennofen ist von seiner Bauart her vermutlich auch geeignet, was die Wärmeverteilung im Inneren angeht. Das Problem liegt eher an der Ofensteuerung. Ein Keramikofen braucht selten mehr als drei Segmente in der Heizkurve, während eine Temperkurve oft mehr Segmente braucht. Keramiköfen sind oft eher kubisch vom Innentaum, während Temperöfen eine breitere Grundfläche und geringere Höhe besitzen. Das läßt sich teilweise durch eingebaute Regale kompensieren, aber in hohen Öfen besteht meistens ein Temperaturgradient in der Vertikalen. Das solte man beim Beladen beachten und oben kleinere und leichtere Teile einräumen. Außerdem sollte man von offen liegenden Drähten immer Abstand halten, ein Arbeiten in den vorgeheizten Ofen ist bei offenen Heizelementen (ohne Quarzrohr) nicht ratsam, da man versehentlich strom führende Teile berühren kann, wenn der Türkontakt nicht richtig funktioniert.

Mit der Zeit werden sich noch einige weitere Materialien und Hilfswerkzeuge ansammeln, die bisher noch nicht genannt wurden. Graphitfolie ist ein sehr nützliches Material, da sie Unebenheiten von ungeschliffenen Ansteckern kompensieren und den Halt darauf mit etwas Elastizität unterstützen kann. Es werden sich auch einige Anstecker (Schliffe mit handlichen Rohransätzen) ansammeln, die man aus oben genanntem Rohmaterial bedarfsgerecht herstellen kann.

Um kleine Teile isoliert abkühlen zu lassen hat sich eine Wanne mit Vermiculite oder Hohlkugelkorund bewährt. Das Vermiculite hat die früher beliebten Asbestflocken endlich abgelöst. Es handelt sich dabei um Blähglimmer, den es in verschiedenen Körnungen gibt. Man gräbt das Werkstück darin ein und läßt es dann erkalten. Mit der Zeit verdichtet und zerbröselt der Blähglimmer und ist nicht mehr so locker wie zu Beginn. Hohlkugelkorund (senfkorngroße hellgraue Kügelchen) ist weniger bekannt und auch seltener im Handel. Hier kann man die Werkstücke einfacher "eintauchen", da die Kügelchen eher zur Seite rutschen als sich zerdrücken lassen. Allerdings lassen sie sich leichter verschütten und hängen auch gerne in Engstellen der Werkstücke.
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