Löslichkeit von Kaliumtetrachloroplatinat(II)

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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lemmi
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Löslichkeit von Kaliumtetrachloroplatinat(II)

Beitrag von lemmi »

Kennt ihr eine umfassende und aktuelle Quelle für Löslichkeitsangaben?

Aktuell habe ich das Problem mit Platinsalzen. Das schlagendste Beispiel ist Kaliumtetrachloroplatinat(II). In der Wikipedia steht 10 g/l Wasser. Ich kann aber problemlos 4,15 g (10 mmol) in 30 ml Wasser lösen. Auch Kauffmann gibt in seinem Artikel zur Synthese von Cisplatin an, man solle 1 mmol in 60 ml Wasser lösen. Die einzige zweite konkrete Angabe zur Löslichkeit habe ich bei Vanino gefunden (1913), dort steht "1 Teil in 108 Teilen Wasser von 16°C", was offenbar ein ähnlicher Wert - und genauso falsch - ist, wie der in der Wikipedia. Irgendwelche Originalartikel habe ich nicht gefunden.

Ist euch sowas auch schon passiert? Wie geht ihr mit so einer Frage um?

EDIT 7.1.23: Die Löslichkeit des Kaliumtetrachloroplatinat(II) wurde ermittelt. Vorgehen und Ergebnis siehe den post vom 7.1.23 auf den nächsten Seite!
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Seaborg
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von Seaborg »

In meinem "Chemiker-Kalender" von 1966 steht unter Kaliumtetrachloroplatinat (rot) eine Löslichkeit von 0,774 g/100g LM (20°) verzeichnet, also grob 1/20 deiner gelösten Menge und noch weniger als bei Wikipedia verzeichnet.
Im Náray-Szabó steht lediglich: Es löst sich leicht in Wasser.
Das gelbe Hexachloroplatinat zeigt eine vergleichbare Löslichkeit von 0,68 g/100g.

und:
https://de.wikibrief.org/wiki/Potassium ... oplatinate
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lemmi
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von lemmi »

Kaliumhexachloroplatinat(IV) ist notorisch schlecht löslich, aber das tetrachloroplatinat(II) offenbar viel besser.

Ich habe den Verdacht dass da entweder eine Verwechslung vorliegt, oder vor 100 Jahren mal ein falscher Wert publiziert und dann immer nur abgeschrieben wurde (so wie beim Eisengehalt des Spinats)... :roll:
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aliquis
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von aliquis »

Solche und andere Fehler sind mir schon häufiger beim direkten Vergleich des deutschen und englischen Wikipedia zum gleichen Thema aufgefallen. Wiki betrachte ich daher lediglich als leicht zugängliche Quelle für Erstinformationen. Gefühlt 97- 98 % der Inhalte sind korrekt, aber der Rest hat es in sich...
Mindestens genauso problematisch ist das kollektive sich Aussschweigen über bestimmte Zusammenhänge. So finde ich z. Zt. z. B. nichts über die genauen Auswirkungen des Stromschlüssels auf die Redoxreaktion bei Halogeniden in getrennten bzw. darüber verbundenen Halbzellen.. Funktionierende Links zu frei zugänglichen Artikeln hierüber nehme ich gern entgegen (per PN weil OT)...
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lemmi
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von lemmi »

@Seaborg: wie sieht der Chemiker- Kalender denn aus? Enthält der noch mehr Tabellen für die Praxis? Sollte man sich den besorgen (evtl online)?
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Glaskocher
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von Glaskocher »

Der Chemikerkalender ist ein oranges Buch von ca. A5-Format und 3cm dick. Er enthält Tabellen zu anorganischen Substanzen, organischen Substanzen, Dichte und Konzentration von Lösungen und viele andere hilfreiche Information im Alltag. Ich fand das Buch während meiner Arbeit bei Bayer so hilfreich, daß ich es gekauft hatte, weil wir es an der Uni im AK nicht hatten.

In den beiden Haupttabellen (organische und anorganische Substanzen) findet man Molmassen, Dichten, Schmelz- und Siedepunkte sowie Angaben zur Löslichkeit (zum Teil nur qualitativ wie leicht-/löslich/schwer-/un-). Zum Teil sind Beilstein-Zitate angegeben, jedoch nie CAS-Nummern.
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lemmi
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von lemmi »

Das klingt so als sei das ein nützliches Buch! Muss ich mir mal ansehen und vielleicht lege ich es mir auch zu. Sonst muss ich mir alle möglichen Tabellen immer im Netz zusammensuchen...
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mgritsch
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von mgritsch »

Wenn immer es um (fast) alle Basisdaten geht: CRC Handbook of Chemistry and Physics. Das Werk ist mit seinen ca 3000 Seiten geradezu ikonisch, dick wie 3 Telefonbücher trotz dünnem Papier :D
Da so nützlich aber auch dekorativ ziert es auch mein Regal :) Zb hier zu finden:
https://libgen.is/book/index.php?md5=D6 ... 0D849C0D84

Die einzige Ergänzung die das noch braucht sind die „Azeotropic Data“ der ACS.

Im Kapitel PHYSICAL CONSTANTS OF INORGANIC COMPOUNDS findet man zB zu
Potassium tetrachloroplatinate - keine quantitative Angabe, nur „soluble“ in Wasser, was idR gut löslich bedeutet.
Potassium hexachloroplatinate - 0,77 g/100 g H2O (20°)
Ein „Kaliumtetrachloroplatinat (IV)“ gibt es nicht, oder meinst du Platinum(IV) chloride? Dessen Löslichkeit ist mit 142 g / 100 g H2O (25°) angegeben.

P.s.:
Barium tetracyanoplatinate(II) tetrahydrate - „slightly soluble“ als einzige Angabe :)
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mgritsch
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Montag 2. Januar 2023, 15:32 So finde ich z. Zt. z. B. nichts über die genauen Auswirkungen des Stromschlüssels auf die Redoxreaktion bei Halogeniden in getrennten bzw. darüber verbundenen Halbzellen.. Funktionierende Links zu frei zugänglichen Artikeln hierüber nehme ich gern entgegen (per PN weil OT)...
Kannst ja gerne einen eigenen thread dazu machen? Ich verstehe das Problem (noch) nicht…
Heliumoxid
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von Heliumoxid »

Im Laufe der Zeit scheinen sich die Werte aber doch zu ändern. In meinem "Chemiker-Kalender" 2.Aufl. 1974 steht bei Kaliumhexachlorplatinat (IV) LW 1% bei 20 Grad. In meinem CRC 55. Aufl 1974 : cold water 0,481 g / 100 cc , hot water 5.22 g/100 cc
Bei Heliumoxid, genauer Helium(II)- oxid, handelt es sich um eine Mischung aus Helium(I)- oxid und Helium(III)- oxid. Richtigerweise heisst es somit Helium(I,III)- oxid.
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Uranylacetat
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von Uranylacetat »

Hallo lieber @lemmi,

wir ollen "Alchemisten" kommen manchmal nicht auf´s Naheliegende :wink: :

Wikipedia zum Chemiker-Kalender: https://de.wikipedia.org/wiki/Chemiker-Kalender
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
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notaccounteule
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von notaccounteule »

hmm, stehen solche Angaben zu Löslichkeit, Schmelz- und Siedepunkten nicht immer auch in deb Katalogen der großen Hersteller/Händler? Diese Bücher sind mehr, als nur Preislisten, auch wenn das die Intention der Anbieter sein mag. Ein paar ältere Kataloge dieser Art im Schrank sinz zu sehr viel mehr gut, denn nur Pilze drauf züchten oder den Kaminofen anfeuern.
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lemmi
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von lemmi »

Ein „Kaliumtetrachloroplatinat (IV)“ gibt es nicht
Nein, natürlich nicht! Ich meinte das hexa chloroplatinat(IV). Hab's korrigiert...

Mir kommt es vor allem auf die Zuverlässigkeit der Angaben an, und die Angaben zu Löslichkeit des K-tetrachloroplatinat(II) sind offenbar durchgängig falsch. In dem uralten Tabellenwerk unserer Literatursammlung steht auch nur "löslich" drin! Offenbach hat sich seit Jahrzehnten niemand mehr die Mühe gemacht, die genaue Löslichkeit zu bestimmen.

Apropos Literatursammlung! Könnt ihr da nicht mal die moderneren Standardwerke verlinken?
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mgritsch
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 13:50 Mir kommt es vor allem auf die Zuverlässigkeit der Angaben an, und die Angaben zu Löslichkeit des K-tetrachloroplatinat(II) sind offenbar durchgängig falsch.
Ja das mit den Löslichkeiten ist ein altes Problem. Bis ca Jahrhundertwende waren in Publikationen meist qualitative Angaben (vor allem mit welcher Farbe sich etwas in Schwefelsäure löst scheint wichtig gewesen zu sein), quantitative Angaben sind immer schon rar gewesen. Hinzu kommt die Unklarheit wie gemeint (g / 100 g Lösemittel oder pro 100 g Lösung? Bei Hydraten: bezogen auf Reinstoff oder Hydrat?), bei welcher Temperatur (da existiert kein Standard) und die praktischen Probleme der Ermittlung (manche Stoffe lösen sich zwar gut aber notorisch langsam, detto verzögerte Kristallisation sodass man mitunter sehr lange warten muss bis ein Gleichgewicht erzielt ist…) und last but not least scheint es wenig praktische Relevanz zu haben (finde ich nicht… allein bei jeder Umkristallisation wären Temperaturkurven super wichtig!).
In dem uralten Tabellenwerk unserer Literatursammlung steht auch nur "löslich" drin!
Na das passt doch zu deiner Erfahrung und dem CRC Handbook :)
Offenbach hat sich seit Jahrzehnten niemand mehr die Mühe gemacht, die genaue Löslichkeit zu bestimmen.
Er war wohl zu sehr mit „Hoffmanns Erzählungen“ beschäftigt… :angel:
Apropos Literatursammlung! Könnt ihr da nicht mal die moderneren Standardwerke verlinken?
Links sind leider meist nach kurzer Zeit Schall und Rauch, vergebene Liebesmüh. Was man mal machen könnte wäre eine Sammlung an Titeln, auf libgen suchen kann dann jeder selbst.
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mgritsch
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Re: Löslichkeitsangaben zu seltenen Substanzen

Beitrag von mgritsch »

Uranylacetat hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 07:12 Wikipedia zum Chemiker-Kalender: https://de.wikipedia.org/wiki/Chemiker-Kalender
Hier gibt’s die letzte Ausgabe:
https://libgen.is/book/index.php?md5=D0 ... 18CC3590FB
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