Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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aliquis
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von aliquis »

Besagtes basisches Kupfercarbonat:

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Den leichten Türkis-Schimmer kriegt meine Handy-Kamera leider mal wieder nicht eingefangen...
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lemmi
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von lemmi »

aliquis hat geschrieben: Donnerstag 8. September 2022, 12:29 Das Verfahren ist ohnehin störungsanfällig: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sodaauszug
Naja, "störungsanfällig" ist ein hartes Wort für zwei kleine, mit etwas Aufmerksamkeit leicht beherrschbare Probleme.
Aber wenn da wirklich Carbonatokomplexe von Kupfer, Zink etc mit durchgehen würden, das wäre eine ernsthafte Störung! Habe ich aber noch nie erlebt oder gelesen.
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aliquis
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von aliquis »

Nun ja, so wie der Sodaauszug durchgeführt wird und angesichts meiner Beobachtungen, die ja offensichtlich auch in der Literatur belegt sind, wird aber genau das der Fall sein, was Du befürchtest.
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BJ68
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von BJ68 »

Wobei die Frage sein dürfte, ob diese dann beim Nachweis der Anionen für die er gemacht wird stören vgl. https://apothekenwiki.com/enzyklopaedie/sodaauszug/

bj68
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mgritsch
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von mgritsch »

BJ68 hat geschrieben: Freitag 9. September 2022, 13:24 Wobei die Frage sein dürfte, ob diese dann beim Nachweis der Anionen für die er gemacht wird stören
würde ich auch so sehen.
Der Zweck des Sodaauszugs ist ja durchaus ähnlich einem Soda-Pottasche-Aufschluss. Der Überschuss Carbonat setzt zB auch aus unlöslichem CaSO4 Sulfat frei oder Chlorid aus AgCl etc sodass es qualitativ erfassbar wird. Ausfällen der Kationen ist ein angenehmer Nebeneffekt. Ein bisschen komplexe Carbonato-Anionen sind da nicht schlimm und verschwinden beim Ansäuern spätestens.

Ich habe mal damit ein bisschen herumgespielt, es ist ein eher "delikates" Gleichgewicht das stark von pH und Konzentration abhängt, wohl auch Temperatur. Tropft man in eine warme, kräftige Carbonat-Lösung Cu, dann bildet sich zuerst mal jede Menge dunkelblau. Irgendwann gibt es aber einen Kipp-Punkt ab dem scheidet sich beim Zutropfen nur noch Carbonat ab (und das erfordert nicht wahnsinnig viel Cu) bzw kann es dann auch dazu kommen, dass gebildeter Komplex wieder zerfällt und die dunkelblaue Lösung rasch zu einer türkisen Suspension wird, überstehende Lösung ist dann nur noch blass blau :)

Die anfängliche dunkelblaue Lösung ist sonst ganz gut stabil, hält auch Kochen problemlos aus. Fehling geht damit, aber etwas verzögert - das sieht stabil aus.
Ein einmal gebildeter Cu Carbonat-Niederschlag löst sich auch mit noch mehr Carbonat nicht mehr auf. Beim Kochen wird der dann rasch schwarz (CuO).
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lemmi
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von lemmi »

BJ68 hat geschrieben: Freitag 9. September 2022, 13:24 https://apothekenwiki.com/enzyklopaedie/sodaauszug/
Da wird direkt auf eine mögliche blaue Färbung durch Cu hingewiesen, interessant! Chrom(III) scheint auch Carbonatokomplexe zu bilden. Zink wird dagegen nicht erwähnt (vermutlich weil es farblos ist).
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aliquis
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von aliquis »

@lemmi:

Hm, Chrom (III) ist nach solch einer intensiven Behandlung doch eigentlich eher grün und nicht - wie dort erwähnt - violett, oder?

Was eine Fällung zwecks Entsorgung angeht, funktioniert Sulfid bei Chrom ja nur indirekt übers Hydroxid - dann kann man gleich (carbonat-arme) Natronlauge dazugeben. Chromhydroxid hat keine GHS-Einstufung, der Filterrückstand könnte also über den Hausmüll entsorgt werden.
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von aliquis »

@mgritsch:
Die anfängliche dunkelblaue Lösung ist sonst ganz gut stabil, hält auch Kochen problemlos aus.(...)

Ein einmal gebildeter Cu Carbonat-Niederschlag löst sich auch mit noch mehr Carbonat nicht mehr auf. Beim Kochen wird der dann rasch schwarz (CuO).
Das dunkelblaue Filtrat nach Abfiltrieren des angestrebten Carbonats wurde bei mir durch Kochen hellgrün, ein weißlich-hellgrüner Niederschlag setzte sich ab. Auch eine Bildung von CuO blieb aus. Alles bei einem pH-Wert von etwa 8-9.

Bei umgekehrter Zugabe von Carbonat-Lösung zu einer Kupfersalzlösung verhielt es sich bei mir anders als Du beschreibst: der zunächst gebildete Carbonat-Niederschlag löst sich im Überschuss Kaliumcarbonat vollständig wieder auf.

Als Ursachen für die unterschiedlichen Beobachtungen würde ich Folgendes vermuten:
- Das Verhalten beim Erhitzen hängt von pH-Wert und Komplex-Konzentration ab (beides war bei mir ja eher niedriger).
- Der hellgrün-weiße Niederschlag nach dem Erhitzen war weder Carbonat noch Hydroxid (aber was dann?), sonst hätte sich beim Erhitzen CuO daraus gebildet.
- Es bilden sich - je nachdem, ob Kupfersalz zu Carbonat im Überschuss (wie bei Dir) oder aber ein (anfänglicher) Überschuss Kupfersalz mit Carbonat versetzt wird (wie bei mir) - verschiedene Arten basischer Carbonate, die - je nach Zusammensetzung aus Kupferhydroxid und Kupfercarbonat - wiederauflöslich sind oder nicht.
- Mit Kaliumcarbonat kommt es wesentlich früher zu einer Wiederauflösung als mit Natriumcarbonat. Was hast Du verwendet?
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lemmi
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von lemmi »

Ich hab jetzt das von dir, @mgritsch, verlinkte Paper gelesen. In den dort zitierten Artikeln bin ich auf ein paar sehr interessante Dinge gestoßen, die ich nächstens mal ausprobiern werde. Unter anderem wird dabei eine vor 130 Jahren aufgestellte Hypothese wiederlegt, die ich hier auch schon mal zur Diskussion gestellt hatte, aber keiner wusste, ob die Frage geklärt ist. Mehr verrate ich erstmal nicht ... 8)

Aber ich habe Vorschriften zur Darstellung von Kupfercarbonatokomplexen gefunden, die selbst nach der strengen Definition völlig "hobbytauglich" sind! Wenn jemand Lust hat, sie nachzukochen: hier, bitte sehr!

Kupfercarbonatkomplexe.jpg
Kupfercarbonatkomplexe.jpg (220.34 KiB) 3312 mal betrachtet
aus: Sengupta u. Nandi; J inorgan nuclear Chem 36 (1974): 2479-2484
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von aliquis »

Also, hiernach https://de.wikipedia.org/wiki/Basisches ... Mineralien
ist das, was ich da abfiltriert und gewonnen habe, wohl vorwiegend das blaue Pigment 2 CuCO3 · Cu(OH)2.
Ist das, was sich nach dem Kochen als hellgrüner Niederschlag abgesetzt hat, vll. Malachit CuCO3 · Cu(OH)2 - aber wo ist dann das freiwerdende Kupferkation hingekommen? Wie gesagt: CuO hat sich nicht gebildet...

Nach dem von Dir gezeigten Artikel ist meine Verwirrung nun jedoch komplett: da ist der Carbonato-Komplex (bzw. es gibt auch noch zwei verschiedene!) nicht im Filtrat, sondern im Niederschlag, also unlöslich und nur im Beisein von Hydrogencarbonat zu gewinnen. Was befindet sich dann aber in meinem dunkelblauen Filtrat? Ich habe zwar mit Kaliumcarbonat gearbeitet, der Komplex scheint besser löslich zu sein, aber auch mit Natriumcarbonat im Überschuss löste sich der Niederschlag ja wieder auf... :idea2:
Und warum wird eigentlich ausgerechnet Kupferacetat für die Herstellung verwendet?

Also, ich für meinen Teil pausiere jetzt mal an dieser Stelle mit Ausprobieren, erfreue mich an meinem Produkt, das wohl das blaue basische Kupfercarbonat sein dürfte, sowie über die Erkenntnis, dass man Kupfer wohl nur nur mit Sulfid vollständig fällen oder mit HCl+Al/mit Fe vollständig recyceln kann - und bleibe dabei gespannt auf Deine Ergebnisse, lieber lemmi. :thumbsup:

P.S.: Ja, "hobbytauglich" ist das alles natürlich, sonst hätte ich ja o. g. Versuche gar nicht erst durchgeführt... :wink:
Aber warum sollte es das auch nicht sein (kein überwachter Ausgangsstoff dabei)? Und was verstehst Du denn unter der "strengen Definition"?
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lemmi
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von lemmi »

Ich finde, "hobbytauglich" ist sowieso ein fragwürdiger Begriff. Jeder versteht darunter etwas anderes. Nimm meine Aussage nicht allzu ernst :wink:

Ich gehe davon aus, dass bei der Darstellung mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Möglicherweise ist das, was sich bei dir dunkelblaues gebildet hat, kein reines Carbonat sondern ein Carbonatosulfat oder sowas. Man könnte versuchen, eine möglichst konzentrierte Lösung herzustellen und diese dann mit Ethanol zu überschichten.

Ich vermute, dass man Kupferacetat verwendet, weil Kupfersulfat in Folge einer geringen Hydrolyse in Wasser immer etwas sauer reagiert. Außerdem ist offenbar ein gewaltiger Carbonat/Hydrogencarbonatüberschuss erforderlich, damit die Produkte ausfallen.
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Re: Kupfer: Fällung als Carbonat vs. Komplexbildung

Beitrag von aliquis »

Das Geheimnis fällbarer Carbonato-Komplexe scheint vor allem das Hydrogencarbonat zu sein.
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