Versteinerung

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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mgritsch
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Versteinerung

Beitrag von mgritsch »

Aus aktuellem Anlass, weil ich gerade über den Artikel gestolpert bin:
https://www.forschung-und-wissen.de/nac ... t-13375148
Eine Frage die ich mir schon öfter gestellt habe - wie funktioniert "Versteinerung"? Bei Kohle verstehe ich das, die H, O, N und ggfs S Anteile der organischen Substanz verflüchtigen sich zusehends, es bleibt immer reinerer Kohlenstoff übrig (Braunkohle, Steinkohle, Anthrazit). Gerade in Braunkohle findet man immer wieder recht klar erkennbar unvollständig verkohlte Holzreste.
Aber Versteinerung? Wie kann etwas wie Kot oder ein Insekt sich in anorganische Materie, mutmaßlich hauptsächlich Silikate oder Carbonate umwandeln?
Glaskocher
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Re: Versteinerung

Beitrag von Glaskocher »

Die Versteinerung läuft in mehreren Phasen ab. Zuerst muß natürlich das Objekt irgendwo liegen bleiben. Je rascher und schonender es jetzt mit Sediment bedeckt wird, desto besser kann das Objekt erhalten werden. Im Prinziep laufen ab jetzt zwei Prozesse ab, die das organische Material abbauen und im Gegenzug z.B. Kalk einlagern. Dazu braucht es im Sediment eine gewisse Diffusiion. Beim Abbau der organischen Substanz entsteht CO2, das hilft den Kalk der Umgebung zu lösen, wie er jetzt wieder in den frei werdenden Hohlräumen kristallisiert kann ich noch nicht so richtig erklären. In relativ alkalischer Umgebung lösen sich auch Silikate im Porenwasser, die dann in der durch CO2 saureren Umgebung wieder ausfallen und eine opalartige Masse bilden.
aliquis
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Re: Versteinerung

Beitrag von aliquis »

Vermutung: per Membranpermeation löslicher Salze und deren anschließende Umwandlung in unlösliche Verbindungen. Nach dem vollständigen Zerfall des toten Gewebes bleibt dann nur der mineralische "Abdruck" zurück.
Ansonsten: Paläontologen hier im Forum bitte vor! 😉

Edit: Glaskocher kam mir knapp zuvor - na, dann lag ich ja gar nicht so falsch... 8)
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immi07
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Re: Versteinerung

Beitrag von immi07 »

Hallo,

Fossilisation in der Wikipedia und https://www.lernhelfer.de/schuelerlexik ... silisation# sind ziemlich allgemein.

P1210352.JPG
Verkieselung findet sich bei den Korallen der Schwäbischen Alb. Unser Riffschuttstück stammt allerdings aus dem Geschiebe am Ostseestrand, ist aber auf die gleiche Weise verkieselt und mit verd. HCl geätzt.

Die D a r s t e l l u n g DER FOSSILISATIONSERSCHEINUNGEN II. S.353 ff

Der Petrefaktensammler : ein Leitfaden zum Sammeln und Bestimmen der Versteinerungen Deutschlands / von E. Fraas 1910 S. 21 ff

Fossile_Landschneckeneier_aus_dem_Obermiozän

Pyrit

Gruß Thomas
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immi07
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Re: Versteinerung

Beitrag von immi07 »

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mgritsch
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Re: Versteinerung

Beitrag von mgritsch »

danke für die reichlichen Infos, der Unterschied zur Kohle ist also das auch C völlig abgebaut wird und der "Hohlraum" durch Mineralisches gefüllt wird. Streng genommen bedeutet das also, dass etwas das "versteinert" ist nur ein steinerner Abdruck der originalen Form ist, vom Objekt selbst ist praktisch nichts mehr vorhanden.
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immi07
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Re: Versteinerung

Beitrag von immi07 »

Hallo mgritsch,

mir ist mit meinem Englisch nicht klar geworden, ob das Phosphat in den mineralisierten Bakterienrasen, die die Strukturen, z.B. Muskeln abbilden aus der Struktur stammen oder von außerhalb. Dann wäre nicht die ganze Versteinerung fremdes Material. Bei Verkiesung (Ausfallen von Pyrit) und Verkieselung ist es fremdes Material.

Gruß Thomas
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Glaskocher
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Re: Versteinerung

Beitrag von Glaskocher »

Ich gehe davon aus, daß das Phosphat auf dem kürzesten Weg "geliefert" wurde. Aus dem Körper kann es doch frei gesetzt werden, um sofort dem Konsum zum Opfer zu fallen. Wenn es dann als Calciumverbindung ausfällt, dann ist sein Weg recht kurz. Von Außen heran diffundiertes Phosphat müßte irgendeinen Grund haben, genau dort hin zu gehen und dann dort gefällt zu werden.

Beim Pyrit ist am Ort ja auch genügend reduzierend wirksames Material vorhanden, um Eisen(III) zu Eisen(II) zu reduzieren und Sulfat zum Disulfid zu reduzieren, wie es eine andere Sorte Bakterien gerne tut.
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mgritsch
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Re: Versteinerung

Beitrag von mgritsch »

Mengenmäßig enthält biologisches Material nur sehr geringe Menge P (~1%). Ein marginaler Beitrag bei Versteinerung.
Glaskocher
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Re: Versteinerung

Beitrag von Glaskocher »

Das kann allerdings als Kristallisationskeim für andere Minerale reichen. Oder es erzeugt eine Inhomogenität im Gestein, die irgendwann mal als Risskeim oder Sollbruchstelle wirkt.
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immi07
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Re: Versteinerung

Beitrag von immi07 »

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Re: Versteinerung

Beitrag von immi07 »

Hallo,

P1210448.JPG
die dickschalige Auster Pycnodonte vesicularis linke Klappe Höhe 8 cm Länge 12 cm

P1210447.JPG
ist ein häufig anzutreffendes Fossil aus der Oberkreide / Untermaastricht von Rügen

P1210359.JPG
ein nicht ganz so schönes Exemplar

P1210363.JPG
in 20% iger HCl

P1210367.JPG
schwarzer Feuerstein füllt den Hohlraum zwischen den Klappen, oberhalb davon die noch nicht vollständig geätzte linke Klappe
weiß ist Kalk und etwas dunkler ist SiO2

P1210441.JPG
etwas größer

P1210372.JPG
Seitenansicht nur noch SiO2 die filigranen Strukturen sind ausgefüllte Fraßgänge

P1210390.JPG
SiO2 Hohlraumausfüllung der zylindrische Fraßgang links hat 1 mm Durchmesser

P1210401.JPG
Bildbreite 5 cm
unten Feuersteinmatrix darüber rechte Klappe in verwitterter Markasiterhaltung und Calzit
Feuersteinkern des Muschelinneren und darüber die linke Klappe

P1210416.JPG
Liesegang läßt grüßen
die runde SiO2-Struktur in Bildmitte hat 8 mm Durchmesser

P1210419.JPG
und weil es so schön ist noch mal in groß
in den Zwischenräumen fehlt jetzt der geätzte Kalk

P1210440.JPG
großflächig ohne neue Kristallisationskeime

P1210445.JPG
und viele Keime auf einer ca. 5 cm langen Schale ungeätzt


und Prof. Blume schreibt zur Chemie dahinter:
verkieselung-1.gif
verkieselung-1.gif (1.85 KiB) 3588 mal betrachtet
verkieselung-2.gif
verkieselung-2.gif (1.99 KiB) 3588 mal betrachtet
Grüße von den Immis
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