Mg/AgNO3 mit Wasser "zünden"; Welche Reaktionen laufen ab?

[Nail]

Neulich habe ich dieses Video gesehen:

Hier wird Magnesium und Silbernitrat mit einem Tropfen Wasser zur Reaktion gebracht. Jedoch frage ich mich welche Reaktionen dort ablaufen (Startreaktion ist mir nicht bewusst).

Kann der Versuch mit dem nascierenden Wasserstoff erklärt werden?

NO3- + H2O --> HNO3 + OH-

2 HNO3 + Mg --> 2 H(nasc) + Mg(NO3)2

Ein ähnlicher Versuch beschreibt das entzünden einer NH4Cl, NH4NO3, Zn Mischung mit Wasser, da hier eben das Ammoniumchlorid mit dem Wasser analog zur oberen Reaktion zu H3O+ Ionen reagiert und dieses mit dem Zink zum H nasc.

Was sind eure Ideen?

[Calciumcitrat]

Nitrat ist eine verschwindend schwache Base, schau dir mal den pKb an (bzw. pKa von Salpetersäure)... Nascendierender Wasserstoff ist aber sowieso ein widerlegtes Konzept.

Das ist einfach eine heftige Redoxreaktion (Mg vs Ag...), wobei das oxidativ wirkende Nitrat noch mehr Energetik gibt.

Das zweite Beispiel basiert auf der Reaktion von Zink mit Wasser, die entstehenden punktuelle Wärme zündet das Ammoniumnitrat, danach brennt die ganze Mischung ab. Ein lustiger Showversuch, gerade mit kleinen Zusätzen an flammfärbenden (Erd)alkalinitraten.

[Glaskocher]

Das gehört ja schon zu den "schnellen Redoxreaktionen", die an Knallkram erinnern...

Wie wäre es mit folgender Erklärung:
Etwas AgNO₃ löst sich in Wasser und kommt mit Mg in Kontakt. Mg²⁺ + 2 Ag +Δh.
Ab jetzt kann NO₃ gespalten werden und Mg oxidieren, weiteres Mg von Ag+ oxidiert werden und ich schreibe eh zu langsam...

[aliquis]

Meine Hypothese:

Mg/Ag⁺ reagiert nach Wasserzugabe zunächst mit Zementation, die stark exotherm abläuft. Da nur wenig Wasser vorhanden ist, wird das Nitrat thermisch gespalten und entfaltet dabei seine volle brandfördernde Wirkung, die Mg als unedles Metall in feinster Verteilung dankend annimmt...

Beim Ammoniumnitrat/Zink-Gemisch reagiert Zink mit Wasser exotherm, beschleunigt durch Ammoniumchlorid.
Danach findet Schritt 2 der vorgenannten Reaktion statt.
Das Nitrat fördert primär die Verbrennung statt selbst zu verbrennen (das würde noch weit heftiger ablaufen, allerdings nicht bei diesen Mengen...).

In DE gehören solche Experimente nur in die Hände von beruflich Forschenden und Lehrenden... In Kanada ist man da etwas toleranter...
Mit den theoretischen Grundlagen dürfen wir uns hier natürlich trotzdem befassen.

Bereits das Anmischen von Mg und Silbernitrat ist hochgefährlich. Da muss man seinem Trockenschrank schon sehr vertrauen... Auch die gezeigten Mengen sind eigentlich bereits viel zu groß (woelen homescience verwendet nur wenige mg...)
Stattdessen empfiehlt es sich, Kleinstmengen an Pulver mit einem am Holzstab verlängerten Muldenspatel vorsichtig übereinander zu schichten, dann damit behutsam und aus gebührendem Abstand zu vemengen, und im zweiten Schritt den Spatel gegen einen feuchten Glasstab zu tauschen. So habe ich es zumindest bei den Science-Tagen an der Uni gesehen... Und ohne Lederhandschuhe und Gesichtsschild geht gar nichts...

[lemmi]

Beides sind ziemlich alte und bekannte Schauversuche, die vor allem zur Erheiterung des Publikums dienen. Beide beruhen einfach wie schon oben dargestellt auf wärmeerzeugenden Redoxreaktionen eines unedlen Metalles und die entstehende Wärme zündet dann den Rest des Gemisches, ohne dass dafür ein Streichholz nötig wäre.

In der Schule haben wir den Versuch mit Zinkpulver und Ammoniumnitrat mal so gemacht, dass die Mischung in einer Schale vorgelegt wurde und dann ins Auditorium gefragt wurde, ob jemand da sei, der "Ziel-Spucken" konnte. tätsächlich hat sich ein Junge aus der 5. Klasse gemeldet und das Gemisch aus 3 m Abstand zielgenau entzündet.

Nur Silbernitrat ist dafür eigentlich zu schade...

[aliquis]

Herr Oelen verwendet nur 125 mg (https://woelen.homescience.net/science/ ... index.html) - das kann man verschmerzen, wenn man denn dürfte... Die Holländer haben traditionell ein entspannteres Verhältnis zu pyrotechnischen Mischungen...

Zum Zünden der Zinkmischung gibt es die verschiedensten Varianten: wie zufällig die Hände waschen und trockenschütteln, Spritzflaschen-Ziel-Wettbewerb, Eiswürfel - auch alles damals bei unserem Lehrer ausprobiert, und das noch nicht mal unterm Abzug, sondern auf einer Fliese auf dem Lehrertisch: die Rauchschwaden aus den geöffneten Fenstern waren stattlich...

Gespuckt wurde nur ins Becherglas: für die enzymatische Spaltung von Stärke...

[lemmi]

Ja, das war bei uns, vor so ziemlich genau 40 Jahren, auch nicht im Abzug...

[aliquis]

Über mögliches Zinkfieber hat damals noch niemand gesprochen...

[Glaskocher]

Man nahm aber auch nicht die Massen, die ausreichen, um noch die letzte Reihe "sicher" ausräuchern zu können.



Nebenbei: Die im Titel genannte Reaktion (Mg/AgCl mit Wasser) müßte deutlich zahmer sein, als die im Film Gezeigte. Es fehlt das zusätzliche Oxidationsmittel.

[aliquis]

Naja, 4 g Zinkstaub, 4 g Ammonsalpeter, 1 g Salmiak und 0,5 g Bariumnitrat - das ganze dreimal im 80 qm Hörsaal...
Auch in der letzten Reihe saßen sie im Nebel, der in der Pause bis auf die Flure zog - im Vorbeigehen am Chemietrakt wusste ich immer ganz genau, wenn das in einer 9. Klasse wieder mal dran war...

AgCl-Suspension mit Mg- Pulver - das dürfte sich über Tage hinziehen und funktioniert trotz der schlechten Löslichkeit nur, weil laufend AgCl dem Gleichgewicht entzogen wird...
Ich tippe hier aber eher auf einen Transkriptionsfehler...

[lemmi]

Ich vermute auch einen Transkriptionsfehler. AgCl mit Mg dürfte ziemlich langweilig sein.

[mgritsch]

Nachdem bei der Reaktion vor allem 2 Ag⁺ + Mg —> 2 Ag + Mg²⁺ dominiert (eine Art Thermit… ich schätze das oxidierend wirkende Anion schaut diesmal nur zu) könnte auch AgCl funktionieren. Mangels Löslichkeit halt nicht unbedingt mit Wasser zu starten, aber mit Hitze eventuell schon.

[lemmi]

Das geht natürlich - aber das geht auch mit Mg und SiO₂ - da fehlt der Gag der Selbstentzündung durch Wasser.

[Nail]

Der Titel war ein Tippfehler.

Also letztendlich ist es eine normale Redoxreaktion, welche durch den exothermen Lösungsvorgang initiiert wird.

In Lehrbüchern (auch neueren) findet man häufig den nascierenden Wasserstoff deshalb hätte ich mir das vorstellen können. Aber ich kenne den Artikel der den H nasc kritisiert.

[aliquis]

Streng genommen ist es eine doppelte Redoxreaktion: zuerst Mg mit Silberionen, dann Mg mit Nitrat.