Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

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metalllabor
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Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von metalllabor »

Der Kohlenstoff schmilzt nicht unter normalem Druck, aber sublimiert bei 3700 C. Jedoch, ab 100 Bar schmilzt es.
Phasendiagramm des C: https://en.wikipedia.org/wiki/Carbon#/m ... agramp.svg

Aber ist den flüssigen C schon einmal im Labor hergestellt worden ? Ich habe nirgendwo im Internet gefunden was die Eigenschaften des flüssigen C sind.
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mgritsch
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von mgritsch »

metalllabor hat geschrieben: Dienstag 18. Januar 2022, 21:57 Kohlenstoff schmilzt nicht unter normalem Druck, aber sublimiert bei 3700 C. Jedoch, ab 100 Bar schmilzt es. Aber ist den flüssigen C schon einmal im Labor hergestellt worden ?
das kann nur eine Scherzfrage sein, oder?
Kennst du irgend ein Material das einen höheren Schmelzpunkt als C hat? (und nebenbei bei der Temperatur auch den Druck aushalten könnte?)
Sowas gibts im inneren von Planeten oder in Sternen.
aliquis
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von aliquis »

Aber immerhin grad 19 Gäste im Thread bei dieser Frage... :wink:
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Calciumcitrat
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von Calciumcitrat »

https://www.nature.com/articles/news990617-10

Zumindest etwas "Ähnliches" für kurze Zeit: https://journals.aps.org/prl/abstract/1 ... .94.057407

Das ist aber wirklich eine offene Frage der Wissenschaft, ähnlich wie metallischer Wasserstoff (wobei es da ja ein paar Claims, mehr oder weniger gut experimentell hergeleitet, gab)...

Aber der Jupiter ist am Himmel ja gut erkennbar ;)
aliquis
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von aliquis »

Überschall-Stürme, Methan-Seen, Diamantregen, glutheiße Eisplaneten...
Ich weiß schon, warum mich Chemie und Astronomie (nahezu) gleichermaßen faszinieren... :wink: - und wir kennen erst einen Bruchteil dessen, was da draußen alles existiert... 8)
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mgritsch
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von mgritsch »

Calciumcitrat hat geschrieben: Dienstag 18. Januar 2022, 23:38 Zumindest etwas "Ähnliches" für kurze Zeit: https://journals.aps.org/prl/abstract/1 ... .94.057407
-> picosecond time-resolved x-ray absorption spectroscopy to study the bonding of liquid carbon
10-12 Sekunden ist wirklich nicht lange. Und ob der Begriff "bonding" da noch anwendbar ist wenn schon eher Plasma-Bedingungen vorherrschen? Kann mir nicht vorstellen dass die Elektronen bei >4000° noch an ihrem C hängen...
aliquis
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von aliquis »

mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 19. Januar 2022, 00:10 10-12 Sekunden ist wirklich nicht lange.
:lol:

... außer im Verhältnis zu den Veränderungen des Universums in den ersten Momenten direkt nach dem Urknall... :wink:
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eule
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von eule »

hmm, um so ein Phasendiagramm wie bei Wikipedia Kohlenstoff zu erstellen brauchts irgendwelche Messwerte. Druck und Temperatur sind trotz der auf den ersten Blick großen Zahlen in diesen Größenordnungen noch erstaunlich gut beherrschbar, insb. wenn es sich um eine wirklich kleine Materialprobe und eine kurze Dauer der Messung handelt.
Unendliche Vielfalt in unendlicher Kombination.

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Xyrofl
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von Xyrofl »

Kennst du irgend ein Material das einen höheren Schmelzpunkt als C hat?
Tantalcarbid, Hafniumcarbid und deren Mischphasen haben einen Schmelzpunkt von deutlich über 4000 K, letzteres sogar über 4000°C also schon mal höher als der Sublimationspunkt von C. Kommt nicht ganz an die geforderte Temperatur heran, damit man in einem Tiegel aus dem Material flüssiges C hin und her schwenken kann, aber die Temperaturgradienten wären beherrschbar (man muss den Kohlenstoff direkt erwärmen, z.B. mit einem Lichtbogen oder Laser und nicht den Tiegel von außen heiß machen, damit das Schmelzgut darin sich verflüssigt.
Derart kann man ohne Probleme Wolfram und andere Refraktärmetalle zu Perlen schmelzen und das ohne einen Tiegel aus einem Höchstleistungsmaterial zu verwenden. Beispielsweise schmilzt man Wolfram im Lichtbogen in gekühlten Kupfertiegeln oder Ähnlichem. Der Druck verkompliziert die Sache deutlich, aber völlig unmöglich klingt das nicht. Ich würde eher erwarten, dass es mehr am geringen Interesse als an einer kompletten Unmöglichkeit liegt.
Auf dem Level einer W-Schmelzperle wird es aber nicht liegen und scheinbar ist die Frage nicht so spannend, dass irgend eine Institution da so viel Aufwand hinein investieren will wie in die Konstruktion von Beschleunigern, Raketen oder anderen Großanlagen.

Hier sieht man wie es mit Wolfram gemacht wird:


Kohlenstoff so heiß zu machen, dass er verdampft, ist nicht so schwer, das kann man mit etwas Ambitionen vermutlich daheim realisieren, da braucht man nur einen sehr starken Schweißinverter und Schutzgas. Ich hatte meine Graphitelektroden schon mal so heiß, dass von der Anode was zur Katode rüber geflogen ist (die Kathode ist kälter als die Anode), aber ich kann nicht beschwören, dass es sublimiert ist, da Graphit unter den Bedingungen auch andere Dinge macht und sich zu Partikeln zerlegt, die sich auf der gegenüberliegenden Seite anlagern können.
aliquis
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von aliquis »

Bei mir hat sich mal die Kohle-Kathode kurz mit entzündet, als Teile des Lithiums im Zuge der Elektrolyse einer Lithiumchloridschmelze in Flammen aufgingen. Wie hätte man da Inertbedingungen herstellen sollen, wenn die zum Schmelzen benötigte Propangasflamme unterm Tiegel ihrerseits Luftsauerstoff benötigt und man im Hobbybereich nicht auf Lichtbogen und dgl. zurückgreifen kann? Kann man letzteren in einer Glovebox überhaupt risikofrei einsetzen?
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Calciumcitrat
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von Calciumcitrat »

mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 19. Januar 2022, 00:10
Calciumcitrat hat geschrieben: Dienstag 18. Januar 2022, 23:38 Zumindest etwas "Ähnliches" für kurze Zeit: https://journals.aps.org/prl/abstract/1 ... .94.057407
-> picosecond time-resolved x-ray absorption spectroscopy to study the bonding of liquid carbon
10-12 Sekunden ist wirklich nicht lange. Und ob der Begriff "bonding" da noch anwendbar ist wenn schon eher Plasma-Bedingungen vorherrschen? Kann mir nicht vorstellen dass die Elektronen bei >4000° noch an ihrem C hängen...

Wobei für chemische Prozesse (Kinetik, intersystem crossing, reaktive Enzymzentren) Pikosekundenspektroskopie sehr etabliert ist, physikalisch ist das noch eine sehr gut handhabbare Zeitspanne.
Da die Röntgenstrahlen mit Elektronen interagieren gehe ich schon davon aus, dass hier kein komplett dissoziiertes Plasma vorliegt.

Über die Gewinnung von experimentellen Daten für Phasendiagramme von C: https://www.sciencedirect.com/science/a ... 2396001704
Xyrofl
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von Xyrofl »

Wie hätte man da Inertbedingungen herstellen sollen, wenn die zum Schmelzen benötigte Propangasflamme unterm Tiegel ihrerseits Luftsauerstoff benötigt und man im Hobbybereich nicht auf Lichtbogen und dgl. zurückgreifen kann? Kann man letzteren in einer Glovebox überhaupt risikofrei einsetzen?
Flamme und inert schließen sich aus, aber inert und Lichtbogen oder Lichtbogen und Hobby nicht. Etwas inert im Lichtbogen zu schmelzen kennt jeder Handwerker vom WIG-Schweißen, denn das IG steht für Inertgas und das W für die Wolframelektrode, die den Lichtbogen führt. In einer Glovebox könnte man theoretisch einen Lichtbogen verwenden, aber praktisch würde ich der das nicht zumuten wollen, es wirkt ziemlich absurd, zumal es Vakuumlichtbogenöfen fertig gibt. Gloveboxen sind sehr empfindlich und selbst die Handschuhe sind sehr teuer (nicht billiger als ein Schweißinverter aus China). Das würde ich nicht mit spritzenden Schmelzperlen versauen wollen. Schmelzflusselektrolysen sollte man aber sowieso nicht im Lichtbogen machen (viel zu harsch), sondern wenn man elektrisch heizen möchte, dann wohl eher über Widerstandsheizung ganz klassisch wie mit einer Herdplatte oder Ceranfeld. Bis 1000°C ist das kein Problem. Brennöfen für Töpfer arbeiten ja deutlich drüber mit normalen Kanthaldrähten und unter Schutzgas könnte man auch noch ganz andere Heizelemente nehmen, die an der Luft brennen würden.
Da die Röntgenstrahlen mit Elektronen interagieren gehe ich schon davon aus, dass hier kein komplett dissoziiertes Plasma vorliegt.
Komplett dissoziiert kann das sowieso schon dreimal nicht sein. 4000-5000 K sind nicht so besonders viel. Ein Schweißbrenner wird fast 4000K heiß an der heißesten Stelle und wenn man exotischere Gase verwendet, dann sind auch über 5000 K drin. Da existieren also schonmal die Produkte CO und N2 als chemisch stabile Produkte, d.h. die Elemente verhalten sich noch als würden sie Chemie machen wollen, also sind selbst die Elektronen der äußeren Orbitale noch wo sie hingehören. Weder sind da die Kerne von den unteren Elektronen gelöst, noch muss ein Schweißer sich mit thermischer Röntgenstrahlung herumschlagen oder sowas, selbst beim Lichtbogenschweißen nicht, da nur die äußersten Elektronen da ionisiert werden (grob etwa 10.000+ K bei Argon und 20.000+ K bei Helium als Schutzgas, weswegen letzteres bevorzugt wird wenn man einen konzentrierten, scharfen Lichtbogen möchte).
Im Paper messen die eine Absorptionskante bei 300 eV (extrem weich für Röntgenstrahlen) und das entspricht etwa einer Plasmatemperatur von >3 Megakelvin.
Da Plasma ein Aggregatzustand ist, sollte das strenggenommen auch im Phasendiagramm auftauchen. Normale Flüssigphase und Plasma schließen sich eigentlich weitestgehend aus.
aliquis
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von aliquis »

Also könnte man beim WIG-Schweißen Graphit verdampfen - interessant...

Wie führt man eine Schmelzflusselektrolyse unter Inert-Bedingungen im Profilabor durch? Ich stelle mir Elektrodenanschluss und Argonflutung im elektrischen Hochofen apparativ sehr umständlich vor...
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mgritsch
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von mgritsch »

Xyrofl hat geschrieben: Mittwoch 19. Januar 2022, 17:24Komplett dissoziiert kann das sowieso schon dreimal nicht sein. 4000-5000 K sind nicht so besonders viel. Ein Schweißbrenner wird fast 4000K heiß an der heißesten Stelle und wenn man exotischere Gase verwendet, dann sind auch über 5000 K drin. Da existieren also schonmal die Produkte CO und N2 als chemisch stabile Produkte, d.h. die Elemente verhalten sich noch als würden sie Chemie machen wollen, also sind selbst die Elektronen der äußeren Orbitale noch wo sie hingehören. Weder sind da die Kerne von den unteren Elektronen gelöst, noch muss ein Schweißer sich mit thermischer Röntgenstrahlung herumschlagen oder sowas
ja natürlich, weder völlig ionisiert noch "Kerne von unteren Elektronen gelöst" hätte ich erwartet. Aber bei einer GF-AAS habe ich auch nur um die 2000 °C und das reicht zum Atomisieren und teilweisen ionisieren, in einer ICP-OES sind es schon um die 7000 °C und da ist dann aber wirklich viel ionisiert.

Dass chemische Bindungen von CO oder NO die 4000 K überstehen bezweifle ich, alleine aufgrund der GG-Lage einer exothermen Reaktion bei solchen Temperaturen. Hart "beweisen" kann ich es aber nicht.

Bei entsprechend hohem Druck mag das wieder anders aussehen, da geht die Ionisation zurück und auch die GG-Lage wird wieder verschoben...

Praktisch durchführen kann ich mir allenfalls insofern vorstellen als man ein kleines Graphitkügelchen zB mit Metall bedampft und dann einen sehr kurzen, sehr staken Laserpuls drauf feuert. Durch den "Rückstoß" des wegfliegenden verdampften Metalls baue ich den nötigen Druck auf. In den <µs dieser Explosion mag man spektroskopisch dann flüssigen C vorfinden.

ps ist kurz, aber auch fs sind heute durchaus "state of the art" dank entsprechend kurzer Laserpulse... man kann auch sehr schnellen Reaktionen also durchaus in Zeitlupe zusehen.
Glaskocher
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Re: Ist flüssiger Kohlenstoff einmal prepariert worden ?

Beitrag von Glaskocher »

Xyrofl hat geschrieben: Mittwoch 19. Januar 2022, 17:24 ...
Da Plasma ein Aggregatzustand ist, sollte das strenggenommen auch im Phasendiagramm auftauchen. Normale Flüssigphase und Plasma schließen sich eigentlich weitestgehend aus.
Da der Plasmazustand nur bei Temperaturen deutlich oberhalb des kritischen Punktes auftritt kann man hier nicht mehr mit "flüssig" oder "gasig" argumentieren, dieser Übergang existiert oberhalb der kritischen Temperatur nicht mehr. Im Phasendiagramm würde dem zufolge eine Diagonale auftauchen, die bei niederem Druck eine geringere Temperatur aufweist als bei hohem Druck. Außerdem ist der Übergang vom Fluid (vulgo Gas) zum Plasma fließend, da mit steigender Temperatur immer mehr Atome ihre ersten Elektronen "ausgeschlagen" bekommen. Somit müßte man die "Untergrenze" des Zustandes "Plasma" zunächst definieren. Da müßte man in der Maxwellschen Verteilung schauen, wie viele Teilchen-% bei gegebener Temperatur energetisch genug sind, um Nachbarn das erste Elektron, zumindest vorübergehend, aus der Schale heraus zu schlagen.
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