Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

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aliquis
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Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von aliquis »

Hallo miteinander!

Ich habe gerade mit einem anderen Forenmitglied im PN-Austausch darüber nachgedacht, wie wohl das gelbe Eisen-III-chlorid in die Salzsäure technischer Qualität kommt. Wir konnten uns beide nicht wirklich einen Reim darauf machen und eine erste Online-Recherche ergab auch nichts Aufschlussreiches. Aus eisernen Bestandteilen der Produktionsanlage kann es ja wohl eher nicht stammen, sonst würden die ja langsam wegkorrodieren und undicht werden... :?
Wobei der Eisengehalt ja von der Produktionstranche abhängig zu sein scheint: ich habe schon oft die gleiche Marke mal in farblos und mal in gelb im Baumarkt-Regal gefunden. Auch habe ich selbst schon erlebt, dass eine ursprünglich klare Salzsäure von angeblich reinster Qualität nachträglich vergilbt ist - und das, obwohl ich immer nur mit sauberen Messpipetten aus meinen Vorratsflaschen entnehme...

Habt Ihr eine Idee, wie das Eisen da hineingelangt? Und wie sich die reine Salzsäure im Produktionsprozess davon unterscheidet?

Danke im Voraus.

Beste Grüße
aliquis
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Gelborange S
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von Gelborange S »

Technische Salzsäure fällt ja bei Chlorierung von organischen Verbindungen an (siehe auch Wikipedia). Da wäre es für mich gut vorstellbar, dass Eisen oder eine seiner Verbindungen als Katalysator verwendet werden, die dann unter diesen Bedinungen natürlich zum Chlorid reagieren. Das könnte auch erklären, warum nur manche Chargen betroffen sind, weil es eben ganz darauf ankommt, was für organische Stoffe produziert werden. Das ist aber naürlich nur eine Theorie meinereits, ob das so ist, weiß ich auch nicht.
aliquis
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von aliquis »

Warum wird die dabei anfallende Salzsäure denn nicht gleich für Alkylierungen weitergenutzt, wenn derartige Produkte eh das Ziel sind?
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Glaskocher
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von Glaskocher »

Bei Friedel-Crafts-Alkylierungen arbeitet man mit Chloraliphaten und Lewis-Säuren (FeCl3, AlCl3...), um Aromaten zu alkylieren. Dabei wird HCl als Abgangsgruppe freigesetzt. Das bedeutet, daß wir HCl hier nicht als Edukt nutzen können.

Man kann das anfallende HCl zur Herstellung von Chlorethan aus Ethen verwenden und damit einen Kreislauf aufbauen. Andere Halogenalkane sind über die Chlorierung mit molekularem Chlor besser zugänglich. Ein mögliches Zielprodukt wäre Diethylbenzol, das zum Divinylbenzol weiter umgesetzt und später als Quervernetzer in Polymeren auf Styrolbasis genutzt wird.


Zur Herstellung besonders reiner HCl wird Chlorgas mit Wasserstoff "verbrannt". Diese Reaktion wird tatsächlich mit speziellen Brennern durchgeführt, deren Aufbau an Glasbläserbrenner vom "Oberflächenmischer-Typus" angelehnt ist. Man muß sicherstellen, daß sich nirgends unreagiertes Gasgemisch sammelt, da es recht explosiv zündet. Zur Zündung von Chlor-Wasserstoff-Mischungen reicht blaues Licht, wie es beim Experiment "Chlorknallgas" demonstriert wird.
aliquis
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von aliquis »

Dann ist das Eisen in der Salzsäure ein Rest der verwendeten Lewis-Säuren?
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lemmi
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von lemmi »

Kritische Frage: ist die Gelbe Färbung wirklich auf Eisen zurückzuführen? Habt ihr eure Salzsäure mal daraufhin getestet? Meine ist nämlich eisenfrei!
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Sebacylbrause
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von Sebacylbrause »

Ist das üblich bei euch, dass die techn. Salzsäure gelb ist? Ich habe das noch nie gesehen.
aliquis
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von aliquis »

Zumeist ja, in zwei von drei Fällen finde ich in Baumarktregalen eher gelbliche Salzsäure vor. Als ich vor ca. 8 Jahren wieder mit dem Experimentieren anfing, habe ich meinen nur leicht gelblichen, 25 Jahre alten Restbestand verdünnt mal auf Fe3+ mit Thiocyanat getestet: die typische tiefrote Färbung!
Daraufhin habe ich mir die technische von Fischar bestellt, die erinnerte schon mehr an eine verdünnte Eisen-III-chlorid-Lösung als noch an Salzsäure... Reklamieren wollte ich sie wegen den paar Euro nicht, deshalb habe ich die Flasche einem mir bekannten Fliesenleger in die Hand gedrückt, der hatte Verwendung dafür. Danach habe ich anderswo eine in Reinstqualität bestellt: die war zunächst farblos, nach einem halben Jahr dann aber auch leicht gelblich (aber nicht so stark gelb wie die technische von Fischar).
Seitdem kaufe ich mir wieder die technische aus dem Baumarkt, wenn sie farblos ist. Eine nachträgliche Vergilbung habe ich bei denen noch nicht festgestellt.
Da ich derzeit also gar keine gelbe Säure mehr habe, kann ich momentan keinen sinnvollen aktuellen Eisen-Test durchführen.
Was meine jetzige aber tut, ist Kaliumiodid-Stärke-Lösungen bläulich zu färben (Reste von Chlor?). Für iodometrische Analysen ist sie also nicht zu gebrauchen. Aber da verwendet man ja eh Schwefelsäure zum Ansäuern. Ich nehme dafür die technische Qualität, entsprechend herunterverdünnt. Eine Blindprobe davon setzt kein Iod frei.

@lemmi: Ist Deine denn gelb UND trotzdem eisenfrei?

In meiner vermeintlich eisenfreien Reinst-Säure scheint ja Fe2+ drin gewesen zu sein, die erst nachträglich zu Fe3+ oxidiert ist - passt aber wiederum nicht zur Lewis-Säure-Vermutung... :idea2:
Sicherheitshalber sollte man mit Thiocyanat UND Ferrocyanid testen...

P.S.: In einem alten Kosmos C2 Anleitungsbuch wird die Destillation technischer Salzsäure beschrieben (es geht natürlich nur das Azeotrop in die Vorlage über) und die vorfindliche Gelbfärbung mit Eisen-Verunreinigungen erklärt - aber leider nicht, woher die ursprünglich kommen...

P.P.S.: Wenn die Gelbfärbung nicht allzu stark war, ist sie bei Verdünnung von 30-33 % auf z. B. 15 % nicht mehr erkennbar.
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Glaskocher
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von Glaskocher »

Solange im Verdampferkolben eine höhere Konzentration als 20% ist wird zunächst verstärkt HCl-Gas übergehen. Das System (HCl-H2O) hat ein Temperatur-Maximum-Azeotrop. Das bedeutet, daß von jeder Seite zunächst die "überschüssige" Reinkomponente so lange bevorzugt übergeht, bis das Azeotrop erreicht ist.

Thiocyanat ist für den Nachweis von Eisen in Salzsäure nur suboptimal. Man kann das Eisen mit Hilfe von konzentrierter Kochsalzlösung aus dem farbigeren Thiocyanat-Komplex verdrängen und die Lösung entfärbt sich weitgehend. Man braucht also eine recht hohe Thiocyanat-Konzentration, um geringe Eisenkonzentrationen nachweisen zu können. Ob hier das reine Verdünnen der Salzsäure die Chlorid-Konzentration bereits so weit senkt, daß das Thiocyanat die ebenfalls verdünnte Eisen-Konzentration färbt weiß ich nicht.
aliquis
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von aliquis »

Wollte eigentlich sagen, dass man nach Destillation der gut 30 % igen technischen Salzsäure nur das 20 %ige Azeotrop in der Vorlage wiederfinden wird. Das überschüssige HCl verflüchtigt sich aus dem Versuchsaubau. (Eine Kühlfalle für HCl ist bei Versuchen im Chemiebaukastenformat nicht vorgesehen. Für Schwefeldioxid gab es wohl ein entsprechendes Experiment. Alles weitere ging über die gegebenen Möglichkeiten hinaus.)

Eisen war mit Thiocyanat in meiner Uralt-Salzsäure gut nachweisbar. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich die Säure aber wohl doch nicht vorher verdünnt, sondern umgekehrt tropfenweise zu einer kleinen Menge nicht allzu schwacher Thiocyanatlösung gegeben. Die Färbung war nicht so intensiv, dass man nicht mehr hätte hindurchsehen können, aber dennoch eindeutig und verschwand auch nicht wieder. Bei der Fischar-Säure wäre das vermutlich noch deutlicher ausgefallen, aber die habe ich ungeöffnet an den Fliesenleger verschenkt.
Die Probe mit Blutlaugensalz fiel bei meinem Altvorrat auch positiv aus.
Die auf 15 % herunterverdünnte "Arbeitssäure" habe ich nicht nochmals geprüft. Ich meinte nur die bereits "mitgelierte" Gelbfärbung, die nach Verdünnen nicht mehr zu erkennen war.
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
aliquis
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Re: Wie kommt das Eisen in die technische Salzsäure?

Beitrag von aliquis »

Ich habe nun doch noch etwas dazu gefunden: http://www.chemiekiste.de/Chemiebox/SB- ... aeure.html

Eisen (die Chlor-Wasserstoff-Brenner sind tatsächlich aus dem Material... :shock: ), Chlor (daher die Iod-Stäke-Reaktion) und (bei der Aromatenchlorierung) auch organische Verbindungen - ein ziemlicher Cocktail, der die Gelbfärbung verursacht. Wahrlich keine Säure für Analysezwecke!

Aber warum trat die Verfärbung bei meiner angeblich reinsten Säure erst später ein? :?

Wie stellt man analysenreine Säure großtechnisch her? Durch fraktionierte Destillation und Aufkonzentrierung per Wiederzuführung des gereinigten Chlorwasserstoffs? Wie erreicht man dabei Chlorfreiheit?
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
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