Ablagerungen im Salmiakgeist

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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aliquis
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

@ mgritsch: wir hatten fast zeitgleich gepostet.
Löslichkeitsprodukt wäre damit geklärt - sieht doch nicht gut aus für die Diagnose Ammoniumcarbonat.
Für weitere Analysen (unter vorheriger "Säulen-Aufkonzentration") müsste ich jetzt erstmal warten, bis sich wieder genug Ablagerungen gebildet haben. Fürchte nur, dass ich den Salmiakgeist bis dahin eh aufgebraucht habe...
Auf jeden Fall scheint der Fremdstoff nicht störend zu sein. Habe mit der Ammoniaklösung nach Verdünnung und in Mischung mit Ammoniumchlorid sogar in Analysen gepuffert - ohne merkliche Abweichungen vom zu erwartenden Ergebnis.
Eine postanalytische Überlegung: welche mögliche Ablagerung verbrennt rückstandsfrei - das war für mich zunächst ein Argument pro flüchtigem Ammoniumsalz...
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mgritsch
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Donnerstag 21. Oktober 2021, 15:40Wie würde sich 25 % Ammoniak auf die Löslichkeit des Carbonats auswirken (beim Löslichkeitsprodukt habe ich schon in der Schule immer gepatzt, während ich sonst gut bis sehr gut in Chemie war...)?
Das Löslichkeitsprodukt ist auf so konzentrierte Lösungen praktisch nicht anwendbar weil diverse andere Wecheslwirkungen der Teilchen bei weitem überwiegen. Bei 25% NH3 die ja auch überwiegend als solches vorliegen, nicht als NH4OH wie gerne suggeriert wird und noch weniger als NH4+ (pH 13 bestätigt das - siehe oben...) ist schon eher die Frage wie die Löslichkeit von Ammoniumcarbonat in NH3 ist.

Sonst siehe oben, praxistest zeigt ca 0,9 g lösen sich im 27 %igen = ca 9 %ige Lösung, verdünnt man auf die Hälfte dann nochmal deutlich mehr.
aliquis
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Ah, danke. Wie gesagt: sieht schlecht aus fürs Ammoniumcarbonat. Bleibt die Frage: was fällt aus, verflüchtigt sich aber vollständig beim Verbrennen? :?
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mgritsch
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von mgritsch »

das könnte dann doch was organisches sein (bei Plastikflasche: Weichmacher!) oder man hat das Problem dass die Menge so gering ist, dass sie beim Veraschen mit dem Filterpapier als feiner Staub im Universum verteilt wurde und jedenfalls nicht kompakt wiederzufinden ist. Hast du den (scheinbar leeren) Tiegel noch ausgespült und auf Ca/Mg geprüft? Aus der Glasflasche halte ich persönlich nach wie vor das Ca für den wahrscheinlichsten Kandidaten. Das Hydroxid ist sehr voluminös, sieht bald nach viel NS aus ist aber getrocknet und geglüht dann fast nix mehr.

Wenn du Erio-T bzw. EDTA hast dann kannst du ja mal direkt das NH4OH auf seinen Ca-Gehalt prüfen, der kann trotz hohem pH relativ hoch ausfallen wenn vorhanden. Bei pH 13 passen rechnerisch immer noch um die 100 mg/l Ca hinein, durch Fremdionen sogar mehr. Man nehme 5 ml Probe, ein Spatel voll NH4Cl hinein und eine Kleinigkeit Erio-T. Ist es rot/violett, dann ist wohl Ca oder eine ähnliche Verunreinigung drin. Dann tröpfchenweise mit 0,01M EDTA bis Umschlag zu klar blau. Reicht 1 Tropfen EDTA - vernachlässigbar wenig Ca enthalten. Braucht man mehr, dann war der Salmiak wohl etwas "hart" :)
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Nein, den leeren Tiegel habe ich nicht mehr ausgespült, weil ja auch in den gelösten Resten aus der Flasche kein Calcium/Magnesium nachweisbar war. Das könnte ich natürlich nochmal mit EDTA/ErioT nachprüfen - auch wenn ich bei komplexometrischen Titrationen unter Einsatz der Ammoniaklösung bislang noch keine Abweichungen von der Einwaage des Analyten feststellen konnte (zumindest nichts, was sich nicht im Bereich der Titrationsgenauigkeit bewegen würde, die Komplexometrie ist da wirklich geradezu erschreckend präzise - manchmal bis auf 0,1 ml 0,01 N EDTA genau am Äquivalenzpunkt, man könnte dann noch mit 0,001 N EDTA austesten, aber irgendwann schlägt dann einfach nur noch der Wiege- oder Verdünnungsfehler zu...).
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

So, ich habe das jetzt mal mit EDTA/Erio T gegengetestet:
Für die 5 ml Probelösung (mit dest. Wasser verlängert auf 25 ml) habe ich bei zum Farbumschlag nach Blau immerhin 8 Tropfen entsprechend ca. 0,4 ml 0,01 N EDTA-Lösung verbraucht. Ausgehend von Calcium entspräche dies 0,16 mg in der Probe bzw. 32 mg pro Liter. Das ist nicht viel, aber auch nicht nichts. Die Gesamthärte entspräche etwa der von weichem Leitungswasser des Härtegrades 3. Es werden also nachweislich Mineralien aus dem Glas gelöst. Zwar waren keine Verbrennungsrückstände zu sehen gewesen, aber wie man nun sieht, muss das noch nichts heißen ("Gone by the wind"... :wink: ) Ebenso wenig, dass aus den aufgelösten Rückständen kein Calciumoxalat bzw. Magnesiumammoniumphosphat ausgefällt werden konnte - für das Bisschen, was drin ist, sind die beiden Salze einfach immer noch zu gut löslich. Danke Dir, mgritsch, dass Du bzgl. der Mineralien für mich am Ball geblieben bist. :thumbsup:

Die Frage ist ja: ist die verunreinigte Ammoniaklösung in der Lage, analytische Ergebnisse merklich zu verfälschen?
Gehen wir mal von lemmis komplexometrischer Calcium-Bestimmung aus: dort werden 4 ml einer zehnfach verdünnten konz. Ammoniaklösung verwendet, also somit 0,4 ml vom 25 % igen Ammoniakwasser. Dieses enthielte dann 0,0128 mg Fremd-Calcium, welches 0,032 ml 0,01 N EDTA-Lösung zusätzlich verbrauchen würde, also weniger als einen Tropfen - und somit unterhalb der Titrationsgenauigkeit. Die Ammoniaklösung ist also selbst zu Analysezwecken (vorbehaltlich kleinster Einsatzmengen) weiterhin verwendbar!

Zwei Fragen blieben noch offen:
1. Wieso kam es überhaupt zu den Ablagerungen? Mit 32 mg Calcium pro Liter Lösung ist die Sättigung übers Hydroxid ja noch lange nicht erreicht gewesen. Oder besteht die Ablagerung aus Calciumcarbonat, welches aus gelöstem Calciumhydroxid und Kohlendioxid der bei jedem Öffnen neu zuströmenden Luft entstanden ist? Dagegen spricht die fein nadelförmige durchscheinende Gestalt der Kristalle, die sich teilweise sehr lange in der Schwebe halten, teilweise regelrecht am Glas "festfressen". Calciumcarbonat-Niederschläge kenne ich sonst nur undurchsichtig weiß, puderfein, schwer und daher schnell absetzend.
2. Glas hydrolysiert, Kunststoff bläht sich auf und füttert Mikroben mit Weichmachern. Gibt es sinnvolle Alternativen für die Lagerung zwecks Reinerhaltung von Salmiakgeist?
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mgritsch
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von mgritsch »

:thumbsup:
Schön dass das geklappt hat. Mir ist sowas schon mal aufgefallen: gib dest. Wasser in eine Glasflasche, Puffer und Erio-T dazu, dann gerade mal mit EDTA auf blau. Lass die Flasche verschlossen stehen und du kannst von Tag zu Tag beobachten wie der Inhalt wieder roter wird während (vermutlich überwiegend) Ca aus dem Glas gelöst wird. Im Fall von Salmiakgeist dann wohl bis zur Fällung…

Mag sicherlich sein dass das nicht nur hydroxid sondern auch carbonat ist. In den Mengen plausibel.

Die Abschätzung für die analytische Relevanz hast du ja perfekt gemacht, nicht dramatisch.
Alternativen: Glas ist nicht gleich Glas! Es gibt gewöhnliche und chemikalienbeständigere Gläser. Mein Salmiak lagert in einer Boro 3.3 Flasche, vielleicht deswegen auch nach langer Zeit ohne Niederschlag?
Außerdem ist der (oberflächliche) Vorrat an lösbarem Ca im Glas begrenzt. Nachdem du es nun gereinigt hast kann es gut sein dass sowas in der Flasche nicht wieder passiert. Spätestens mit der nächsten charge Salmiak die du da rein füllst :)
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von Glaskocher »

Die Extraktion von Alkalien und Erdalkalien aus Natron-Kalk-Glas endet im alkalischen Medium eigentlich nie, da das Mediun langsam das Silikatgerüst abbaut. Der anfängliche Ionenaustausch dagegen wird recht bald ins Gleichgewicht kommen. Theoretisch müßte Man Quarzglas verwenden, um die Verunreinigung mit Glasbestandteilen zu minnimieren (reines Kieselsäureanjydrid).

Beim Kunstatoff kommt es immer darauf an, welche Sorte verwendet wird. Bei den meisten Flaschen wird Polyethylen oder Polypropylen verwendet. Da ist kein Weichmacher drin, jedoch könnte etwas UV-Schutz zugemischt sein. PVC ist erst unter Verwendung von Weichmacher nutzbar, sonst ist das Material zu spröde.

Hier noch ein Experiment mit Glasmehl: Wenn man dest. Wasser mit Plenolphthalein versetzt, dann sollte die Lösung farblos sein (erwarteter pH-Wert = 4-7). Nach Zugabe von Glasmehl (Natron-Kalk.Glas) färbt sich die Lösung pink, weil Alkali-Ionen aus dem Glas gelöst werden.

Das Experiment mit Erio-T und EDTA klingt interessant. Da müßte man doch testen können, ob die Erdalkali-Extraktion mit der Zeit nachläßt und aufhört, oder auf geringem Niveau kontinuierlich weiter geht. Man müßte nur regelmäßig erneut titrieren und den Verbrauch protokollieren.
aliquis
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Tja, dann werde demnächst mal wieder eine Laborglasflasche mit rotem Deckel bestellen und meinen Nachschub jeweils dort hinein umfüllen - sowas ist wegen der Dichtigkeit bei Ammoniak ja ohnehin zu empfehlen. Kunststoffflaschen entfallen zur Aufbewahrung der konz. Lösung ganz, weil die sich sehr aufblähen können.

Wie gesagt: die Glashydrolyse lässt sich auch sehr anschaulich mithilfe einer wässrigen Universalindikatorlösung darstellen, welche durch eine enge Natronkalkglaskapillare fließt (einfach ein Glasrohr in der Bunsenbrennerflamme zu einer längeren Kapillare auseinanderziehen und vorsichtig erkalten lassen).

Nochmals Danke für Eurer aller Hilfe bei der Klärung meines Problems! :)
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Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von eule »

aliquis hat geschrieben: Donnerstag 21. Oktober 2021, 15:40 Auf den Artikel bin ich gespannt - vll. kaufe ich mir danach ja doch noch Lötrohr und Kohle...
Zum Lötrohr und der passenden Kohle:
Jöns Jakob Berzelius - Von der Anwendung des Löthrohrs hat geschrieben:Die Probe, welche der Löthrohrflamme ausgesetzt werden soll, muss auf etwas liegen, oder auf irgendeine Art festgehalten werden. Dazu passt am besten gut ausgebrannte Holzkohle. Die vom reifen Fichtenholze oder von leichtem Laubholze passt dazu am besten. Die Kohle von der Tanne prasselt und schleudert oft die Probe fort, und die Kohle vom harten und schweren Laubholze giebt so viel und nicht selten so eisenhaltige Asche, daß man sich nur im Nothfalle deren bedienen muss. Buchen- und Eichenholz sind dieser Ursache wegen nicht tauglich. Ich habe nicht gelegenheit gehabt, Buchsbaum zu versuchen; Gahn vermuthete immer, dass diese Art Holz die beste Löthrohrkohle geben sollte; aber er hatte beinahe nur Erfahrung vom Nadelholze. Von den vielen Arten Kohle, die ich Gelegenheit gehabt in Ländern zu versuchen, wo die letztgenannte nicht erhalten werden konnte, habe ich gefunden, dass Kohlen von Salix alba oder von Salices im Allgemeinen die besten sind.
Ich habe hier nicht nur die Methodik der Arbeit mit dem Löthrohre von der Notwendigkeit des Löthrohres als Gerät entblößt, dort finden sich aus allerley hilfreiche Links auf die richtige Kohle dafür sowie deren Herstellung und Gebrauch.
Unendliche Vielfalt in unendlicher Kombination.

Agressiv und feindselig, boshaft, manipulierend und hinterhältig, hämisch, überkritisch, herrschsüchtig und sinnlos brutal, das sind die Primärtugenden, die zusammengenommen Menschen vor allen anderen Spezies auszeichnen.
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