Ablagerungen im Salmiakgeist

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

Moderator: Moderatoren

aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Hallo miteinander!

Ich habe in meiner 500ml-Braunglasflasche mit Ammoniaklösung, 25 %, reinst (Originalgebinde von S3 Chemicals, 2,5 Jahre alt, noch gut halb voll) einen feinen kristallinen bis leicht flockigen hellen Niederschlag entdeckt (nicht viel, bildet am Flaschenboden nur einen dünnen Film, der sich aufschütteln lässt) und frage mich nun, was das sein könnte. Auch am Flaschenhals, wo vll. mal ein Tropfen der Lösung heruntergelaufen ist, hat sich an einer Stelle eine feine Salzkruste gebildet. Ammoniakgeruch ist bei verschlossener Flasche - auch wenn man direkt daran riecht - nicht wahrnehmbar.

Meine Vermutungen:
1. Ammoniumsilikat - aber greift denn Ammoniakwasser Glas genauso an wie die Alkalilaugen?
2. Ammoniumcarbonat - gebildet mit Kohlendioxid aus der Luft.
3. Ammoniumchlorid - eher unwahrscheinlich, da sich das erfahrungsgemäß eigentlich immer an der Salzsäureflasche bildet (und da ist nichts dran zu sehen). Ausserdem stehen die beiden Ammoniakflaschen (die zweite Flasche ist aus Plastik und enthält einfachen Salmiakgeist aus dem Baumarkt) als einzige Chemikalien in einem anderen Schrank als die Säuren.
4. Schimmel - aber hat der eine Chance in diesem Millieu?

Was meint Ihr dazu?

Dies war übrigens das erste Mal, dass ich konz. Ammoniaklösung in einer Glasflasche gekauft habe. Früher hatte ich die immer in Kunststoffflaschen. Da hatte ich derartige Ablagerungen nie drin. Beim nächsten Kauf werde ich vermutlich wieder auf das Angebot von Fischar zurückgreifen - die liefern das Zeug in gut schließenden HDPE-Flaschen...
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von mgritsch »

Man kann jetzt natürlich trefflich theoretisieren und rätseln (Theorien hast du ja schon genug nachvollziehbar dargelegt), ich befürchte aber das bringt keine befriedigende Antwort hervor. Meine Lösung (auch in Glasflasche, seit einige Jahren) hat keine erkennbaren Verunreinigungen.

Ist eine für eine kleine Analyse ausreichende Menge vorhanden? Abdekantieren/filtrieren und mal durchtesten...
Sehr gut lösliche Stoffe wie Carbonat oder Chlorid würde ich kategorisch ausschließen, damit die ausfallen müsste schon eine Riesenmenge anwesend sein. Erster Test wäre somit mal eine kleine Probe zu erhitzen - wird es irgendwie braun oder schwarz dann ist es die Biologie. Bleibt es auch bei großer Hitze weiß dann kann man ja dem Silikat näher treten. Löst es sich nach Hitzebehandlung in verd. Säure dann ist Silikat auch raus. Ca Hydroxid aus dem Glas wäre dann noch zu betrachten - mit Oxalat schnell beantwortet... (alternativ dazu auch direkt im Ammoniakwasser).
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

So werde ich es mal versuchen, vielen Dank. Abdekantieren scheint mir dabei vielversprechender zu sein als Filtrieren. Von dem bisschen Niederschlag finde ich im Filter ja kaum noch was wieder...
Bei der Menge Ammoniaklösung arbeite ich am besten an einem regenfreien Tag draussen und mit Atemschutz...
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Glaskocher
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2522
Registriert: Dienstag 27. Oktober 2015, 22:17
Wohnort: Leverkusen

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von Glaskocher »

Ich würde vermuten, daß außen eine andere Substanz zu finden ist als innen. Wenn irgendwo saure Gase in der Gegend sind, dann ist es möglich, daß an der Ammoniakflasche ein "Salzbart" wächst. Allerdings wachsen diese "Bärte" ungleich häufiger an den Säureflaschen, weil Ammoniakmoleküle deutlich rascher (weg) diffundieren als die meist schwereren Säuremoleküle (HCl = der Klassiker).

Versuche beim Dekantieren möglichst "gluckerfrei" zu gießen, daß der Bodensatz möglichst lange ungestört bleibt. Ein anderer Trick ist, die Flasche beim Absitzenlassen zuerst senkrecht stehen zu haben und sie später um ca. 45° zu kippen, um den Bodensatz in einer "Ecke" zu vereinigen. Diese "Ecke" muß dann immer zu unterst bleiben. Wenn der Bodensatz dann erreicht ist, dann müßtest Du ihn in ein schmaleres Gefäß (Reagenzglas mit Stopfen) überführen, um ihn weiter aufzukonzentrieren. Beim RG gibt es den Trick, es zunächst schräg zu fixieren, daß sich der Bodensatz rasch an einer Wand sammelt. Wenn das Glas später senkrecht gestellt wird, dann rutscht der Bodensatz recht schnell zum Boden. Eventuell das RG etwas um die eigene Achse drehen, um den Bodensatz von der Wand abzulösen, ohne ihn wieder im Volumen zu verteilen.
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von lemmi »

Meines Erachtens kommt nur die Einwirkung der alkalischen Flüssigkeit auf das Glas als Ursache das Niederschlags in Frage. Der müsste somit aus Kieselsäure bestehen. Beste Nachweismöglichkeit: Niederschlag am Magnesistäbchen in einer Natriumcarbonatperle vor dem Lötrohr durchschmelzen und dann mit Kobaltnitratlösung behandeln → Bildung von Smalteblau
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Vielen Dank, Glaskocher, für die Dekantier-Tipps. :thumbsup: Hängenbleiben/Verteilen des Bodensatzes entlang der gesamten Glasinnenwand oder aber aufwirbeln und zu viel rausspülen ist dabei ja irgendwie immer das Problem...

@lemmi: Smaltes Blau kenne ich nur als cobaltoxidgefärbtes Kalisilikat. Sollte man dann eher Pottasche statt Soda nehmen oder ist das egal?
Kann ich das auch auf der Magnesiarinne in der Gasbrennerflamme ohne Lötrohr (ich habe keines, ersatzweise auch kein Ölkannenrohr aus dem Baumarkt...) durchführen oder wird der Schmelzpunkt der Glasmischung sonst nicht erreicht? Ich meine mich nämlich zu erinnern, eine Glasschmelze mit Siliciumdioxid (aus entwässerter Kieselsäure) und Soda auf der Magnesiarinne schon mal vergeblich versucht zu haben...
Beim Thenards Blau oder Rinmanns Grün hat das bei mir auf der Magnesiarinne jedoch gut geklappt.

Für einen nasschemischen Nachweis von Silikat (nach alkalischem Aufschluss? Im Eisentiegel?) sind die Mengen wohl zu klein, oder? Der Nachweis wäre sonst ja nur indirekt im Auschlussverfahren möglich.

Da der Bodensatz nahezu wasserunlöslich zu sein scheint, können dafür eigentlich ja nur noch Silikat, Calciumhydroxid oder Biomasse in Frage kommen.
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Area51
Illumina-Mitglied
Beiträge: 20
Registriert: Samstag 28. April 2012, 06:17

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von Area51 »

Ca- bzw. Mg-Carbonat, eventuell auch Silicat wären für mich gut vorstellbar.

Dazu eine kleine Geschichte:
In meiner alten Firma (Lebensmittelanalytik) wurden mir seinerzeit (vor ca. 30 Jahren)
10 Liter bidestilliertes Wasser zum Geschenk gemacht. Diese füllte ich in 2,5 L Glasflaschen
der Firma Merck ab in welchen wir damals UHQ-Wasser für die HPLC geliefert bekamen.
Alles sehr sauber also. Diese Flaschen standen in Folge einige Jahre bei mir zu Hause irgendwo herum.

Eines Tages beabsichtigte ich komplexometrische Titrationen durchzuführen wobei mir mein
"Bauchgefühl" riet auch Blindwerte zu bestimmen. Und siehe: ca. 100 ml dieses Wassers verbrauchten
bis zu 0,1 ml einer 0,1 M EDTA-Lösung (Mikrobürette; Bestimmung von Ca). An einen scharfen
Indikatorumschlag glaube ich mich auch noch erinnern zu können.

Was bedeutet das also? Bei hinreichend langer Lagerung ist auch Wasser in der Lage Substanzen
aus dem Glas herauszulösen.
Ammoniaklösung dürfte m.E. daher noch aggresiver sein; gelöstes Ca-Hydroxid fällt dann mit
gelösten Carbonaten (Bildung aus CO2 aus der Luft als Calciumcarbonat aus.
Ebenso wäre auch die Bildung schwerlöslicher Silicate in diesem Fall vorstellbar.
Glas ist langfristig gesehen chemisch gar nicht so inert wie man gerne vermuten würde.

PS: Anmerkung zum Silikatnachweis als Smalteblau:
Nur sehr wenig Cobaltnitratlösung (0,1 %) zugeben sonst wird die Mischung durch überschüssige
Co-Oxide nach dem Glühen schwarz und verdeckt die blaue Farbe der Silicatverbindung.
Reagenz nachdosieren kann man immer noch.

Lg, Area51
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Dass Glas hydrolysiert, war mir bekannt (es gibt da ja auch den schönen Kapillarversuch mit wässriger Universalindikatorlösung). Aber dass dadurch sogar ein Bodensatz entsteht, war mir neu. Ich habe mehrere Braunglasflaschen mit wässrigen und ammoniakalkalischen Lösungen in meinem Schrank stehen - dort kann man das aber nicht beobachten (bzw. bei nicht leicht angesäuerten Schwermetallsalzlösungen ist es eher ein Niederschlag des entsprechenden Hydroxids).
Wie aus dem Glas Magnesiumionen kommen sollen, ist mir allerdings nicht klar... :?
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Area51
Illumina-Mitglied
Beiträge: 20
Registriert: Samstag 28. April 2012, 06:17

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von Area51 »

zur Info:

Die häufigsten Rohstoffe in der Massenglasproduktion können der nachfolgenden Liste entnommen werden:

Quarzsand ist ein fast reiner SiO2-Träger zur Netzwerkbildung. Wichtig ist, dass der Sand nur einen geringen Anteil an Fe2O3 besitzen darf (< 0,05 %), da sonst bei Weißglas störende Grünfärbungen auftreten.[34][33] Dieser Rohstoff macht mit über 70 % massenmäßig den größten Teil des Gemenges aus, und ist eine der Hauptquellen für Verunreinigungen.[35]
Soda (Na2CO3) dient als Natriumoxidträger, das als Netzwerkwandler und als Flussmittel dient und den Schmelzpunkt des SiO2 senkt. In der Schmelze wird Kohlenstoffdioxid frei und löst sich als Gas aus dem Glas.[36] Soda ist im Bereich der Massengläser der teuerste Rohstoff, da er kaum als natürlich vorkommendes Mineral verfügbar ist. Natrium kann der Schmelze auch als Nitrat oder Sulfat zugeführt werden (Natriumsulfat ist Läutermittel zur Reduzierung des Blasengehaltes).[37][35]
Pottasche (K2CO3) liefert Kaliumoxid für die Schmelze, das wie Natriumoxid als Netzwerkwandler und Flussmittel dient.[35][36]
Feldspat (NaAlSi3O8) trägt neben SiO2 und Na2O auch Tonerde (Al2O3) in das Gemenge ein. Diese führt zu einer Erhöhung der chemischen Beständigkeit gegenüber Wasser, Nahrungsmitteln und Umwelteinflüssen.[4]:318 ff.[38]
Kalk dient als Netzwerkwandler. Während der Schmelze zersetzt er sich zu Kohlendioxid und Calciumoxid. CaO erhöht in mäßiger Zugabe (10–15 %) die Härte und chemische Beständigkeit des Endproduktes.[39][4]:318 ff., 273
Dolomit ist ein Träger für CaO und MgO. Magnesiumoxid wirkt auf die Schmelze ähnlich wie Calciumoxid. Ein zu hoher MgO-Gehalt im Glas kann jedoch die Liquidustemperatur unerwünscht erhöhen und zu Entglasungen führen.[40]
Altglas oder Eigenscherben aus dem Produktionsbruch werden ebenfalls dem Gemenge wieder zugegeben. Altglas aus dem Glasrecycling geht vor allem in die Behälterglasindustrie, denn Glasflaschen bestehen heute im Schnitt zu rund 60 % aus Altglas, grüne Flaschen aus bis zu 95 %,[41][42] und in die Herstellung von Glaswolle, wo ihr Anteil bis zu 80 % beträgt.[43] Dies spart Rohstoff und Energie, da Scherben leichter schmelzen als das Gemenge und die chemischen Reaktionen wie beispielsweise die Dekarbonatisierung von Soda, Kalk und Dolomit nicht mehr stattfinden müssen.[41] Recycelte Scherben sind eine weitere Hauptquelle für Verunreinigungen, da die Farbsortierung bei Altglasrecycling Probleme bereitet und weitere unerwünschte Fremdstoffe wie Metalle, Keramik oder Spezialgläser nur ungenügend ausgelesen worden sein können. Die Fremdstoffe verursachen Glasfehler durch nicht vollständiges Aufschmelzen oder ungewollte Färbungen des Glases und Schäden in der Glasschmelzwanne, da sich Metalle in den feuerfesten Boden einfressen.[41][2]:366 ff.
Für Spezialgläser kommen auch Mennige, Borax, Bariumcarbonat und seltene Erden zum Einsatz.[44][45][46][47]

Zitiert aus Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Glas

Anmerkung: Bodensatz - Herauslösen als Hydroxid, Fällung als Carbonat; kontinuierliche Wiederholung dieses Vorgangs....
Geht sicher nicht von heute auf morgen, aber über Jahre - da kann schon viel passieren.
Außerdem: Glas ist nicht unbedingt gleich Glas - da gibt es auch enorme Unterschiede. Glas ist auch kein "einheitlicher" Werkstoff.

Lg, Area 51
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

Aha, daher also das Magnesium und ggf. weiteres.
Danke für die ausführliche Darlegung.
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von lemmi »

aliquis hat geschrieben: Dienstag 19. Oktober 2021, 01:37 Smaltes Blau kenne ich nur als cobaltoxidgefärbtes Kalisilikat. Sollte man dann eher Pottasche statt Soda nehmen oder ist das egal?
Kann ich das auch auf der Magnesiarinne in der Gasbrennerflamme ohne Lötrohr (ich habe keines, ersatzweise auch kein Ölkannenrohr aus dem Baumarkt...) durchführen oder wird der Schmelzpunkt der Glasmischung sonst nicht erreicht?
Die Mineralogen nehmen für ihre Analysen immer Soda, nie Pottasche, und die Anwesenheit von Silikaten bewirkt eine, starke Blaufärbung, die andere leicht überdeckt. Wichtig ist, wie area51 schrieb, mit der Kobaltnitratlösung sparsam zu sein. Wobei ich 0,1% ein bisschen zu vorsichtig finde. Meine ist 5%ig, davon wird sowieso nur eine Spur aufgetragen.

Ob das in einer Gasflamme auch geht, weiß ich nicht. Auf der Magnesiarinne kannst du nur von unten erhitzen, da erreicht die Probe vielleicht nicht die nötige Temperatur. Kannst es ja mal mit ein bisschen Kieselerde ausprobieren. Aber ein Lötrohr ist billig und eine langfristig gute Anschaffung.
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

So, habe heute das Problem mal etwas genauer unter die Lupe genommen.
Abdekantieren klappte nur so halbwegs: ein Teil der Kristalle befand sich schon seit Tagen in freier Schwebe knapp über dem Flaschenboden und wollte sich einfach nicht absetzen, ein anderer Teil haftete relativ fest am Flaschenboden und an den Wänden an.
Somit habe ich die Schwebeteilchen mit aschefreiem Analysenpapier abfiltriert und Rückstand und Papier durch Erhitzen im Tiegel verbrannt - vollkommen rückstandsfrei.
Die anhaftenden Kristalle aus der Flasche ließen sich kaum mit Wasser ausspülen, lösten sich aber durch Zugabe von etwas verdünnter Salzsäure schnell und rückstandslos auf. Ca-/Mg-Tests mit ammoniakalkalischen Lösungen von Ammoniumoxalat und Natriumammoniumhydrogenphosphat ergaben keinerlei Niederschläge.

Ein Forenmitglied postete mir heute per PN, dass er das gleiche Phänomen in seiner Ammoniaklösung auch feststellen könne - jedoch sogar in HDPE-Flaschen. Sein Tipp für die Ablagerungen war Ammoniumcarbonat. Dem würde mich jetzt nach oben beschriebenen Analysen direkt anschließen. Aufgrund des hohen Gehalts an Ammoniumionen in der Ammoniaklösung könnte die Löslichkeit des Ammoniumcarbonats deutlich herabgesetzt sein, so dass es zu den Ausfällungen kommen kann. Dies gilt natürlich unabhängig von der Beschaffenheit des Behältnisse, ggf. zeigt sich dies in HDPE wegen der Diffusion von Kohlendioxid auf Dauer sogar noch deutlicher. Um ehrlich zu sein: ich kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass meine verbrauchte Lösung aus der Plastikflasche vor zweieinhalb Jahren auch schon besagte Ablagerungen aufwies. Vll. ist es mir da einfach nicht aufgefallen, weil der Kunststoff der Flasche undurchsichtig matt war und ich den geringen Rest, der noch in der Flasche war, einfach neutralisiert und weggegossen habe, weil er schon recht alt war und ich den Eindruck hatte, dass er an Konzentration verloren hatte.

Silikat würde ich nicht nur wegen der o. g. Ergebnisse mittlerweile ziemlich sicher ausschließen. Zum einen wäre Ammoniumsilikat wie die Alkalisilikate wasserlöslich und würde nicht ausfallen. Zum anderen ist Ammoniak eine schwächere Base als die Alkalimetalle und dürfte daher auch deutlich schwächer korrosiv auf Glas wirken. Alkalilaugen von der Konzentration des dreifachen Salmiakgeists hinterlassen nach ein paar Jahren regelrechte "Ätzlinsen" im Natronkalkglas. Davon war in meiner Ammoniak-Flasche nichts zu erkennen.
Auch Biologie hielt ich von Anfang an für ziemlich unwahrscheinlich: in schwach sauren bis schwach alkalischen Lösungen fühlen sich Bakterien und Pilze ja meist recht wohl, aber pH 12 und mehr überleben höchstens Extremophile...

Die Ammoniaklösung hatte ich direkt in eine Kunststoffflasche filtriert. Da diese durch den Dampfdruck schon nach wenigen Stunden einen "runden Fuß" bekommen hatte, habe ich gleich wieder zurück in den gereinigte Glasflasche umgefüllt, die ich zu Unrecht verdächtigt hatte.
Wenn ich bei meinen Versuchen einkalkuliere, dass meine Ammoniaklösung nach einiger Zeit immer etwas Carbonat enthalten wird (wie die Alkali- und Erdalkalilaugen ja auch), kann ich meinen Salmiakgeist bis zur nächsten Nachschubbestellung - egal, ob in Glas oder Plastik abgefüllt - beruhigt weiter nutzen.

Vielen Dank nochmals für Euer aller Unterstützung bei der Klärung!

P.S. @lemmi: das Lötrohr mit Mundstück ist ein hübsches Laborinstrument mit langer Geschichte. Aber auch wenn es zudem noch günstig zu bekommen ist (habe es soeben für knapp 8 Euro netto im Winlab-Katalog gefunden, als ich nach einem Ersatztiegel geschaut habe - meiner hat vorhin leider einen Riss bekommen...), fallen mir persönlich dafür nur wenig Einsatzmöglichkeiten ein: die Glasschmelze auf jeden Fall schon mal, dann noch das Zusammenschmelzen thermolytisch gewonnener Metalle (z. B. Blei aus seinem Thiosulfat/Thiocyanat, Silber aus dem Oxid/Sulfid). Die Heparprobe habe ich aber schon ohne Lötrohr hinbekommen, ebenso den Aluminium- bzw. Zink-Nachweis als Thenards Blau und Rinmanns Grün. Außerdem braucht man doch auch noch Lötkohle, oder? Die kostet mehr als das eigentliche Rohr, wenn ich das richtig sehe.
Kennst Du noch mehr Verwendungsmöglichkeiten für das Lötrohr?
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von lemmi »

Metallidentifikation in Borax/Phosphorsalzperlen. Es gibt ganze Bücher über anorganische Analyse nur mit den Lötrohr. Ich habe es benutzt um Gold und Silber zu schmelzen. Ich werde demnächst hier mal was zu Lötrohranalysen schreiben.

Ammoniumcarbonat als Niederschlag in wässriger Lösung ist ausgeschlossen. Hast du mal probiert, ob es wasserlöslich ist? Das muss was anderes sein. Wenn abfiltrieren nicht gut geht vielleicht zentrifugieren oder in einem hohen Zylinder absetzen lassen?
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4349
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Donnerstag 21. Oktober 2021, 02:19 So, habe heute das Problem mal etwas genauer unter die Lupe genommen.
Abdekantieren klappte nur so halbwegs: ein Teil der Kristalle befand sich schon seit Tagen in freier Schwebe knapp über dem Flaschenboden und wollte sich einfach nicht absetzen, ein anderer Teil haftete relativ fest am Flaschenboden und an den Wänden an.
Was oft hilft: Stufenweises dekantieren. Absetzen lassen was geht, dekantieren was leicht geht, dann den Rest gründlich aufschütteln und in ein anderes Gefäß (Standzylinder) überführen, erneut absetzen lassen, ggfs nochmal in einen kleineren Standzylinder... so bekommt man es auch "aufkonzentriert".

Sein Tipp für die Ablagerungen war Ammoniumcarbonat. Dem würde mich jetzt nach oben beschriebenen Analysen direkt anschließen. Aufgrund des hohen Gehalts an Ammoniumionen in der Ammoniaklösung könnte die Löslichkeit des Ammoniumcarbonats deutlich herabgesetzt sein, so dass es zu den Ausfällungen kommen kann.
Grundsätzlich eine nachvollziehbare Überlegung. Allerdings:
- durch eine Glasflasche diffundiert sicher kein CO2 rein
- nachdem NH4OH eine schwache Base ist und fast alles als NH3 und kaum NH4+ vorliegt ist der Effekt auf die Löslichkeit überschaubar. pH 13 = 10-1 mol/l an OH- = 10-1 mol/l an NH4+. Bei HCl ist das anders, kann man nicht vergleichen. Ich habe es mal eben getestet: in 10 ml eines 27% NH4OH lösen sich gut und gerne 0,9 g Ammoniumcarbonat. Das ist weniger als in Wasser, aber durchaus einiges. Da müsste wirklich viel CO2 rein diffundieren um diese Grenze zu überschreiten, so durchlässig ist nicht mal Kunststoff. Wenn, dann geht eher noch viel NH3 raus, schon allein wegen des sehr viel höheren Partialdrucks (CO2 hat nur 0,4 mbar!) In Glasflaschen habe ich bisher keine Konzentrationsabnahme beobachtet, nur in Kunststoffflaschen.
- last but not least müsste dann beim ansäuern eine merkliche Gasentwicklung an CO2 zu beobachten sein
Die anhaftenden Kristalle aus der Flasche ließen sich kaum mit Wasser ausspülen
das passt auch nicht zu Ammoniumcarbonat.

Bei Kunststofflaschen würde ich auch eher auf das Herauslösen von Weichmachern tippen, da kann sicher das eine oder andere dann ausfallen. Bei Glas fällt das aber auch wieder flach. Das ganze ist für mich noch nicht so recht geklärt.
aliquis
Illumina-Mitglied
Beiträge: 2772
Registriert: Dienstag 28. September 2021, 00:58

Re: Ablagerungen im Salmiakgeist

Beitrag von aliquis »

@lemmi:

Die Perlen klappen auch in der leuchtenden Flamme des Gasbrenners. Phosphorsalz perle ich sogar nur in der kälteren Spiritusflamme, weil das in der Hitze eigentlich eh schon mehr Tropfen als noch Perlen sind... M. E. nur ein schwaches Substitut für Borax... Borax "poppt" unter Kristallwasserabgabe hingegen immer so schön wohlgeformt auf... 8)
Auf den Artikel bin ich gespannt - vll. kaufe ich mir danach ja doch noch Lötrohr und Kohle...

Eine Zentrifuge habe ich nicht, absetzen klappt nicht, ein Teil bleibt in der Schwebe, der andere haftet am Glas und schien auch nicht besonders gut wasserlöslich zu sein (Argument gegen Ammoniumcarbonat). Erst in verd. Säure sofort und rückstandslos. Wie würde sich 25 % Ammoniak auf die Löslichkeit des Carbonats auswirken (beim Löslichkeitsprodukt habe ich schon in der Schule immer gepatzt, während ich sonst gut bis sehr gut in Chemie war...)?
"Es lebe die Freiheit!" (Hans Scholl)
Antworten