Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

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aliquis
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Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Ich habe zur o. g. milchkaffeefarbenen Substanz (frisch gefällt aus wässrigen Lösungen von rotem Blutlaugensalz und Mangansulfat) mein Lieblingsreduktionsmittel Natriumsulfit hinzugegeben, um zu schauen, ob vll. eine Reduktion zum weißen Mangan-II-cyanoferrat (II) erfolgt.
Jedoch nahm die Suspension daraufhin die Farbe von Kirschjoghurt an.
Ich bin etwas ratlos, welche Reaktion hier vonstatten gegangen ist und welches Produkt vorliegt.
Habt Ihr eine Idee?
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Glaskocher
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von Glaskocher »

Wenn Du das gelbe Blutlaugensalz zur Verfügung hast, dann könntest Du das Mangan-II-cyanoferrat (II) gezielt herstellen.
aliquis
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Ja, weiß und habe ich. :wink:

Dennoch hinterlässt die durch Neugier und Spielerei entstandene, hellviolette Substanz ein Fragezeichen bei mir.
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lemmi
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von lemmi »

Eine Mangan-Sulfit-Verbindung? Wie reagiert Mangansulfat mit Natriumsulfit?

Ich würde mal die einzelnen Komponenten durchtesten! Also:
Mangansulfat + Natriumsulfit, dann + Hexacyanoferrat (III)
Hexacyanoferrta(III) + Natriumsulfit, dann + Mangansulfat

und vielleicht ist das Manganhexacyanoferrat(II) ja rosaviolett. Ausprobieren!
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aliquis
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Habe ich - mit interessanten Ergebnissen.
Um es vorwegzunehmen: in allen Varianten entsteht am Ende tatsächlich weißes Mangan-II-cyanoferrat.
Überraschungen gibt es jedoch bei einigen Zwischenschritten.
Ebenfalls vorweg: im Gegensatz zum letzten Mal habe ich diesmal statt des festen Sulfits zunächst eine wässrige Lösung verwendet.
1. Mangansulfatlösung + Natriumsulfitlösung ergab eine leichte weiße Trübung (schlechter lösliches Mangansulfit?).
Bei Zugabe von Kaliumhexacyanoferrat (III)-Lösung entsteht ein kräftiger cremeweisser Niederschlag, der sich langsam aufhellt.
2. Kräftig gelbe Kaliumhexacyanoferrat (III)-Lösung verblässt stark nach Zugabe von Natriumsulfitlösung (stärker als bei einfacher Verdünnung). Vermutlich wurde es zum Kaliumhexacyanoferrat (II) reduziert. Wird jetzt die Mangansulfat-Lösung hinzugegeben, entsteht sofort ein schneeweißer Niederschlag, der aber etwas nachdunkelt und sich dem Weisston von Ansatz 1 in entgegengesetzter Richtung angleicht (Bildung von etwas Mangan IV?).
3. Mangansulfat- und Kaliumhexacyanoferrat (III)-Lösungen ergeben zusammen wieder den milchigbraunen Niederschlag von Mangan-II-cyanoferrat (III), der bei Zugabe von wässriger Sulfitlösung anstatt des Feststoffs diesmal nur aufhellt und sich nach weiterer Zugabe von Sulfitlösung im Überschuss langsam in Richtung des Farbtons von Ansatz 1 und 2 entwickelt. Diesmal keinerlei Violett-Ton!
4. Wiederhole ich jedoch den Versuch vom letztem Mal, indem ich am Schluss anstatt der Sulfitlösung das feste Salz hinzugebe und schüttele, entsteht wieder dieser kirschjoghurtfarbene Niederschlag! Aber auch dieser verblasst allmählich zu jenem nun schon bekannten Weiss der ersten drei Ansätze, wenn man die Mischung ein Weilchen stehen lässt.

Es bleibt also die Frage: Was steckt hinter dem violetten Zwischenstadium? Ein instabiler Komplex, der sich nur bei hohen Sulfit-Konzentrationen bildet? Und falls ja, welcher?
Bei Mangan und Violett würde man ja auf Oxidationsstufe +VII tippen, aber wie sollte sich der neben oder gar wegen Zugabe von reduzierendem Sulfit bilden?

Ich bleibe also ratlos. Hat jemand eine Idee, was hier vor sich geht?
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Glaskocher
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von Glaskocher »

Beim Färben von Glas mit Manganverbindungen bekommt man ein schönes Violett. Bei einer chemischen Vermessung des Verhältnisses von Mangan(II) zu Mangan(III) findet man fast ausschließlich das Mangan(II). Bei einer photometrischen messung dominiert das Mangan(III). Vermutlich ist es eine ähnliche Sache, bei der zumindest kurzzeitig geringe Mengen eines extrem farbstarken Komplexes gebildet werden. Das Milchkaffebraun könnte auch durch geringe Mengen an Btraunstein in einer an sich weißen Fällung hervorgerufen werden. Wenn der Braunstein dann in Einzelelektronenschritten reduziert wird, dann kommt man beim Mangan(III) "vorbei" und trifft es wohl bei Zugabe des festen Salzes besser als mit der Lösung.

Teste auch mal die umgekehrte Dosierung von der Mangan-Cyanoferrat-Suspension zur Sulfitlösung.
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Quasi Live-Testung... :wink: Gleiches Ergebnis wie bei 3.
Es braucht wohl die Sulfit-Sättigung für den Violett-Effekt.

An Braunstein hatte ich auch schon gedacht...
Vll. existiert ja gar keine Mangan-II-cyanoferrat (III)-Verbindung, sondern immer nur eine Mischung aus Mangan-II-cyanoferrat (II) (rotes Blutlaugensalz ist ja ein Oxidationsmittel, welches dabei selbst zum gelben reduziert wird!)) und Braunstein, das seinerseits durch Sulfit und Spuren freiwerdender Schwefelsäure wieder zu Mn2+ reduziert wird.
Violett scheinendes Mn3+ in einer Zwischenstufe klingt plausibel, ggf. aufgrund von Komproportionierung. Aber warum beobachtet man das dann nie bei Reduktion von reinem Braunstein mit Sulfit (das gebe ich es auch oft pur dazu, wenn ich mein Laborglas schnell wieder sauber haben möchte)? Warum wird es ausgerechnet durch ein konz. vorliegendes Reduktionsmittel vorübergehend in dieser Oxidationsstufe gehalten?
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mgritsch
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von mgritsch »

Naja, du hast einen Niederschlag, Feststoffe reagieren immer langsam und in dem Fall mit weißem / cremefarbenem Hintergrund der alles besser sichtbar macht.
Zwar ist Natriumsulfit durch Hydrolyse recht stark alkalisch - gehe mal bei der Trübung eher von Mn(OH)2 aus, das kann grundsätzlich sehr leicht schon durch Luftsauerstoff zu Mn(OH)3 oxidiert werden (siehe viewtopic.php?f=22&t=4944 ) aber durch das reduzierende Milieu würde ich die Anwesenheit von Mn3+ eher kategorisch ausschließen.

Andererseits kann das System Hexacyanoferrat +3/+2 ein ganz extrem starkes Oxidationsmittel sein wenn ein Kation anwesend ist, das nur mit +2 einen schwerlöslichen NS bildet und mit +3 nicht (konkret: mit Zn; in der Nernst-Gleichung wird der Bruch dadurch sehr groß). Ob das bei Mn auch der Fall ist, weiß ich nicht.
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Das Violette scheint eine instabile Zwischenstufe zu sein, die sich nur unter reduzierenden Bedingungen und hohen Reduktionsmittelkonzentrationen bildet. Doch welche?

Die beiden Hexacyanoferrate haben ja auch sonst erstaunliche Redox-Eigenschaften: Hexacyanoferrat III fungiert gegenüber Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel - was eine eher unübliche Rollenzuteilung fürs Peroxid ist...

Zink-Hexacyanoferrat (III) ist m. W. (parallel zum Mangan ausprobiert, gem. Anleitung von Lickl) durchaus schwerlöslich und lässt sich daher ausfällen. Es gibt dazu auch eine Anleitung hier im Forum.
Oder meintest Du eher, dass es kein Zn3+ gibt?
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mgritsch
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Montag 11. Oktober 2021, 17:48 Die beiden Hexacyanoferrate haben ja auch sonst erstaunliche Redox-Eigenschaften: Hexacyanoferrat III fungiert gegenüber Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel - was eine eher unübliche Rollenzuteilung fürs Peroxid ist...
Die Untiefen der Redox-Chemie :)
zum einen: [Fe(CN)6]3− + e− ⇌ [Fe(CN)6]4− (+0,361 V; kene eine andere Angabe von +0,45 V)

zum anderen: H2O2 + 2 H2O ⇌ O2 + 2 H3O+ + 2 e- + 0.68 V
zum dritten: H2O2 + 2 H3O+ + 2e− ⇌ 4 H2O +1,78 V
(pH-Abhänigkeit!)

normalerweise (unter Standardbedingungen) wird Hexacyanoferrat III das Peroxid nicht oxidieren. Aber es stimmt, dass es vor allem im stark alkalischen gerne eingesetzt wird weil dort sein Redoxpotenzial wenig beeinflusst ist während andere (teil wegen Löslichkeit, teils wegen pH-Abhängigkeit der Reaktion) dort ein deutlich negativeres Potenzial bekommen. Sogar Cr(III) zu Cr(VI) ist so möglich :) und (lt Literatur) in 10-40% NaOH auch H2O2.

Literatur: https://www.sciencedirect.com/book/9780 ... x-titrants
Das hat ein eigenes Kapitel dazu.
Zink-Hexacyanoferrat (III) ist m. W. (parallel zum Mangan ausprobiert, gem. Anleitung von Lickl) durchaus schwerlöslich und lässt sich daher ausfällen. Es gibt dazu auch eine Anleitung hier im Forum.
Oder meintest Du eher, dass es kein Zn3+ gibt?
nein, ich meine damit dass
[Fe(CN)6]3− + e− ⇌ [Fe(CN)6]4− (+0,361 V)
gilt wenn Standardbedigungen also [Fe(CN)6]3− = [Fe(CN)6]4− gegeben sind. Wenn man dafür sorgt, dass aufgrund extrem schlechter löslichkeit des Zink-Hexacyanoferrat (II) in der Nernst-Gleichung der Quotient [Fe(CN)6]3− / [Fe(CN)6]4− sehr groß wird, dann steigt das Potenzial massiv über die +0,361 V der Standardbedigungen und auf einmal wird Hexacyanoferrat zu einem so starken Oxidationsmittel wie Bromat oder Iodat. Zink-Hexacyanoferrat (III) ist eben relativ gut löslich.
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Ja, stimmt, die Reduktion von Hexacyanoferrat III mit Peroxid erfolgt im alkalischen Millieu. Irgendwo muss ja das vierte Kation herkommen, habe ich mir dabei nur gedacht. Aber so (elektrochemisch), wie von Dir erläutert, wird erst ein Schuh draus... :thumbsup: Danke für die Erklärung.

Wenn Du schreibst, Zinkhexacyanoferrat III ist relativ gut löslich, meinst Du dann im Verhältnis zum Cynanoferrat II? :?
Absolut betrachtet ist Zinkhexacyanoferrat III doch auch nur schwach löslich, sonst ließe es sich doch nicht so leicht aus wässriger Lösung fällen, oder?
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mgritsch
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von mgritsch »

Ja, „relativ“ ist aber durchaus ausreichend.
Literatur:

https://www.nist.gov/system/files/docum ... crd444.pdf
(Tabelle S. 986 -> 2 Größenordnungen Unterschied!)

https://books.google.at/books?id=hqWhBg ... &q&f=false
https://egyankosh.ac.in/bitstream/12345 ... Exp-10.pdf

Wobei - hatte ich stärker in Erinnerung, für Iod/Iodid reicht es, so stark wie Bromat wird es nicht.
aliquis
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

O.k., danke für die Rückmeldung/Korrektur.

Eine Chance herauszufinden, welche Substanz die violette Farbe verursacht, besteht aufgrund ihrer Instabilität/Nichtisolierbarkeit wohl eher nicht, oder?
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von Glaskocher »

Man könnte zumindest versuchen ein optisches Spektrum aufzunehmen, wenn sich der Ansatz als von Anderen reproduzierrbar herausstellt. Das könnte trotzdem eine Herausforderung sein. Ansonsten müßte man das Spektrum ins Infrarote ausdehnen, um mehr Information zu bekommen. Dann wird es "fummelig", weil man versuchen müßte, möglichst viele Banden von Nebenbestandteilen zu subtrahieren, um das "eigentliche" Spektrum besser zu verstehen. Zuletzt käme die Suche in irgendwelchen Spektrendatenbanken... ... ...

Ob sich noch weitere Methoden eignen weiß ich nicht.
aliquis
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Re: Reduktionsprodukt von Mangan-II-cyanoferrat (III)?

Beitrag von aliquis »

Oha, das liest sich so, als sei dieser Weg (Spektralanalyse) instrumentell für mich leider nicht darstellbar. Schade. Trotzdem vielen Dank für die Idee. Vll. mag sich ja jemand besser Ausgestattetes dessen annehmen?
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