Nitritbestimmung

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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aliquis
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Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

Hallo,

meine Frage/Überlegung:

Wäre eine Nitritbestimmung über umgekehrte Titration (Analyt in der Bürette, festgelegte Menge Masslösung im Reaktionsgefäß) von Nitrit mit einer essigsauren Masslösung von Kaliumhexacyanoferrat (II) und einer Eisen-(III)-Salz-Lösung als Tüpfelindikator ein gangbarer Weg, oder würde das freiwerdende NO, welches von Luftsauerstoff zu NO2 oxidiert wird und seinerseits dann auch das Cyanoferrat oxidieren könnte, das Ergebnis verfälschen? Könnte ein konstanter CO2-Strom auf die Flüssigkeitsoberfläche da Abhilfe schaffen?

Bin gespannt auf Eure Meinungen.

Danke & Gruß
aliquis
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Glaskocher
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von Glaskocher »

Du willst in einer Lösung den Gehalt an Nitrit bestimmen? Kennst Du die ungefähre Konzentration an Nitrit?

Das geht auf verschiedenen Wegen, die recht unterschiedlich sind.
- Mit Kaliumiodid im Überschuß versetzen und mit Thiosulfat-Maßlösung titrieren.
- Mit Amidoschwefelsäure titrieren und auf KI-Stärke-Papier tüpfeln (klassische Vernichtung des Nitrit-Überschusses bei Diazotierungen).
- Azofarbstoff herstellen und photometrisch bestimmen.
- Mit Devarda-Legierung zu Ammoniak reduzieren und nach Kjeldahl destillieren, vor der azidimetrischen Titration im Destillat.

Die Methode mit Hexacyanoferrat(II) kenne ich nicht. Was macht das Nitrit damit? Wenn es das Hexacyanoferrat aufoxidiert, dann sollte irgendwann kein Preußischblau mehr "ertüpfelt" werden.
aliquis
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

Eigentlich ist das eine Synthesemethode für Stickstoffmonoxid aus dem Brauer, auf den sich mgritsch im Phosphonit-Thread bezogen hat.
Ich habe es nun zu einer Analyse umgedacht. 8)
Nitrit wird dabei laut Brauer zu NO reduziert.. Und die Indikation läuft so ab, wie Du beschrieben hast - im Grunde wie bei einer entsprechenden Eisen-Bestimmung, nur dass der dortige Analyt hier der Indikator wäre.
Das Nitrit stammt aus Eigensynthese, und ich möchte nun wissen, wie gut sie mir gelungen ist. Ich würde beim Ansetzen der Lösung zunächst vom besten Fall ausgehen (theoretisch 100 % Substanzreinheit, gibt es praktisch nie, weiß ich, schon gar nicht bei Nitrit...), und je mehr Analytlösung als in Theorie ich letztlich verbrauche, desto niedriger der Gehalt.

Bislang kenne ich in praxi nur die manganometrische Bestimmung. Das Ergebnis hat mich aber nicht überzeugt (wäre über 100 % Reinheit gewesen, das ist kaum möglich, Permanganat und dessen Masslösung waren aber auch frisch eingekauft bzw. angesetzt und eingestellt).
Manganometrisch musste mit dem Analyten titriert werden, weil die Masslösung erwärmt werden muss, um eine unverzügliche Reaktion zu ermöglichen. Nitrit würde eine direkte Erwärmung im sauren Millieu aber mit einer vorzeitigen Dekompositionierung quittieren und so das Ergebnis verfälschen. Daher andersherum.
Ich habe gleiches auch hier vorausgesetzt. Wenn es hier nicht zutrifft, teilt mir das gerne mit.
Ich habe mir diese Methode ausgesucht, weil sie meine Idee ist (zumindest als Analyse...) und ich mal nicht eine Standardmethode wählen wollte. Jedoch sollte sie natürlich schon funktionieren können. Deshalb ja auch meine Frage, ob meine Bedenken bzgl. des NO berechtigt sind.

Wenn meine Methode nicht umsetzbar sein sollte, würde mir sonst die von Dir vorgeschlagene Methode mit der Amidosulfonsäure noch am ehesten zusagen. Das Zeug steht bei uns bereits als Kaffeemaschinenentkalker im Küchenschrank unter der Spüle, müsste nicht mehr gekauft werden und soll in Lösung ja einen sehr stabilen Titer haben.
Iodometrie habe ich schon sehr viel gemacht. Das reizt mich gerade nicht mehr so. Und die beiden von Dir letztgenannten Methoden dürften leider wiederum meine Möglichkeiten übersteigen.
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mgritsch
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von mgritsch »

Damit eine Methode analytisch nutzbar ist, muss sie
a) strikt einer definierten Stöchiometrie folgen (auch keine Nebenreaktionen!)
b) quantitativ ablaufen
c) idealerweise recht rasch ablaufen
e) der Endpunkt erkennbar sein

Ich habe da bei deiner Idee zu allen 4 Punkten gröblich Zweifel.
dass NO und Luft gerne beliebiges Miteinander machen hast du selbst angemerkt
Gelbes Blutlaugensalz ist kein besonders starkes Reduktionsmittel
Lösliche Gase aus einer Flüssigkeit raus will man gar nicht
Und die Indikation mit Fe … du hoffst auf ausbleiben von Berliner blau nehme ich an… schwierig, viel zu empfindlich.

Wenn du mit Permanganat Probleme hast könnte das daran liegen dass andere reduzirende Verunreinigungen in deiner Probe sind. Glaskochers Vorschlag mit Amidoschwefelsäure ist da deutlich spezifischer! Ich habe das selbst schon erfolgreich gemacht, Vorlage Amidoschwefelsäure Maßlösung, Nitrit aus Bürette zutropfen, potentiometrisch verfolgt gibt das einen super schönen Potenzialsprung:
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mgritsch
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von mgritsch »

P.s. von wegen titerstabil und Amidoschwefelsäure:
Jein.
In wässriger Lösung setzt sie sich langsam zu Ammoniumhydrogensulfat um. Nach 1 Jahr Lagerdauer dürfte so eine Lösung vollständig hydrolysiert sein. Für Acidimetrie nicht sehr schlimm (einbasige Säure bleibt es, lediglich das NH4 beeinflusst Umschläge etwas), für die Reaktion mit Nitrit jedoch fatal!

Zum Glück ist das kommerzielle Zeug für die Kaffeemaschine de facto p.a. und kann für praktische Zwecke wie Urtiter genutzt werden. Frisch einwiegen und los geht’s…
aliquis
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

O.k., das finde ich überzeugend. Vielen Dank für die systematische Überprüfung meiner Idee. Dann habe ich mit meiner eigenen Skepsis ja schon gar nicht so verkehrt gelegen. Auch wenn's natürlich schade ist. Würde gern mal was Praktisches und Funktionierendes finden, was so noch keiner ausprobiert hat. Aber das wird auf meinem Kenntnislevel und in ansonsten bereits so gut berittenen Bereichen wie der nasschemischen Analyse wohl eher schwierig werden...

Tüpfeltitration mit Cyanoferrat hat damals übrigens an sich gut geklappt. Aber frisches Fe2+ (obwohl auch nicht grad luftunempfindlich..) gegen Dichromat ist ja schließlich ein ganz anderes Redoxpaar gewesen...

Ich denke, ich werde auf die Amidosulfonsäure zurückgreifen und auf KI-Stärke-Papier tüpfeln, wie von Glaskocher vorgeschlagen (danke an ihn für den Hinweis). Denn Potentiometer, Photometer,... so tolle Sachen besitze ich leider nur in meinen Träumen und sind für mich mittelfristig auch nicht im Bereich des Finanzierbaren, wie ich ja schon in meiner Vorstellung erwähnte... :(

Reduzierende Verunreingungen in der Probe? Vll. etwas zu viel Formiat im Ansatz (jetzt weißt Du auch gleich, wie ich Nitrit herstelle, oder? :wink: ). Nicht unmöglich, wenngleich ich schon stöchiometrisch genau berechnet und abgewogen habe... Unvollständige Umsetzung ist es wohl auch eher nicht: trotz Qualmens sieht man sehr gut, wie die Reaktion rasch durch die gesamte Masse läuft...
Lässt sich Natriumnitrit eigentlich genauso gut herstellen wie das Kaliumsalz? Die Zersetzungstemperatur vom Natriumsalz liegt ja deutlich niedriger...
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aliquis
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

mgritsch hat geschrieben: Sonntag 3. Oktober 2021, 01:56 Frisch einwiegen und los geht’s…
Jo, o.k., auch danke für diesen Hinweis.
Ist ja kein grosses Ding das jeweils frisch anzusetzen. Die paar Cent für die paar Gramm... Bei jeder Entkalkung ziehe ich da mehr durch - und das mind. einmal im Monat (kann das eigentlich sein? Bei Härtegrad 5 und ca. insgesamt 4 Bechern Kaffee am Tag für meine Frau und mich...). Ein ganzes Kilo von der festen Säure kostet nur nen guten Zehner.
Die Masslösung bräuchte ich hingegen höchstens einmal im Jahr (öfter stelle ich kein Nitrit her). Da brauche ich mir keinen ganzen Liter von der Lösung in den Schrank zu stellen und sich zersetzen zu lassen....
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lemmi
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von lemmi »

Nur zur Ergänzung, da du offenbar gerne titrierst und neues ausprobierst: die genaueste maßanalytische Bestimmung von Nitrit geht cerimetrisch.
Dafür braucht es zwar ein paar Spezialreagenzien (Ferroinlösung und Cer(IV)-Maßlösung), die andererseits aber auch keine schweren Gefahrstoffe sind. Salpetersäure ließe sich vermutlich durch Schwefelsäure ersetzen.
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aliquis
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

Chemisch-experimentell bin ich in der Tat für fast alles offen, was mein Equipment oder mein Portemonnaie so hergeben und in der Durchführung nicht nur etwas für Lebensmüde ist... 😉

Cer-IV-sulfat hätte ich da, sogar als Masslösung (selbst hergestellt durch hydrogensulfatgestützten Aufschluss von Cerdioxid, auflöst, filtriert, Gehalt iodometrisch bestimmt, verdünnt und Titer eingestellt), von daher würde auch dann eh verdünnte Schwefelsäure verwenden.
Einzig am Ferroin scheitert es derzeit, den Indikator oder seinen Ausgangsstoff (nur noch aus Osteuropa zu bekommen) kann und will ich mir momentan nicht leisten, weil mir die Anschaffungskosten im Verhältnis zur Einsatzhäufigkeit zu hoch sind. Vorhandene Farbstoffe und Indikatoren waren eh schon das teuerste in meiner Sammlung, die meisten stehen gefühlt aber nur wenig genutzt herum oder reichen mengenmässig noch für Generationen von Hobbychemikern...
Ich denke, ich versuch das mal mit Amidosulfonsäure, allein schon, weil ich das noch nie ausprobiert habe, im Grunde aber alles dafür da hätte.
Wenn das nicht klappt, greife ich wieder auf die Iodometrie zurück (gähn). Irgendwie kriege ich mein Nitrit schon noch bestimmt. Trotzdem ganz lieben Dank für den Hinweis!
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lemmi
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von lemmi »

ein Tip: Ferroinlösung (nach Ph.Eur.) ist in vielen Apotheken noch im Reagenziensatz vorhanden, wird aber fast nicht gebraucht, Zieh dich respektabel an, geh in eine Apotheke (am besten eine ältere, die nicht tu einer Kette gehört, noch nicht vollautomatisiert arbeitet und wo sie noch wissen, was Analytik ist), lass dir gleich den Chef/die Chefin geben und frag' einfach ganz freundlich, ob sie dir 5 ml Ferroinlösung für eine cerimetrische Titration abgeben. Ist ja keine riskante Substanz. Wer wagt, gewinnt. Mehr als Nein sagen können sie nicht. :)
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

Naja, Ferroin ist zumindest gesundheitsschädlich und damit würde man es in den Apotheken, die ich kenne, eh schon gar nicht mehr bekommen - sofern sie es denn überhaupt da hätten.
In meiner Stadt habe ich auch schon alle Apotheken abgeklappert, in denen ich früher mal (vor Jahrzehnten...) noch fast alles bekommen habe...
Heute rücken die ohne ärztliche Verordnung fast gar keine Substanzen mehr raus, außer was offen im Eingangsbereich steht (so spannende Sachen wie Vitamin C und Bullrich-Salz...). In meiner nächstgelegenen Apotheke musste die PTA selbst für 250 ml 3 % Wasserstoffperoxid Ph. Eur. (in diesem Fall wirklich nur zum Gurgeln, dafür wollte ich nicht meine technische Trophäenbleiche 11,9% verwenden...) ihren Vorgesetzten fragen und es letztlich sogar noch bestellen, da gar nicht vorrätig... Weil persönlich bekannt habe ich es bei Abholung dann so ausgehändigt bekommen. Normalerweise müsse dafür sogar eine Endverbleibserklärung ausgefüllt werden, meinte die nette Angestellte... (was bei der Konz. ja eigentlich unnötig ist, ich hatte aber keine Lust auf Diskussionen an der Ladentheke...) Die sind heute halt alle so skeptisch und übervorsichtig geworden...
Wenn ich mich dann mit einer Anfrage nach einem Titrationsindikator auch noch als Hobbychemiker outen würde, verkauft man mir dort demnächst wahrscheinlich nur noch Meridol zum Gurgeln...
Die Apothekergeneration, die sich noch mit Analysen auskennt, scheint hier ausgestorben zu sein.
Sogar bei Versand-Apotheken bekommt man heutzutage mehr - ganz ohne Verhör-Fragen, Abgabebuch und dazu meist noch zum halben Preis wie vor Ort...
Was für Zeiten...

Edit: "Kleider machen Leute" hilft da leider auch nicht weiter. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, trage ich beruflich bedingt eh meist Anzug (normalerweise Frontoffice im Dienstleistungsbereich mit Kundenkontakt, wenn nicht gerade Homeoffice wie derzeit noch). Und als Kunden den Chef wegen einer Kleinigkeit extra nach vorn kommen zu lassen, wenn man ihn persönlich gar nicht kennt, könnte vll. sogar kontraproduktiv wirken (ist bei meinem Chef jedenfalls so...).
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Sonntag 3. Oktober 2021, 02:18 Denn Potentiometer, Photometer,... so tolle Sachen besitze ich leider nur in meinen Träumen und sind für mich mittelfristig auch nicht im Bereich des Finanzierbaren
Lass dich von großen Worten nicht abschrecken. Potentiometrie bedeutet am Ende nur eine Spannung messen, wenn du über ein handelsübliches Voltmeter verfügst das mV kann (20 Euro) bist du schon dabei. In der mittleren Preisklasse (ca 100 Euro Gerät) bist du bereits geradezu luxuriös ausgestattet.

Der Rest ist eine Frage der Elektroden, und da kann man - wenn man mal das Prinzip verstanden hat - durchaus viel Kreativität an den Tag legen und mit einfachen Mitteln basteln, siehe zB:
https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ed062p431
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/ed076p97
viewtopic.php?p=78968#p78968
viewtopic.php?f=62&t=5574

Kohleelektroden aus Batterien, Bleistiftminen, diverse edle oder unedle Metalle aus dem Haushalt oder Schmuckschatulle, einfach mal spielen womit man Spannungsunterschiede zwischen Amidoschwefelsäure + ein paar Tropfen Nitrit im Vergleich zu einer schon übertitrierten Lösung finden kann und schon bist du dabei.

Wenn dich das Thema interessiert und du ein bisschen Lust zum spielen hast kannst du so rasch sehr einfache und doch spannende und wertvolle Versuche mit hohem Neuigkeitswert selbst „erfinden“ :) ist doch noch netter als nur kaufen und nachkochen :mrgreen:

Selbst für ein Photometer braucht es nicht viel mehr als eine LED und einen Phototransistor (+etwas Bastelmaterial):
viewtopic.php?p=74025#p74025
Glaskocher
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von Glaskocher »

Hier der Tipp zur pH-Elektrode im Eigenbau aus Antimon (Prof. Blume)
Dort eine Sammlung zu elektrochemischen Experimenten und weiteren interessanten Elektroden (Prof. Blume)

Da müßte doch das Passende dabei sein, um eine potentiometrische Redox-Titration durchzuführen, ohne "professionelles" Messgerät.
aliquis
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

Ui, da tun sich ja wieder völlig neue Felder auf. Ein Multimeter wäre wohl der erste Schritt, das wünsche ich mir schon seit längerem...
Grundsätzlich immer eine prima Sache, wenn man eine dicke Brieftasche auch durch ein wenig Gehirnschmalz und Fingerfertigkeit ersetzen kann.
Wobei Elektrotechnik und optische Physik weitestgehend noch unbekannte Bereiche für mich wären. Da müsste ich mir wohl erstmal ein paar Grundlagen anlesen. Die verlinkten Anleitungen sehen beeindruckend aus - doch leider verstehe ich da halt noch zuviel Bahnhof...
Aber nicht schlimm: man muss sich ja nicht mit allem auf einmal und gleich morgen beschäftigen. Sollten mich meine Erkrankungen in die teilweise Erwerbsminderung treiben, wäre zu wenig freie Zeit nicht mehr das Problem. Aber umso wichtiger dürften dann kostengünstige DIY-Ideen werden.
Ja, und warum dann nicht (neben Chemie, Astronomie, Gegenwartsnumismatik und ein wenig Gemüsegärtnerei) auch noch etwas Elektrotechnik als Interessengebiet.
Bestimmt gut geeignet für lange Winterabende drinnen, während die Chemie mangels Abzug bei mir eher so ein Sommer- und Draussen-Ding ist...
Einen Lötkolben habe ich zwar noch nie in der Hand gehabt :oops: , aber das kann man sich ja auch alles aneignen. Mal schauen, ob ich Gefallen daran finden kann - vermutlich bleiben es aber eher die chemischen Anwendungen, die Motivationsantrieb dafür wären. Mein älterer Bruder (selbst frisch Rentner geworden) besitzt eine Lötausrüstung und kann mir sicher einiges zeigen (und sich wundern, dass ich mich plötzlich dafür interessiere...) Erstmal ausprobieren, ob ich dafür ein Händchen habe, bevor ich mir das Handwerkszeug dann selber zulege...
Man sollte sowas eigentlich schon zu Schulzeiten beigebracht bekommen - sinnvoller als Strickeierwärmer und Zeitungspapierblockhäuser im Textil- und Werkunterricht... :roll:

Prof. Blumes Bildungsserver kenne ich recht gut, hab vieles schon nachexperimentiert. Die Elektrochemie musste ich bislang mangels Ausstattung aber leider weitestgehend (mit Ausnahme von ein paar Elekrolysen und galvan. Elementen) aussen vor lassen. Bei den Leitfähigkeitstitrationen konnte ich mit einfachsten Mitteln (Glühlämpchen und ein kleiner Spannungsmesser als Überbleibsel eines alten Elektrobaukastens) bislang lediglich Barytwasser mit Schwefelsäure bestimmen.
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Re: Nitritbestimmung

Beitrag von aliquis »

Update nach durchgeführter Nitritbestimmung:

Nachdem die manganometrische Bestimmung bereits darauf hingewiesen hat, dass erhebliche Mengen reduzierender Verunreinigungen in meinem Eigenprodukt vorliegen könnten (nicht reagiertes Formiat) und sich dies in weiteren Vorproben bestätigt hat, habe ich mich dazu entschlossen, mein Produkt zu verwerfen und von Neuem zu synthetisieren.
Diesmal habe ich die in der Lösung vermischten Edukte (Kaliumnitrat + Calciumformiat, leicht herstellbar aus den OTC Calciumnitrat + Kaliumcarbonat + Ameisensäure) nicht direkt nach dem Eindampfen im gleichen Gefäß abreagieren lassen, sondern habe sie nach dem Eindampfen bis zum Trockenen/Abkühlen zunächst entnommen, fein gemörsert und dann in einem Tiegel über der Gasflamme solange kräftig erhitzt, bis das Zischen und Qualmen, welches die Reaktion kennzeichnet, aufgehört hat (aber auch keinen Deut länger, sonst zersetzt sich das Nitrit weiter!).
Nach Abkühlen, Herauslösen des Nitrits mit dest. Wasser, Abfiltrieren des Rückstands (Calciumcarbonat) und Eindampfen des Filtrats, erhält man angesichts der recht einfachen und (im Vergleich zur Blei-Methode) auch wenig gefährlichen Synthese selbst ohne Umkristallisieren (wegen der guten Löslichkeit nur stark zu Lasten der Ausbeute möglich und gerade bei kleineren Ansätzen eher frustrierend) schon ein verhältnismäßig technisch reines Produkt (stöchiometrisch genaue Mischung der Edukte vorausgesetzt).

Die Tüpfel-Analyse habe dann in zwei Durchgängen vorgenommen (zur Annäherung Nitrit-Lösung zunächst in 1-ml-Schritten, beim zweiten Mal ab 1 ml vor dem zuvor grob festgestellten Äquivalenzpunkt dann nochmals in 0,1 ml- Schritten). Für das Produkt ergab sich ein Nitrit-Gehalt von 87 % - ein Ergebnis, mit dem ich im Vergleich zur vorausgegangen, misslungenen Synthese fürs Erste bereits sehr zufrieden bin.
Zwei Dinge gilt es jedoch bei evtl. Nachahmung der Titration unbedingt zu beachten:
1. Ansäuern der Vorlage mit Essigsäure (zusätzlich zum aus Amidosulfonsäure entstandenen Hydrogensulfat) scheint der Freisetzung von Iod aus Iodid förderlich zu sein.
2. Die Iod-Stärke-Reaktion tritt bei der geringen Nitritkonzentration nach dem Äquivalenzpunkt auf weissem Hintergrund zwar noch erkennbar, aber doch etwas schwach und vor allem deutlich zeitverzögert ein (im ersten Durchgang war ich zwischenzeitlich schon ein paar Tüpfler weiter und beinahe enttäuscht über den mutmaßlich erneut geringen Nitrit-Gehalt, als das Iod-Stärke-Papier rückwirkend an entsprechenden Stellen doch noch gute Nachrichten verkündete...). Zur besseren Nachvollziehbarkeit ist es zwecks evtl. notwendiger Rückrechnung daher hilfreich, wenn man die vorgesehenen Tüpfelstellen bereits vorher mit einem Bleistift durchnummeriert hat.

Bei auf diesem Synthesewege hergestelltem Nitrit gibt es jedoch wenig echte Alternativen für dessen Gehaltsanalyse:
1. Die cerimetrische Bestimmung wäre noch möglich, entfällt für mich persönlich aber aufgrund des fehlenden Ferroins.
2. Die manganometrische Bestimmung wird durch Spuren restlichen Formiats verfälscht.
3. Eine direkt-iodometrische Bestimmung ist nicht ohne Weiteres möglich, da auch hier das Ergebnis verfälscht wird: es wird NO freigesetzt, welches an der Flüssigkeitsoberfläche zunächst mit dem Luftsauerstoff zu NO2 reagiert, das seinerseits wiederum aus Iodid zusätzlich Iod freisetzt, was zu fehlerhaft hohen Messwerten führt - ein Luftfehler der besonderen Art! Man könnte versuchen, dies zu minimieren durch einen konstanten Inertgasstrom auf die Flüssigkeitsoberfläche ab Zugabe der Schwefelsäure. Aber besonders verlässlich erscheint mir diese Vorgehensweise auch nicht.
4. Daher wird in der Fachliteratur standardmäßig der Umweg einer Umsetzung des Nitrits mit einer bekannten Menge Permanganat empfohlen, dessen Überschuss wiederum iodometrisch fehlerfrei bestimmt werden kann. Dieser Weg entfällt hier aber wegen des bereits unter 2. genannten, latent vorhandenen Verunreinigungsproblems.
5. Möglich wäre auch eine gasvolumometrische Analyse über das mit der Amidosulfonsäure entstehende N2, jedoch bin ich analytisch mehr der Titrimetrie zugeneigt und zähle mich daher eher zum "Team Bürette" als zum "Club Pneumatikwanne"... :wink:

Somit bin ich froh, diesen Alternativweg über die Tüpfeltitration Dank Eurer Hilfe gefunden zu haben, so dass mein Nitrit nicht unbestimmt bleiben musste. Vielen Dank hierfür!
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