Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

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Vanadiumpentoxid
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Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Ich habe eine alte Versuchsbeschreibung gefunden, wonach eine wässrige Boraxlösung mit Phenolphthalein eine alkalische Reaktion anzeigt (soweit nachvollziehbar), bei Zugabe von Glycerin Entfärbung eintritt, die durch Erhitzen vorübergehend rückgängig gemacht werden kann (nach Abkühlung verschwindet die rosa Indikatorfarbe wieder).
Eine Erklärung war leider nicht dabei. Aus dem bisschen, was ich dazu online recherchieren konnte, bin ich nicht schlau geworden und kann mir leider auch selbst keinen Reim darauf machen, was dabei vor sich gehen soll.

Wer kann mir kurz erläutern, welche Reaktionen hier im Einzelnen ablaufen?
Gott gebe mir die Kraft, zu ändern, was ich verändern kann,
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Glaskocher
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Re: Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

Beitrag von Glaskocher »

Borsäure ist eine schwache Säure und Natriumhydroxid eine starke Base. Im Na2B4O7 lieht die Borsäure allerdings nicht als "B(OH)3" sondern als deren partielles Anhydrid vor z.B. (OH)2B-O-B(OH)-O-B(OH)-B(OH)2. Beim Lösen ergibt sich dann ein Gleichgewicht mit verschiedenen Hydrolysestufen.

In Gegenwart von Alkoholen, besonders Polyolen CnHn+2(OH)n mit n>1, bildet die Borsäure gerne Ester-Komplexe nach folgender Reaktionsgleichung:
B(OH)3 + 4 R-OH ---> [B(OR)4]- + H3O+ + 2 H2O
Bei ausreichendem Überschuß an Polyol liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite und ist stark sauer. Beim Erhitzen läuft die Reaktion nach links und der Komplex zerfällt; das Gemisch reagiert wieder basisch.

Mit langkettigen Polyolen und Borsäure kann man recht feste Gele erzeugen.

Bei Professor Blume gibt es einen interessanten Versuch mit Borsäure und Curcumin, bei dem eine charakteristische Farbreaktion auftritt. Jetzt wäre es interessant zu sehen, was passiert, wenn man das Testpapier zusätzlich mit Glycerol behandelt. Welches Molekül komplexiert das Borat stärker?
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mgritsch
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Re: Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat ja schon alles erklärt - ergänzend: die Komplexe mit Polyolen sind so stark, dass Borsäure damit zu einer mittelstarken Säure wird und problemlos mit NaOH titriert werden kann.

Aus Chemgapedia:
Bild

Das ganze funktioniert mit vielen (geminalen) Polyolen - sollte theoretisch auch schon mit Ethylenglycol gehen, analytisch empfohlen ist in der Literatur Mannit, auch Xylit oder Erythrit ist heutzutage ja in jedem Supermarkt erhältlich... möglicherweise geht auch Zucker (müsste man testen).
Calciumcitrat
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Re: Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

Beitrag von Calciumcitrat »

Jep, Arylboronsäuren werden auch als Chemosensoren für biologisch relevante Zucker eingesetzt, z.B. hier. Auch Bortezomib, ein Krebsmedikament, wird als Mannitester verabreicht, der dann unter physiologischen Bedingungen im GG mit der freien Säure steht.
Vanadiumpentoxid
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Re: Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen.
Dass es irgendwas mit der Borsäure und Esterbildung in verschiebbaren Gleichgewichten zu tun haben könnte, darauf hätte ich vll. noch getippt, irgendwie passte es aber alles nicht recht zusammen und ich wollte auch nicht wieder nur mutmaßen. Dank Eurer Hilfe ist es für mich nun nachvollziehbar.
Alles in allem ein schöner kleiner Probierglasversuch mit entsprechenden Erweiterungsmöglichkeiten.

Prof. Blumes Curcuma-Experiment habe ich vor eineinhalb Jahren schon mal durchgeführt. Übrigens eine der ersten Onlinesammlungen, durch die mich durchgewühlt habe: viele tolle Experimente, es fehlt aber leider irgendwie eine Komplettübersicht, so dass man sich von Link zu Link hangeln muss, bis man irgendwann durch ist (was bei ca. 2.000 Versuchen schon mal etwas dauert...).
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Glaskocher
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Re: Reaktion von Natriumtetraborat mit Glycerin

Beitrag von Glaskocher »

Vanadiumpentoxid hat geschrieben: Mittwoch 4. August 2021, 14:40 ... Prof. Blumes Curcuma-Experiment habe ich vor eineinhalb Jahren schon mal durchgeführt. Übrigens eine der ersten Onlinesammlungen, durch die mich durchgewühlt habe: viele tolle Experimente, es fehlt aber leider irgendwie eine Komplettübersicht, so dass man sich von Link zu Link hangeln muss, bis man irgendwann durch ist (was bei ca. 2.000 Versuchen schon mal etwas dauert...).
Das könnte der Startpunkt zu einem Persönlichen quellenübergreifenden Inhaltsverzeichnis sein. Man merkt dann, daß einige Experimente gerne wiederholte "Klassiker" sind und Andere sehr selten vorkommen. Das ist ein "Bisschen" Fleißarbeit, lohnt sich aber, wenn es gut verschlagwortet ist. Bei Professor Blume und bei Axel Schunk gibt es Verzeichnisse der "Experimente des Monats" in chronologischer Folge des Erscheinens. Allerdings ist das Gedamtangebot von Professor Blume deutlich breiter und durch "organisches Wachstum" weniger übersichtlich. Tipp: Anleitungen aus dem Web besser inklusive Bildern (Bilddatei statt Link) kopieren, da sie auch mal verschwinden können.
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