Entsorgung von Chemikalienabfällen

Fragen zur allgemeinen Chemie; alles, was in keine andere Kategorie passt.

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Chaoschemiker
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Beitrag von Chaoschemiker »

Lösungsmittel werden verbrannt
Auch nicht immer... Je nach dem wo man sich befindet und welcher Entsorger zuständig ist und welche Verfahren er so angemeldet und genehmigt bekommen hat. Individuelle Aufarbeitung ist auch möglich, irgendwer meinte unsere LöMi-Abfälle an der Uni werden destillativ aufgearbeitet und dann separat behandelt (Wiederverwendung, Thermisch).

Von einem "namhaften Chemiestandort" weiß ich, dass auch wässrige Abfälle thermisch behandelt (Drehrohrofen) werden und dann die verbleibenden Flugasche/Schlackebestandteile deponiert werden. (Bemerkenswert wenn man bedenkt welche Energiemengen hier nur zum Verdampfen von Wasser benötigt werden).

Aber wie schon gesagt, das wird immer auf den Betrieb (Entsorgung ist Kommunalsache soweit ich weiß) ankommen und vor allem auf die Form des Mülls.
Reduce, Reuse, Recycle...
Vielleicht sollte man sich dieser Problematik auch als Hobbychemiker bewusst sein und nur so wenige problematische Abfälle produzieren, wie nötig?!
Das ist ja ohnehin die Prämisse, aber die Anteile sind in der Masse an Gesamtmüll einfach verschwindend gering.
Ich vermute mal egal wie man es hält erzeugt ein kleines Dorf übers Jahr mehr Problemmüll als so ein Hobbychemiker. (Von der "is mir egal"-Entsorgung der Batterie bis hin zu Sekundäremissionen durch Konsumverhalten...) und die güterwaggonweise Kohleverbrennung zur Stromerzeugung setzt halt auch Schadstoffe aus "chemisch nahezu einwandfreier Kohle" in Mengen frei, die durchaus stattlich klingen wenn man sie in Flaschen gefüllt in der Garage stehen hätte.

edit: Übrigens: Man kann sich auch mal mit den Leuten an den Müllsammelstellen unterhalten. Da kommen immer mal wieder lustige Sachen an, die dann auch irgendwie aufgrund einer Entscheidung eines Vorgesetzten ihren Weg in die richtige Verwertung finden. Recycling/Urban Mining und Müll ist sicherlich spannend, aber da ist unser bisschen was nur ein Tropfen aufm heißen Stein.
Anwesenheit sehr wahrscheinlich.

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Wären Maulaffen giftige Gefahrstoffe im Sinne der GefStoffV, könnte man das Gaffen an Privatpersonen durch Personen ohne Sachkunde nach §5 ChemVerbotsV nach §382 StGB bestrafen.
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Phil
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Beitrag von Phil »

Pok hat geschrieben:Eine Sulfid-Fällung wird m.W. nicht praktiziert. Weder an der Uni noch an der Schule habe ich sowas erlebt. Dass die großen Entsorger es tun, kann ich mir aus folgenden Gründen auch nicht vorstellen:

1. bräuchte man gigantische Mengen an Sulfiden bzw. H2S. 2. wäre der Aufwand enorm. 3. fallen Sulfide a) durch Komplexierung o.ä. längst nicht immer vollständig und b) oxidieren durch Luftsauerstoff oder Ox-Mittel in der Lösung gerne mal zu Sulfaten. 4. fallen Sulfide der Metalle bei unterschiedlichen pH-Werten optimal aus. Man bräuchte auch gigantische Mengen an Lauge, um saure Lösungen zum gewünschten pH-Wert zu bringen. 5. können durch saure Medien (oder wieder Sauerstoff) Sulfide in der Deponie auch wieder gelöst werden, sie wären also gar nicht "ungiftig weil unlöslich". Sowas passiert in Sedimenten von Flüssen/Gewässern ständig.

Die Sulfid-Fällung wäre also alles andere als die ultimative Lösung.
Ab 2020 dürfen keine Hg Thermometer und Hg haltigen Produkte verkauft werden, daher wird alles was Hg Metall enthält in Zinnober überführt und ins Bergwerk getan da dieses in der Natur vorkommt und nicht Wasserlöslich ist.
Die anderen Metalle wie Pb usw wird wieder verwertet. As wird als Legierungsbestandteil in Autobatterien weiter vorkommen.
Saure Abfälle wie HCl-Lösungen werden auch verbrannt, oder Chloracethylchlorid Thionylchlorid Chlorsulfonsäure usw. wird auch verbrannt, auch Halon Feuerlöscher werden verbrannt.
Die Sauren Produkte werden in der sogenannten Direktverbrennung verbrannt, also ein Strassentank wird direkt am Ofen angeschlossen und die Produkte direkt in den Ofen gepumpt, je nach Produkt geht es halt länger. Wenn Br haltige Produkte verbrannt werden wird oft Schweflhaltigerabfall verbrannt da dann aus dem Kamin eine Weisse Fahne kommt. Alle Metalle werden soweit möglich zurückgewonnen.

Lösungsmittelabfälle die Bekannt sind werden je nach LM destillatif aufgearbeitet aber nur wenn das Produkt nicht teurer als neues ist. Aus stoffgemischen bei einer Uni wird es nur dann aufgearbeitet wenn es getrennt wurde wie z.B. Acetonitrill, MeOH wird kaum aufgearbeitet da es zu teuer ist.
Altöl wird auch verbrannt und Speiseöl wird zu Biogas/Biodiesel verarbeitet.
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Pok
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Beitrag von Pok »

Mir scheint, du sprichst weiterhin von der Großindustrie und nicht von der Entsorgung von privaten Schadstoffen. Wie will man aus einer Suppe, in der 10-20 versch. Schwermetalle, Komplexbildner, usw. drin sind und deren Zusammensetzung sich bei jeder Fure komplett ändert, die Metalle selektiv und ohne extreme Kosten gewinnen? So wird das doch nie im Leben gemacht.
Chaoschemiker hat geschrieben:Ich vermute mal egal wie man es hält erzeugt ein kleines Dorf übers Jahr mehr Problemmüll als so ein Hobbychemiker.
Die Schadstoffe eines Hobbychemiker mit denen eines ganzen Dorfs zu vergleichen, finde ich nicht angemessen. Vermutlich ist jeder Vergleich unangemessen, weil man ja nicht 1 m³ Asbestplatten mit 1 kg Kupfersulfat vergleichen kann. Asbest kann z.B. nicht ins Grundwasser gelangen, Kupfersalze schon.

Mir war jedenfalls nicht klar, dass Schadstoffe in so gigantischem Ausmaß einfach im Bergwerk verbuddelt werden. Und auch nicht, dass die schönen Regeln, die man aufstellt, schlichtweg in der Vergangenheit und Gegenwart nicht eingehalten werden -> link. Man sehe sich mal das verdutzte Gesicht des Verantwortlichen bei 0:35 an. Frage des Reporters "Aber chemische Reaktionen könnten ja nur auftreten, wenn was falsch gelagert wurde, oder?" - Zerknirschte Antwort "Ne." :lol: Ertappt. Natürlich wurde da falsch gelagert.

Ich glaube, das Problem der "Endlagerung" (wo jederzeit was aussuppen kann) ist kaum jemandem bewusst. Schließlich recyceln wir doch jeden möglichen Müll. Das hätte ich auch bei Schadstoffen erwartet. Möglich wäre es, aber wohl extremst teuer. Wegen dieser Endlagerproblematik nehme ich die Prämisse "so wenig Abfall wie möglich produzieren" jetzt jedenfalls deutlich ernster.
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Chaoschemiker
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Beitrag von Chaoschemiker »

Die Schadstoffe eines Hobbychemiker mit denen eines ganzen Dorfs zu vergleichen, finde ich nicht angemessen. Vermutlich ist jeder Vergleich unangemessen, weil man ja nicht 1 m³ Asbestplatten mit 1 kg Kupfersulfat vergleichen kann. Asbest kann z.B. nicht ins Grundwasser gelangen, Kupfersalze schon.
Klar, nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich, aber hier durchaus anwendbar, wir brauchen nichtmal die typische Eternitplatte von Opas Schuppen, da reicht schon dass noch immer jeder x-te Poolbesitzer irgendwo Kupfersulfat(externer Link, erstbestes Ergebnis neben weiteren) herbekommt und damit seinen kleinen Teich blau und Algenfrei hält, das Wasser danach aber auch nur "irgendwie" entsorgt.
Oder welcher Hausbesitzer macht sich bitte ernsthaft gedanken dazu, wie er die Plörre aus seinen Heizungsrohren loswird, wenn er seine Entlüftung kotzen lässt.
Blau kommts da zwar nicht raus, dafür mitunter schwarzbraun-metallisch und definitiv auch nicht gesund.
Deswegen meine ich ja auch "alles was dazu gehört".
Oder wo unsereins nachdenkt was er/sie/es bestellt, fliegt die bei "Wish" bestellte Armbanduhr samt Pb/Hg-Batterie in den Hausmüll, oder wird irgendwo ins Gebüsch.

Das mit dem Endlager ist halt so eine Sache, die Isolation von Reinstoffen aus so einem bunten Mix wie Abfall ist enorm schwierig (Erstsemester Ionenlotto...). Wenn es nicht so einfach wäre bei vielen Sachen einfach ein Magnetband drüber fahren zu lassen um ferromagnetisches Material rauszuholen würde sich vermutlich auch keiner um die Blechdosen im Hausmüll scheren.
(Dafür gibt es ja ganze Studiengänge!)
So wird das doch nie im Leben gemacht.
Hier vielleicht noch eine "Tatsache" aus der Praxis, Quecksilber wird z.B. separat abgeschieden und wiederaufbereitet rausgeholt, grad bei Müllverbrennungsanlagen ganz typisch. Das klappt aufgrund dieser Sache mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften ganz gut. Bei anderen Elementen halt nicht.

Alles andere mineralische, wüsste ich ehrlich gesagt keinen Rohstoffstrom der aus "der breiten Masse" etwas rausholt. Deswegen gibts ja solche lustigen Annahmestellen für bestimmte Sachen. Ich glaube man möchte jedoch nicht überall Mäuschen spielen was wie und wo in den Müll fliegt, und da ist das typisch Deutsche System vermutlich noch ein gutes Beispiel auf dem Planeten...

Schweizerhalle ist ein Bsp von vielen "bedenklichen Situationen". Und, ja, das Ding mit Sickerwasser ist auch ein Breitenproblem, viele Deponien haben das und treffen Maßnahmen... Abdichten, Abpumpen oder weit genug Absperren.
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Chaoschemiker
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Beitrag von Chaoschemiker »

Übrigens, sorry, falls das in die "falsche Richtung" geht, ich denke mal für das Individuum selbst sollte eine Art "Entsorgungsplan" oder neudeutsch "Quench-SOP" helfen. Der Abfall den man selbst produziert ist ja meist recht sauber im Sinne der Vielfältigkeit an Verbindungen, von daher weiß man ja in der Regel wie man sein Zeug am besten entschärft und weitestgehend in CO2/H2O und irgendwas schwerlösliches überführt. (Weshalb Sammelbehälter für Stoffgruppen vielleicht auch nicht immer klug sind)

Wenn man die Sachen selbst schon ausfällt macht man sich mehr Arbeit, spart das aber dem Entsorger, aber wie sinnvoll das ist oder nicht, bleibt schwierig. Natürlich wäre es lustig neben einer Cobalt-Mine zu wohnen, dass man den Beutel mit ausgefälltem Schlamm einfach über den Zaun wirft und dann ist alles gut. Man könnte ja auch das Päckchen nach Norilsk schicken. Fraglich ob dadurch der ökologische Fußabdruck besser wird, immerhin hat man die Gefahr reduziert es im eigenen Grundwasser wiederzufinden.
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