Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

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aliquis
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von aliquis »

Das habe ich jetzt mal ausprobiert: jeweils etwas Disulfit und Phosphorsalz in wenig Wasser gelöst, Ammoniumheptamolybdat in leichtem Überschuss in 3%iger Salpetersäure. Vermischt zeigte sich nur eine schwache Gelbfärbung. Beim Erhitzen fiel zunächst gelbes Molybdo-Phosphat aus, denn entstand eine zunehmend dunkler werdende grüne Mischfarbe mit Molybdänblau. Beide Reaktion können also neben- bzw. nacheinander stattfinden, wenn genug Molybdat da ist. Die Fällung mit Phosphat läuft zuerst ab, Bodensatz und Trübung bleiben danach erhalten, wenn Molybdänblau entsteht. Die Reaktionen sind also voneinander unabhängig. Man muss nicht zuerst Molybdat mit Phosphat reagieren lasen, wenn man anschließend ein Reduktionsmittel nachweisen will.
Wäre es so, sähen wir immer nur eine grüne Brühe wie hier, aber nie das Moybdänblau. Für den Reduktionsmittelnachweis reicht es, das Reduktionsmittel und das Molybdat in wässriger Lösung miteinander reagieren zu lassen. Phosphat spielt dabei definitiv keine Rolle.

20220211_204251.jpg
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Glaskocher
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von Glaskocher »

Ich tippe mal darauf, daß im hier besprochenen Nachweis die Kunst darin besteht, daß die Reduktion zum Molybdänbleu nur dann klappt, wenn Phosphat komplexiert wurde. Ohne Phosphat ist die Aktivierungsenergie (bei RT) etwas zu hoch.

Das Benzidin scheint hier ja das optimale Reduktionsmittel zu sein, da es nach seiner Oxidation ebenfalls blau wird (wie das Molybdänblau aus der korrespondierenden Reduktion).

Jetzt müßte man ein Reduktionsmittel suchen, das ähnliche Redoxeigenschaften wie Benzidin hat, aber einfacher erhältlich (oder ungiftiger) ist. Man verzichtet dabei auf einen Teil der Empfindlichkeit, könnte die Reaktion aber mit einem breiteren Personenkreis (hands on) durchführen. Das könnte zu einer gewissen Herausforderung werden, weil zu starke Reduktionsmittel vermutlich das Blau auch ohne Phosphat erzeugen können.
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lemmi
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von lemmi »

@aliquis: Sorry, aber ich finde, du stehst auf dem Schlauch! Die von Seaborg beschriebene Reaktion dient dem Nachweis von Phosphat und ohne Phosphat bleibt sie aus - das kannst du ja wohl nicht bestreiten. :roll:

Und ich hätte dafür gerne eine detalliertere Erklärung! Seaborg hat ja schon ins Feld geworfen, dass die Heteropolysäuren eine "erhöhte Reaktionsfähigkeit" haben könnten. Das ist nun sehr weit gefasst. Zum Beispiel könnte Phosphomolbydat eine katalytische Wirkung auf die Oxidation des Benzidins haben. Aber da man die Blaufärbung in Abhängigkeit vom Phosphatgehalt auch mit anorganischen Reduktionsmitteln wie Zinn hinbekommt, ist der Effekt vom Benzidin unabhängig. Phosphormolybdänsäure wird offenbar leichter zu Molybdänblau reduziert als Molybdat, bzw. letztes unter den gewählten Bedingungen gar nicht - sonst würde der ganze hier beschrieben Nachweis doch gar nicht funktionieren!

Hat niemand von den Anorganik-Cracks eine Erklärung dafür?
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lemmi
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von lemmi »

@ Glaskocher: warst schon fertig, als ich noch am schreiben meines posts war! :wink:

Hier mal die Versuchsvorschrift zur kolorimetrischen Phosphatbestimmung (E. Philipp, Experimente zur Untersuchung der Umwelt, , Bayerischer Schulbuch-Verlag 1977)

Zwischenablage01.jpg

Und hier die zugehörige Erklärung:

DSC02955.jpg
DSC02955.jpg (81.47 KiB) 3313 mal betrachtet

Vielleicht spielt die Reaktionstemperatur ja die entscheidende Rolle, wie Glaskocher annimmt.

@aliquis: du hast deine Lösung erhitzt. Probiers mal bei Raumtemperatur, einmal mit und einmal ohne Phosphat. Und ohne Salpetersäure, die könnte die Reduktionswirkung konterkarieren.
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aliquis
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von aliquis »

In der Tat ein paar verwirrende Effekte, die ich hier in Probierglasexperimenten gerade sehe:

- Disulfit: nur langsam eine leichte Blaufärbung nach Ansäuern, die sich nach Zusatz von Phosphat zu Blaugrün vertieft.
- Formiat: kein Molybdänblau, nur blasses Gelb, auch nicht nach Zusatz Phosphat/Erhitzen/Ansäuern, aber auch kein gelber Niederschlag
- H nasc: braune Färbung
- Zinnchlorid salzsauer, ohne Phosphat: dunkler Niederschlag + oranger Überstand
- Ascorbinsäure: erst Gelb, dann schwach grün beim Erhitzen, nach Phosphatzugabe: tiefstes Molybdän-Blau!

Mein Molybdän-Weltbild steht Kopf... :conf:
Ich nehme alles zurück...
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von Glaskocher »

Ich würde in vielen Fällen gerne wissen, wieviele (welche und warum) Fehlversuche verworfen wurden, bevor die druckfertigen Rezepturen gefunden worden sind. Das würde, neben dem funktionierenden "Dreizeiler", manchmal Seiten und Bände füllen. Aber Miserfolge und Seitenwege finden äußerst selten ihren Weg in die verwahrte Literatur.
aliquis
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von aliquis »

Um nochmals darauf zurückzukommen:
ich kannte die Nachweise von Phosphat und Reduktionsmitteln mit Molybdat bis dato nur als getrennte Reaktionen. Dass die Bildung von Molybdophosphat auch die Reduktion zu Molybdänblau begünstigt, war mir neu.
Gibt es dazu irgendwelche Literatur, die den Zusammenhang näher beleuchtet? Die, die mir zur Verfügung steht, beschreibt beides als voneinander unabhängige Reaktionen.
Welche Reduktionsmittel können mit Molybdat nicht nachgewiesen werden? Formiat ist z. B. offenbar schon zu schwach.
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lemmi
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von lemmi »

Das ist genau auch meine Frage. Es muss was mit der Bildung von Heteropolyanionen zu tun haben.
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von aliquis »

Stimmt, nun sind wir überein... :wink:
Alle anderen im Forum scheinen von dem Zusammenhang aber genauso überrascht zu sein wie wir - sonst hätte es hier schon mehr Antworten dazu gegeben...
Der Buchausschnitt geht ja aber schon mal in die richtige Richtung...
3% ige Salpetersäure hat praktisch keine oxidative Wirkung mehr. Warum sollte die stören? Das saure Medium ist aber wohl nicht das Problem, wenn man die Anleitung betrachtet. Zinnchlorid käme nicht ohne aus. Und der gewohnte gelbe Niederschlag mit Phosphat bildet sich im Neutralen ja auch nicht so gut...
Erhitzt und/oder Phosphat hinzugegeben habe ich erst im Nachhinein, wenn sich hinsichtlich Molybdänblau zuvor nichts tat...
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von Seaborg »

wer ganz tief in die Hintergründe der Entstehung der Farbreaktionen des Phosphatnachweises mit Molybdaten und Reduktionsmitteln eintauchen möchte, dem lege ich dieses Werk zu Füßen.

molybdänblau1.JPG
Zur Vertiefung diene dann noch das ungeheure Literaturverzeichnis!
Möge er die black box öffnen! :angel:

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mgritsch
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von mgritsch »

Durchaus interessant, in der Form aber kein korrektes bzw nützliches Zitat Herr Kollege :)

https://doi.org/10.1016/j.aca.2015.07.030
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lemmi
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von lemmi »

Sehr gut! Das muß ich mir mal genauer ansehen.

@Seaborg: da du diesen vielversprechenden Artikel ausgegraben hast, rege ich mal an, die für den spezifischen Fall relevanten Aspekte de Reaktion in der Erklärung des Versuchs einzuarbeiten und die Quelle zu den Literaturzitaten hinzuzunehmen. :wink:
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von Seaborg »

Ich weiss nicht, wie Ihr hier an eure Fachliteratur kommt, ihr habt ja da wahrscheinlich noch andere, berufliche
Möglichkeiten. Meine Quelle ist:
https://booksc.org
und war hier in diesem Falle:
https://booksc.org/book/45506496/612a2e

Hier kann man in die Maske eine (unbegrenzte?) Zahl an Suchen eingeben, zeitlich zurück bis 1800 (!!!) etwas auswählen und dann etwa 10 Seiten davon in der "Vorschau" lesen. Den ganzen Artikel kann man als pdf-Datei herunterladen. Nach 10 "Ladungen" wird man auf den nächsten Tag verwiesen (dann wieder 10), es sei denn, man spendet. (was ich gerne und oft tue!). Je nach dem kann man dann einen längeren Zeitraum Artikel laden, bis die Festplatte kracht.
Für mich ist das ein "real paradise"! Würde mich interessieren, ob das hier im Forum weiter bekannt ist, oder wie ihr an die (kostenlose) Fachliteratur kommt.
Leider kann man die Artikel nicht direkt verlinken, oder ich habe die Möglichkeit noch nicht entdeckt.

Seaborg
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lemmi
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von lemmi »

Okay, diese website war zumindest mir noch nicht bekannt.
Ich habe den Luxus eines eigenen UB- Zuganges. Ansonsten ist sci-hub sehr beliebt.
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Re: Mikrochemischer Nachweis von geringen Mengen Phosphat neben viel Arsenat

Beitrag von Seaborg »

Im Artikel sind 205 (!!) Literaturverweise nur zum Thema "Molybdänblau-Reaktion" (bis 2015) verzeichnet.
:out: :wall:
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