Magneson I, 4-(4-Nitrophenylazo)-resorcin, p-Nitrophenylazoresorcinol, Azo Violet, [74-39-5]
Magneson II, 4-(4-Nitrophenylazo)-1-naphthol, p-Nitrophenylazonaphthol, [5290-62-0]
Azo-Farbstoffe, charakterisiert durch die chromophore Gruppe -Ar-N=N-Ar‘- (Ar = Aryl-Rest), sind eine besonders wichtige Gruppe an Farbstoffen. Sie haben kommerziell eine große Bedeutung, sei es in der Textil-Färberei oder auch als Pigmentfarbstoffe in Kunststoffen oder Malfarben. Auch in der Chemie haben sie eine große Bedeutung - sei es als Färbungen in der Mikroskopie oder in Form von zahlreichen pH-Indikatoren oder metallochromen Indikatoren.
Magneson I und II sind zwei Azofarbstoffe, die - unter passenden Konditionen - selektiv zum empfindlichen Nachweis von Magnesium genutzt werden können. Auch mit anderen Metallionen ergeben sie teils Farbumschläge, im alkalischen zeigen sie einen pH-abhängigen Farbumschlag. Ihre Herstellung ist ein typisches Beispiel für eine "Azokupplung".
Geräte:
Bechergläser, Magnetrührer, Filternutsche (am besten ein großer Büchner-Trichter), Exsikkator, Reagenzgläser, pH-Papier
Chemikalien:
p-Nitroanilin


1-Naphthol



Resorcin


Natriumnitrit



Harnstoff
Salzsäure


Natriumhydroxid

Eis
4-(4-Nitrophenylazo)-resorcin

4-(4-Nitrophenylazo)-1-naphthol

Durchführung:
a) Diazotierung - Herstellung von 4-Nitrobenzoldiazoniumchlorid:
6,9 g p-Nitroanilin (50 mmol) wurden in einem 600 ml Becherglas unter Erwärmen in 15 ml 10 mol/l HCl (150 mmol) und ca 75 ml dest. Wasser aufgelöst. Sobald alles p-Nitroanilin aufgelöst war, wurde rasch zerstoßenes Eis bis zu einem Gesamtvolumen von ca 300 ml zugegeben und gut umgerührt. Das p-Nitroanilin fiel dabei wieder in Form einer feinen Suspension aus, das meiste Eis schmilzt, ein Rest an Eis soll verbleiben.
Das Becherglas wurde nun in einem Eisbad zusätzlich von außen gekühlt und unter kräftigem Rühren eine Lösung von 3,8 g Natriumnitrit (55 mmol) in 15 ml dest. Wasser zugegeben und für ca. 15 - 20 Minuten weiter gerührt. Die Suspension von p-Nitroanilin löste sich dabei unter Bildung des Diazoniumsalzes weitgehend auf, es blieb nur eine leichte Trübung. Schließlich wurde ein kräftiger Spatel voll Harnstoff zugesetzt, um überschüssiges Nitrit zu zerstören, und für 5-10 Minuten weiter gerührt.
Solange für gute Kühlung gesorgt wird (Temperatur unter 5 °C), ist die Lösung des 4-Nitrobenzoldiazoniumchlorid ausreichend stabil, es sollte aber mit der weiteren Verarbeitung nicht zu lange gewartet werden. In der Wärme zersetzt es sich relativ rasch unter Freisetzung von Stickstoff zu störenden Nebenprodukten wie 4-Nitrophenol oder 4-Chlor-Nitrobenzol.
b) Kupplung und Isolierung der Produkte:
Für die Herstellung von Magneson I wurden in einem 100 ml-Becherglas 5,5 g Resorcinol (50 mmol) bzw. für die Herstellung von Magneson II 7,2 g 1-Naphthol (50 mmol) zusammen mit 4,50 g NaOH (113 mmol) unter gutem Rühren in ca. 60 ml Wasser aufgelöst. Resorcinol löste sich rasch vollständig auf. Im Fall von 1-Naphthol wurde dazu noch ein wenig erwärmt und die Lösung filtriert. Da die Phenole im alkalischen relativ rasch oxidieren, muss hier zügig gearbeitet werden. Die Lösung wurde durch Zugabe von etwas zerstoßenem Eis auf ca. 80-90 ml aufgefüllt und damit ebenfalls gut vorgekühlt.
Nun wurde die braune Lösung des Phenolats in dünnem Strahl und unter heftigem Rühren langsam in die vorbereitete Lösung des Diazoniumsalzes eingegossen wobei sofort der Farbstoff auszufallen begann. Es kann dabei erforderlich sein, noch weiteres Wasser zuzusetzen um die Lösung gut rührbar zu halten. Es wurde zuerst noch im Eisbad ca 15 - 20 Minuten weiter gerührt, anschließend das Eisbad entfernt und ca 3 Stunden weiter gerührt, während sich die Lösung langsam auf Raumtemperatur erwärmte.
Zur Isolierung des Produkts wurde die Lösung zuerst durch Zugabe von ca. 5 ml konz. HCl angesäuert (Prüfung mit pH-Papier) und einmal kurz bis fast zum Sieden erwärmt. Anschließend wurde an einem kühlen Ort ein paar Stunden gut auskühlen gelassen - dadurch sollte der sehr fein verteilte Niederschlag in eine besser filtierbare Form gebracht werden. Der Niederschlag wurde abgenutscht, mit dest. Wasser nachgewaschen und an der Luft getrocknet. Evtl. kann noch im Exsikkator über NaOH getrocknet werden um Reste anhaftender HCl zu entfernen. Der Filterkuchen wurde in der Reibschale zerkleinert.
Ausbeute:
Magneson I: 12,8 g (98,7 % d. Th.)
Magneson II: 14,3 g (97,5 % d. Th.)
Eine Reinheitskontrolle mittels DC zeigte bei Magneson I fast keine Verunreinigungen an, bei Magneson II zeigte sich ein deutlicher zweiter Spot - dabei dürfte es sich um das in o-Position gekuppelte Isomer handeln während der Großteil, wie geplant, in p-Position kuppelte.
c) Nachweis von Magnesium:
Als Reagenz wurde 1 Spatelspitze Magneson I bzw. Magneson II in ca 5 ml einer 1 mol/l NaOH unter Erwärmen gelöst. Es bildeten sich dabei tief dunkel gefärbte Reagenzlösungen.
Zur Demonstration der unterschiedliche Empfindlichkeit der beiden Reagenzien wurde aus Leitungswasser, das lt. Versorger einen Magnesiumgehalt von 15 mg/l aufweist, eine Verdünnungsreihe hergestellt, indem in Reagenzgläsern in 1-ml-Schritten 0 bis 5 ml Leistungswasser mit 5 - 0 ml destilliertem Wasser verdünnt wurden.
Nun wurden in jedes Reagenzglas 5 Tropfen einer 1 mol/l NaOH und 1 Tropfen der Reagenzlösung zugegeben und umgeschüttelt.
Mit Magneson I ist nur beim unverdünnten Leitungswasser eine schwache aber eindeutige Farbveränderung zu beobachten (ca. 15 mg/l). Wenn größere Mengen Mg anwesend sind, bildet sich sofort ein intensiv blau gefärbter Farblack mit großem Kontrast zu einer Blindprobe.
Mit Magneson II war bereits bei einer Verdünnung von 2:3 (entsprechend ca 6 mg / l Mg) eine eindeutige Blaufärbung im Vergleich zur Blindprobe erkennbar. Bei unverdünntem Leitungswasser konnte man schon nach kurzer Zeit das Ausflocken des Lacks beobachten der sich langsam absetzt. Dabei wurde fast die gesamte Farbstoffmenge in der Lösung adsorbiert!
Bei einer Probe mit ein wenig Mg(NO3)2 als Magnesiumquelle zeigte sich, dass der Farbstoff anscheinend relativ oxidationsempfindlich ist - binnen weniger Minuten war eine merkliche Verfärbung des Farblacks in Richtung schmutzig-blau und weiter Richtung braun-grau zu beobachten. Magneson II zeigte eine geringere Oxidationsempfindlichkeit, der Farblack blieb stabil. Zusatz einer Spatelspitze Ascorbinsäure verhindert die Oxidation aber erfolgreich.
Entsorgung:
Abfälle kommen zu den organischen, halogenfreien Abfällen.
Erklärungen:
Bei der Diazotierung reagiert das primäre Amin p-Nitroanilin mit Salpetriger Säure, die sich aus Natriumnitrit und Salzsäure bildet, zu einem Diazoniumsalz: Da p-Nitroanilin eine sehr schwache Base ist, sind die Salze mit HCl stark dissoziiert und schwer löslich. Es kann daher nicht in homogener Lösung gearbeitet werden - zur Lösung wären viel zu große Mengen Wasser erforderlich. Ein möglicher Ansatz besteht daher darin, das p-Nitroanilin frisch aus seiner Lösung auszufällen sodass ein fein verteilter Niederschlag entsteht der ebenfalls rasch und quantitativ mit der Salpetrigen Säure zum Diazoniumsalz reagiert.[2]
Diazoniumsalze sind sehr starke Elektrophile, die mit dem aktivierten Ring eines Phenolats fast augenblicklich unter Bildung einer Diazoverbindung reagieren. Durch den -I und -M-Effekt der Nitrogruppe ist p-Nitroanilin noch stärker elektrophil als z.B. Anilin. Resorcin reagiert rascher als Naphthole, 1-Naphthol etwas langsamer als 2-Naphthol. Die Reaktion erfolgt aus elektronischen und sterischen Gründen bevorzugt in p-Stellung zur Phenolgruppe, eine Kupplung in o-Position ist jedoch auch möglich und findet in gewissem Ausmaß statt. In geringem Umfang kann die Selektivität durch die Reaktionsbedingungen (pH, Lösemittel) gesteuert werden. Eine größere Menge NaOH fördert die Kupplung in o-Position, allerdings wird dadurch auch das Diazoniumsalz zerstört bzw. als Diazotat-Anion inaktiviert, sodass die Ausbeute stark leidet. [2] Lediglich in m-Stellung kann praktisch keine Kupplung erfolgen. Im Fall des Resorcins kann sich praktisch nur ein Isomer bilden. Bei 2-Naphthol würde sich ausschließlich das Kupplungsprodukt in 1-Position (Pararot) bilden.
Sowohl Magneson I als auch Magneson II zeigen im Alkalischen (ph >10) eine charakteristische Reaktion mit Magnesium. Es bildet sich ein Farblack, bei dem der Farbstoff am Niederschlag aus Mg(OH)2 adsorbiert wird und dabei einen Farbwechsel von Weinrot (Magneson I) bzw. Rot-Violett (Magneson II) zu klar Blau zeigt. Mit Calcium gibt es keinerlei Blaufärbung, auch nicht bei großem Überschuss! Wenn Verunreinigungen wie Fe oder Al in geringer Menge anwesend sind, können sie durch Zugabe von Triethanolamin als stabile Komplexe maskiert werden. Magneson I ergibt mit Cu bereits im neutralen eine deutliche Dunkelblau-Violett-Färbung.
Lt. Literatur[1] beträgt die Empfindlichkeit von Magneson II "1:500.000" bzw. 0,1 µg Mg. Die praktisch beobachtete Empfindlichkeit von ca. 5 mg / l entspräche "1:200.000", das kommt somit nahe an den Literaturwert. Bei Ausführung als Tüpfelprobe wo z.B. nur 0,1 ml Probe zum Einsatz kommt, entspricht das 0,5 µg Mg. Die Empfindlichkeit von Magneson I lt. Literatur[1] beträgt 1:100.000 und ist somit um einen Faktor 5 geringer. Ungefähr konnte auch dieser Wert experimentell bestätigt werden.
Weder Magneson I noch Magneson II sind für Tüpfelrekationen auf Filterpapier tauglich, da sie schon bei der Adsorption am Filterpapier blaue Flecken ergeben, vermutlich wegen Spuren-Rückständen von Mg aus der Papierherstellung. Ebenso sind beide wegen der Bildung von ausflockenden Farblacken eher schlecht für Photometrische Bestimmungen geeignet. Entweder muss sehr rasch nach Zugabe gemessen werden, noch bevor es zur Ausflockung kommt, oder man muss ein Hilfsmittel wie z.B. Dextrin zusetzen, das die Ausflockung verhindert.
Bilder:
Die Edukte sind abgewogen und vorbereitet für die Reaktion
Diazotierung des p-Nitroanilin
Kupplung mit Resorcin - es bildet sich das in nasser Form kräftig rot gefärbte Magneson I
Kupplung mit 1-Naphthol - es bildet sich das braun gefärbte Magneson II
Magneson I abgenutscht - das Rohprodukt hält sehr viel Wasser zurück, typisch für zweiwertige Phenole
Das getrocknete und gemörserte Magneson II - ein braunes feines Pulver
DC der Produkte. Laufmittel: PE:EtOAc:HCOOH 10:15:1
v.l.n.r: Magneson I - Magneson II - Pararot als Vergleich um zu prüfen ob das 1-Naphthol mit 2-Naphthol verunreinigt war.
Linke DC wie gelaufen, rechts nach Besprühen mit Mg-Lösung und NaOH
Säure-Base-Eigenschaften von Magneson I
v.l.n.r: pH 2 (verdünnte Essigsäure) - pH 7 (Ammoniumacetat-Puffer) - pH 11 (Natriumcarbonat)
Säure-Base-Eigenschaften von Magneson II
v.l.n.r: pH 2 (verdünnte Essigsäure) - pH 7 (Ammoniumacetat-Puffer) - pH 11 (Natriumcarbonat)
Test der Empfindlichkeit von Magneson I
v.l.n.r: ca. 0 / 3 / 6 / 9 / 12 / 15 mg/l Mg + Vergleich nach Zugabe einer Spatelspitze Mg(NO3)2
Test der Empfindlichkeit von Magneson II
v.l.n.r: ca. 0 / 3 / 6 / 9 / 12 / 15 mg/l Mg
in den rechten beiden Reagenzgläsern ist bereits deutlich das Ausflocken des Farblacks zu beobachten!
Literatur:
[1] F. Feigl: Spot Tests in inorganic Analysis, Elsevier 1972, ISBN: 0-444-40929-7
[2] Stroh, Rudolf: 1965 Methoden der Organischen Chemie (Houben-Weyl), X/3: Stickstoffverbindungen 1, Methoden zur Herstellung und Umwandlung aromatischer Diazoniumsalze https://dx.doi.org/10.1055/b-003-113749