Ammoniak-/Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl

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lemmi
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Ammoniak-/Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl

Beitrag von lemmi »

Ammoniakbestimmung durch Destillation / Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl


Während sich reine Ammoniumsalze durch bestimmte maßanalytische Verfahren direkt bestimmen lassen, ist dies bei Doppelsalzen oder Salzen mit komplex gebundenem Ammoniak nicht möglich. In diesen Fällen macht man sich die Flüchtigkeit des Ammoniaks zunutze, das aus der Analysensubstanz durch eine starke Base in Freiheit gesetzt und in einem bekannten Aliquot Säure aufgefangen wird. Der nicht-umgesetzte Überschuss an Säure wird dann zurücktitriert. Dieselbe Methode kann, in Verbindung mit einem vorgeschalteten Aufschlussverfahren, zur Bestimmung von organisch gebundenem Stickstoff verwendet werden. In der ursprünglich von Kjeldahl angegebenen Form wird sie nach wie vor zur Eiweißbestimmung in Lebensmitteln und Pharmazeutika eingesetzt. Außerdem bietet diese Technik die Möglichkeit, Nitrate quantitativ zu bestimmen.


Material/Geräte:

250 ml-Rundkolben, Destillierbrücke mit Tropfenfänger, absteigender Kugelkühler, Erlenmeyerkolben oder Stehkolben 100 ml, Becherglas 250 ml, Messpipetten 10 und 20 ml, Messzylinder 50 und 100 ml, Bürette, Magnetrührer, Rührfische, Gasbrenner
500 ml-Zweihalskolben, Kühler mit geradem Kühlerrohr (Liebgkühler) als Rückflusskühler, Tropftrichter oder Scheidetrichter 100 ml, 250 ml-Rundkolben mit durchbohrtem Stopfen, Rohr- und Schlauchverbindungen sowie passender Heizquelle zur Entwicklung von Wasserdampf, Waage


Chemikalien:

Natronlauge ca. 4 N (16 %) / festes Natriumhydroxid Warnhinweis: c
konzentrierte Schwefelsäure / Schwefelsäure ca. 5 N Warnhinweis: c
Salzsäure 1 N und 0,1 N Warnhinweis: cWarnhinweis: attn
Natronlauge 1 N und 0,1 N Warnhinweis: c
Methylrot-Methylenblau-Mischindikator (Tashiro-Indikator) nach Ph. Eur. Warnhinweis: f
Kaliumsulfat, wasserfrei

Kupfer(II)-sulfat, wasserfrei Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Selen, graues Warnhinweis: fWarnhinweis: nWarnhinweis: t
Eisenpulver Warnhinweis: f

Analysensubstanzen:

Ammoniumeisen(II)-sulfat (Mohr’sches Salz)

Kaliumnitrat Warnhinweis: o
Pflanzendüngerlösung Warnhinweis: attn
Quark


Versuchsdurchführung:

1. Bestimmung des Ammoniaks in anorganischen Verbindungen


In einem 250 ml-Kolben (am besten einem Zweihalskolben, das ist aber nicht obligat) legt man so viel der zu untersuchenden Verbindung vor, dass die zu erwartende Ammoniakmenge zwischen 2 und 8 mmol liegt, löst in 50 ml Wasser und fügt einen Rührfisch (dieser verhindert meiner Erfahrung nach des Stoßen effektiver als Glaskugeln) zu. Dann wird die unten abgebildete Apparatur mit Tropfenfänger, Destillationsbrücke und Kugelkühler (die der Apparatur zur Ethanolbestimmung entspricht) aufgebaut. Als Vorlage dient ein 100 ml-Kolben, der in einem Kühlbad (Eiswasser – hier wurde ein Gel-Kältepad verwendet) und mit 10,0 ml 1 N Salzsäure und 10 ml Wasser befüllt wird. Erst dann werden (optimal mit Hilfe eines Tropftrichters) 5 ml 16 %ige Natronlauge und nochmals 50 ml Wasser in den Destillierkolben gegeben und dessen Inhalt zum Sieden erhitzt. Auf kleiner Flamme werden dann binnen ca. 30 Minuten 80 ml in die Vorlage überdestilliert. Das Rohrende des Kugelkühlers muss etwas in die Säure in der Vorlage eintauchen! Anfangs beobachtet man ein Zurücksteigen der Flüssigkeit in den Kühler und Schlierenbildung, die gegen Ende der Destillation aufhört. Wenn das Volumen in der Vorlage 100 ml beträgt löscht man den Brenner, wobei man die Vorlage soweit absenkt, dass ihr Inhalt nicht zu weit in den Kühler zurücksteigen kann, und lässt abkühlen.
Der Inhalt der Vorlage wird in ein 250 ml-Becherglas überführt, der Kühler und die Vorlage mit 2 x 20-25 ml destilliertem Wasser nachgewaschen (Spritzflasche, auch Kühlerrohr von außen!) und die Waschflüssigkeit ebenfalls in das Becherglas gegeben. Man fügt 5-7 Tropfen Mischindikatorlösung zu und titriert den Säureüberschuss mit 1 N Natronlauge zurück, bis die Farbe von Violett nach klar Hellgrün umschlägt. Der Umschlag ist scharf.

Auswertung: 1 ml 1 N Salzsäure entsprechen 1 mmol oder 17,03 mg Ammoniak bzw. 18,04 mg Ammonium

Ich habe den Versuch unter Verwendung von Mohr’schem Salz durchgeführt, und zwar einmal unter Verwendung eines 100 ml-Destillierkolbens und insgesamt nur 60 ml Flüssigkeit (es wurden 50 ml überdestilliert) und einmal unter Verwendung eines 250 ml-Kolbens wie oben beschrieben. Eingesetzt wurden 1176,7 mg (NH4)2Fe(SO4)2 + 6 H2O (3 mmol). Das Ergebnis war bei beiden Ansätzen identisch. Verbraucht wurden (unter Berücksichtigung der Titer der Lösungen) 5,975 ml 1 N HCl. Erwartet waren 6 mmol Ammoniak, die Wiederfindungsquote betrug also > 99,5 %.


2. Bestimmung von Nitrat

Eine 2-4 mmol Nitrat entsprechende Probenmenge wird (am besten gleich im Zweihalskolben) in 10 ml Wasser gelöst und mit 25 ml Schwefelsäure 25 % versetzt. Dann werden 5 g Eisenpulver zugegeben und ein Liebigkühler als Rückflusskühler aufgesetzt. Spontan kommt eine Wasserstoffentwicklung in Gang. Während der ersten 5-10 Minuten wird nur ganz schwach erhitzt, so dass die Mischung erst nach Ablauf dieser Zeit zu sieden beginnt. Nach 10 Minuten wird kräftiger erhitzt. Nach etwa 20 Minuten ist die Wasserstoffentwicklung abgeklungen und der jetzt dunkel grün-graue Kolbeninhalt siedet leicht. Man hält noch weitere 10 Minuten am Sieden und lässt dann abkühlen. Danach spült man den Kühler und die Wände des Kolbens mit ca. 75 ml destilliertem Wasser in den Kolben. Nachdem die Wassederdampfdestillationsapparatur (wie bei Kjeldahl, Punkt 3) aufgebaut und die Vorlage mit 10,0 ml 1 N Salzsäure und 10 ml Wasser beschickt ist, gibt man 40 ml 16%ige Natronlauge in den Kolben, schwenkt gut um und destilliert unter Einleiten von Wasserdampf 80 ml über. Es wird mit 1 N Natronlauge gegen Mischindikator zurücktitriert.

Auswertung: 1 ml 1 N Salzsäure entsprechen 1 mmol oder 63 mg NO3- (bzw. 101,1 mg KNO3 oder 85 mg Natriumnitrat)

Bei meinem Versuch habe ich 252,8 mg Kaliumnitrat (2,5 mmol) eingesetzt. Der Verbrauch an 1 N Salzsäure betrug 2,45 ml, was 2,45 mmol Nitrat entspricht. Der Fehler betrug hier 2%. Allerdings hatte ich nicht mit Wasserdampf destilliert (diese Empfehlung gebe ich, nachdem ich meine Destillation bei 50 ml abbrechen musste, weil im Destillierkolben ein stoßender Schlamm aus Eisenhydroxid entstanden war). Außerdem ist der Titrierfehler bei so geringen Mengen und Einsatz von 1 N Lösungen relativ hoch - 0,05 ml würden hier schon 2 % ausmachen. Durch Anwendung von 0,5 N oder 0,2 N-Lösungen bekäme man genauere Ergebnisse (allerdings ist mir die Reinheit des eingesetzten Kaliumnitrats auch nicht genau bekannt)


3. Bestimmung von Gesamtstickstoff nach Kjeldahl


Von der zu untersuchenden Probe werden 0,1 (Halbmikro-Maßstab) bis 0,4 g, in einen 100 ml-Kolben gegeben, ein Rührfisch und schließlich 10 ml konzentrierte Schwefelsäure und je nach Aufgabenstellung ggf. weitere Zusätze (siehe unter den einzelnen Versuchsbeschreibungen) zugegeben. Auf den Kolben wird ein geeigneter Kühler montiert, der am oberen Ende mit einem Gasableitungsschlauch versehen ist, welcher ins Freie oder in den Abzug mündet (siehe Anmerkung!). Nun wird die Mischung im Kolben mit kleiner Flamme erhitzt, wobei sich der Inhalt zunächst schwarz färbt. Das Erhitzen wird anfangs vorsichtig ausgeführt und dann, wenn die erste Gastentwicklung und Aufschäumen vorüber ist, so reguliert, dass die Säure eben schwach siedet und die Dämpfe der Schwefelsäure am Kolbenhals oder im unteren Teil des Kühlers kondensieren. Es wird erhitzt, bis die Mischung klar ist, wobei sie häufig durch die Zusätze gefärbt ist, und abkühlen gelassen. Dann umgibt man den Kolben mit einem Kühlbad aus Eiswasser und fügt unter Rühren langsam von oben durch den Kühler 50 ml Wasser zu (die Wärmeentwicklung ist durch den Zusatz von Kaliumsulfat nicht so heftig wie bei reiner Schwefelsäure).
Wenn die Flüssigkeit abgekühlt ist, wird sie mitsamt dem Rührfisch quantitativ, unter Nachspülen des Kolbens mit 10-20 ml Wasser, in einen 250 ml-Zweihalskolben (obligat!) überführt (Trichter benutzen, evtl. ungelöste Salzreste ganz in den Kolben spülen!). Man baut die Destillationsapparatur zusammen und legt je nach zu erwartendem Stickstoffgehalt 20,0 ml 0,1 N (erwartete 0,5-1,5 mmol N - Halbmikromethode) oder 10,0 ml 1 N Salzsäure und 10 ml Wasser (bei zu erwartenden 2-8 mmol N) vor. Dann werden über den Seitenstutzen des Kolbens unter gutem Rühren langsam ca. 80 ml einer 7 N Natronlauge (20 g Natriumhydroxid in ca. 75 ml Wasser lösen) zugetropft. Dabei wird Wärme frei und gelegentlich siedet die Mischung an der Eintropfstelle auf (gut rühren!). Die deutlich alkalische Reaktion erkannt man daran, dass in der Flüssigkeit dauerhaft schwarzbraunes Kupferoxid ausfällt. Dann gibt man noch einige ml Natronlauge zu (das Gesamtvolumen sollte 120-150 ml betragen) und ersetzt den Tropftrichter zügig durch ein Dampfeinleitungsrohr, das mit einem 250 ml-Kolben verbunden wird, der zu Hälfte mit Wasser gefüllt ist und erhitzt wird (als Dampfentwickler). Gleichzeitig wird der Kolbeninhalt erhitzt. Dann wird unter stetem Durchleiten von Wasserdampft destilliert, bis in der Vorlage 100 ml enthalten sind, das Dampfeinleitungsrohr aus dem Kolbensumpf gezogen und die Apparatur abkühlen gelassen. Der Inhalt der Vorlage wird zusammen mit dem Spülwasser von Kühler und Vorlagekolben wie oben mit 1 N oder 0,1 N Natronlauge titriert.

Anmerkung:
Klassischerweise wird für diesen Aufschluss ein birnenförmiger, sogen. Kjeldahl-Kolben mit langem Hals benutzt, der oben durch eine gestielte Glaskugel, oder einen unten zugeschmolzenen Trichter verschlossen wird. Dieser Kolben wird während des Aufschlusses schräg gestellt und hat den Vorteil, dass er leichter zu schwenken ist, wenn verkohlte Teilchen an der Wandung hängenbleiben. Das Erhitzen muss dann wegen der freiwerden Gase (Schwefeldioxid, ggf. Selendampf) jedoch zwingend unter dem Abzug durchgeführt werden. Um ohne Abzug arbeiten zu können wurden bei diesen Versuchen andere Arrangements verwendet. Dabei sind ein Weithalskolben und ein Kühlrohr, dessen Schliff bündig mit dem Kolbenhals abschließt, vorteilhaft, weil das herabrinnende Kondensat an der Kolbenwandung anhaftende Substanzteilchen herunterspült.

Auswertung: 1 ml 1 N Salzsäure entsprechen 1 mmol oder 14,01 mg Stickstoff, wenn 0,1 N Salzsäure vorgelegt wird natürlich nur 1/10 dieser Mengen. Zur Umrechnung von Gesamt-N in Gesamt-Eiweiß wird die gefundene Stickstoffmenge (in mg) mit einem sog. Proteinfaktor (häufig wird einfach 6,25 angesetzt) multipliziert.

Bild
(Quelle: Kjeldahl-Infoposter, C.Gerhardt & Co KG


Versuch 1: Bestimmung des Gesamtstickstoffgehaltes in einem Blattpflanzendünger

Von dem zu analysierenden Flüssigdünger, der laut Etikett 10 % Gesamtstickstoff als Carbamidstickstoff enthält, wurden 1000 µl in einem tarierten Wägegläschen zunächst an der Luft eindunsten gelassen und dann im Trockenschrank bei 120 °C getrocknet (dabei wurde eine teilweise Zersetzung unter leicht bräunlicher Verfärbung beobachtet, was aber auch auf den zugesetzten Farbstoff - der Dünger ist grün gefärbt - zurückzuführen sein kann). Der Rückstand (382,5 mg) wurde in einen 100 ml-Rundkolben gegeben, mit 10 ml Schwefelsäure sowie 10 g Kaliumsulfat und 0,5 g wasserfreiem Kupfer(II)-sulfat versetzt und erhitzt, Auf den Kolben wurde ein Liebigkühler aufgesetzt, der am oberen Ende mit einem Gasableitungsschlauch wurde, über den freiwerdende Gase ins Freie geleitet wurden. Anfangs war im Kolben die Bildung violetter Dämpfe (vermutlich Iod) zu beobachten. Nach einer Viertelstunde war eine klare Lösung entstanden, sicherheitshalber wurde eine weitere Viertelstunde erhitzt. Nach dem Abkühlen schied sich aus der schwach blauen Flüssigkeit eine weiße Salzkruste ab. Nach dem Verdünnen und Zugeben von Natriumhydroxid im Überschuss wurde, wie beschrieben, mit Wasserdampf destilliert, was nur 18 Minuten in Anspruch nahm.
Es wurden 6,89 ml 1 N-Salzsäure verbraucht, die 96,53 mg Stickstoff entsprechen. Die gefundene Menge von 9,65 % passt gut zum deklarierten Gehalt des Düngers.


Versuch 2: Bestimmung des Eiweißgehaltes von Quark über den Gesamtstickstoffgehalt

10,438 g Magerquark wurden in einem tarierten Schälchen zunächst an der Luft (auf der Heizung), dann bei 105 °C getrocknet, wobei eine Verfärbung nach gelbbraun eintrat (Maillard-Reaktion) und 2110 mg Trockensubstanz erhalten wurden (20,21 %). Davon wurden 100 mg mit 8 g Kaliumsulfat, 0,5 g wasserfreiem Kupfer(II)-sulfat und einer Spatelspitze grauem Selen verrieben, in einen 100 ml-Kolben gegeben, ein Rührfisch und schließlich 10 ml konzentrierte Schwefelsäure zugegeben. Als Kühler wurde hier eine Vigreux-Kolonne ohne umgebenden Mantel verwendet, wieder mit einem Gasableitungsschlauch versehen. Die Mischung färbte sich tiefschwarz und blähte sich beim Erhitzen anfangs stark auf, so dass die Flamme mehrfach entfernt werden musste um ein Hochsteigen in den Kühler zu verhindern. Nach etwas mehr als 10 Minuten entstand eine ruhig siedende, schwarze Flüssigkeit. Durch Schrägstellen und Drehen des Kolbens wurden an der Wand haftende verkohlte Teilchen in die Flüssigkeit gespült. Nach einer halben Stunde hellte sich die Flüssigkeit mehr und mehr auf und nach etwa 50 Minuten war sie klar und smaragdgrün gefärbt, während sich im Kühlrohr ein feiner, roter Anflug abgesetzt hatte (Selen). Es wurde wie angegeben nach dem Abkühlen mit Wasser verdünnt (dabei wurde die klare grüne Lösung durch ausfallendes Selen trüb und rötlich gefärbt), alkalisiert und unter Einleiten von Wasserdampf destilliert. Die Vorlage wurde mit 20,0 ml 0,1 N Salzsäure beschickt.
Bei der Rücktitration mit 0,1 N Natronlauge wurde ein Verbrauch von 6,7 ml Salzsäure ermittelt. Diese entsprechen 0,67 mmol oder 9,387 mg Stickstoff, was mit 6,38 (Faktor für Milcheiweiß resp. Casein) multipliziert 59,78 mg Eiweiß ergibt. Diese waren in 100 mg Trockensubstanz enthalten gewesen. 100 mg Trockensubstanz entsprechen 100 : 0,2021 = 494,7 mg des ursprünglichen Quarks. Der Proteingehalt der untersuchten Probe beträgt somit 12,08 % des Frischgewichts.


Entsorgung:

Den Rückstand im Destillierkolben verdünnt man mit Wasser, lässt absitzen, gießt den klaren Überstand ab (Abwasser) und gibt den schwarzen Bodensatz zu den Schwermetallabfällen. Die austitrierten Flüssigkeiten können über das Abwassernetz entsorgt werden.


Erklärungen:

Die Bestimmung von Ammoniak in seinen Salzen und Komplexverbindungen geschieht - wie schon in der Einleitung beschrieben - dergestalt, dass zunächst das Ammoniak durch Natronlauge freigesetzt wird. Im Falle des Mohr’schen Salzes sieht das so aus:

(NH4)2Fe(SO4)2 + 4 NaOH ---> 2 Na2SO4 + 2 NH3 + 3 H2O + FeO

Das überdestillierte Ammoniak setzt sich mit einer äquivalenten Menge der vorgelegten Salzsäure um:

NH3 + HCl ---> NH4Cl

Die nicht verbrauchte Säure wird mit Natronlauge zurücktitriert, wobei als Indikator der im sauren Umschlagende Tashiro-Mischindikator verwendet wird, da der Äquivalenzpunkt wegen der Anwesenheit von Ammoniumionen im Gemisch bei etwa pH 5 liegt. Alternativ kann auch Methylorange verwendet werden (5-8 Tropfen einer 0,1 %igen Lösung), wobei der Farbumschlag von Rot nach Gelb stattfindet. Die Titer der eingesetzten Maßlösungen müssen zuvor unter Verwendung des jeweiligen Indikators bestimmt werden! Aus der Differenz zwischen der vorgelegten (10 ml) und der zurücktitrierten (a ml) Säuremenge ergibt sich der Verbrauch, der zur Berechnung des Ammoniaks bzw. des Gesamtstickstoffs verwendet wird.

10 x fHCl – a x fNaOH = Verbrauch HCl [in ml]

Alternativ kann das Ammoniak in eine Borsäurelösung (ca. 15 ml einer 0,5 bis 5 %igen Lösung) eingeleitet werden. Hier ist eine direkte Titration mit 1 N (oder 0,1 N) Salzsäure möglich, da die Borsäure aufgrund ihres extrem kleinen pKs-Wertes ohne Einfluss auf den zugesetzten Indikator ist. Diese Variante kommt ohne eine genau eingestellte Natronlauge zur Rücktitration aus, hat aber sonst keine Vorteile. Mit nur minimalen Verlusten kann man Ammoniak sogar in destilliertem Wasser auffangen, da der Dampfdruck verdünnter Ammoniaklösungen vernachlässigbar ist, wenn die Vorlage einigermaßen gut gekühlt wird1.
Wie die Versuche mit dem Mohr’schen Salz zeigen, kann das Ammoniak quantitativ aus einem relativ kleinen Volumen übergetrieben werden. Der größere Ansatz ist aber zu bevorzugen, da es zu weniger Siedeverzügen kommt.

Die quantitative Bestimmung von Nitraten ist schwierig. Eine Möglichkeit ist die hier angegebene4. Das Nitrat (N+V) wird in schwefelsaurer Lösung zunächst durch Eisenpulver zu Ammoniak (N-III) reduziert. In der Literatur wird hierfür manchmal Ferrum reductum - ein durch Reduktion von Eisenoxid im Wasserstoffstrom gewonnenes, sehr reines und fein verteiltes Eisenpulver - empfohlen. Wie mein Versuch zeigt, kann aber auch gewöhnliches Eisenpulver verwendet werden.

NO3- + 4 Fe + 9 H+ ---> NH3 + 4 Fe2+ + 3 H2O

Das Ammoniak liegt in der sauren Lösung natürlich als Ammoniumsulfat vor, aus dem es wieder freigesetzt und wie beschrieben bestimmt wird.

Die nach ihm benannte Methode zur Stickstoffbestimmung in organischen Substanzen hat der dänische Chemiker Johan Kjeldahl (1849 – 1900) im Jahre 1883 veröffentlicht2. Sie beruht auf der Zerstörung der organischen Substanz - ihrer “Mineralisierung“ - durch heiße konzentrierte Schwefelsäure. Die Schwefelsäure oxidiert dabei den organisch gebundenen Kohlenstoff zu Kohlendioxid und den Wasserstoff zu Wasser. Der Stickstoff wird nicht oxidiert sondern quantitativ in Ammoniumsulfat umgewandelt, das anschließend durch Destillation und Titration bestimmt wird. Kjeldahl hatte, um die Oxidation zu beschleunigen, noch festes Kaliumpermanganat in die heiße Schwefelsäure gegeben. Diese, wie er es beschreibt (und wie man sich gut vorstellen kann) “öfter gewaltsame Reaction“ wird durch die heutigen Modifikationen vermieden. Verschiedene Zusätze erleichtern den Aufschluss. Kaliumsulfat oder Natriumsulfat erhöhen die Siedetemperatur des Gemisches und erleichtern außerdem das anschließende Verdünnen der Schwefelsäure mit Wasser. Katalysatoren wie Kupfersalze, Selen oder manchmal auch Quecksilbersalze beschleunigen den Oxidationsprozess. Das Einleiten von Wasserdampf beschleunigt die Destillation und vermindert die Siedeverzüge der konzentrierten Salzlösung im Destillierkolben.

Das hier beschriebene Vorgehen ist dem Europäischen Arzneibuch entlehnt, das die Kjeldahl’sche Stickstoffbestimmung nach wie vor zur Analyse z.B. von Albumin und Immunglobulin vom Menschen vorschreibt. Ddort wird zunächst das Eiweiß ausgefällt und außerdem ein Blindversuch unter Einsatz von etwas Glucose anstelle der Analysensubstanz gefordert, um einen etwaigen Gehalt an Ammoniak in den verwendeten Reagenzien zu erfassen3 (auch die Laboratoriumsluft kann Ammoniak enthalten, das von der Schwefelsäure beim Stehen gebunden wird. So könnte ein falsch-hoher Wert zustande kommen). Die Methode ist besonders zur Bestimmung von Harnstoff und Eiweiß, das Stickstoff in Peptidbindung enthält, geeignet. Auch Purine werden praktisch vollständig erfasst und können, wenn ihr Anteil nicht vernachlässigbar gering ist, durch ihren hohen Stickstoffgehalt eine falsch-hohe Eiweißmenge vortäuschen. Proteine enthalten 15-18 % Stickstoff. Die bei der Umrechnung von Gesamtstickstoff in Gesamt-Eiweiß verwendeten Faktoren sind empirisch bestimmt. Der häufig - insbesondere für tierische Eiweiße - angewendete Faktor 6,25 ist in der Pharmazie für die Bestimmung von Gesamtprotein in Arzneizubereitungen (fast immer tierischen Ursprungs) festgelegt. Kennt man den genauen Stickstoffgehalt des zu bestimmenden Proteins, kann man diesen konkreten Wert anwenden.

Auch organische Verbindungen, die Stickstoff als Amin, Amid, Oxo- oder Thiocyanat, Nitril, oder heterocyclisch ohne N-N-Bindung enthalten, lassen sich mit Schwefelsäure problemlos aufschließen (so kann z.B. der Stickstoffgehalt von Steinkohle auf diese Weise ermittelt werden). Schwieriger ist die Bestimmung von Nitro-, Nitroso-, Oxim- und Hydroxylamin-Verbindungen. Hier wird beim Aufschluss Phenol zugesetzt. Die im Gemisch vorhandene Phenolsulfonsäure wird dabei nitriert und das Nitrophenol anschließend durch Zusatz von Natriumthiosulfat zum Amin reduziert, welches sich nach Kjeldahl in Ammoniumsulfat überführen lässt4. Auch Zugabe von Phosphorpentoxid (um das bei den Reaktionen gebildete Wasser zu binden) wirkt günstig. Dabei werden sogar anorganische Nitrate erfasst, so dass dieser Aufschluss zur Gesamt-N-Bestimmung in Düngern eingesetzt werden kann, die den Stickstoff sowohl in anorganischer Form als Nitrat und Ammonium als auch organisch gebunden (meist als Harnstoff) enthalten4. Immer unvollständig ist die Erfassung von Azo-, Diazo- und Hydrazo-Stickstoff, der beim Aufschluss gasförmig entweicht, weshalb die Kjeldahl-Methode bei der Analyse solcher Verbindungen keine verwertbaren Resultate ergibt.


Bilder:

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Versuchsaufbau zur Destillation von Ammoniak aus anorganischen Salzen

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Zurücksteigen der Vorlagenflüssigkeit in den Kugelkühler

Bild Bild Bild
Farbumschlag des Methylrot-Mischindikators bei der Titration. Der graue Zwischenton (der mit dem bloßen Auge fast farblos wirkt) ist nur bei der Arbeit mit 0,1 N Maßlösungen zu beobachten.

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Reduktion von Kaliumnitrat mit Eisenpulver durch Kochen am Rückfluss

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Aufschluss von Blattpflanzendünger (zu Beginn)

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getrockneter Quark

Bild
Versuchsaufbau zum Aufschluss von Quark

Bild Bild Bild Bild Bild Bild
Verschiedene Stadien der Färbung des Aufschlusses bei der Analyse von Quark (auf den beiden letzten Bildern sieht man den rötlichen Anflug im Kühlrohr - Selen!).

Bild
Wasserdampfdestillation des Ammoniaks aus dem verdünnten und alkalisierten Aufschluss

Bild
klassischer Kjeldahl-Kolben


Literatur:

1. Poethke, Walter: Praktikum der Massanalyse; 2. Auflage 1980, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main; ISBN 3-87144-535-5
2. Kjeldahl, Johan: Neue Methode zur Bestimmung des Stickstoffs in organischen Körpern; Zeitschrift für Analytische Chemie 22 (1883): 366 – 382
3. Europäisches Arzneibuch 8.0 (2014), Abschnitt 2.5.9
4. Jander/Jahr: Maßanalyse, 17. Auflage 2009; Walter de Gruyter GmbH &Co. KG Berlin; ISBN 978-3-11-019447-0

[EDIT by lemmi 1.5.2020; dies ist eine Kopie des ursprünglichen threads, der aufgrund eines technischen Problems nicht mehr zugänglich ist. Dabei musste ich einen Kommentar von Phil löschen und habe ihn als Komplettzitat in meinen Antwortpost am 5.1.18 eingefügt, derjenige von mgrisch vom 4.1.18 wurde mit seinem nächsten Kommentar vom 5.1.18 vereinigt]
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Sehr schöner Analyse-Klassiker, den mein alter Herr früher oft im Labor einer Molkerei und Käserei durchführte ....! :wink:
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

So könnte ein falsch-hoher Wert zustande kommen
Einfach einen Blindwert machen :thumbsup:
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Ich mag deine Artikel :) Sie sind immer sehr praxisbezogen und relativ einfach umzusetzen und bieten umfassende Informationen.
Lediglich die Sache mit den Zusätzen beim Aufschluss, das würde ich direkt an der passenden Stelle einschieben.Du schreibst "und ggf. weitere Zusätze (siehe unten)" und dann kommt sehr viel anderes, die Zusätze sind über die Erklärungen dann lose verteilt. Super wäre wenn zB noch vor oder in den zugehörigen Anmerkungen ein Absatz folgt in dem kompakt alle möglichen Zusätze und deren Sinn gelistet sind.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

So, ich habe noch einen Abschnitt eingefügt, betreffend die Bestimmung von Nitraten.
Das alles sind erstmal Fingerübungen für eine Anwendung dieser Analysenmethoden, die ich dann noch extra posten werde! :P
Phil hat geschrieben:Hallo Lemmi, ein toller Artikel, was man noch sagen kann ist das diese Methode nach Kjeldahl sehr genau ist und das in der Regel etwas mehr N gefunden wird da dieser aus der Luft teilweise mit bestimmt werden kann, ich habe schon gesehen dass auch mit Borsäure N bestimmt wird, kennst Du diese Methode? Ich kenne sie nicht.
Die Borsäuremethode habe ich aus der Literatur. Ich habe sie selbst nicht angewendet. Ich habe bislang immer ein bisschen zu wenig N gefunden (so 0,1-0,5%). Der Luftstickstoff wird bestimmt nicht erfasst.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

NI2 hat geschrieben:Ein ähnliches Problem findet sich auch mit der Kjedahl-Stickstoffbestimmung: das Verfahren ist genormt und daher sind eigene Werte nur dann mit Literaturdaten vergleichbar wenn man nach der DIN-Norm gearbeitet hat. Schlechtere aber auch bessere Gerätschaften liefern dann "falsche" Werte.
Soweit ich weiß ist das Verfahren "nur" in bestimmten Anwendungsbereichen genormt, d.h. es ist eine Konvention, die eingehalten werden muss, damit die erhaltenen Werte mit den Grenzwerten/Zielwerten, die gesetzlich festgelegt sind, übereinstimmen. Das ist z.B. im Arzneibuch so. Die Stickstoffbestimmung in Salpeter aber ist im Jander-Blasius beschrieben. Diese Beschreibung weicht sicher von der DIN-Norm, die es dazu bestimmt auch gibt, ab.

Meines Erachtens ist das aber eine vorrangig juristische Frage (so ähnlich wie die, die wir mal woanders diskutiert haben, ob Arzneibuchsubstanzen oder p.a.-Substanzen für Lebensmittel geeignet sind). Mir ging es nicht so sehr darum, den genauen Eiweißgehalt des Quarks festzustellen - obwohl meine Bestimmung den Nährwertangaben auf der Packung (12 g Eiweiß in 100 g) so genau entsprach, dass ich mich gewundert (und gefreut) habe - sondern zu sehen, ob die Methoden mit meinen Mitteln mit einiger Genauigkeit durchführtbar sind. Letztlich interessierte mich vor allem die Ammoniakbestimmung.
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Beitrag von NI2 »

lemmi hat geschrieben:Mir ging es nicht so sehr darum, den genauen Eiweißgehalt des Quarks festzustellen - obwohl meine Bestimmung den Nährwertangaben auf der Packung (12 g Eiweiß in 100 g) so genau entsprach, dass ich mich gewundert (und gefreut) habe - sondern zu sehen, ob die Methoden mit meinen Mitteln mit einiger Genauigkeit durchführtbar sind.
Richtig, und genau diese beiden Werte sind nicht unbedingt vergleichbar wenn nicht nach DIN-Norm gearbeitet wurde. Das Problem ist, dass man dann u.U. nicht weiß er falsch liegt. Sicherlich wird man hier auf ein ähnliches Ergebnis kommen, aber wenn nicht herrscht Unklarheit und ist daher nur bedingt "hobbytauglich". :dita:
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Beitrag von lemmi »

NI2 hat geschrieben:Das Problem ist, dass man dann u.U. nicht weiß er falsch liegt. Sicherlich wird man hier auf ein ähnliches Ergebnis kommen, aber wenn nicht herrscht Unklarheit und ist daher nur bedingt "hobbytauglich". :dita:
Wahrscheinlich lagen die Firma Südmiilch und ich in gleicher Weise falsch ... :mrgreen:
Du stellst die Definition von "Hobbytauglichkeit " auf den Kopf. "Hobbytauglich" bedeutet "vom Zwang zur Einhaltung von DIN-Kriterien befreit". Somit ist der Versuch geradezu ein Paradebeispiel für Hobbytauglichkeit! :angel:
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Ich verstehe die Diskussion ehrlich gesagt nicht ganz, generell hat ein Internet-Forum wohl eher nicht den Anspruch dass hier nur Normverfahren die Gutachten-taugliche Ergebnisse liefern veröffentlicht werden. Wer ein einschlägoiges akkreditiertes Labor betreibt dürfte (hoffentlich) bevorzugt andere Informationsquellen nutzen :)

"Falsch" und "Richtig" im Sinne von "wahrer Wert" sind bei der Proteinbestimmung wohl am allerwenigsten von den Details des Aufschlusses abhängig (wo es natürlich für spezifische Produkte entsprechende Zusätze bzw. Parameter gibt) sonderen vor allem vom emprischen Umrechnungsfaktor N -> Protein.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich komme nochmal auf dieses halb-OT der Vergleichbarkeit von Analysenergebnissen zurück, nachdem NI2 das Beispiel kürzlich woanders nochmal angebracht hat. Ich bin der Meinung, daß er mit seiner Kritik objektiv falsch liegt.

Es gibt zwei Gründe Analysenmethoden zu normieren.

erster Grund: ich will einen Standard für die Methode setzen, damit nicht jeder seine eigene austüftelt und ein bestimmtes Qualitätsniveau garantiert ist und reklamiert werden kann. Das ist bei einer Unmenge DIN-Analysenverfahren der Fall, obwohl verschiedene Methoden gleiche Ergebnisse bringen. Der Grund für die Standardisierung liegt nicht darin, daß die Ergebnisse verschiedener Methoden (Apparateform, etc) verschieden ausfallen würden, sondern hat einen bürokratischen Grund: es soll ein einfach zu überpüfender (Mindest)Standard eingehalten werden.
Beispiel: Kjeldahl hat mit seiner Originalmethode Stickstoffbestimmungen an einer Reihe von Reinsubstanzen gemacht und korrekte Ergebnisse erhalten ("Goldstandard" ist der aus der Formel exakt berechnete N-Gehalt). Ich kann die Ergebnisse vergleichen, obwohl sie mit verschiedenen Apparturen gewonnen wurden. Ähnliches gilt für die Titration von Chlorid nach Mohr, für Gewichtsanalysen etc.

zweiter Grund: ein Messwert ist nicht 100%ig genau zu bestimmen oder/und unterliegt zu vielen Einflussfaktoren. Dann muss ich eine Konventionsmethode festlegen um darüber bestimmte Anforderungen normieren zu können. Verschiedene Methoden bringen verschiedene Ergebnisse.
Beispiel: Ermittelung des Gehaltes an etherischen Ölen in Pflanzen. Weil ich keinen "Goldstandard" habe, mit dem ich den tatsächlichen Gehalt genau festestellen kann (keine Analyse erfasst 100% des in der Droge vorhandenen etherischen Öls und berechnen kann ich den Gehalt schon gar nicht) und kleine Änderungen des Versuchsaufbaus das Ergebnis beeinflussen (Wassermenge, Destillationszeit, Zerkleinerungsgrad, Volumen der Apparatur), hat das Arzneibuch eine Apparatur vorgegeben, die zur Bestimmung etherischer Öle verwendet werden muss, wenn man das Ergebnis mit den im Arzneibuch geforderten Vorgaben vergleichen will. Wenn ich statt der Apparatur der Ph.Eur. 8 diejenige des DAB 7 verwende, kann ich die Ergebnisse nicht vergleichen. Ähnliches gilt für die Bestimmung des Siedebereichs von Wundbenzin, für die biologische Wertbestimmung von Antikörpern oder Gerinnungsfaktoren etc.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

[EDIT by mgritsch: korrektur-gelesen und verschoben]
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Re: Ammoniak-/Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl

Beitrag von mgritsch »

Grundsätzliche Frage zur Kjeldahl-Methode: hier wird ja im Prinzip recht aufwändig mit langem kochen mit Schwefelsäure verascht sodass N als NH3 vorliegt.

Wie verhalten sich dabei N-haltige (organische) Verbindungen wo schon höhere Oxidationsstufen vorliegen? (Nitro) kommt es dabei zu einer Reduktion zu NH3 oder werden die nicht erfasst?

Die Veraschung durch langes Kochen ist recht aufwändig und erfordert ggfs passende Katalysatoren (bei neuen Substanzen nicht immer klar welche), wäre nicht „Piranha“ eine gute Option? Probe in H2SO4 vorlegen und Peroxid zutropfen, das wäre in wenigen Minuten abgeschlossen. Ich kenne keine organische Substanz die sich dem widersetzen würde… eventuell wäre fraglich ob es dabei teilweise zu Oxidation zu Nitrat kommt, aber dann könnte man ja abschließend mit Fe (oder Zn, Magnalium,…) wieder alles zu NH3 überführen (und hätte auch die erste Frage abgehakt).
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Re: Ammoniak-/Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl

Beitrag von Glaskocher »

Der Schwerpunkt und die eigentliche Stärke des "Kjeldahls" liegt bei aminischem Stickstoff, da er sofort als Ammonium in der Säure absorbiert wird. Die Matrix kann dabei ein noch so schlimmer Schlonz sein, sie wird entweder vom SO3 oxidiert oder zu Graphit verwandelt. Stickstoff in höheren Oxidationsstufen als Null muß zuerst mit Devarda-Legierung reduziert werden. Der Nachteil ist, daß man an der "Null" vorbei muß, die mit N2 einen kritischen Punkt hat. Einmal N2, schnell verloren und ausgegast. Besonders kritisch sind Diazo-Verbindungen, in denen die N-N-Bindung bereits doppelt besteht und "nur" die Dritte noch dazu kommen muß.

Als Katalysator wurden, unter Anderem, Selen- und Quecksilberverbindungen genutzt. Ein Zusatz von Thiosulfat in der Natronlauge zum Austreiben des NH3 fällte diese Salze als Sulfide. Was da exakt drin war, das weiß ich nach ca. 30 Jahren auch nicht mehr, aber die Pharmakopöen müßten Auskunft geben können. ..
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mgritsch
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Re: Ammoniak-/Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl

Beitrag von mgritsch »

Okay, ich nehme mal mit dass Nitro-, Nitroso-, Diazo-, Oxime etc tendenziell bei Kjeldahl nicht erfasst werden, Amin, Nitril und Amid schon, vermutlich auch N-Heterocyclen.
Wie machte man da sonst früher die Elementaranalysen?

Und wie gesagt, wie wäre es mit Piranha…? Oder hat das eine erhöhte Gefahr dass N2 entsteht und ausgast?
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Re: Ammoniak-/Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl

Beitrag von aliquis »

Zur Bestimmung von Nitrat: dieses kann in alkalischer Lösung durch naszierenden Wasserstoff direkt zu Ammoniak reduziert werden. Man könnte den Zwischenschritt mit Eisen und Schwefelsäure also überspringen, wenn man die Probe mit Aluminiumgriess vorlegt, über einen Tropftrichter im Seitenhals eines Kolbens Alkalilauge hinzugibt, den entstehenden Ammoniak durch Erhitzen (Siedesteine für Analysezwecke einsetzen!) austreibt und in Säure einleitet/auffängt.
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