Empfindlicher Quecksilber-Tüpfeltest

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mgritsch
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Empfindlicher Quecksilber-Tüpfeltest

Beitrag von mgritsch »

Empfindlicher Quecksilber-Tüpfeltest mit Kupfer(I)-iodid

In meinem guten alten "Qualitative Analyse (Sammlung Göschen, Band 2619)" von Helmut Hofmann und Gerhart Jander, in dem der Trennungsgang und diverse Einzelnachweise für Kationen und Anionen beschrieben sind, findet sich unter anderem ein sehr empfindlicher Quecksilber-Tüpfeltest mit CuI. Ich habe den schon in Jugendtagen ausprobiert und bin damit auf die Jagd nach Quecksilber in meiner Umgebung gegangen und auch tatsächlich in diversen Batterien fündig geworden! In der neueren Literatur habe ich den schon lange nirgends mehr gesehen, ich dachte mir ich dokumentiere ihn hier einmal für die Nachwelt!


Geräte:

Reagenzgläser, Glasstäbe, Uhrglas, Filterpapier


Chemikalien:

Salzsäure
Kupfersulfat
Quecksilber(II)-nitrat
Natriumsulfit

Kaliumiodid


Hinweis: Quecksilberverbindungen sind stark giftig und auch hautgängig - man sollte unbedingt Schutzhandschuhe benutzen.


Durchführung:

Lösung A: man löst 1 g Kaliumiodid und 2,5 g Natriumsulfit (wasserfrei) in 10 ml dest. Wasser auf.
Lösung B: man löst 0,8 g Kupfersulfat in 10 ml 1 M HCl

Ein Filterpapier wird auf ein Uhrglas gelegt. Zuerst wird 1 Tropfen von Lösung A aufgetropft. Nachdem die Flüssigkeit sich ins Papier gesogen hat und die Stelle nicht mehr tropfnass ist, wird 1 Tropfen von Lösung B darauf getropft. Es bildet sich auf der Tropf-Stelle sofort ein fast weißer, nur leicht creme-farbener Fleck aus Kupfer(I)-iodid. Sobald die Flüssigkeit sich wieder ins Papier gesogen hat und die Stelle nicht mehr tropfnass ist, wird nun 1 Tropfen der zu untersuchenden Probelösung darauf getropft. Bei Anwesenheit von Hg2+ bildet sich ein oranger bis kräftig roter Fleck. Wichtig dabei ist auch die Reihenfolge - zuerst Lösung A und dann erst B auftropfen, sonst fällt die Reaktion wesentlich unempfindlicher aus oder geht gar nicht (lokaler Überschuss an Sulfit kann Hg2+ zu Hg22+ reduzieren)! Störungen sind lt. Literatur (in der H2S-Gruppe) lediglich durch Platinmetalle, Gold, Wolframat und Molybdat zu erwarten. Die beiden letzteren können durch Fluorid maskiert, Gold durch Reduktion entfernt werden.

Die Literaturangabe im Hofmann-Jander behauptet eine Nachweisgrenze von 0,003 µg Hg. Zur Abschätzung der Empfindlichkeit wurde von einer vorhandenen 0,1 M Hg2+-Maßlösung eine Verdünnungsreihe von jeweils 1:10 hergestellt - bis zu einer Konzentration von 0,1 mM. Beim Auftropfen einer 0,1 und 0,01 M Lösung bildet sich sofort ein kräftig roter Fleck. Bei den Lösungen mit 1 mM und 0,1 mM bildet sich ein leicht oranger Fleck - bei 0,1 mM ist er schon recht blass aber immer noch von der Blindprobe unterscheidbar - siehe dazu auch die Fotos.

Abschätzung:
1 Tropfen (ca 50 µl) einer 0,1 mM Lösung enthält 1 µg Hg2+. Das ist schon sehr ordentlich, von der behaupteten Empfindlichkeit aber noch deutlich entfernt. Wie die winizige Menge von 0,003 µg noch eine erkennbare Färbung ergeben kann, erscheint nicht plausibel - in dem Mengebereich wäre allenfalls bei Stoffen die eine andere Reaktion katalysieren (zB Enzyme) eine direkte visuelle Erkennbarkeit zu erwarten.


Entsorgung:

Reste & Papier kommen zu den schwermetallhaltigen Abfällen.


Erklärung:

Kupfer reagiert mit Kaliumiodid zu unlöslichem Kupfer(I)-iodid:

2 Cu2+ + 2 I- + Na2SO3 + H2O → 2 CuI + Na2SO4 + 2 H+

Kupfer(I)-iodid reagiert mit Hg2+ zu rotem Kupfer(I)-tetraiodomercurat(II) nach:

2 CuI + 2 KI + Hg2+ → Cu2[HgI4] + 2 K+


Bilder:

Bild
Die Reagenzlösungen und die Verdünnungsreihe

Bild
Die Ergebnisse des Tüpfeltests
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Sehr schön, ich wusste, dass mir die Verbindung bekannt vorkommt: Klick und Klick. Die könnte man noch mit Einbindung. Eventuell ist zur Detektion ein Erhitzen notwendig, da es dabei zu einer Farbvertiefung kommt?
IOC

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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Verlinkung ist immer gut, danke für den Hinweis!

Interessant ist, das die beiden Artikel durchaus andere Farben ergeben.
Bei ersterem kommt es zu einem dunkelbraunen Farbton (kein Vorher-Bild), zweiterer wechselt von hellrot nach kräftig Rot (wenngleich er im text behauptet "einen dunklen, fast schwarzen Farbton"... sieht für mich am Bild nicht so aus.)

Probieren kann ich das ja mal, die Angabe im Buch fordert es jedenfalls nicht.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Sehr schön, gefällt mir ausgezeichnet! :wink: Hätte ich das in meinen Jugendjahren gewusst, wäre ich mit Sicherheit bei den damaligen Batterien meiner Hörgeräte fündig geworden... Quecksilberoxid-Batterien waren anno dazumal noch Standard wegen dem hohen Strombedarf.
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Lithiumoxalat
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Beitrag von Lithiumoxalat »

Schön!

Funktioniert die Reaktion auch noch, wenn man das Papier mit dem CuI trocknen lässt? So liessen sich dann Quecksilberteststäbchen herstellen...

LG
Lithiumoxalat
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Ich vermute das CuI sollte frisch sein.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Sehr schön, gefällt mir auch gut!

In meinem Jander-Blasius von 1979 (11. Auflage) steht die Reaktion auch noch drin. Ich finde die Farbe bei der 0,0001-Verdünnung noch sehr kräftig - da geht sicher noch eine Zenhnerpotenz mehr. Wichtig wird nur sein, daß man den Leerwert nebendran liegen hat, denn ganz farblos ist der irgendwie ja nicht.

Ich erinnere mich irgendwann in grauer Vorzeit mal Cu2[HgI4] hergestellt zu haben. Der thermochrome Farbwechsel erfolgt bei ungefähr 70 °C von rot nach schwarz. Aber das Silbersalz gefällt mir besser - das wechselt von Gelb nach Rot schon bei 35°C.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Am Foto wirkt die Farbe etwas kräftiger und brauner als in Wirklichkeit, da war es ein zartes Orange.
Ein bisschen ist sicher noch drin, ob ich bei einer zehnerpotenz weniger in Wirklichkeit ein klares "positiv " sagen würde bezweifle ich - für mein Auge war die Grenze der Eindeutigkeit schon erreicht.

1μg Substanz auf der Fläche (ca 5-8 mm Durchmesser) verteilt ist wirklich wenig Farbe.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ich schätze, was Farbreaktionen angeht ist für die Erkennung mit bloßem Auge bei 0,1-1µg Substanz eine Grenze erreicht (zb bei Arsen).

Ich halte die Detektionsgrenze von 0,003 µg für fragwürdig. Man darf da durchaus kritisch sein, manche Fehler pflanzen sich über Jahrzehnte in der Literatur fort. Es könnte z.B. sein, dass falsch abgeschrieben wurde und es 0,003 mg hieß oder dass die Grenze 0,003 µmol Hg sind, das wären dann ungefähr 0,6 µg, was völlig glaubwürdig wäre. Oder die 0,003 µg beziehen sich auf eine Methode mit mikroskopischer Vergrößerung? Eisen lässt sich so z.B. in Mengen von 0,000001 µg nachweisen.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: korrekturgelesen und verschoben]
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