Photometrische Bestimmung von Sulfat

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lemmi
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Photometrische Bestimmung von Sulfat

Beitrag von lemmi »

Photometrische Bestimmung von Sulfat

Die nephelometrische Bestimmung kleiner Sulfatmengen - z.B. in Wasser - als Bariumsulfat ist sehr störanfällig. Hier wird eine Methode vorgestellt, bei der eine dem Sulfat äquivalenten Menge Chromat photometrisch bestimmt wird. Mengen von 1 - 7 mg SO42- im Versuchsansatz können so exakt erfasst werden.


Material/Geräte:

Analysenwaage, 100 ml-Erlenmeyerkolben, Dreifuß mit Drahtnetz, Brenner, Vollpipetten 20 und 25 ml, Messpipette 10 ml mit Peleusball, Kolbenhubpipette 1000 µl und 20-200µl, Messkolben 500 ml, 100 ml, 50 ml, Zentrifuge, Spektralphotometer, Küvetten (d= 1 cm), Millimeterpapier


Chemikalien:

Salzsäure 1 N Warnhinweis: c
Schwefelsäure 1 N Warnhinweis: c
Ammoniaklösung 25 % Warnhinweis: cWarnhinweis: n
Natriumchlorid

Bariumchromat Warnhinweis: oWarnhinweis: xn
zur Darstellung von Bariumchromat ggf.:
Bariumchlorid Warnhinweis: t
Kaliumdichromat Warnhinweis: nWarnhinweis: oWarnhinweis: t+
Natronlauge 1 N (carbonatfrei!) Warnhinweis: c


Sicherheitshinweise:

Vorsicht beim Arbeiten mit Chromaten, sie sind karzinogen! Handschuhe tragen!


Versuchsdurchführung:

Reagenzien:

Kochsalz-Lösung (Reagenzlösung 1): 10,0 g Natriumchlorid und 2500 µl 0,1 N Schwefelsäure werden im Messkolben mit dest. Wasser auf 50,0 ml aufgefüllt
Bariumchromatlösung (Reagenzlösung 2): 1 g Bariumchromat wird im Messkolben mit 1 N Salzsäure zu 100,0 ml gelöst, über Nacht absitzen lassen und abgegossen (Haltbarkeit: ca. 4 Wochen)
Sulfat-Standardlösung 1 mg/ml: 2083 µl einer genau 1 N Schwefelsäure (evtl. Titer berücksichtigen!) werden im Messkolben zu 500,0 ml in Aqua dest gelöst.


Vorgehen:

Die zu untersuchende Wasserprobe soll zwischen 1 und 7 mg Sulfat enthalten. Man gibt 20-40 ml davon in einen Erlenmeyerkolben. Dann gibt man genau 2000 µl der Kochsalzlösung (Kolbenhubpipette) und 6 ml der Bariumchromatlösung zu (Messpipette) und erhitzt die Mischung für 5 Minuten zum leichten Sieden. Nach dem Abkühlen gibt man die Flüssigkeit ohne zu filtrieren in den 50 ml-Messkolben fügt 1 ml Ammoniaklösung zu (die Mischung muss alkalisch reagieren – mit Lackmuspapier prüfen!) und füllt mit destilliertem Wasser bis zur Marke auf. Dann zentrifugiert man eine Probe und gießt die überstehende klare Lösung in eine Küvette ab. Man bestimmt die Extinktion bei 430 nm gegen einen Leerwert, der mit 25-30 ml destilliertem Wasser anstelle der Analysenlösung hergestellt wurde.

Um eine Eichkurve zu erstellen gibt man je 1000, 2000, 4000 und 6000 µl der Sulfat-Standardlösung (entsprechend 1 mg, 2 mg, 4 mg und 6 mg Sulfat) in Erlenmeyerkolben zu 25 ml destilliertem Wasser und verfährt wie oben beschrieben. Jede Lösung wird zweimal gegen den Leerwert photometriert und die erhaltenen Werte auf Millimeterpapier aufgetragen. Durch die Punkte zeichnet man eine Eichgerade und liest dann aus der Extinktion der Analysenlösung die entsprechende Sulfatmenge ab. Diese wird auf 1 Liter hochgerechnet.

Versuchsergebnisse:

Für die Standardlösungen wurden gemessen:
Bei 1 mg Sulfat: E = 0,072 und 0.070
Bei 2 mg Sulfat: E = 0,142 und 0,140
Bei 4 mg Sulfat: E = 0,262 und 0,265
Bei 6 mg Sulfat: E = 0,390 und 0,395

Bild

Regressionsgerade: E x 14,95 = mg SO42-

Leitungswasser: bei Einsatz von 25 ml Wasser wurde eine Extinktion von 0,140 und 0,140 gemessen, was 2,1 mg Sulfat entspricht. Das Wasser enthält also 84 mg/l Sulfat. Also war die visuell-nephelometrische Methode gar nicht so schlecht gewesen!

Mineralwasser „Schwarzwald-Sprudel“ (still): bei Einsatz von 25 ml wurde die Extinktion zu 0,272 und 0,275 erhalten. Das entspricht 4,1 mg Sulfat, also 164 mg/l.


Anhang: Darstellung von Bariumchromat

Man löst 4,88 g Bariumchlorid in 200 ml Wasser. Die Lösung muss ganz klar sein, anderenfalls wird filtriert. Daneben werden 2,94 g Kaliumdichromat in 50 ml Wasser gelöst. Die Dichromatlösung wird mit 20 ml 1 N Natronlauge (carbonatfrei) versetzt (Farbumschlag von orange nach gelb) und dann in die Bariumchloridlösung gegossen, worauf ein feiner, schwerer, zitronengelber Niederschlag ausfällt, der sich sehr rasch absetzt. Man dekantiert (etwa 4/5 des Volumens lassen sich problemlos abgießen) und schlämmt mindestens 6 x mit jeweils 100-150 ml heißem dest. Wasser auf und lässt wieder absitzen. Zuletzt gießt man in einen Erlenmeyerkolben um, lässt soweit wie möglich absitzen und gibt den Niederschlag auf ein analytisches Filter (für BaSO4, dicht, langsam filtrierend), weil er durch gewöhnliches Filtrierpapier hindurchläuft. Zuletzt wird zwischen Küchenkrepp abgepresst, der Niederschlag vom Filter abgehoben, in einer Abdampfschale zunächst auf der Heizung getrocknet, verrieben und schließlich für 2 Stunden auf 200°C erhitzt. Erhalten werden ca. 3,5 g eines feinen, schweren, blassgelben Pulvers (Ausbeute 70%)


Entsorgung:

Die chromathaltigen Lösungen werden zum anorganischen (Schwermetall-)Abfall gegeben.


Erklärungen:

Bariumchromat löst sich in verdünnten Säuren, indem sich das Dichromat bildet:

2 BaCrO4 + 2 H+ ---> BaCr2O7 + H2O + Ba2+

In der sauren Lösung kann das Barium nun mit Sulfat als unlösliches Bariumsulfat gefällt werden.

Ba2+ + SO42- ---> BaSO4

Danach macht man mit Ammoniak alkalisch, worauf das nicht umgesetzte Bariumdichromat wieder als Chromat ausfällt.

BaCr2O7 + Ba2+ + 2 OH- ---> 2 BaCrO4 + H2O

Dabei bleibt eine dem ausgefällten Bariumsulfat äquivalente Menge Chromat in Lösung und wird anschließend photometrisch bestimmt. Das Bariumchromat muß frei von anderen Bariumsalzen sein, da sonst die Relation Sulfat/Chromat nicht gewahrt ist! Deswegen ist bei der Darstellung auf carbonatfreie Lauge zu achten, oder man fällt von vorneherein mit Kaliumchromat. Zusammengefaßt lautet die Reaktion:

BaCrO4 + SO42- ---> BaSO4 + CrO42-

Allerdings ist die Löslichkeit des Bariumsulfats bei den in Frage kommenden geringen Mengen nicht zu vernachlässigen. Auch durch Fremdsalze (z.B. Kochsalz oder kleine Mengen Erdalkalien) wird sie beeinflusst. Durch die Reagenzlösung 1, die Natriumchlorid und etwas Schwefelsäure enthält, wird die Analysenlösung von vorneherein an Bariumsulfat gesättigt und die Salzkonzentration soweit angehoben, dass ein geringer zusätzlicher Salzgehalt der Analysenlösung nicht mehr ins Gewicht fällt. Der Reagenzienleerwert wird unter Einsatz dieser Lösung bestimmt, die deshalb sehr sorgfältig hergestellt und stets exakt abgemessen werden muss (Kolbenhubpipette!). Konzentration und Menge der zugesetzten Bariumchromatlösung (Reagenzlösung 2) sind dagegen weniger kritisch, da in jedem Fall ein Überschuss vorliegt, der seinerseits nicht bekannt zu sein braucht, weil er wieder ausgefällt wird.

Bild
Absorptionsspektrum von CrO42-, Cr2O7 2-, und MnO42- (aus G. Wünsch – s. Literatur)

Das Absorptionsspektrum von Chromat zeigt ein Maximum bei 370 nm. Bei dieser Wellenlänge zu photometrieren ist aber aus zwei Gründen nicht ratsam. Erstens absorbieren auch Eisen(III)-Verbindungen - die in Wässern häufig enzutreffen sind - bei dieser Wellenlänge stark, und zweitens ist die Absorption des Chromates so hoch, dass ein Nullabgleich des Leeransatzes kaum möglich ist.

Störungen der Methode kommen vor, wenn das Wasser durch Dichromat oxidierbare organische Substanzen gelöst enthält. Diese müssen vor der Analyse durch tropfenweise Zugabe von 0,1 N Kaliumpermanganatlösung zur leicht angesäuerten Lösung in der Siedehitze oxidiert werden. Ionen, die mit Barium oder Chromat Niederschläge geben (Phosphat, Fluorid, Silber, Blei) stören ebenfalls. Phosphat kann zuvor als Magnesiumammoniumphosphat abgetrennt, störende Kationen können durch Ionenaustausch beseitigt werden.


Literatur:

Wünsch, Gerold: Optische Analysenmethoden zur Bestimmung anorganischer Stoffe, Walter de Gruyter Berlin New York 1976 (Sammlung Göschen Bd. 2606), ISBN 3-11-003908-7


Bilder:

Bild
Fällung von Bariumchromat

Bild
Bei 200°C getrocknetes Bariumchromat

Bild
Ansetzen der Reagenzlösungen

Bild
Kochen des zu untersuchenden Wassers mit den Reagenzien

Bild Bild
Ein in den Messkolben überführter Ansatz vor (links) und nach (rechts) Zugabe von Ammoniak

Bild
Eichlösungen nach dem Zentrifugieren. Der Farbunterschied ist visuell kaum zu erkennen.

Bild
Photometrie
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Gefällt mir sehr gut! Außerdem immer wieder faszinierend, wie genau und robust das "Oldtimer-Photometer" ist....
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Habe durch einen Tip von Pok die Eichgerade jetzt mal rechnergestützt aufgestellt:

Bild
Mit der hier ermittelten Formel hat mein Leitungswasser 2,0718 x 40 = 82,9 mg/L Sulfat und das Mineralwasser 4,1457 x 40 = 165,9 mg/L.

Was ich noch nicht verstehe, ist, wie ich den y-Achsenabschnitt auf Null setzen kann. Eigentlich muss der doch null sein. Ich habe es dadurch versucht, daß ich einen Punkt 0/0 angegeben habe, aber die Abweichung ist noch immer -0.095. Oder ist es genauer, die Trendkurve so zu verwenden, wie der Computer sie ohne Nullpunkt berechnet hat?

Bild
Dann würden sich für das Leitungswasser 2,0471 x 40 = 81,9 mg/L und für das Mineralwasser 4,1438 x 40 = 165,8 mg/l ergeben.

Komisch, daß der höhere Wert identisch, der untere aber so verschieden ist.

Was ist vorzuziehen?
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Pok
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Beitrag von Pok »

Du hast einfach immer einen minimalen Messfehler drin, der die Regressionsgerade nach oben oder unten verschiebt. Es ergibt zwar eine Kurve mit größerem Bestimmheitsmaß, wenn man die Linie vom Computer berechnen lässt. Die Linie ist also dem Punktverlauf besser angepasst. Aber der Punkt muss trotzdem durch 0/0 laufen. Allerdings würde ich es so lassen, weil sonst die "Trendlinie" stärker von den ersten Werten abweicht als von höheren Werten, was auch wieder irreführend wäre. Mit OpenOffice geht das leider nur etwas kompliziert manuell, extra durch 0 laufen zu lassen, wie hier steht.

Die berechneten Werte dürften auf jeden Fall trotz dieses 0/0-Problems näher an den tatsächlichen Werten liegen als nach deiner handschriftlichen Methode. Man kann die Kurve auch manuell berechnen mit Abweichungsquadraten usw., aber dann kommt genau dieselbe Kurve raus wie vom PC ausgespuckt. Und per Augenmaß probiert man ja auch, eine optimal passende Kurve zu zeichnen. Der Computer ist aber genauer.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Pok hat geschrieben:Du hast einfach immer einen minimalen Messfehler drin, der die Regressionsgerade nach oben oder unten verschiebt. Es ergibt zwar eine Kurve mit größerem Bestimmheitsmaß, wenn man die Linie vom Computer berechnen lässt. Die Linie ist also dem Punktverlauf besser angepasst. Aber der Punkt muss trotzdem durch 0/0 laufen.
Pok hat geschrieben:Allerdings würde ich es so lassen, weil sonst die "Trendlinie" stärker von den ersten Werten abweicht als von höheren Werten, was auch wieder irreführend wäre.
Bitte erkläre mir das genauer! Was würdest du wie lassen? Die Trendlinie ohne durch den Nullpunkt zu gehen?
Wieso sollte sie als Ursprungsgerade von den niedrigen Werten stärker abweichen, als von den höheren? Die Berechnung müsste doch dafür sorgen, daß die Abweichungen im mittel gleich sind.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Habe jetzt mal getrickst und einfach zehnmal den Punkt 0/0 in die Tabelle einegegeben. Heraus kommt folgendes:

Bild

Leitungswasser: 2,1085 x 40 = 84,3 mg/L.
Mineralwasser: 4,149 x 40 = 166 mg/L

Das kommt meinen zeichnerisch ermittelten Werten am nächsten.
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Beitrag von lemmi »

Klingt sehr überzeugend. Aber wie kommt die Abweichung denn zustande?`Wenn ich meinen Leerwert messe finde ich doch einen Wert von Null, denn der ist ja mein Nullpunkt.
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Beitrag von Pok »

Nicht immer. ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Sind das stochastische oder systematische Fehler? Kann man das unterscheiden?

Muss man den 0/0 Punkt nicht als absolut sicher annehmen und deshalb berücksichtigen?

EDIT:
pok hat geschrieben: Ich hatte ich also geirrt. Bei ganz hohen Werten ist die Abweichung von der alten Geraden ebenfalls größer und in der Mitte am geringsten:
das gilt aber nur, wenn die Abweichung systematisch ist. In deinem Beispiel verläuft die ursprüngliche Gerade systematisch flacher als die, die durch den Nullpunkt geht. Dadurch kommt ein "Drehpunkt" in der Mitte zustande. Wenn die Werte durch stochastische Messfehler um eine "wahre" Ursprungsgerade streuen, dann wäre eine durch diesen Punkt gezogene Gerade "richtiger", als eine, die sich nur an den empirischen Messpunkten orientiert.
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Beitrag von Pok »

Wenn die Regressionsgerade genauso aus wie mein Beispiel. Ist hier vielleicht ne Mischung nicht...
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Du meinst Seite 6 oder? Die mit den Diagrammen. Das zeigt es ganz gut. Das erste ist deine Konstruktion. Das zweite dürfte eher meiner Messwirklichkeit entsprechen.

Ich habe ja nicht so viele Messungen gemacht, gehe aber mal davon aus, daß kein systematische Fehler vorliegt, der sich auf alle Werte gleich auswirkt. Der Nullwert ist Null (o.k., müsste man vielleicht 2 x ansetzen und mit dem einen kalibrieren und dann den anderen messen, gebe ich zu). Aber die "schwankungen" beim Messen, die halt immer auftreten sind nicht systematischer sondern stochastischer Natur. Korrekt wäre es also, die Gerade so anzupassen, daß sie durch den Nullpunkt geht.

Ich lese mir den Text später nochmal in Ruhe durch, dann weiß ich vielleicht mehr. :wink:
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Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Die Gerade "muss" nicht durch (0|0) gehen, wenn du eine lineare Regression berechnen lässt, denn eine lineare Regression ist ein Fit mit einer allgemeinen linearen Funktion f(x) = ax + b. Das alleine ist ja schon eine Unterstellung, vielleich wäre ja was anderes besser (z.B. ein nichtlinearer Fit, der den nichtlinearen Bereich auch erfasst - generell ist der lineare Bereich ja nur hinreichend gut linear anzunähern).
Eine weitere Unterstellung wäre, nicht nur zu sagen, dass die Funktion linear sein "muss" sondern auch noch zu postulieren, dass der y-Achsenabschnitt bei null liegt. Dann haben wir nur noch eine Gerade f(x) = ax, also nur noch einen Parameter. Das hat also eindeutig weniger Freiheiten, wird die Messwerte also auch weniger gut reproduzieren, aber reine Reproduktion kann auch sogenanntes "overfitting" sein, d.h. man modelliert die Fehler mit, was man ja nicht wollte.

Das ist also keine Frage von "wie geht das richtig" sondern eher eine Frage danach, welche Methode man will. In der Uni haben wir praktisch immer allgemeine lineare Regression benutzt. Was man da in der Praxis für "richtig" hält, weiß ich nicht genau, da haben sich die Assistenten auch gerne wiedersprochen.

Man kann bei der linearen Regression auch einen Fehler des Achsenabschnitts berechnen. Der sollte dann mit seiner "Unsicherheit", die er darstellt den Ursprung einschließen, also der Ursprung sollte mit entsprechender Wahrscheinlichkeit in der jeweiligen sigma-Umgebung liegen.

Das Bestimmtheitsmaß R² gibt an, wie sehr die Auftragung zu den statistischen Daten passt. Das ist Korrelationsanalyse, aber das wollen wir nicht. Wir wollen einen Zusammenhang unterstellen und Regressionsanalyse machen. Dafür brauchen wir den Standardfehler der Regression. Das ist eine völlig andere Größe.
Wenn die Menschen und die Dschinn sich zusammentäten, etwas, das diesem Post gleicht, zustande zu bringen, würde ihnen das nicht gelingen – selbst wenn sie einander helfen würden.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Xyrofl hat geschrieben:Das Bestimmtheitsmaß R² gibt an, wie sehr die Auftragung zu den statistischen Daten passt. Das ist Korrelationsanalyse, aber das wollen wir nicht. Wir wollen einen Zusammenhang unterstellen und Regressionsanalyse machen. Dafür brauchen wir den Standardfehler der Regression. Das ist eine völlig andere Größe.
O.K., und wie ist der definiert, bzw. wie wird er berechnet?
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Beitrag von Pok »

Eichgerade ist eine Mindestkonzentration.
Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Den Standardfehler der Regression kann man wie die Standardabweichung einer Verteilung berechnen, nur eben statt der Abweichung vom Mittelwert die Abweichungen von der Regressionsfunktion verwenden.
Bild

Das sollte man aber nicht selbst machen müssen, eigentlich sollten die entsprechenden Statistikprogramme das können.
Übrigens werden Eichgeraden oft ohne den (0|0)-Wert berechnet oder wenn doch, dann keinen Wert drauf gelegt, dass es auch wirklich durch (0|0) geht (selbst wenn es logisch betrachtet so sein müsste).
Dass sie (0|0) schneidet, das muss nicht logischerweise so sein, da man doch fehlerbehaftete Messdaten hat - wobei man den Fehler bei dieser Form der Auswertung nicht auf der x-Achse vermutet, sondern nur auf der y-Achse.
Da man den Achsenabschnitt als Freiheitsgrad der Regressionsfunktion hat, ist es eben nicht "logisch", dass er exakt null sein muss. Es ist vielmehr folgerichtig, dass da ein gewisser Fehler drin sitzt und er müsste erst dann null sein wenn die Daten perfekt sind - das ist er dann ja auch.
Auch steht bei manchen generellen Anleitungen "Eichgeraden dürfen nicht per Software durch den Nullpunkt "gezwungen" werden."
Das ist eben die Frage, ob man das für sinnvoll hält, oder nicht. Man könnte ja vermuten, dass der lineare Bereich für ganz kleine Konzentrationen verlassen wird und somit eine Extrapolation auf (0|0) nicht korrekt sein muss, wie in deinem Beispiel mit den Komplexen.
Lineare Regression mit freien Y-Achsenabschnitt ist meiner Erfahrung nach auch das übliche Verfahren, vermutlich nicht ohne Grund.
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