Ethanol in Getränken

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lemmi
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Ethanol in Getränken

Beitrag von lemmi »

Ethanol in Getränken - qualitativer Nachweis und quantitative Bestimmung

In Spirituosen, die außer Ethanol und Wasser nur unbedeutende Mengen an Begleitstoffen (Aromastoffe) enthalten und wasserhell sind, kann der Alkoholgehalt hinreichend genau durch einfache Bestimmung mit einem Aräometer erfolgen. Für Wein, Bier, Liköre und andere Getränke ist diese Methode nicht gangbar, da die Begleitstoffe die Dichte beeinflussen. Hier ist zuvor die Abtrennung des Ethanols durch Destillation erforderlich. Die im Folgenden beschriebene Methode ist an die Vorschrift der europäischen Pharmakopöe angelehnt. Zum qualitativen Nachweis des Ethanols im Destillat ist die Iodoformreaktion am besten geeignet und - wie hier gezeigt wird - erstaunlich empfindlich.


Material/Geräte:

Rundkolben 100 und 250 ml, Destillierbrücke mit Tropfenfänger nach Arzneibuch, Kugelkühler, Erlenmeyerkolben 50 und 100 ml, Becherglas 300 ml, Messzylinder 25 und 50 ml, Messzylinder 50 ml, Pyknometer 10 ml, Thermometer, Analysenwaage
Stativmaterial, Brenner, Reagenzgläser, Messzylinder 5 ml, Tropfpipette


Chemikalien:

Lugol’sche Lösung nach Ph.Eur. (2 g Iod + 4 g Kaliumiodid in 100 ml Wasser) Warnhinweis: cWarnhinweis: xn
Natronlauge 1 N Warnhinweis: c


Versuchsdurchführung:

Bestimmung des Ethanolgehaltes:

Man baut eine Destillationsapparatur auf, die aus folgenden Teilen besteht:
- einem Destillierkolben von 100-250 ml Inhalt der einige Siedeperlen enthält
- einer ansteigenden Destillierbrücke, die mit einem Tropfenfänger beginnt und in einem Schliffkonus endet
- einem Kugelkühler, der mit einer Schliffhülse senkrecht unter der Destillierbrücke angeschlossen wird und unten in einem geraden Rohr endet
Unter den Kühler stellt man einen Erlenmeyerkolben von 50-100 ml (je nach Menge des aufzufangenden Destillates, siehe weiter unten), der seinerseits in ein großes Becherglas mit kaltem Wasser gestellt wird.

Der Rundkolben wird mit dem Destillationsgut und Kochsalz beschickt, dabei werden auf 100 ml Flüssigkeit 25-30 g Salz zugegeben, dann wird zügig destilliert. Je nach Ethanolgehalt des Untersuchungsgutes werden folgende Mengen eingesetzt:
- bei einem Ethanolgehalt von mehr als 10 % wird das Analysengut so mit Wasser zu 50 ml verdünnt, dass ein Ethanolgehalt von 5-10% resultiert (z.B. 20 ml + 30 ml Wasser) und 10-15 g Salz zugefügt.
- bei einem Gehalt von unter 10 % Ethanol werden 50 ml des Untersuchungsgutes (bei weniger als 5% 100 ml) unverdünnt unter Zusatz von 20-30 Gewichts% Salz destilliert
Es werden 20-24 ml aufgefangen, was etwa 15 Minuten benötigt. Das Destillat wird auf 20 °C temperiert (mit Thermometer kontrollieren!) und im Messkolben mit Wasser auf 25,0 ml verdünnt (Vorlage nachspülen). Die Dichte dieser Verdünnung wird wie unten angegeben bestimmt. Um zu verhindern, dass versehentlich mehr als 25 ml aufgefangen werden, bringt man auf der Vorlage eine Markierung an. Sollte doch mehr überdestilliert sein, so bestimmt man das Volumen des Destillates in einem Messzylinder.

Die Dichte ermittelt man mit Hilfe eines Pyknometers. Dabei muss genau auf die Temperatur geachtet werden (Raumtemperatur!). Das Gerät wird zunächst leer auf der analytischen Waage austariert. Dann füllt man es mit destilliertem Wasser von 20°C und ermittelt das Gewicht des Wassers. Das Volumen des Pyknometers errechnet sich nach:

V = mWasser : (0,9982-0.0012) = mWasser : 0,997

Darin ist 0,9982 die Dichte des Wassers bei 20 °C und 0,0012 der Luftauftrieb.
Nun leert man das Pyknometer möglichst vollständig, spült es mit einem Milliliter des zu bestimmendes Destillates aus, füllt es dann mit dem Destillat und wiegt erneut. Die Dichte (ρ20°C) errechnet sich, indem man das Gewicht der Flüssigkeit durch das Volumen des Pyknometers teilt. (Für sehr genaue Bestimmungen muss zusätzlich der Luftauftrieb (0,0012 abgezogen werden, was im Arzneibuch nicht vorgesehen ist). Aus der Dichte ergibt sich unter Zuhilfenahme einer Tabelle (Anhang zum Arzneibuch) direkt der Alkoholgehalt des Destillats. Dieser wird dann auf die Ausgangsmenge des Analysengutes umgerechnet

Versuchsergebnisse:

Das von mir verwendete 10 ml-Pyknometer fasst bei 20 °C 10,532 g Wasser, hat also einen Rauminhalt von 10,564 ml.

1. 20 ml Kirschlikör (aus Eigenansatz) wurden mit 30 ml Wasser verdünnt und unter Zugabe von 15 g Salz etwas mehr als 20 ml abdestilliert. Das Destillat wurde zu 25,0 ml ergänzt und im Pyknometer ausgewogen. Das Gewicht von 10,309 g ergibt eine Dichte von 0,9759, was einem Ethanolgehalt von 17,6 Volumenprozent entspricht. Der Likör enthält daher (17,6 x 25/20 ) 22,3 Vol-% Alkohol.
2. 80 ml Holundersekt wurden unter Zusatz von 25 g Salz destilliert (Sekt u.a. kohlendioxidhaltige Getränke müssen zuvor einen Tag offen stehen gelassen und filtriert werden, damit die Kohlensäure größtenteils entweicht). Es wurden knapp 25 ml Destillat aufgefangen und zu 25,0 ml ergänzt. Im Pyknometer gewogen, fand ich 10,22 g, Das ergibt eine Dichte von 0,9674, mithin 25,6 Volumenprozent Ethanol im Destillat, was auf 100 ml Ausgangssubstanz hochgerechnet einem Alkoholgehalt von 8 % entspricht.
3. Von dem untersuchten Holundersekt wurden 37 ml mit Wasser auf 100 ml verdünnt (Gesamtmenge an Ethanol: 2,96 ml), mit 30 g Salz versetzt und etwas über 20 ml abdestilliert. Das Destillat wurde auf 25,0 ml aufgefüllt und die Dichte bestimmt. Sie lag bei 0,9823 (12 Volumenprozent Ethanol), was einer Alkoholmenge von 3 ml im Destillat entspricht. Die Ausbeute betrug bei diesem Vorgehen also 101 %.


Ethanolnachweis mit der Iodoformprobe:

Um den Ethanol in dem erhaltenen Destillat qualitativ nachzuweisen, gibt man 5 ml davon in ein Reagenzglas und versetzt zuerst (!) mit 1 ml Natronlauge 1 N und gibt danach 15 Tropfen Lugol‘sche Lösung zu. Man lässt, ohne zu erwärmen (!), für 5-20 Minuten stehen. Bei Anwesenheit von Ethanol bildet sich eine gelbweiße Trübung von Iodoform, das sich als feiner Niederschlag am Boden des Reagenzglases absetzt.

Die Reaktion kann in Gegenwart von Aceton, Acetaldehyd, oder flüchtigen Karbonsäuren (z.B. Essigsäure) falsch positiv ausfallen. Die Störung durch Säuren kann beseitigt werden, indem man das Analysengut vor der Destillation mit Natronlauge leicht alkalisch macht.

Versuchsergebnisse:

1. Die Probelösung muss zuerst mit NaOH alkalisch gemacht werden, bevor man die Iodlösung zugibt. Verfährt man umgekehrt, so bleibt die Iodoformbildung aus.
2. Die Reaktionsmischung darf nicht erwärmt werden, da sich sonst kein Iodoformniederschlag bildet. Gebildete Niederschläge lösen sich beim Erwärmen auf.
3. Die verwendete Lugol’sche Lösung wird am besten frisch angesetzt, da der Gehalt während der Aufbewahrung abnimmt. Bei zu niedriger Iodkonzentration der Lösung ist der Reaktionsausfall unsicher.

Die Iodoformprobe in der angegebenen Form ist erstaunlich empfindlich. Mit einer Lösung von 1 % Ethanol in Wasser erhält man nach 15 Minuten noch eine deutlich positive Reaktion.


Entsorgung:

Die Reste werden mit dem Abwasser entsorgt.


Erklärungen:

Die Gehaltsbestimmung über die Dichte des Destillats einer ethanolhaltigen Flüssigkeit ist eine seit über 100 Jahren etablierte Methode. Das hier beschriebene Vorgehen weicht von der Arzneibuchvorschrift dadurch ab, dass Kochsalz zugefügt wird. Dadurch kann die Menge des Destillats verringert und das Verfahren beschleunigt werden. Außerdem verhindert das Salz ein allzu starkes Schäumen der Flüssigkeit. In der Pharmazie enthalten die zu untersuchenden Lösungen gelegentlich signifikante Mengen anderer wasserdampfflüchtiger Stoffe (Essigsäure, ätherische Öle), welche die Dichte des Destillats verfälschen können und vorher aus der Analysensubstanz abgetrennt (etherische Öle werden ausgesalzen und mit Petrolether ausgeschüttelt) oder neutralisiert werden (flüchtige Säuren). Die Destillation kann natürlich prinzipiell auch an einem normalen, absteigenden Kühler vorgenommen werden. Die hier verwendete ansteigende Destillierbrücke mit Tropfenfänger hat den Vorteil, dass eine Verunreinigung des Destillats beim Stoßen oder Schäumen des Kolbeninhalts weitgehend verhindert wird.

Die verschiedenen Definitionen der Dichte führen leicht zu Verwirrung. Die absolute Dichte wird als Quotient von Masse und Volumen nach dem SI-System in der Einheit kg/m-3 angegeben und mit dem griechischen Buchstaben ρ (rho) bezeichnet. Da sie stark temperaturabhängig ist, wird die Messtemperatur als Index angegeben, so bezeichnet ρ20 die Dichte bei 20 °C. Unter relativer Dichte, die mit dem lateinischen Buchstaben d bezeichnet wird, versteht man den Quotienten zwischen der Masse der Substanz und der Masse eines gleichen Volumens Wasser. Relative Dichten werden mit dem Pyknometer bestimmt, wobei der Rauminhalt nicht genau bekannt zu sein braucht. In der Regel wiegt man sowohl die Substanz als auch das Wasser bei 20 °C und gibt die Dichte als d2020 an. Das Wasser kann aber auch bei 4 °C gewogen werden, die relative Dichte wird dann als d420 bezeichnet.
Die Beziehung zwischen (absoluter) Dichte ρ20 und relativer Dichte d2020, ist durch die Dichte des Wassers bei 20 °C gegeben:

ρ20 = 0,9982 x d2020

Die detaillierten Ethanoltabellen der Arzneibücher – bis auf die 4.oder 5. Stelle hinter dem Komma – beziehen sich auf die absolute Dichte. Wird diese mit einem Pyknometer bestimmt, so ist bei der Volumenbestimmung wie oben beschrieben der Luftauftrieb (0,0012) in Rechnung zu stellen. Ganz exakt wird die absolute Dichte folgendermaßen berechnet:

ρ20 = mS / m Wasser x (0,9982-0,0012) + 0,0012

Worin mS die Masse der Substanz ist, (0,9982-0,0012) die Dichte des Wassers, vermindert um die mittlere Luftdichte und +0,0012 ebenfalls die Dichte der Luft, da das Pyknometer in ihr einen Auftrieb erfährt. Durch Vernachlässigen der letzteren Korrektur in der Pharmakopöe werden die Dichtewerte in der 3. Dezimalstelle um eine Einheit zu niedrig gefunden, was in dem hier interessierenden Bereich immerhin eine Schwankung des Ethanolgehaltes um 1 % (absolut) ausmacht. Beispiel:

Dichte unkorrigiert = 0,9759 entspricht 17,8 Vol% Ethanol
Dichte korrigiert = 0,9771 entspricht 16,7 Vol% Ethanol

Die Iodoformbildung verläuft folgendermaßen:

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Das ausgeschiedene Iodoform ist besonders gut zu erkennen, wenn man den Niederschlag absitzen lässt und gegen einen dunklen Untergrund beobachtet. Es besitzt einen charakteristischen Geruch („nach Zahnarzt“) und wurde als Lokalantiseptikum verwendet. Der Geruch ist dermaßen anhaftend, dass zu früheren Zeiten in den Apotheken spezielle Waagen, Reibschalen, Löffel und Pillenbretter bereitstanden, die mit der Aufschrift „Jodoform“ gekennzeichnet waren, und in denen die Substanz ausschließlich verarbeitet werden durfte.


Literatur:

Bamann E, Ullmann E: Chemische Untersuchung von Arzneigemischen, Arzneispezialitäten und Giftstoffen; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1960
Deutsches Arzneibuch, 7.Ausgabe 1968; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1968
Hartke – Mutschler (Hrsg.): DAB 9 Kommentar; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1987, Bd 1. ISBN 3-8047-0904-4
Küster-Thiel: Rechentafeln für die chemische Analytik 102. Auflage; Walter de Gruyter - Berlin, New York 1982; ISBN 3-11-006653-X


Bilder:

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Das Analysengut

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Destilliervorrichtung mit Destillationsbrücke und Tropfenfänger

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Der Tropfenfänger im Detail

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Auswiegen des gefüllten Pyknometers

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positive Iodoformprobe

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Empfindlichkeit der Iodoformreaktion
Die Verdünnungsreihe enthält 20, 10, 5, 2,5 und 1% Ethanol in der Ausgangsprobe, ganz rechts der Leerwert

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Iodoformwaage
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Das ist wieder mal ein schöner Klassiker! :thumbsup:

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Jodoform-Reibschale und Pistill
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

:thumbsup: Super! so eine muss ich auch noch irgendwo haben. Und einen Hornlöffel mit der Aufschrift "Jodoform". Bemerkenswert ist auch, daß die Aufschrift auf der Reibschale auf dem Kopf steht!

Ich habe noch eine nette Nebenanalyse gemacht! Der Kirschlökör wird ja mit ganzen Kirnschen, incl. Stein, angesetzt. Dadurch bekommt das Aroma eine leichte Bittermandelnote. Auch das Destillat roch danach. Da kam mir die Idee, mal ein Pikrinsäure-Reagenzpapier in den Gasraum des Kölbchens mit dem Destillat zu hängen.

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Nach einer halben Stunde hatte sich der Streifen schwach, aber deutlich rötlich verfärbt. Damit ist die Anwesenheit von Cyanwasserstoff in meinem Kirschlikör nachgewiesen. :angel:
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Stepfan
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Beitrag von Stepfan »

lemmi hat geschrieben:Nach einer halben Stunde hatte sich der Streifen schwach, aber deutlich rötlich verfärbt. Damit ist die Anwesenheit von Cyanwasserstoff in meinem Kirschlikör nachgewiesen. :angel:
Das interessiert mich doch jetzt schon. Kannst du da nicht auch eine quantitative Analyse solch geringer Mengen aus dem Ärmel zaubern? :lol: Sollten ja einen maximalen HCN Gehalt von 10-50mg/kg verwendeter Kirschen betragen.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Stepfan hat geschrieben:Das interessiert mich doch jetzt schon. Kannst du da nicht auch eine quantitative Analyse solch geringer Mengen aus dem Ärmel zaubern? :lol: Sollten ja einen maximalen HCN Gehalt von 10-50mg/kg verwendeter Kirschen betragen.
Wäre mal eine reizvolle Aufgabe! Ich kann ja mal versuchen, das abzuschätzen.

Ich habe auf VC mal eine Empfindlichkeitsprüfung des Reagenzpapiers gepostet (hier). Wenn ich das semiquantitativ übertrage, dürfte mein Reagenzpapierstreifen ca 2-5 µg HCN angezeigt haben, stammend aus 20 ml Likör, wobei ich nur ca 1/2 des Destillats in das kölbchen gegeben habe. Das würde einen Gehalt von 0,2-0,5 mg/Liter ausmachen. Der wahre Gehalt muss höher liegen, weil ja sicher nicht alles HCN in die Gasphase übergeht. Lassen wir ihn 10 x höher sein (2-5 mg/L), das ist immer noch toxikologisch unbedenklich. Der Gehalt ist aus den Zutaten schwer abzuschätzen. Überschlagen erhält man aus 1,5 kg Kirschen ca 2 L Likör, pro Liter wären das 0,75 kg. Wenn deine Angaben (woher hast du sie?) stimmen, müssten diese 7,5-37,5 mg HCN freigesetzt haben. Da die Kerne nicht zerquetscht werden, wird sicher nicht alles Prunasin herausgelöst, nicht alles zesetzt, ein Teil des HCN wird hydrolysiert oder oxidiert sein...

Den HCN titrimetrisch zu bestimmen, wie bei den Bitteren Mandeln , wird wegen des sehr geringen Gehaltes kaum möglich sein. Ob es dafür eine photometrische Methode gibt?
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

In diesem Paper wird eine photometrische Methode gezeigt: http://www.uni-ulm.de/fileadmin/website ... ck3VBa.PDF .... Vielleicht ist das ein Denkanstoß?
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Danke für diesen Link! Leider ist die zusammensetzung des Reagenz' nicht angegeben. Aber die könnte man wohl rauskriegen.
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Timmopheus
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Beitrag von Timmopheus »

Bin über die Forensuche auf die Diskussion über HCN in deinem Likör gestoßen.
Da ich gerade einen Pflaumenlikör aus entkernten Pflaumen angesetzt habe, trocknen hier noch ca 100g Pflaumenkerne auf der Fensterbank. Auf der Suche nach einem Rezept für Pflaumenlikör bin ich auch auf Rezepte zu Likören aus Pflaumensteinen gestoßen. Diese sollen wohl ähnlich wie Amaretto schmecken. Da die Kerne von Steinobst größere Mengen an cyanidhaltigen Verbindungen enthalten (können) ist mir das ganze aber nicht ganz geheuer. Soll ja getrunken werden und nicht im Laborglas bleiben ;) . Es werden wohl keine tödlichen Mengen aus den Kernen gelöst, gesund kann es aber auch nicht sein. Zur Behandlung solcher Lebensmittel (bei Amaretto, Persipan, etc) habe ich gelesen, dass diese durch Kochen "entbittert" d.h. von Blausäure befreit werden.

Nun meine Frage: Zersetzt das Kochen die blausäurehaltigen Verbindungen zu ungefährlicheren Stoffen, oder treibt es das HCN gasförmig aus? Temperaturangaben gibt es keine (genauen ("kochen")) Zeitdauer ebenso nicht.
Zersetzt es sich, könnte man die Kerne im Backofen behandeln, gast es aus müsste man sich etwas anderes überlegen.

Pikrinsäure zum Testen des fertigen Likörs besitze ich leider nicht ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Timmopheus hat geschrieben:Bin über die Forensuche auf die Diskussion über HCN in deinem Likör gestoßen.
Da ich gerade einen Pflaumenlikör aus entkernten Pflaumen angesetzt habe, trocknen hier noch ca 100g Pflaumenkerne auf der Fensterbank. Auf der Suche nach einem Rezept für Pflaumenlikör bin ich auch auf Rezepte zu Likören aus Pflaumensteinen gestoßen. Diese sollen wohl ähnlich wie Amaretto schmecken. Da die Kerne von Steinobst größere Mengen an cyanidhaltigen Verbindungen enthalten (können) ist mir das ganze aber nicht ganz geheuer. Soll ja getrunken werden und nicht im Laborglas bleiben ;) . Es werden wohl keine tödlichen Mengen aus den Kernen gelöst, gesund kann es aber auch nicht sein. Zur Behandlung solcher Lebensmittel (bei Amaretto, Persipan, etc) habe ich gelesen, dass diese durch Kochen "entbittert" d.h. von Blausäure befreit werden.

Nun meine Frage: Zersetzt das Kochen die blausäurehaltigen Verbindungen zu ungefährlicheren Stoffen, oder treibt es das HCN gasförmig aus? Temperaturangaben gibt es keine (genauen ("kochen")) Zeitdauer ebenso nicht.
Zersetzt es sich, könnte man die Kerne im Backofen behandeln, gast es aus müsste man sich etwas anderes überlegen.

Pikrinsäure zum Testen des fertigen Likörs besitze ich leider nicht ;)
Ich wollte dich gerade auf meine posts auf VC hinverlinken - aber VC ist ja gerade mal wieder nicht aufrufbar...

Ich habe mal eine Amygdalingehaltsbestimmung in Bitteren Mandeln gemacht. Der Gehalt betrug etwa 5%.

1 mol Amygdalin setzt 1 Mol HCN frei (sorry Jan :mrgreen: )
Molmasse Amygdalin: rund 457 g
Molmasse HCN: 27 g
Ergo: 5 g Amygdalin (100 g Bittermandeln) entsprechen pi mal Schnauze 300 mg Blausäure.

Ich habe früher aus meinen bitteren Mandeln mal selbst Amaretto angesetzt. Dazu wurde 60 g auf 1 Liter Likör genommen. Das wären also (großzügig gerechnet) etwa 200 mg HCN. Ein Teil derselben verflüchtigt sich natürlich, ein Teil zersetzt sich bei der Lagerung (wenn ich recht erinnere hatte der Gehalt meines Bittermandeldestillates nach 1 Jahr um ca 1/3 abgenommen, siehe dazu den Amygdalin-Thread auf VC - jetzt die Laborbücher nochmal durchzusuchen bin ich grad zu faul...). Im schlimmsten Falle enthielten etwa 350 ml Likör eine für einen Erwachselnen tödliche Dosis. Diese Menge wird man kaum so schnell trinken, daß es zu Problemen kommt, denn HCN wird im Organismus rasch entgiftet. Ich jedenfalls habe meinen Amaretto immer überlebt und meine Freunde auch.

Das mit dem Kochen könnte funktionieren, denn meine Versuche damals (Wasserdampfdestillation von mazerierten Bittermandeln) ergaben, daß sich die HCN ganz überwiegend (Faktor ca 100) im ersten Teil des Destillates befindet, der Benzaldehyd dagegen vor allem im zweiten Teil (wie gesagt, warten, bis VC wieder geht und dann unter "Analytik" nachsehen). Der Punkt ist, daß ich dir beim einfachen Kochen eines Ansatzes auf dem Herd nicht sagen kann, wie lange du kochen musst um den HCN auszutreiben und den Benzaldehyd nicht auch zu verflüchtigen. Ich würde es nur einmal kurz aufkochen (vielleicht 1 Minute, nicht länger). Natürlich bei guter Lüftung, obwohl die Blausäuremengen, von denen wir hier sprechen ziemlich gering sind. Vermutlich wird das Aroma dadurch sogar besser, weicher, denn HCN reicht zwar auch nach "Bittermandeln" aber viel schärfer und unangenehmer als Benzaldehyd.

Wenn du die Kerne im Backofen erhitzt, zerstörst du nur die zur Spaltung des Amygdalins nötigen Enzyme, aber nicht das Amagdalin selbst und HCN wird schon gar nicht frei. Du musst zuerst die unerhitzen Kerne zerreiben, mit Wassermazerieren, dabei wird das Amygdalin gespalten und Benzaldehyd und halt auch HCN frei. Danach kannst du den Auszug durch Kochen zu "entgiften" versuchen.

Pikrinsäure-Reagenzpapier wird dir nicht sehr viel nützen, denn es ist sehr empfindlich und spricht auf HCN im µg-Bereich an (dazu habe ich auch einen thread auf VC verfasst). Mein Amaretto war immer kräftig positiv. Aber du könntest vielleicht eine halbquantitative Aussage machen und beim Abkochen einer Probe sehen, ob die HCN (größten)teils verdampft ist.
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Timmopheus
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Beitrag von Timmopheus »

lemmi hat geschrieben:.Du musst zuerst die unerhitzen Kerne zerreiben, mit Wassermazerieren, dabei wird das Amygdalin gespalten und Benzaldehyd und halt auch HCN frei. Danach kannst du den Auszug durch Kochen zu "entgiften" versuchen.
Gut dass du das ansprichst. Die Rezepte die ich bisher gefunden habe setzen alle auf nicht zerriebene, intakte Kerne!
Sollte das mein "Problem" damit schon lösen oder zumindest verringern? Wenn die Aromen aus den intakten Kernen diffundieren, könnte es auch das Amygdalin schaffen. Die Enzyme werden bei der Zucker und Ethanolkonzentration wohl nicht mehr sonderlich funktionieren, wohl spaltet die Magensäure aber noch das Amygdalin.

Dann wird vermutlich auch ein kurzes aufkochen des Likörs nicht viel bringen
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Timmopheus hat geschrieben:Die Rezepte die ich bisher gefunden habe setzen alle auf nicht zerriebene, intakte Kerne!
Sollte das mein "Problem" damit schon lösen oder zumindest verringern? Wenn die Aromen aus den intakten Kernen diffundieren, könnte es auch das Amygdalin schaffen. Die Enzyme werden bei der Zucker und Ethanolkonzentration wohl nicht mehr sonderlich funktionieren, wohl spaltet die Magensäure aber noch das Amygdalin.

Dann wird vermutlich auch ein kurzes aufkochen des Likörs nicht viel bringen
Auch bei meinem Kirschlikör, der mit Intakten Kirschen angesetzt wird, ist ein "Bittermandelaroma" zu bemerken und HCN lässt sich nachweisen.

Das Amygdalin wird aus den intakten Kernen gar nicht herausdiffundieren. Das wäre auch nicht erwünscht, weil es nur bitter schmeckt und sonst gar nichts. Irgendwie wird bei der Herstellung schon das Amygdalin gespalten werden, so daß die Reaktionsprodukte den Likör aromatisieren. Das ändert aber nix daran, daß du wieder Benzaldehyd und HCN im Likör hast. Vermutlich nur von beidem viel weniger als wenn du es so machst wie ich. Und das Mazerieren braucht wahrscheinlich viel länger.

Teile mal dein Rezept mit! Hier ist mein Amaretto-Rezept:

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Beitrag von VCLiberty »

@lemmi: Sind alle deine Kochrezepte so "chemisch"? :D

Hm, vielleicht wäre es sinnvoll, die entsprechenden Threads von VC per Copy&Paste hierher zu übertragen.
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Beitrag von NI2 »

VCLiberty hat geschrieben:Hm, vielleicht wäre es sinnvoll, die entsprechenden Threads von VC per Copy&Paste hierher zu übertragen.
Super Idee! 8)

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Beitrag von Pok »

Hier gibts den Versuch noch...nur ohne Bilder. Und hier die erste Seite der Diskussion. Irgendwann verschwindet der cache aber auch, wie sich ja mal gezeigt hat.

@lemmi: hast du deine Versuche, die du auf VC gepostet hast, alle auch privat gespeichert? Falls ja, könnte man sie alle in der Spielwiese veröffentlichen. Einfach copy&paste. Das Format ist in der Spielwiese ja egal.
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Timmopheus
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Beitrag von Timmopheus »

Habe 160g Zwetschgenkerne mit 130g Zucker und 500ml Doppelkorn in ein Einmachglas gefüllt. Dort soll es 3-4 Monate so bleiben, dann wird abfiltriert und nach Geschmack mit Wasser bzw. Läuterzucker verdünnt. Mehr ist es nicht
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