Bestimmung des Adsorptionsvermögens von Aktivkohle

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lemmi
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Bestimmung des Adsorptionsvermögens von Aktivkohle

Beitrag von lemmi »

Bestimmung des Adsorptionsvermögens von Aktivkohle

Aktivkohle ist eine mit speziellen Verfahren erzeugte Kohle, welche die Eigenschaft besitzt, andere Stoffe zu adsorbieren. Sie wird deshalb in der präparativen Chemie als Hilfsmittel zur Reinigung von Substanzen verwendet und medizinisch als unspezifisches Antidot bei Vergiftungen oder in der Dialyse eingesetzt. Da die Adsorptionsfähigkeit sehr verschieden sein kann, sind Prüfverfahren entwickelt worden, mit der die Qualität der Aktivkohle qualitativ und quantitativ bestimmt werden kann.


Material/Geräte:

Reagenzgläser mit Stopfen (Inhalt mind. 20 ml), Trichter, Filtrierpapier, Analysenwaage, Messkolben 100 ml, Messzylinder 25 ml, Vollpipette 25 und 10 ml, Peleusball, Erlenmeyerkolben 100 ml, Magnetrührer, Bürette


Chemikalien:

Phenazon (1-Phenyl -2,3-dimethyl-pyrazol-5-on) Warnhinweis: xn
Salzsäure 2 N Warnhinweis: c
Kaliumbromatlösung 0,1 N Warnhinweis: xn
Methylenblau Warnhinweis: xn
p-Ethoxychrysoidinhydrochlorid (2,4-Diamino-4’-ethoxy-azobenzol-hydrochlorid)
Kaliumbromid

Analysengut:
verschiedene Aktivkohlen Warnhinweis: f


Versuchsdurchführung:

1. Qualitative Bestimmung des Adsorptionsvermögens mit Methylenblau (nach DAB 7)

Man stellt eine Lösung von 0,15 g Methylenblau in 100 ml Wasser her, wobei man ca. 15 Minuten auf dem Magnetrührer rühren muss, bis sich der Farbstoff vollständig gelöst hat. In ein Reagenzglas wiegt man 100 mg der zu untersuchenden Probe ein und gibt 20 ml der Methylenblaulösung zu. Dann wird das Glas mit einem Gummistopfen verschlossen und während 5 Minuten wiederholt gut durchgeschüttelt. Beim Stehenlassen erkennt man bereits, ob das Methylenblau vollständig adsorbiert wurde. In diesem Fall bleibt die Oberfläche der Flüssigkeit farblos bzw. nur durch die Kohle grau gefärbt und es bildet sich kein Schaum. Anschließend filtriert man die Flüssigkeit durch ein kleines Filter und beurteilt die Farbe des Filtrates.

Bei meinem Versuch habe ich vier verschiedene Proben untersucht:
1. eine Aktivkohle von Merck, über 12 Jahre alt
2. eine neu gekaufte medizinische Kohle (Carbo medicinalis Ph.Eur 7.0) aus der Apotheke
3. Aquarienfilterkohle aus der Zoohandlung (die groben Körner wurden in der Reibschale gepulvert)
4. Holzkohlepulver (Carbo ligni) aus der Apotheke

Man erkennt deutlich, dass nur die medizinische Kohle (Nr. 2) die Anforderung erfüllt, dass die Methylenblaulösung vollständig entfärbt werden muss. Dies entspricht einem Adsorptionsvermögen von mindestens 30% des Eigengewichtes (30 mg Methylenblau werden von 100 mg Kohle absorbiert). Die anderen Kohlen haben schwächere Wirkung. Die mit Holzkohle behandelte Probe zeigt praktisch die gleiche Farbtiefe wie die Ausgangslösung.

Bild

Bild
Die verschiedenen Aktivkohleproben nach Schütteln mit Methylenblaulösung (oben) und die Filtrate der Anschüttelungen (unten)


2. Quantitative Bestimmung des Adsorptionsvermögens mit Phenazon (nach Ph.Eur 7.0)

Man stellt sich eine Phenazonlösung 1 % (m/V) her, indem man 1 g Phenazon im Messkolben zu 100 ml in destilliertem Wasser löst. Daneben benötigt man als Indikator eine 0,1 %ige Lösung von p- Ethoxychrysoidinhydrochlorid in 96 %igem Ethanol.

Als erstes wird der Gehalt der Phenazonlösung im Blindversuch ermittelt. Durch ein kleines Filter, wie es auch später für die Probenanalyse verwendet wird, filtriert man 25 ml der Lösung. Die ersten 5-7 ml des Filtrates werden verworfen (das Filter muss sich vollständig mit der Lösung vollsaugen!) und der Rest getrennt in einem sauberen Reagenzglas aufgefangen. Von diesem pipettiert man genau 10,0 ml in ein 100 ml-Becherglas und gibt 0,1 ml der Indikatorlösung zu. Die Flüssigkeit färbt sich gelb. Nach Zugabe von 1 g Kaliumbromid und 20 ml 2N Salzsäure schlägt die Farbe nach Orangerot um. Nun titriert man mit 0,1 N Kaliumbromatlösung bis die Farbe des Indikators verschwindet. Die Titration erfordert Geduld und Fingerspitzengefühl, da man gegen Ende sehr langsam titrieren muss. Erwartet wird ein Verbrauch von etwas über 10 ml Kaliumbromatlösung. Man lässt zunächst 10 ml relativ zügig zutropfen und gibt dann nur noch alle 10-15 Sekunden einen Tropfen zu, wobei die Flüssigkeit ständig gut gerührt werden muss. Nicht schneller zutropfen lassen! Die Farbe des Indikators vertieft sich zunächst zu einem violetten Ton und dann verblasst sie plötzlich nach Zugabe eines Tropfens der Maßlösung immer mehr und verschwindet binnen 10-15 Sekunden ganz. Ein Milliliter 0,1 N Kaliumbromatlösung ist 9,411 mg Phenazon äquivalent.

Bei meinem Versuch habe ich 10,625 ml Maßlösung verbraucht, was einem Gehalt von 99,99 mg Phenazon in 10 ml der Lösung entspricht (fast zu schön um wahr zu sein, aber es war wirklich so!). Es ist aber nicht entscheidend, wie der genaue Gehalt ist, sondern wie viel Maßlösung im Blindversuch verbraucht wird.

Für den Hauptversuch wägt man 300 mg der zu untersuchenden Aktivkohle ab und gibt sie in einen 100 ml - Erlenmeyerkolben, in dem man 25,0 ml Phenazonlösung des zuvor bestimmten Gehaltes vorgelegt hat. Man gibt einen Rührfisch zu, verschließt den Kolben und rührt 15 Minuten lang. Danach wird die Mischung filtriert. Erneut werden die ersten 5-7 ml des Filtrates verworfen, der Rest aufgefangen und 10,0 ml davon nach dem oben beschriebenen Vorgehen titriert. Da der Endpunkt kaum vorherzusehen ist, muss hier besonders langsam titriert werden.

Aus der Differenz (a-b), wo a der Verbrauch an Maßlösung im Blindversuch und b der Verbrauch im Hauptversuch ist, errechnet man die Menge des adsorbierten Phenazons durch Multiplikation mit 9,411 und 2,5 (um von 10 auf 25 ml hochzurechnen). Schließlich teilt man durch die Einwaage an Analysensubstanz (hier 300 mg) und multipliziert das Resultat mit 100. Man erhält so die Adsorptionsfähigkeit der Kohle für Phenazon, ausgedrückt in Prozent. Fasst man alle diese Faktoren zu einer einzigen Zahl zusammen, erhält man unter den beschriebenen Versuchsbedingungen die Gleichung:

(a - b) x 7,8425 = Adsorptionsvermögen [%]

Ich habe die Proben 2 und 3 (medizinische Kohle und Aquarienkohle) nach diesem Verfahren untersucht. Bei Probe 2 (der medizinischen Kohle) fand ich einen Verbrauch b von 5,55 ml, was nach der obigen Herleitung einer Adsorptionsfähigkeit von 39,8 % entspricht. Das Arzneibuch fordert mindestens 40%. Die Untersuchungssubstanz liegt also ganz knapp darunter.

Die Aquarienkohle (Probe 3) ergab ein b von 8,275 ml. Aus der Differenz von 2,35 ml errechnet sich eine Adsorptionsfähigkeit von 18,4 %.

Bild
Abwiegen des Phenazons für den Absorptionsversuch

Bild Bild
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Farbwechsel des Indikators p-Ethoxychrysoidin im Verlauf des Versuchs
oben links: gelbe Farbe in der (neutralen) Phenazonlösung - oben rechts: Farbumschlag nach Orangerot nach Zugabe von Kaliumbromid und Salzsäure
unten links: Farbvertiefung im Verlauf der Titration mit Bromat - unten rechts: Entfärbung am Äquivalenzpunkt


Entsorgung:

Die Flüssigkeiten können über das Abwasser entsorgt werden.


Erklärungen:

Werden organische Materialien tierischen oder pflanzlichen Ursprungs durch Erhitzen unter Luftabschluss verkohlt, so wird normalerweise die Mikrostruktur zerstört, indem die entstehende Kohle zusammensintert. Durch geeignete Verfahren, die als Aktivierung bezeichnet werden, bleiben die räumlichen Strukturen erhalten und es entsteht ein Produkt, das mehr oder weniger zahlreiche Poren verschiedener Größe enthält und daher in der Lage ist, andere Stoffe passender Teilchengröße zu adsorbieren. Die Adsorption ist ein ganz überwiegend physikalischer Vorgang. Da die Kohle noch geringe Reste von Sauerstoff und Wasserstoff in Form von CO- , OH- und COOH-Gruppen enthält treten daneben auch in geringem Masse chemische Wechselwirkungen auf. Früher (bis zum Erscheinen des DAB 7) wurden als Ausgangsmaterial für die Gewinnung medizinischer Kohle tierische Stoffe, insbesondere Blut, bevorzugt, woher die alte Bezeichnung “Tierkohle“ (Carbo animalis) rührt. Heute werden pflanzliche Ausgangsstoffe wie Holzspäne und Cellulose verwendet, da sie leichter erhältlich sind. Die Aktivierung geschieht durch vorheriges Tränken des Materials mit anorganischen Lösungen (Zinkchlorid, Kaliumsulfid, Kaliumhydrogensulfat, Phosphorsäure und andere) oder durch Einblasen von Wasserdampf, wobei die Kohle teilweise unter Bildung von Wassergas verbrennt. Nach der Aktivierung wird das Produkt durch sorgfältiges Auswaschen von allen Hilfsstoffen befreit, getrocknet und gepulvert.

Die Adsorptionsfähigkeit der Kohle ist gegenüber verschiedenen Stoffen höchst unterschiedlich, im Einzelfall ist sie offenbar schlecht vorherzusagen. In der Literatur wird berichtet, dass manche Präparate z.B. bis zu 90% ihres Eigengewichtes an Salizylsäure adsorbieren. Aktivkohlen mit besonders gutem Adsorptionsvermögen für Stoffe mit hohem Molekulargewicht adsorbieren Substanzen mit kleinerem Molekulargewicht schlechter und umgekehrt. Nach dem Arzneibuchkommentar ist die Qualitätsgrenze von 40 % Adsorptionsvermögen nach der oben beschriebenen Methode relativ niedrig angesetzt, da es leicht möglich ist, Aktivkohle herzustellen, die 60 % ihres Eigengewichtes an Phenazon adsorbiert.

Die Bestimmung des Phenazons durch bromatometrische Titration verläuft folgendermaßen: in der sauren Flüssigkeit (soll 1-2 N an Salzsäure sein) wird durch das zugetropfte Bromat aus Kaliumbromid Brom freigesetzt:

BrO3- + 5 Br- + 6 H+ ---> 3 Br2 + 3 H2O

Brom wirkt auf Phenazon substituierend ein, dabei setzt sich ein Mol Phenazon mit 2 Mol Brom um. Die Äquivalentmasse des Phenazons beträgt daher 94,11 g/Val und 1 ml der 0,1 N Bromatlösung entsprechen 0,1 mval = 9,411 mg.
Bild
Molmasse Phenazon: 188,22 g/Mol

Um den Endpunkt der Titration anzuzeigen wird der Farbstoff p-Ethoxychrysoidin zugesetzt. Dieser reagiert mit Brom zunächst unter Bildung eines Dibrom-Derivates (daher die Farbvertiefung im Verlaufe der Titration), welches dann, sobald das gesamte Phenazon verbraucht ist, weiter zu einem fast farblosen N-Oxid oxidiert wird.
Bild
Die zweite Reaktion benötigt in saurer Lösung bei Zimmertemperatur einige Sekunden, weshalb gegen Ende, wie dargestellt, langsam titriert werden muss. Wenn man die Maßlösung zu schnell zugibt, erhält man einen falsch hohen Verbrauch. Der Umschlag ist sehr scharf und zur Entfärbung von 0,1 ml der Indikatorlösung sind (nach Literaturangaben) nur 0,005 ml 0,1 N Kaliumbromatlösung erforderlich, so dass eine Indikationskorrektor entfällt. Die Oxidation ist übrigens partiell reversibel, durch Reduktionsmittel (z.B. Ascorbinsäure) kann die violette Farbe wieder hervorgerufen werden.

Bei der Filtration ist zu bedenken, dass auch das Filtrierpapier kleine Mengen der Analysensubstanz adsorbieren kann. Daher werden die ersten Milliliter des Filtrates verworfen unter der Annahme, dass das Papier hernach gesättigt ist und das weitere Filtrat in seiner Zusammensetzung nicht mehr beeinflusst. Aus dem gleichen Grund wurde früher vorgeschrieben, die Prüfflüssigkeit bei der Methylenblauprobe durch Glaswolle zu filtrieren, da das Filtrierpapier Methylenblau zurückhalten und eine falsch hohe Adsorption vortäuschen kann.


Literatur:

Deutsches Arzneibuch, 7. Ausgabe 1968
Europäisches Arzneibuch 7.0, 2011
Hartke/Mutschler (Hrsg.): DAB 9 Kommentar; Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft Frankfurt, Govi-Verlag Stuttgart 1986
Nakamo, Naomi I et al.: Selective Adsorption by Activated Charcoal Preparations for Adsorbates of Medical Interest Ranging in Molecular Weight from 100 to 800; Chemical and Pharmaceutical Bulletin 33 (1985): 2984 - 2090
Walter Poethke: Praktikum der Maßanalyse, 2.Auflage;Verlag Harri Deutsch (Thun/Frankfurt a.M.) 1980
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

So, mal ein Versuchsballon mit einem neuen Artikelformat :D ...
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Quecksilberoxid rot
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Beitrag von Quecksilberoxid rot »

Wow, wie immer sehr gut gemacht ;-) .

PS: Woher bekommt man denn Kaliumbromat?
MfG HgO

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Newclears
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Beitrag von Newclears »

...indem man z.B. Brom in Kalilauge einbringt.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Eine sehr interessante Versuchsreihe! :thumbsup:
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Pok
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Beitrag von Pok »

Die Unterschiede mit den 4 Kohle-Arten sind ja ganz schön stark. Dass Holzkohle fast gar nicht adsorbiert, hätte ich nicht gedacht.
Aber die billigere Aquarienfilterkohle wird doch vermutlich die gleiche Reinigungswirkung haben, wenn man einfach viel mehr davon einsetzt, oder? Oder lässt sich die Lösung auch mit viel minderwertiger Kohle nicht vollständig entfärben?

Das Artikelformat passt doch hier gut und verursacht keinen Augenkrebs. :wink:
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Pok hat geschrieben:Die Unterschiede mit den 4 Kohle-Arten sind ja ganz schön stark. Dass Holzkohle fast gar nicht adsorbiert, hätte ich nicht gedacht.
Hat mich auch erstaunt. Aber nachdem ich das mit den Aktivierungsprozessen gelesen habe, wundert es mich nicht mehr. Bei der Herstellung der Holzkohle sintern die Poren halt zusammen und aus ist es mit der Adsorption.
Pok hat geschrieben:Aber die billigere Aquarienfilterkohle wird doch vermutlich die gleiche Reinigungswirkung haben, wenn man einfach viel mehr davon einsetzt, oder? Oder lässt sich die Lösung auch mit viel minderwertiger Kohle nicht vollständig entfärben?
Vermute ich auch, daß das geht. Die Adsorptionskraft bezogen auf Phenazon ist ja knapp 50% derjenigen der Arzneibuchkohle. Wenn man das 2,5-fache nimmt, wird vermutlich auch durch die Aquarienkohle das Methylenblau entfärbt. Übrigens finde ich, daß das Filtrat Nr. 3 rein "optometrisch" viel dunkler aussieht, als ich es bei 50% Adsorption erwartet hätte. Aber das ist auf diese Weise vermutlich schwer zu beurteilen, Ausserdem ist nicht gesagt daß die Adsorptionskraft für Methylenblau der für Phenazon parallel geht.

In weiteren Versuchen habe ich die Adsorption einiger anderer Substanzen getestet (alle mit der medizinischen Kohle - Nr 2 - mit dem höchten Adsorptionsvermögen für Methylenblau):

50 mg Kohle waren nicht in der Lage, 10 ml einer 0,15 %igen Eosinlösung zu entfärben (während das mit Methylenblau problemlos gelang – s.o.). Dagegen wurden 10 ml gesättigte Pikrinsäurelösung sowie 10 ml einer 0,1 %igen Kaliumpermanganatlösung durch 50 mg Aktivkohle völlig entfärbt. (auf dem Bild paarweise jeweils links die unbehandelte Lösung, rechts das Filtrat der aktivkohlebehandelten Lösung: Eosin – Pikrinsäure – KMnO4)

Bild

10 ml einer Bariumchloridlösung von 0,1 % Konzentration gab nach der Behandlung mit 50 mg Kohle mit Kaliumchromat eine identische Reaktion wie vorher. Auch eine 0,1% Bleinitratlösung (Reagenz Natriumsulfid) und Natriumsulfatlösung (Reagenz Bariumchlorid) wurden praktisch gar nicht verändert (wie oben jeweils im linken RG die Ausgangslösung, rechts das Filtrat nach Kohlebehandlung).

Bild

Die schlechte Adsorption des Bleis hat mich überrascht und daher habe ich sie quantitativ untersucht. Dazu wurden 200 mg Bleinitrat in 100 ml Wasser (+ 1 Tropfen Eisessig) gelöst und mit 1 g Aktivkohle ½ Stunde gerührt. Nach der Filtration (erste 25 ml verworfen!) wurde das Blei in 50 ml des Filtrats komplexometrisch bestimmt. Gefunden habe ich 92,4 mg von erwarteten 100 mg Pb(NO3)2. Das bedeutet, die Aktivkohle hat pro Gramm gerade mal schlappe 15 mg Bleinitrat adsorbiert (1,5 %). Als Antidot bei Bleivergiftungen scheint sie nicht geeignet zu sein. Angenommen jemand nähme 5 g Bleinitrat ein, so müsste man 350 g Aktivkohle verbreichen, um das Gift zu adsorbieren!

Pok hat geschrieben:Das Artikelformat passt doch hier gut und verursacht keinen Augenkrebs. :wink:
Schön, gelle !? :mrgreen:
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Pok
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Beitrag von Pok »

Einige Unterschiede kann man ja erklären. Wikipedia schreibt, die Adsorption steigt mit dem Molekülgewicht, der Anzahl funktioneller Gruppen wie Doppelbindungen oder Halogenliganden, sowie steigender Polarisierbarkeit des Moleküls. Prof. Blume schreibt noch, dass es von der Polarität abhängt.

Aber wie erklären sich da die Unterschiede von Methylenblau und Eosin bzw. KMnO4 und Na2SO4? Im ersten Paar sollte Eosin doch besser gebunden werden, weil es größer ist und Halogenliganden hat. Und im zweiten Paar sehe ich auch keine großen Unterschiede in den 4 Punkten.
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

A- Kohle ist halt nicht gleich A- Kohle. Das sieht man wenn man sich z.B. mal die Aktivkohleröhrchen von z.B. Dräger ansieht wie sie zur Luft und Bodenluftbeprobung verwendet werden. Da gibt es gewaltige Unterschiede. In einem meiner Bücher habe ich noch eine Herstellungsanleitung für eine undefinierte Aktivkohle. Kann gerne nochmal nachsehen wie Römpp und Raaf das beschreiben.
Bei der normalen Aquarienkohle geht es auch in erster Linie darum große Biomoleküle wie Polypeptide etc. zu binden und gleichzeitig ein Substrat zur Verfügung zu stellen auf welchem abbaunde MO´s leben.

@ Lemmi

Das Format ist super! :D
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frankie
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Beitrag von frankie »

Mit deinen Materialien könntest du sehr schön eine Adsorptions-Isotherme für das System Aktivkohlea / Methylennlau aufnehmen. ... dazu bräuchte man nur ein Photometer, eine Analysenwaage und eine gestellte Methylenblau-Lösung.
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

...hat Lemmi doch alles da ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

In dem Artikel zur Adsorption von Pharmaka zwischen 100 und 800 D wird hervorgehoben, daß es Kohlen gibt die besser Stoffe mit hohem, und solche, die besser Stoffe mit niedrigem Molekulargewicht adsorbieren. Konkret wurde die Adsorption von Salicylsäure (138 D) und Cholsäure (408 D) verglichen. Vielleicht adsorbiert meine Kohle ja mehr Methylenblau (319 D) als Eosin (691 D)?
Ich glaubte zuerst, daß Eosin als saurer Farbstoff schlechter adsorbiert wird, als Methylenblau (basisch bzw. kationisch). Aber die gute Adsorption von Permanganat und Pikrinsäure sprechen gegen diese Annahme. Warum Sulfat so viel schelchter gebunden wird als Permanganat (ähnliche Molmasse, ähnliche Raumstruktur) kann ich mir nicht erklären. Geschockt bin ich aber von der schlechten Bindung des Bleis - das hätte ich nicht erwartet!

@Frankie: was ist denn eine Adsorptions-Isotherme?
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Beitrag von CD-ROM-LAUFWERK »

Was passiert, wenn du die Aktivkohlen (und Holzkohle?) mit Salpetersäure "aktivierst"?
Verändern sich die Werte relevant oder eher nicht?
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Wieso sollte Salpetersäure Holzkohle aktivieren?
Bitte begründen!
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Newclears
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Beitrag von Newclears »

Durch Oxidation nicht vollständig inkohlten Materials, welches in den Poren der Kohle vorhanden ist und durch Herauslösung von anorganischen Komponenten. Das kann die innere Oberfläche enorm vergrößern.
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