1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

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lemmi
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Re: 1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

Beitrag von lemmi »

Der Knackpunkt dabei ist der Indikator. Wenn man gegen Methylorange einstellt und dann gegen Phenolphtalein titriert, tritt bei einer karbonathaltigen Lauge der Farbumschlag später ein bzw. man braucht mehr Lauge, weil das frei werdende Kohlendioxid den Umschlag des Indikators verzögert. Wenn man von Anfang an gegen Phenolphtalein einstellt, macht es keinen Unterschied (sofern man die Lauge nicht lange offen stehen lässt und noch sie noch weiteres Kohlendioxid aufnimmt).

Wenn man dagegen immer gegen Methylorange oder Methylrot (-Mischindikator) titriert, ändert sich der Titer nicht, weil in diesem pH-Umschlagbereich das Kohlendioxid praktisch keine Rolle spielt.
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aliquis
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Re: 1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

Beitrag von aliquis »

@mgritsch: O.k., sehr interessant und eindeutig. Danke dafür. :thumbsup:

Für mich ziehe ich den Schluss daraus, bei frisch angesetzter Lösung unter Verzicht auf Herstellung aus Öllauge eher auf Methylorange als auf Phenolphthalein als Indikator bei Titrationen starker Säuren zu setzen.

Am nächsten beieinander sind die Kurven ja noch im neutralen Bereich. Bei Verdacht auf gewachsenen Carbonatgehalt würde ein Indikator mit Umschlagspunkt in dem Bereich (Bromthymolblau) das wieder ein bisschen ausbügeln. Am ehesten setze ich in solch einem Fall aber wieder frisch an...

Sowohl das feste NaOH wie auch die Lösungen lagern bei mir in HDPE-Behältern - und letztere selten länger als ein paar Monate bis zum nächsten Ansatz (außer die 30 %ige, die auch schon mal zwei Jahre stehen kann, aber kaum für Zwecke verwendet wird, wo etwas Carbonat stören würde). Auch die festen Prills kaufe ich lieber in kleineren Mengen frisch ein, statt sie kiloweise jahrelang zu lagern. Zwar weiß man nie, wie lange sie schon beim Händler gelegen haben, aber der dürfte vermutlich auch einen etwas höheren Durchsatz haben als ich als Verbraucher... :wink:

Auch nun zweifelsfrei klar: die Methode über Öllauge ist die akkurateste. Aber ich hantiere halt echt ungern damit: die Aerosolbildung und das oben beschriebene Festsetzen beim Lösen, die höhere CO2-Sensibilität sowie das Anätzen von Glas und die daraus resultierende Kontamination mit Silikat machen sie für mich zu einem wirklich ungemütlichen Reagenz.
Für meine Zwecke und meinen Anspruch an Messgenauigkeit reicht die frisch, aber direkt hergestellte NaOH-Maßlösung auf jeden Fall aus.

@lemmi: In der Tat ein Problem. Auf Phenolphthalein kann man bei Titration schwacher Säuren leider nicht ganz verzichten.
Methylorange finde ich umgekehrt bei Titration von Laugen mit Säuren immer etwas schwierig wegen der Erkennbarkeit des Umschlagspunktes von der orangeroten Zwischenfarbe nach rot - aber das ist ja dann eher die gegenüberliegende Baustelle... :wink:
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mgritsch
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Re: 1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Freitag 30. September 2022, 16:39 auf Methylorange als auf Phenolphthalein als Indikator bei Titrationen starker Säuren zu setzen.

Am nächsten beieinander sind die Kurven ja noch im neutralen Bereich.
Das ist eine Fehlinterpretation.
Zum einen sind die Kurven nur in der Darstellung so übereinander gelegt damit man die Unterschiede besser sieht, tatsächlich waren das verschiedene Volumina.
Zum anderen kennst du den tatsächlichen Gehalt ja nicht. Bei bekanntem Gehalt nachträglich zu sagen „dann müsste ich ja nur Indikator x einsetzen damit es stimmt“ ist eher mäßig sinnvoll ;)

Am Ende ist es so wie lemmi schrieb - immer der gleiche Indikator zum Stellen und zum Titrieren = kein systematischer Fehler.
Und je weniger carbonat = desto steiler die Kurve = desto schärfer der Umschlag (halber, ganzer oder gar 2 Tropfen?), ganz egal bei welchem Indikator.
aliquis
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Re: 1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

Beitrag von aliquis »

O.k., dann bleibe ich doch lieber durchgängig bei Phenolphthalein, denn schwache Säuren möchte ich ja auch weitestgehend korrekt titrieren können.

Das mit dem schleichenden Umschlag kann ich noch nicht so ganz nachvollziehen. Bei Phenolphthalein gibt es ja nur komplett farblos oder ganz rosa und dazwischen liegt am Ende immer nur ein Tropfen, ohne das es sowas wie eine Zwischenfarbe gibt. Oder meintest Du die Rückkehr der Farblosigkeit beim Eintropfen unter Rühren? Das geschieht kurz vor dem - an sich immer deutlich erkennbaren - Umschlagspunkt ja mehrmals, bevor es dann rosa bleibt.
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lemmi
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Re: 1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

Beitrag von lemmi »

Oder meintest Du die Rückkehr der Farblosigkeit beim Eintropfen unter Rühren? Das geschieht kurz vor dem - an sich immer deutlich erkennbaren - Umschlagspunkt ja mehrmals, bevor es dann rosa bleibt.
Ich nehme mal an, du menst nicht das übliche Schlieren-bilden, bevor sich die Lösung durchmischt hat, sondern das Phänomen, dass die ganze Flüssigkeit rosa wird und sich dann wieder mit etwas Verzögerung entfärbt. Genau das ist das aus dem Carbonat freiwerdende Kohlendioxid. Bei CO2-freier Lauge tritt das nicht auf. Spielt aber keine Rolle, wenn man als Endpunkt eine bleibende Rotfärbung festlegt und die Lauge zwische Titerstellung und Verwendung nicht allzu lange stehen lässt.
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aliquis
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Re: 1 N Salzsäure und 1 N Natronlauge für die Maßanalyse

Beitrag von aliquis »

Unter magnetischem Rühren hält die vorübergehende Rosafärbung weniger als eine Sekunde lang an und zeigt sich nur bei den letzten 1-2 Tropfen direkt vorm Äquivalenzpunkt.
Ja, den Titer bestimme ich bei jedem frischem Ansatz sowie dann, wenn die Maßlösung tatsächlich mal etwas länger gelagert hatte - wobei ich den Eindruck habe, dass sich, je seltener die Flasche zwischenzeitlich geöffnet wurde, umso weniger Carbonat bildet (seit dem letzten Einsatz der vorherigen Restlösung vor ein paar Monaten hatte sich dessen Titer bis jetzt z. B. überhaupt nicht geändert) - was in der Tat für eine relative Dichtigkeit von HDPE spricht.
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