Nachweis von Arsen in Spuren <1 µg

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lemmi
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Nachweis von Arsen in Spuren <1 µg

Beitrag von lemmi »

Nachweis von Spuren von Arsen (Grenzprüfung)

Arsen kam früher als Verunreinigung in zahlreichen häufig gebrauchten Chemikalien vor. Das hing vor allem damit zusammen, dass die als Grundstoff für zahlreiche Synthesen verwendete Schwefelsäure arsenhaltig war. Besonders in der Pharmazie war der mögliche Arsengehalt von Substanzen, die zur Arzneimittelherstellung verwendet werden, ein Problem. Seit dem Aufkommen der Arzneibücher im 19 Jahrhundert, werden daher Analysenmethoden angegeben, die es erlauben sollen, auch kleinste Mengen von Arsen nachzuweisen. Ich habe die derzeit offizielle Methode des europäischen Arzneibuches auf Ihre Empfindlichkeit geprüft und stelle sie euch hier vor.


Geräte:
Analysenwaage, Reagenzgläser, Messzylinder (10, 25, 50 ml), Kolbenhubpipette (1000 µl, 500µl, 200-20 µl, 20-2 µl), Weithalserlenmeyerkolben 100 ml mit durchbohrtem Stopfen, Glasrohr (6 mm Außendurchmesser), zwei durchbohrte Stopfen, Pinzetten, Wasserbad, Filtrierpapier, Uhrglas


Chemikalien:
Salzsäure 25%, analysenrein Warnhinweis: c
Zinn-II-chlorid Warnhinweis: c
Kaliumiodidlösung p.a., 1-molar

Zinkgranalien, analysenrein (ggf. mit Platin oder Kupfer aktiviert)

Quecksilber-II-bromid Warnhinweis: t+
Blei-II-acetat Warnhinweis: t

als Referenz:
Arsen-III-oxid Warnhinweis: t+
Natronlauge 1N Warnhinweis: c


Hinweis:
Bei der Reaktion entsteht giftiger Arsenwasserstoff, wenngleich in Spuren. Da bei der Untersuchung unbekannten Materials aber größere Mengen gebeildet werden könnten ist in diesem Falle unter einem Abzug zu arbeiten!


Durchführung:
Zunächst müssen folgende Reagenzien hergestellt werden:

Zinn-II-chlorid-lösung (Bettendorf´s Reagenz): 3 g kristallisertes Zinn-II-chlorid (SnCl2 x 6 H3O) werden in 7,5 ml (= 9 g) 37 %iger Salzsäure gelöst.

Quecksilberbromid-Papier: 500 mg Quecksilber-II-bromid werden in 10 ml absolutem Ethanol gelöst. Aus einem großen, mittelschnell filtrierenden Rundfilter schneidet man zwei Streifen von 3 cm Breite und 17 cm Länge, die einmal in der Mitte geknickt werden. Man tränkt sie in einem Uhrglas mit der alkoholischen Quecksilberbromidlösung und hängt sie dann zum Trocknen über eine Schnur oder einen dünnen Glasstab (kein Metall verwenden!). Anschließend schneidet man die Streifen einmal längs in der Mitte durch, trennt an den Enden sowie beidseits des Knicks 5 mm ab (diese Teile werden verworfen) und zerschneidet den Rest in quadratische Stückchen zu 15 mm Kantenlänge. Die Reagenzpapierchen werden in einer Braunglasflasche dicht verschlossen aufbewahrt.

Bleiacetat-Watte: Reine Baumwollwatte (Augenwatte) wird in 10 %iger Bleiacetatlösung getränkt (ein paar Tropfen Essigsäure zugeben, bis die Lösung ganz klar ist) und getrocknet. 20 ml der Lösung reichen für zwei bis drei Wattestücke von ca. 7 x 7 cm.

Arsen-Vergleichslösung: 133 mg Arsen-III-oxid werden in 2 ml 1N Natronlauge gelöst und mit Wasser auf 200 ml aufgefüllt. Ein Milliliter davon wird abermals mit Wasser auf 200 ml aufgefüllt (Endkonzentration 1 ppm).

Für die Arsen-Grenzprüfung nach dem Arzneibuch wird eine spezielle Apparatur verwendet. Sie besteht aus einem Kolben, auf den ein Stopfen mit einem Glasrohr aufgesetzt wird. Das Rohr hat an seinem unteren Ende zwei Öffnungen: eine an der pipettenförmig ausgezogenen Spitze, die andere seitlich 3 mm unter dem Stopfen. Am oberen Ende findet sich ein Planschliff, auf dem ein zweites, kurzes Glasrohr mit gleichem Planschliff aufgesetzt und durch Federn in seiner Position gehalten wird. Diese Apparatur lässt sich leicht selbst basteln. Man zieht ein Glasrohr zu einer Spitze aus, bläst ein seitliches Loch hinein und steckt es durch einen Stopfen, der auf einen 100 m l-Weithalserlenmeyerkolben passt. Oben drauf steckt man einen kleineren Gummistopfen, so dass das Rohrende mit der Stopfenoberfläche plan abschließt. Ein zweites, kurzes Glasrohr schiebt man in einen zweiten Stopfen gleicher Größe. Die beiden Stopfen werden durch Klebeband luftdicht verbunden (siehe Fotos).


Durchführung der Analyse:
Zunächst stopft man in das obere Ende des unteren Glasrohres ca. 50 mg Bleiacetatwatte (ein etwa 1 x 2 cm großes Stück). Dann legt man zwischen die Planschliffe bzw. die Stopfen ein Quecksilberbromidpapier und verbindet die beiden Teile miteinander.

Die zu analysierende Substanz wird mit Wasser zu 15 ml gelöst und in den Erlenmeyerkolben gegeben. Es werden 0,1 ml Zinn-II-chlorid-Lösung, 5 ml Kaliumiodidlösung und zuletzt 25 ml Salzsäure (25 %) zugegeben. Dann lässt man den Ansatz zunächst mit einem normalen Stopfen verschlossen für 15 Minuten stehen. Nach Ablauf der Zeit gibt man 5 g Zinkgranalien (das sind 10-11 Stück) in den Kolben und setzt den Stopfen mit dem vorbereiteten Glasrohr auf. Man kann sowohl mit Platin als auch mit Kupfer aktiviertes Zink verwenden. Sofort kommt eine lebhafte Wasserstoffbildung in Gang. Nach kurzer Zeit bemerkt man, dass sich das untere Ende der Bleiacetatwatte bräunlich verfärbt (bei der selbstgebauten Apparatur wird die Watte durch den unteren Stopfen verdeckt). Wenn nach etwa einer Stunde die Gasentwicklung deutlich nachlässt, stellt man den Kolben in ein 60-80°C heißes Wasserbad. Insgesamt muss der Versuch über 2 Stunden laufen. Dann öffnet man den Aufsatz und nimmt das Quecksilberbromidpapier heraus. Es hat sich - bei ganz kleinen Arsenmengen nur auf der Unterseite - gelb bis braun verfärbt.

Wie man auf den Bildern sieht, lässt sich mit diesem Vorgehen noch ein halbes Mikrogramm Arsen im Ansatz nachweisen.

Anmerkung: Sämtliche verwendeten Reagenzien müssen anlysenrein sein! Insbesondere Zinkgranalien und Salzsäure enthalten oft kleine Spuren von Arsen. Man überzeuge sich durch einen Leerversuch davon, daß auch nach 2 Stunden auf der Unterseite des Reagenzpapiers kein gelber Fleck entsteht!


Ich habe zwei homöopathische Arsenpräparate auf diese Weise analysiert. Je eine Tablette wurde zerdrückt, unter Erhitzen in 5 ml Wasser gelöst und auf 15 ml aufgefüllt. Dann wurde wie oben mit Zinnchlorid, Kaliumiodid und Salzsäure versetzt und nach 15 Minuten die Zinkgranalien zugegeben.

Eine Tablette Arsenum jodatum D3 (Arsengehalt ca 17,5 µg) bewirkte schon nach 10 Minuten eine so starke Braunfärbung des Reagenzpapiers, dass ich zunächst an eine Verunreinigung des Ansatzgefäßes glaubte und den Versuch wiederholte. Das Ergebnis war jedoch das gleiche. Mit einer Tablette Chininum arsenicosum D4 (entspricht etwa 0,64 µg Arsen) entstand nach 2 Stunden eine leichte, aber deutlich sichtbare Gelbfärbung auf dem Quecksilberbromidpapier.


Entsorgung:
Der Kolbeninhalt mitsamt den restlichen Zinkgranalien kommt in den Schwermetallabfall. Auch die Bleiacetatwatte wird dort entsorgt. Quecksilberbromidpapierreste kommen zu den Quecksilberabfällen.


Erklärung:
Unter einer Grenzprüfung versteht man in der Pharmazie die Prüfung von Arzneistoffen auf Spuren von Verunreinigungen, wobei immer ein Parallelversuch mit einer definierten Menge des Analyten durchgeführt wird. Die hier dokumentierte Methode wurde schon vor 100 Jahren von einem gewissen Herrn Smith publiziert. Sie beruht – wie die bekannte Marsh´sche Probe - auf der Bildung von Arsenwasserstoff. Arsenwasserstoff entsteht immer, wenn in einer arsenhaltigen Lösung naszierender Wasserstoff, z.B. aus Zink und Salzsäure, entwickelt wird:

Zn + 2 HCl ---> ZnCl2 + 2 Hnasc

AsO33- + 3 H+ + 6 Hnasc ---> AsH3 + 3 H2O

Zur Reduktion von eventuell vorhandenem Arsenat zu Arsenit wird Kaliumiodid zugegeben.

AsO43- + 2 I- + 2 H+ <===> AsO33- + I2 + H2O

In stark saurer Lösung und bei hoher Iodidkonzentration liegt das Gleichgewicht praktisch ganz auf der Seite des Arsenits/Iods (rechts). Das entstehende Iod wird durch Zinn-II-chlorid wieder reduziert.

Der Arsenwasserstoff reagiert dann mit dem auf dem Reagenzpapier befindlichen Quecksilberbromid. Es bilden sich verschiedene Verbindungen, die gelb bis braun gefärbt sind,

AsH3 + 2 HgBr2 ---> AsH(HgBr)2 + HBr (daneben entstehen auch As(HgBr)3 und AsH2HgBr)

sowie das schwarze Quecksilber-II-arsenid:

AsH3 + As(HgBr)3 ---> As2Hg3 + 3 HBr

Offensichtlich hat Herr Smith seine Methode aus der bekannten Gutzeit´schen Probe entwickelt, bei der ebenfalls Arsenwasserstoff gebildet und mit Silbernitrat zur Reaktion gebracht wird. Die Reaktion mit Quecksilberbromid zeichnet sich gegenüber der mit Silbernitrat dadurch aus, dass sie besser reproduzierbar ist und die Färbung des Papiers durch Licht oder Feuchtigkeit nicht beeinflusst wird. Flückinger hatte 1889 Quecksilber-II-chlorid verwendet. Die damit erhaltenen Verfärbungen sollen aber - ich habe es nicht selbst ausprobiert - unbeständiger sein, als die mit dem Bromid.

Die vor das Reagenzpapier geschaltete, Bleiacetat-imprägnierte Watte dient dazu, eventuell aus der Mischung entwickelten Schwefelwasserstoff oder Phosphorwasserstoff zu binden, da auch diese das Reagenzpapier (unter Bildung von Quecksilbersulfid oder –phosphid) verfärben würden.

Pb(CH3COO)2 + H2S ---> PbS + 2 CH3COOH

Erstaunlich ist, dass meine Reagenzien offenbar wirklich Spuren von Schwefel oder Phosphor enthalten, denn auch in meinem Leerversuch, also ohne Zugabe der arsenhaltigen Analysenlösung, verfärbte sich die Watte deutlich braun. Das Reagenzpapier dagegen blieb weiß. Damit kann ich zugleich bestätigen, dass die von mir verwendeten Chemikalien arsenfrei waren. Die Arsengrenzprüfung spricht auch auf Antimonverbindungen an, da diese unter den gegebenen Bedingungen Antimonwasserstoff entwickeln, der analog dem Arsenwasserstoff reagiert.

Eine weitere Variante der Arsengrenzprüfung via Arsenwasserstoff stand im DAB 7. Dabei ließ man das Gas in eine Lösung von Silberdiäthyldithiocarbamat in Pyridin leiten, welche sich durch ausgeschiedenes Silber dunkel färbte. Auch diese Reaktion war sehr empfindlich (Erfassungsgrenze ca. 1µg As) und konnte sogar photometrisch ausgewertet werden. Das Reagenz wurde jedoch wegen des unangenehmen Geruches und weil es immer frisch angesetzt werden musste, wieder verlassen.



Literatur:
Europäisches Arzneibuch 7. Ausgabe (2011), Band : Grenzprüfungen, Reagenzienverzeichnis
Authenrieth W, Bauer K.H.: Die Auffindung der Gifte und stark wirkenden Arzneistoffe zum Gebrauch
in chemischen Laboratorien; Verlag von Thodor Steinkopff, Dresden und Leipzig 1943
Smith, Claude R: The determination of arsenic; United States Department of Agriculture, Bureau of
Chemistry. Circular No. 102 (1912)
Flückinger J A; Archiv der Pharmazie 27 (1889): 1


Bilder:
Bild
Geräte zum Arsennachweis, links Arzneibuchapparatur, rechts Eigenbau

Bild
Auflegen des Quecksilberiodidpaiers

Bild
Verfärbung der Bleiacetatwatte

Bild
homöopathische Arsenpräparate (Tabletten zu je 100 mg)

Bild
Verfärbung des Reagenzpapiers
obere Reihe v.l.n.r.: 2,5 µg - 1 µg - 0,5 µg - Leerwert
untere Reihe: links mit "Arsenum jodatum D3" , rechts mit "Chininum arsenicosum D4"
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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Justus Liebig
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Beitrag von Justus Liebig »

Wow, sehr beeindruckend! Und da soll noch mal einer sagen in den homöopathischen Mitteln wäre nichts drin. :mrgreen:
Und jetzt weiß ich auch wofür das komische Glasrohr mit den Federn dran, das bei mir im Keller einstaubt, gut ist.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Bitte noch die Konzentration der Natronlauge zum Lösen vom As2O3 angeben. Dann nochmal über die Einheiten schauen und den Rest mache ich ;)
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Meinst Du mit den Einheiten die Prozente, wo das Leerzeichen fehlte? Das hab ich korrigiert. Sonst noch was?
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Wenn dann fehlt es meistens da, geht aber vielen so und ist auch nur dramatisch, wenn man Artikel hat in denen das ganze oft vorkommt, bei kurzen Syntheseanleitung sind das meist nur ein paar Zahlen, aber in der Analytik wirds gerne mehr :D Danke dass du die Konzentration der NaOH ergänzt hast. Hab noch "daß" und "Jod..." geändert, aber das sei dir verziehen :P

//edit by NI2: Kleinigkeiten geändert und verschoben.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Falls es interessiert: ein aktueller Fall einer Arsenvergiftung. Im Anhang finden sich auch interessante weitere Literaturangaben.

A sickening Tale
N Engl J Med 2018; 379:75-80
DOI: 10.1056/NEJMcps1716775
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