Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

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mgritsch
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von mgritsch »

Gratuliere zur erfolgreichen Synthese und danke für das Feedback - immer schön wenn die Arbeit an einem Artikel auch gefühlt einen Nutzen gebracht hat :)

Alles was du beschreibst entspricht auch meinen Erfahrungen damit.

Was die Ausbeute betrifft: Durch den elektronenziehenden Effekt der Nitrogruppe ist das Diazoniumsalz ein besonders gutes Elektrophil, gleichzeitig durch 2 elektronenschiebende OH Gruppen das Resorcin besonders gut aktiviert. Das Produkt ist eher schlecht löslich. Dadurch läuft diese Reaktion besonders rasch und vollständig ab. Das Diazoniumsalz ist vergleichsweise stabil. Es gibt auch keine „ernstzunehmende“ Alternative für Stellungsisomere.

Der Bedarf an Reinigung des Produktes ist daher vernachlässigbar, für praktische Zwecke erst recht. (ich würde sagen Gehalt >95%, vielleicht sogar 98%) Das mit dem Umfällen würde ich lassen, da erzeugst du durch Oxidation im alkalischen 10 mal mehr neue Verunreinigungen als du jemals entfernt bekommst. Wenn dann umkristallisieren, eventuell aus EtOH? (Nicht geprüft ob geeignet!) dann bekommst du auch kristalline Form statt Tomatenmark ;)

Tipp zum Rauskratzen: einen stabilen Filterkuchen auf Papier kann man oft mitsamt Papier aus dem Büchner im ganzen herausstürzen oder (mit einem Schlauch!) herausblasen. Wenn du das Papier erst entfernst wenn es schon etwas getrocknet ist muss man nicht kratzen. Anhaftende Krümel fallen leicht ab. Meist überschätzt man die Verluste durch solche Restchen aber total. Und last but not least - nachdem du jetzt einen Lebensvorrat an diesem Reagenz hast, was hättest du von 0,1 g mehr?

Diese Synthese zu wiederholen ist für dich (oder mich) eher zweckfrei, aber Nitroanilin lässt sich als Diazo auch an einige andere Aromaten kuppeln. Mag dann vielleicht kein analytisch wertvolles Produkt sein, aber ein anderer Farbstoff (idR irgendwo zwischen Gelb und Rot) allemal. Das ist ja das schöne am synthetischen Arbeiten - der Kreativität sind wenige Grenzen gesetzt…
aliquis
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

O.k., das Umfällen lasse ich dann lieber. Oxidation im Alkalischen ist bei Phenolen ja immer das Problem...
95-98 % rein wäre für mich bereits mehr als ausreichend...
Und so, wie es mir jetzt vorliegt, als Pulver, ist es mir eh am liebsten...

Der Tipp mit dem Antrocken und Rausklopfen/Rauspusten ist gut - das werde ich nächstes Mal direkt ausprobieren.
Naja, und die Umfüllverluste sind nominell ja wirklich nicht groß - fallen aber halt bei kleinen Ansätze relativ stärker ins Gewicht als bei größeren, weil die hängengebliebene Menge ja in der Regel gleich bleibt.
Aber auch da: auf 0,1 g kommt es mir hier nicht wirklich an und ich wünschte, ich hätte bei jeder Synthese eine Ausbeute von über 80 % wie in diesem Fall...

Meine Auswahl an anderen geeigneten Aromaten ist nicht wirklich groß: Anilin oder andere aromatische Amine besitze ich nicht, Phenol wird nur nach Bedarf und auch dann eher in sehr kleinem Maßstab hergestellt. Von den Dihydroxybenzolen ist Resorcin das einzige, über das ich verfüge. Pyrogallol könnte ich mir aus Gallussäure herstellen.
Ein Problem bei den Aromaten sind ja auch immer die gesundheitlichen Tücken: Anilin, Hydrochinon, Brenzkatechin - allesamt Karzinogene, die ich tendenziell eher meide.
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mgritsch
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Donnerstag 19. Mai 2022, 02:09 Naja, und die Umfüllverluste sind nominell ja wirklich nicht groß - fallen aber halt bei kleinen Ansätze relativ stärker ins Gewicht als bei größeren, weil die hängengebliebene Menge ja in der Regel gleich bleibt.
kommt drauf an inwieweit du deine Gefäße der Größe des Ansatzes anpasst :) man kann auch im mg-Maßstab sehr erfolgreich arbeiten, teil sogar besser als Makro weil es dann andere Möglichkeiten gibt wie zB Säulenchromatographie zur Reinigung. Dein 60 ml Büchner ist ja schon ein gutes Stück kleiner als mein 350er, war durchaus angemessen.
Verluste in der Ausbeute kommen von:
- Reinheit bzw richtige Menge der Ausgangsstoffe. Die stöchiometrisch limitierende Komponente bestimmt. Wenn die nur 90% Gehalt hat können keine 100% mehr rauskommen :)
- Nebenreaktionen oder unvollständige Umsetzung zu Produkt (bei der Reaktion eher untergeordnet)
- Verluste durch Löslichkeit in Mutterlauge bei Isolierung oder Reinigung/Umkristallisation (auch eher untergeordnet)
- Handling-Verluste (was irgendwo kleben bleibt)
20% Verlust von ca 2,5 g auf 2,1 g sind 0,4 g, das ist anders betrachtet 1/4 der Menge die du als Fertigprodukt vorliegen hast...
Aber egal.
Meine Auswahl an anderen geeigneten Aromaten ist nicht wirklich groß:
Salicylsäure, Vanillin, PABA, Thymol? Das wären "haushaltsübliche" mehr oder weniger aktivierte allerwelts-Aromaten...
Ein Problem bei den Aromaten sind ja auch immer die gesundheitlichen Tücken:
und je länger du wartest desto kürzer wird die Liste was nicht als gefährlich eingestuft ist... aber das muss jeder handhaben wie er mag :)
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

Jepp, Handling-Verlust ist bei diesen Ansatzmengen vermutlich der Hauptgrund für die Ausbeute-Einbußen gewesen.

Die aromatischen Carbonsäuren hätte ich beinahe vergessen... Benzoe-, Phthal- und Salicylsäure hätte ich natürlich da. Den Rest von der Beispielliste leider nicht. Was ergäbe das dann, wenn man das Resorcin durch Salicylsäure ersetzte?

Ja, das Problem mit der fortschreitenden CMR-Einstufung ist mir gleich damals aufgefallen, als ich nach langer Pause über die 90er und 2000er Jahre wieder mit der Hobbychemie angefangen bin - ich habe mich regelrecht erschrocken darüber, was mittlerweile alles als krebserregend gilt...
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mgritsch
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von mgritsch »

Mit Benzoe- und Phthalsäure wird das nicht klappen, die Säurereste desaktivieren den Benzolkern weil sie zu stark Elektronen ziehen. Mit Salicylsäure schon, wird etwas buntes ergeben :) eventuell 2 Stellungsisomere, einmal ortho und einmal para zur OH, schwer zu sagen was bevorzugt wird. Tippe eher auf para.

Die anderen Kandidaten bekommt man leicht zB auf Ebay.
aliquis
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

Salicylsäure werde ich im Reagenzglas testen. Danach schaue ich mal, ob ich's mit mehr oder mit noch was anderem ausprobiere.

Vielen Dank für die Tipps soweit erstmal.
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

So, da wäre er: im Alkalischen rotbraun und gut löslich, im Sauren eidottergelb und nicht besonders gut wasserlöslich.

5-(4-Nitrophenylazo)salicylsäure oder auch Alizarin Gelb R bzw. Mordant Orange I, gar nicht mal so ungeläufig oder gar nutzlos, s. hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Alizaringelb_R
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von mgritsch »

:thumbsup: Nett! Geht doch ganz einfach und macht Freude, oder? :D
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

Einen Azofarbstoff mal eben schnell und unkompliziert im Reagenzglas hergestellt, das ist schon nett.
Ich mag Probierglasversuche als Experimentierformat ohnehin ganz gern, es müssen nicht immer tagfüllende Synthesen sein und der größte Präparatesammler bin ich eh nicht... 😉
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

Sind Alizaringelb und Prager Alizaringelb die gleiche Substanz?
Ich frage wegen dieser Syntheseanleitung: https://www.lambdasyn.org/synfiles/pr400-375.htm
Bei Diazotierung von Nitroanilin mit Salicylsäure oder Resorcylsäure kann doch unmöglich der gleiche Azofarbstoff herauskommen, oder? :?
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von mgritsch »

aliquis hat geschrieben: Samstag 1. Juli 2023, 18:18 Sind Alizaringelb und Prager Alizaringelb die gleiche Substanz?
der Name "Alizarin-" wurde vielfach missbraucht, vor allem historische Farbstoffnamen sind immer mit großer Vorsicht zu genießen. Jeder hat sein Produkt irgendwie anders benannt, dadurch kam es zu verschiedenen Namen für das selbe aber auch sicher auch zu ähnlichen Bezeichnungen für komplett andere Dinge.

Mit Alizarin (Anthrachinon-Grundkörper) haben weder Prager Alizaringelb noch Alizaringelb R noch Alizaringelb GG etwas gemeinsam.
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

mgritsch hat geschrieben: Samstag 1. Juli 2023, 18:50 Mit Alizarin (Anthrachinon-Grundkörper) haben weder Prager Alizaringelb noch Alizaringelb R noch Alizaringelb GG etwas gemeinsam.
Dass Alizarin mit solchen Azofarbstoffen nichts zu tun hat, war mir klar. Dass es Prager Alizaringelb und Alizaringelb GG gibt, war mir jedoch nicht bekannt.

Gegenüber R ist bei GG 3- statt 4-Nitroanilin in der Diazo-Komponente verbaut, und bei Prager Alizaringelb gegenüber R eine zweite Hydroxy-Gruppe am Benzolring der Kopplungskomponente, richtig?

Über Prager Alizaringelb findet man außer der Syntheseanleitung bei lambdasyn auch kaum Informationen im Netz...
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von Glaskocher »

Der professionelle Weg zur Information geht oft über die CAS-Nummer und die darüber recherchierbare Primärliteratur. So bekommt man die Struktur und die Anwendung der Moleküle, wenn man ihre Synthese geklärt hat, falls man sie nicht gekauft hat.
aliquis
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von aliquis »

Ich kann nicht einmal die CAS-Nummer von 5-(4-Nitrophenyl-1-azo)-2,4-dihydroxybenzoesäure irgendwo finden... :?
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Glaskocher
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Re: Synthese und Test von "Magneson I" und "Magneson II"

Beitrag von Glaskocher »

Im Scifinder konnte ich 751416-89-4 für die freie Säure und 6409-04-7 für das Natriumsalz finden. Ea wird auch "Prague Alizarin Yellow R" genant.

Ab hier fehlen sämtliche Angaben zu veröffentlichten Daten (Synthese, Zitate, Handelsware) (ist mir bisher noch nie passiert)

Natriumsalz:
In EINECS unter Natrium-2,4-dihydroxy-5-[(4-nitrophenyl)azo]benzoat ... EINECS No.: 229-076-5
In REACH unter sodium 2,4-dihydroxy-5-[(4-nitrophenyl)azo]benzoate ... https://echa.europa.eu/substance-inform ... 00.026.433

Für die freie Säure werden Vorhersagen zu ...
Bioconcentration Factor (pH 1-10)
Koc (pH 1-10), logD (pH 1-10), Mass Intrinsic Solubility, Mass Solubility (pH 1-10), Molar Solubility (pH 1-10)
pKa 2.87±0.12 Most Acidic Temp: 25 °C
Vapor Pressure 1.32 x 10-16 Torr Temp: 25 °C
1H- und 13C-NMR
... berechnet

Nachgereicht: C.I. 14325 für das Natriumsalz

Fazit: Man braucht viel Glück, um weitere veröffentlichte Information zu dieser Substanz zu finden.
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