2,3,5-Triphenyl-2H-tetrazoliumchlorid, TTC, Tetrazoliumchlorid, [298-96-4]
Triphenyltetrazoliumchlorid (TTC) ist ein Redoxindikator, der insbesondere in der Biochemie gerne zur Prüfung der Vitalität von Zellen herangezogen wird[1]. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist in der Photographie - TTC ist in gewissem Maße lichtempfindlich und kann durch UV Licht zum roten Formazan reduziert werden - ein schönes Anwendungsbeispiel hat BJ68 in seinem Artikel gezeigt.
Hergestellt wird es über den üblichen Syntheseweg der Formazane indem man eine Diazo-Kupplung zwischen Benzaldehydphenylhydrazon und Phenyldiazoniumchlorid durchführt. Das so gewonnene Triphenylformazan kann dann zum TTC oxidiert werden.
Das Zwischenprodukt Triphenylformazan hat zwar auch einige interessante Eigenschaften und kann z.B. ähnlich wie 2-Carboxyformazylbenzol Komplexe mit Metallen bilden, aufgrund seiner schlechten Wasserlöslichkeit ist es jedoch von keiner praktischen Bedeutung.
Geräte:
Bechergläser, Magnetrührer, Eisbad, Filternutschen, Vakuumdestillation oder Rotavapor, Scheidetrichter
Chemikalien:
Phenylhydrazinhydrochlorid



Benzaldehyd

Natriumacetat
Methanol



Anilin





Salzsäure


Natriumnitrit



Ethanol


Pyridin


Essigsäure


Blei(IV)-oxid




Dichlormethan


Diethylether


Benzaldehydphenylhydrazon

Triphenylformazan


Triphenyltetrazoliumchlorid

Durchführung:
Synthese von Benzaldehydphenylhydrazon:
16,3 g (120 mmol) Natriumacetat-Trihydrat wurden unter Erwärmen in 75 ml Methanol gelöst. Anschließend wurden 5,8 g (40 mmol) Phenylhydrazinhydrochlorid zugegeben und gerührt, bis alles aufgelöst war. Zu der noch warmen Lösung wurden unter gutem Rühren 4,0 ml (40 mmol) Benzaldehyd gegeben und noch ein paar Minuten weiter erwärmt. Bereits nach kurzer Zeit kam es zur Abscheidung von Kristallen aus Benzaldehydphenylhydrazon. Die Abscheidung wurde durch Zugabe von ca. 150 ml dest Wasser vervollständigt, die Kristalle abgenutscht, mit Wasser gut nachgewaschen und getrocknet.
Ausbeute: 7,1 g (90,4% d.Th) eines beige-braunen kristallinen Pulvers.
Synthese von Triphenylformazan:[2]
In einem 250 ml-Becherglas wurden 5,9 g (30 mmol) Benzaldehydphenylhydrazon in 15 ml Pyridin und 15 ml Ethanol gelöst und in einem Eisbad auf 5 °C gekühlt. Das Benzaldehydphenylhydrazon löst sich in dieser Mischung problemlos auf und bleibt auch in der Kälte in Lösung.
Inzwischen wurden in einem 50 ml-Becherglas 2,8 g (30 mmol) Anilin in 9 ml konz. Salzsäure gelöst und ca 10 g zerstoßenes Eis zugegeben. Der Ansatz wurde in einem Eisbad weiter gekühlt und unter Rühren eine Lösung von 2,3 g (33 mmol) Natriumnitrit in 5 ml Wasser zugetropft. Das Anilin wird dabei vollständig zu einer klaren Lösung des Diazoniumsalzes umgesetzt.
Die Lösung des Diazoniumsalzes wurde nun langsam und unter gutem Rühren zur vorbereiteten, gekühlten Lösung des Benzaldehydphenylhydrazons gegeben, wobei darauf geachtet wurde, dass die Temperatur nicht über 20 °C stieg. Dabei bildete sich sofort eine intensive orange Farbe, die rasch zu einem dunklen, kräftigen Rot wurde. Es wurde noch 3 Stunden bei Raumtemperatur weiter gerührt, um die Reaktion zu vervollständigen. Dabei kam es zu einer leichten Gasbildung durch zerfallendes Diazoniumsalz, wodurch der durch ausgefallenes Produkt relativ dickflüssige Ansatz sich aufbläht - ein ausreichend großes Becherglas ist daher wichtig. Durch Umschwenken bzw Rühren mit dem Glasstab konnte die Schaumbildung etwas in Grenzen gehalten werden. Der Niederschlag wurde abgenutscht, mehrfach gut mit Wasser nachgewaschen und mit ca. 120 ml Ethanol siedend ausgekocht. Nach dem Auskühlen wurde erneut abgenutscht und das Produkt getrocknet.
Ausbeute: 5,90 g (65,5 % d.Th) eines dunkelroten kristallinen Pulvers.
Synthese von Triphenyltetrazoliumchlorid:[3]
5,0 g (17 mmol) Triphenylformazan wurden in einem 150 ml-Becherglas in 30 ml Essigsäure gelöst und auf ca 60 °C erwärmt. Nun wurden im Verlauf von etwa 2 Stunden unter gutem Rühren in kleinen Portionen insgesamt 4,4 g (18 mmol) Blei(IV)-oxid eingebracht und die Temperatur dabei weiter bei 60 °C gehalten. Bei jedem neuen Eintrag von PbO2 kommt es zu einem merklichen Temperaturanstieg, eine rasche Zugabe ist daher auf jeden Fall zu vermeiden. Die Farbe der Lösung verändert sich dabei von dunkelrot zu bräunlich. Der Ansatz wurde weitere 2 Stunden bei 60 °C gehalten und dann von geringen Mengen überschüssigem PbO2 abfiltriert. Der Filter wurde mit etwas Essigsäure nachgewaschen, um Verluste an Produkt zu vermeiden.
Die nun braune Lösung wurde am Rotavapor unter reduziertem Druck auf ein Minimum eingeengt (alternativ: einfache Vakuumdestillation). Der dickflüssige Rückstand wurde in ein 150 ml-Becherglas überführt und die Reste im Kolben gut mit zunächst insgesamt 25 ml Wasser bzw. dann 30 ml konz. HCl nachgewaschen und ebenfalls ins Becherglas überführt. Durch die konz. HCl wird das als Nebenprodukt gebildete Bleiacetat als schwerlösliches Chlorid ausgefällt und abgenutscht.
Das Filtrat wurde nun im Scheidetrichter 6 mal mit 10 ml DCM ausgeschüttelt. Die vereinigten organischen Phasen wurden über Calciumchlorid getrocknet, auf ca. 25 ml eingeengt und durch Zugabe von ca. 30 ml Diethylether das Produkt ausgefällt. Zur Reinigung wurde das Produkt erneut in ca. 15 ml Ethanol warm aufgelöst und durch Zugabe von ca. 25 ml Diethylether ausgefällt.
Ausbeute: 4,0 g (71,8 % d.Th) eines hellbeigen kristallinen Pulvers.
Test des Triphenyltetrazoliumchlorids:
a) Reduktionstest: Eine Spatelspitze (!) des Produkts wurde im Reagenzglas in ca 10 ml dest Wasser aufgelöst und mit einer Spatel voll Natriumcarbonat alkalisch gestellt. Nun wurde eine kleine Menge Glucose zugegeben und erwärmt - mit steigender Temperatur bildet sich erst langsam eine Trübung, dann immer rascher ein Niederschlag aus schwer löslichem, tief rotem Triphenylformazan.
b) Test als Vitalfärbung von Kulturen:
Herstellung eines improvisierten TTC-Agars: In einem 250 ml-Becherglas wurden 1,5 g Agar, 1,5 g Collagen-Hydrolysat (Nahrungsergänzungsmittel), 0,5 g Glucose, 0,5 g Suppenpulver ("Knorr Goldaugen Rindsuppe"), 0,38 g Dinatriumhydrogenphospat-Dodecahydrat, 50 mg Kaliumdihydrogenphosphat und 1 Spielplatz TTC vorgelegt und in 100 ml Wasser gelöst und 5 Minuten lang gekocht. Mit der Lösung wurden 3 Petrischalen ausgegossen und der Nährboden erstarren gelassen.
Die Petrischalen wurden dann beimpft: in eine wurde mehrfach kräftig hinein gehustet, in der zweiten wurde ein Fingerabdruck hinterlassen sowie mit einem feuchten Wattestäbchen der Boden im Vorzimmer gewischt und damit der Agar beimpft, in der dritten wurde mit dem feuchten Wattestäbchen in der Toilette unter dem Beckenrand gewischt und dann damit der Agar beimpft.
Die Kulturen wurden zur Bebrütung mit der Agar-Seite nach oben (damit sich keine Kondenswasser-Tröpfchen bilden und damit die Kultur nicht überhitzt) auf einen warmen Heizkörper gelegt. Die Kultur dürfte eine Temperatur von ca 30-35 °C gehabt haben. Nach 12 Stunden waren auf der Kultur von der Toilette bereits zahlreiche rote Punkte erkennbar, nach 24 Stunden waren die Ausstriche sehr kräftig mit rot gefärbten Kolonien übersät. Die anderen beiden Kulturen zeigten erst später wesentliches Wachstum (teils bakteriell, teils Schimmelpilze) und waren nur teilweise rot gefärbt.
c) Test als Vitalfärbung von Hefe:
In einem Reagenzglas wurde etwas Zucker in Wasser aufgelöst, ein kleine Menge Backhefe zugegeben und die Suspension auf 2 Reagenzgläser aufgeteilt. Eines wurde abgekocht, das andere blieb unbehandelt. In beide wurde eine Spatelspitze (!) TTC gegeben. Nach kurzer Zeit setzte im nicht abgekochten Ansatz eine leichte Gärung ein, wobei anscheinend das TTC der Hefe schadet - nach kurzer Zeit kam die Gärung zum erliegen. Die Hefe die sich im vitalen Ansatz am Boden absetzte, war kräftig rot gefärbt, im abgekochten Ansatz war sie ungefärbt.
Entsorgung:
Abfälle kommen zu den halogenfreien organischen Abfällen. Die Abfälle aus der Oxidation zum Triphenyltetrazoliumchlorid kommen zu den schwermetallhaltigen Abfällen.
Erklärung:
Benzaldehyd und Phenylhydrazin reagieren zum Benzaldehydphenylhydrazon. Dieses wird mit Benzoldiazoniumchlorid (aus Anilin und Natriumnitrit) zum Triphenylformazan umgesetzt. Mit einem starken Oxidationsmittel wie PbO2 erfolgt der oxidative Ringschluss zum TTC:
Bei der Nutzung als Redox-Indikator wird das farblose TTC dabei wieder zurück zum intensiv roten Triphenylformazan, einem Vertreter der Formazane reduziert.
Die Redox-Prozesse sind dabei in beide Richtungen relativ stark gehemmt, sodass trotz eines relativ niedrigen Redox-Potentials von
Triphenylformazan <-> Tetrazoliumchlorid + e- + H+ (E° = -0,294 V)
eine Oxidation des Triphenylformazans nur mit sehr starken Oxidationsmitteln (Peroxid, Pb4+, Persulfat) und/oder Katalysatoren möglich ist, bzw. umgekehrt die Reduktion des TTC sehr starke Reduktionsmittel (Dithionit) erfordert. Dadurch bleibt das farbige Produkt der Reduktion (im Gegensatz zu z.B. Leukomethylenblau) beständig und wird nicht durch Luftsauerstoff wieder oxidiert. In lebenden Zellen kann aufgenommenes TTC im Rahmen biologischer Prozesse durch NADH reduziert werden und zeigt somit Vitalität an. Benutzt wird es unter anderem, um die Keimfähigkeit von Saatgut zu prüfen oder als Zusatz zu Agar-Kulturmedien, wo es bei manchen Bakterien- oder Pilzarten zu einer kräftigen Anfärbung der Kolonien und somit besserer Erkennbarkeit führt.
Bilder:
Kristallisiertes Benzaldehyd Phenylhydrazon
Diazotierung von Anilin
Diazo-Kupplung zum Triphenylformazan
Zwischenprodukt Triphenylformazan
Oxidation von Triphenylformazan mit PbO2 in Essigsäure
Einrotieren des Filtrats
Fällung des Bleichlorids
Extraktion des Filtrats mit DCM
Fällung des TTC aus der DCM-Lösung mit Ether
Das fertige Produkt TTC
Test mit Glucose - Reduktion bei Erwärmung im alkalischen
Test mit einem Ausstrich von Fäkalkeimen auf einer TTC-hältigen Agar-Platte
Test Vitalfärbung von Hefe, abgesetzte Hefe nach etwas mehr als einem Tag - links eine abgekochte, tote Hefe; rechts eine vitale Hefe (wenngleich sie das TTC nicht zu gut vertragen hat - eventuell schon überdosiert?)
Literatur:
[1] Science (1950), 111, 385 https://doi.org/10.1126/science.111.2885.385
[2] Bull. Hist. Chem. (2012), 37, 91
[3] Chemicke Zvesti (1957), 11, 153