Synthese von Indophenol

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mgritsch
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Synthese von Indophenol

Beitrag von mgritsch »

Synthese von Indophenol
[500-85-6], N-(4-Hydroxyphenyl)-p-benzochinonmonoimin


Indophenol ist die unsubstituierte Stammsubstanz der Stoffklasse der Indophenole. Praktische Bedeutung haben vor allem das 2,6-Dichlorphenolindophenol-Natrium (DCPIP) als Redox-Indikator und gleichzeitig Maßlösung bei Titrationen sowie die sogenannte Berthelot-Reaktion, eine der empfindlichsten, quantitativen Nachweisreaktionen für Ammonium-Ionen bei der ebenfalls Indophenol oder ein Derivat davon entsteht. Auch beim NADI-Reagenz enthsteht ein Indophenol-Derivat.

Indophenol ist ein sogenanntes Chinonimin und kann als Kondensationsprodukt aus 1,4-Benzochinon und einem Amin gedacht und grundsätzlich auch hergestellt werden. Effizienter und leichter geht die Synthese aber in einer gemeinsamen Oxidationsreaktion von einem p-Hydroxy-Amin und einem Phenol mittels Hypochlorit. Erstmals systematisch beschrieben wurde Indophenol 1912 von G. Heller[1], von dort stammt auch die hier genutzte Synthesevorschrift.


Geräte:

Bechergläser, Gefrierfach, Magnetrührer, Filternutsche, Exsiccator, Thermometer


Chemikalien:

Phenol Warnhinweis: tWarnhinweis: cWarnhinweis: xnWarnhinweis: n
p-AminophenolWarnhinweis: xnWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Natriumhypochlorit-Lösung Warnhinweis: cWarnhinweis: n
NatriumhydroxidWarnhinweis: cWarnhinweis: attn
konz. SalzsäureWarnhinweis: cWarnhinweis: attn
Natriumchlorid
IndophenolWarnhinweis: attn


Durchführung:

Zuerst wurden folgende 3 Lösungen in Bechergläsern vorbereitet:
  • 10,9 g (0,1 mol) p-Aminophenol in 90 ml Wasser + 10 ml konz. HCl
  • 9,4 g (0,1 mol) Phenol und 11,6 g (0,29 mol) NaOH in 50 ml Wasser
  • 90 g NaCl in 325 ml einer kommerziellen Natriumhypochlorit-Lösung mit einem titrimetrisch ermittelten Gehalt von 47,9 g/l entsprechend 0,21 mol NaOCl in einer fast gesättigten NaCl-Lösung.
Alle drei Lösungen wurden im Kühlschrank, die Natriumhypochlorit-Lösung dann noch im Gefrierfach auf -12 °C vorgekühlt.
Nun wurden ein paar Stücke Eis in die Natriumhypochlorit-Lösung gegeben, die beiden Lösungen von p-Aminophenol und Phenol miteinander vermischt und das ganze zügig in die stark gerührte Natriumhypochlorit-Lösung eingegossen. Der Ansatz verfärbte sich dabei augenblicklich tief dunkelblau und die Temperatur stieg auf ca +5 °C an. Es wurde zur Vervollständigung noch ca. 1 Stunde ohne weitere Kühlung oder Eiszugabe gerührt.

Nun wurde der Ansatz durch eine große Nutsche abfiltriert, was aufgrund der sehr feinen Kristalle, die den Filter rasch blockieren, sehr lange dauerte. Es wurde noch zweimal mit gesättigter NaCl-Lösung nachgewaschen und so gut wie möglich trocken gesaugt. Der Filterkuchen wurde nun auf ein Uhrglas transferiert und 3 Tage im Vakuumexsiccator über Silicagel + CaCl2 gründlich getrocknet. Die dunkelgrün-metallisch glänzenden Stückchen wurden in einem Mörser gepulvert.

Ausbeute: 11,15 g (50,4% d.Th.) eines dunkelgrünen Pulvers.

Die Ausbeute dürfte zu einem guten Teil der - trotz Aussalzens - sehr guten Wasserlöslichkeit des Natriumsalzes geschuldet sein. Durch Ansäuern fallen aus der Mutterlauge zwar noch nennenswerte Mengen einer dunkelbraunen, amorphen Substanz an, die sich in Alkalien wieder stark dunkelblau auflöst. Da das Produkt aber säurelabil ist und langsam zerfällt, ist Ansäuern keine Option zur Erhöhung der Ausbeute: dabei würden große Mengen an Verunreinigungen erzeugt.


Entsorgung:

Abfälle kommen zu den halogenfreien organischen Abfällen.


Erklärung:

Bei der Indophenol-Reaktion kommt es im ersten Schritt zur Bildung eines N-Chloramins:
mech_1.png
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Das N-Chloramin reagiert mit einem Phenol, durch weiteres Hypochlorit wird es zum Chinonimin weiter oxidiert:
mech_2.png
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Als Natriumsalz ist die Verbindung langfristig stabil und sehr gut wasserlöslich, tief dunkelblau und extrem farbintensiv. Bei pH 7-8 schlägt die Farbe langsam ins rötlich-blaue um (pKa = 8,1)[2] und im sauren Bereich, wo das freie Chinonimin vorliegt, ist die Substanz nur noch relativ schwach rötlich gefärbt. Die Verbindung ist im sauren sehr hydrolyselabil und zerfällt innerhalb kurzer Zeit unter Spaltung der Imin-Bindung in Chinonimid und Hydrochinon. Chinonimid ist ebenfalls instabil und sehr reaktiv, so dass sich rasch verschiedene Folge- und Zerfallsprodukte bilden:
mech_3.png
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Die interessanteste Eigenschaft ist die Funktion als Redox-Indikator. Das Chinon wird durch starke Reduktionsmittel wie z.B. Ascorbinsäure oder Dithionit reversibel zu einer farblosen Leukoverbindung reduziert:
mech_4.png
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Um diese Reaktionen auch in neutraler bis schwach saurer Lösung durchführen zu können, ohne dass der Indikator dabei zerfällt, benutzt man daher bevorzugt das Dichlor-Derivat (Dichlorphenol-Indophenol, DCPIP). Durch den -I-Effekt der beiden Chlor-Substituenten wird der pKa der Phenol-Gruppe so weit gesenkt (von pKa = 8,1 auf 5,7)[2], dass auch bei pH 6 noch immer überwiegend die dunkelblaue, dissoziierte und somit stabile Form vorliegt. Die Titration mit DCPIP ist eine ältere Standard-Methode zur Bestimmung von Ascorbinsäure, dabei wird zuerst ein Überschuss einer gestellten DCPIP-Lösung zugesetzt, und der Überschuss dann mit einer gestellten Ascorbinsäurelösung bis zur Entfärbung titriert. Wegen des aufwändigen Stellens der Lösungen und der etwas sensiblen Reaktionsführung ist sie aber nicht besonders verbreitet.


Bilder:

01 Lösungen.jpg
Die drei vorbereiteten Lösungen

02 Ansatz.jpg
Die vorgekühlte Hypochlorit-Lösung, bereit zum Start

03 Reaktion.jpg
Auf den Eiswürfeln im Ansatz ist das wunderschöne, intensive Blau gut zu sehen

04 Nutsche.jpg
Abnutschen der Kristalle, ein Geduldsspiel über mehrere Stunden

05 Produkt.jpg
Das glitzernde getrocknete Produkt, vor dem Mörsern

06 Reaktion_a.jpg
Eine stark verdünnte, schwach alkalische Lösung - Nach Zugabe von etwas Essigsäure - Zugabe einer Spatelspitze Ascorbinsäure
06 Reaktion_b.jpg
... und 3 Minuten später. Im sauren zerfällt das Molekül.


Literatur:

[1] Heller, G. (1912), Über die einfachsten Indophenole und Indamine. Justus Liebigs Ann. Chem., 392: 16-48. https://doi.org/10.1002/jlac.19123920103
[2] Edmund Bishop: Indicators. https://doi.org/10.1016/C2013-0-02450-4 ISBN: 978-0-08-016617-9
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mgritsch
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von mgritsch »

Es bleibt bunt :)
Mal sehen ob sich das Dibrom-Derivat auch gut herstellen lässt... das müsste dem DCPIP im Einsatz schon gleichwertig sein
Glaskocher
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von Glaskocher »

Eine interessante Synthese, aber bei den Geräten ist Vorsicht geboten. Der Schlifferlenmeierkolben, der die Mutterlauge auffängt ist bauartbedingt NICHT für Vakuum geeignet. Der dünnwandige flache Boden kann kollabieren. Ein Rundkolben an seiner Stelle ist der optimale Auffangkolben für diesen Aufbau.
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mgritsch
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von mgritsch »

Hi Glaskocher,

Mit dem Hinweis hast du völlig recht, alles was flache Flächen hat ist in Zusammenhang mit Vakuum suspekt. Ist aber ein dickwandiger Kolben, ausgewiesen für Vakuumfiltration. Nicht so dick wie Exsiccator, aber merklich verstärkt, gute 3 mm würde ich sagen. Etwas von der Dicke üblicher Rundkolben würde hier kollabieren.
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lemmi
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von lemmi »

Sehr schön! Endlich ist mir klar, was unter Indophenolblau zu verstehen ist. :)

Mir ist der Farbstoff unter dem selben Namen aus der frühen medizinisch-chemischen Literatur bekannt. Schon vor 1910 haben zwei Hämatologen namens Winkler und Schultze die “Indophenolblausynthese“ benutzt, um das Enzym Oxidase in bestimmten Leukozyten nachzuweisen (Granulozyten sind oxydase-positiv, Lymphozyten negativ). Dabei wurde ein Gemisch aus 1-Naphtol und N-Dimethyl-1,4-phenylendiamin eingesetzt. Die Oxidase bewirkt die Kuppelung in Gegenwart von Luftsauerstoff und die entsprechenden Zellen färben, sich im Zytoplasma (genauer gesagt, die in demselben enthaltenen Granula) tiefblau an. Später wurde dazu Benzidin verwendet und Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel eingesetzt, wobei jetzt strenggenommem Peroxidase nachgewiesen wird ( sogen Myeloperoxidase, ob diese mit der Oxidase identisch ist, weiß ich nicht sicher - aber das Vorkommen in den Zellen ist gleich).

Die Reaktion wird heute, noch zur grundlegenden Einteilung von Leukämien (akute lymphatische vs. myeloische Leukämie) verwendet. Allerdings wird sie zunehmend vom Immunfluoreszenznachweis (FACS) der Myeloperoxidase und anderer Marker verdrängt, der viel empfindlicher ist.
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mgritsch
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Mittwoch 14. Juli 2021, 23:56 Sehr schön! Endlich ist mir klar, was unter Indophenolblau zu verstehen ist. :)
Freut mich :) und vielleicht finde ich noch heraus wie man zum Namen „Indo-“Phenol kam. Hat das was mit Indien oder Indigo zu tun? Mit letzterem hat es mal ein wenig die Farbe gemein, also vermutlich wohl das…
Dabei wurde ein Gemisch aus 1-Naphtol und N-Dimethyl-1,4-phenylendiamin eingesetzt.
Das ist das in der Einleitung erwähnte NADI-Reagenz :) Streng genommen entsteht dabei ja kein Indophenol sondern auf Basis der -N(CH3)2 ein Indoanilin. Egal, beides sind Chinonimine :)

Jetzt würde mich noch interessieren was man aus der Anwesenheit der Oxidase schließen kann. Tritt nur bei Leukämie auf? Granulozyten und Lymphozyten treten ja auch ohne Krebs auf und sind IIRC auch anhand der Morphologie unterscheidbar, oder?
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lemmi
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von lemmi »

Im Normalzustand ja. Aber bei akuten Leukämien vermehren sich Vorläuferzellen - sog. Blasten - die sich verdammt ähnlich sehen. Die kann man, anhand der Peroxidasereaktion unterscheiden. Die Therapie ist nämlich komplett unterschiedlich.
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von Glaskocher »

Kann das hydrolysierte Molekül auch einen Chinhydron-artigen Komplex bilden?

Insgesamt erscheint das Molekül sehr interessant zu sein. Manche "Leichtgewichte" werden glatt unterschätzt!
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mgritsch
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat geschrieben: Donnerstag 15. Juli 2021, 23:36 Kann das hydrolysierte Molekül auch einen Chinhydron-artigen Komplex bilden?
mit "hydrolysiertes Molekül" meinst du das Chinonimid?
strukturell denkbar, praktisch schwierig - bekommst du nicht isoliert, wenn man etwas länger wartet ist immer Benzochinon als letztes Abbauprodukt in der Kette und es reagiert leicht mit anderen Molekülen... das Hydrochinon als zweites Zerfallsprodukt wird sicher gleich angegriffen davon und in o-Position substituiert...

Ich hatte ja gehofft dass ich mit dem blauen Wasser in der Hand Vitamin C -Nachweise im Haushalt hinbekomme. Mal sehen.
Das ist es was die Substanz analytisch interessant macht - gegen andere, schwächere Reduktionsmitel ist es beständig und somit in Lebensmitteln relativ spezifisch für Ascorbinsäure.
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von Glaskocher »

Ich meine die Mischung aus Hydrochinon und Chinonimin. Wie jetzt der Ersatz von Keto- gegen Imingruppe sich auf die Ausbildung des Charge-transfer-komplexes auswirkt weiß ich nicht. Außerdem weiß ich nicht, wie leicht die Rückreaktion abläuft, ob schon einfaches Verdunsten des Wassers aus der Lösung reicht. Daß das Hydrochinon recht schnell zum Chinon oxidierbar ist hatte ich zunächst ausgeblendet, aber das Chinon wird sicher das Endprodukt der Oxidation ohne Zerstörung von C-C-Bindungen sein.
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von mgritsch »

p-Chinonimin ist im wässrigen Medium nicht stabil und hydrolysiert je nach pH binnen Minuten oder Stunden vollständig zum Benzochinon https://doi.org/10.1039/J29690000213

dass es auch während es noch vorliegt nicht allzu gerne einen Charge-Transfer Komplex eingeht dürfte sich schon daraus ableiten lassen, dass die Lösung in der ja eine geradezu perfekte molare Mischung vorliegt immer mehr verblasst statt in der Intensität tiefer oder in der Farbe anders zu werden.

Weiters kommt es mit elektronenreichen Aromaten auch zu Substitutionsreaktionen direkt am Chinon-Kern - das geht schon am Indophenol los. Daher die Aussage dass es zu einem ganzen Zoo an Folgeprodukten kommen kann...
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lemmi
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Re: Synthese von Indophenol

Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: korrekturgelesen und verschoben]
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

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