Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Synthesen aus allen Bereichen.

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lemmi
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Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von lemmi »

Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen


Silbernitrat ist das wichtigste Silbersalz und wird im Labor sowohl zu Synthesen als auch zu qualitativen und quantitativen Analysen eingesetzt. Bei den Reaktionen entstehen oft unlösliche Niederschläge aus Silberhalogeniden und anderen Salzen, die zweckmäßig gesammelt und recycelt werden. Dazu werden sie zunächst in Silberchlorid überführt und dann zu Silber reduziert, das schließlich zu Silbernitrat umgesetzt wird. Im Folgenden wird das Vorgehen genau beschrieben. Auf demselben Weg kann aus silberhaltigen Legierungen (Schmuck- oder Münzsilber) reines Silbernitrat dargestellt werden.


Material/Geräte:

Brenner, Dreifuß und Drahtnetz, Rund- oder Erlenmeyerkolben 100 und 250 ml, evtl. durchbohrter Stopfen mit Glasröhrchen und Ableitungsschlauch (für Abgase), Messzylinder 10 und 50 ml, Glasstab, Becherglas 100-250 ml, Porzellantiegel, Grillkamin (oder Muffelofen), Wasserbad, Glasstab oder Porzellanspatel, Destilliervorrichtung, Zentrifuge, Abdampfschale, Porzellantiegel oder-pfännchen mit Stiel, Kristallisierschale, Einrichtung zur Saugfiltration mit Glasfritte 3G, Waage,


Chemikalien:

Salpetersäure 250 g/l (ca. 4N) Warnhinweis: cWarnhinweis: tWarnhinweis: n
Salzsäure 25 % (ca. 8N) Warnhinweis: attnWarnhinweis: c
Wasserstoffperoxidlösung 30 % Warnhinweis: c
Zinkgranalien oder -stangen
Natriumcarbonat, wasserfrei Warnhinweis: attn
Kaliumcarbonat Warnhinweis: attn
Glucose
Natronlauge 8% (ca. 2N) Warnhinweis: c
Ethanol 96 %, unvergällt Warnhinweis: fWarnhinweis: attn
Silber-Laboratoriumsabfälle Warnhinweis: attn
alter Silberschmuck

Silber
Silbernitrat Warnhinweis: cWarnhinweis: oWarnhinweis: attn


Sicherheitshinweise:

Beim Lösen des Silbers werden teilweise giftige nitrose Gase frei, beim Eindampfen der Silbernitratlösung Säuredämpfe. Im geschlossenen System, mit Gasableitung, im Freien oder unter dem Abzug arbeiten! Auch das Schmelzen des Silbernitrates muss im Freien oder unter dem Abzug erfolgen.
Die konzentrierten Silbersalzlösungen geben auf Haut, Kleidung und Gegenständen (Tischplatte) sehr hartnäckige, schwarze Flecken. Entsprechende Unterlage und Schutzkittel, ggf. Handschuhe (griffsicher!) verwenden!


Versuchsdurchführung:

Anmerkung: Man beachte, dass die hier eingesetzte Salpetersäure die Konzentration 250 g/l und nicht 25 % (Massenprozent) hat!

1. Gewinnung von Silberchlorid aus altem Silberschmuck und Laboratoriumsabfällen
2. Verarbeitung von Silberchlorid auf Silber
3. Darstellung von Silbernitrat



1. Gewinnung von Silberchlorid aus altem Silberschmuck und Laborabfällen

Silber zu Schmuckgegenständen und Münzen ist mit einem gewissen Anteil Kupfer legiert, das abgetrennt werden muss. Die Stücke werden in einem 100 ml-Rundkolben mit 3,5 ml Salpetersäure pro Gramm Metall übergossen. Nach dem Erwärmen (hier im Wasserbad, es geht auch ein kleiner Spiritusbrenner, die Mischung soll aber nicht sieden) kommt eine Entwicklung nitroser Gase in Gang, die ins Freie abgeleitet werden.
Nachdem sich das Metall vollständig gelöst hat – einige schwarze Focken können ungelöst zurückbleiben - wird filtriert und das Filter mit Wasser nachgewaschen, bis dieses farblos abläuft.

Das erhaltene hellblaue Filtrat wird dann unter Rühren zu einer Mischung aus 100-200 ml Wasser und Salzsäure 25 % (1 ml pro Gramm Metall) gegeben, wobei ein weißer, flockiger Niederschlag ausfällt. Die überstehende Flüssigkeit ist zunächst trübe, klärt sich aber nach einigem Rühren. Man prüft durch Zugabe eines Tropfens Salzsäure, ob die Fällung vollständig ist. Der hellblaue Überstand wird von dem sich gut absetzenden Niederschlag abgegossen (Schwermetallabfall!), der Niederschlag mit heißem Wasser aufgerührt, abfiltriert, auf dem Filter gründlich mit heißem Wasser ausgewaschen und getrocknet.

Hier wurden zwei alte Schmuckstücke verwendet, die zusammen 4,17 g wogen. Eines davon trug die Prägung “925“, einem Feinsilbergehalt von 92,5 % (sogen. Sterlingsilber) entsprechend. Erhalten wurden 4,9 g schneeweißes Silberchlorid, entsprechend einer Ausbeute 95 % (unter der Annahme, dass auch das zweite Schmuckstück 925er Feingehalt hatte)

Die im Labor gesammelten Silberniederschläge bestehen in der Regel überwiegend aus Silberchlorid, daneben können sie andere Silberhalogenide, Silberthiocyanat, Silbercyanid u.s.w. enthalten. Ist dies der Fall, sollen die gepulverten Abfälle mit Salzsäure (15-20 %) unter Zusatz kleiner Mengen eines Oxidationsmittels (Kaliumchlorat, Salpetersäure, Wasserstoffperoxid) gekocht werden, um sie in Silberchlorid umzuwandeln. Das muss unter dem Abzug geschehen, da dabei Chlor, Brom oder Joddampf (oder gar Cyanwasserstoff) freiwerden können. Alternativ kann man Abfälle gleich welcher Art nach dem Schmelzverfahren (s. unten, Punkt c) umsetzen.


2. Verarbeitung von Silberchlorid und Laboratoriumsabfällen auf Silber

Das Silberchlorid kann auf drei Wegen zu metallischem Silber reduziert werden:1

a) Reduktion mit Glucose:

Das Silberchlorid wird in kochende Natronlauge (etwa 7 ml pro Gramm AgCl) eingerührt, wobei eine tiefschwarze Mischung entsteht. Dann wird unter ständigem Kochen und Ersatz des verdampfenden Wassers binnen 10 Minuten Glucose (etwa 1 g pro g AgCl) eingetragen. Die Flüssigkeit färbt sich tiefbraun und ein grauer Niederschlag setzt sich ab. Nach weiteren 5 Minuten Kochen wird eine Probe entnommen, mit Wasser ausgewaschen und mit 1 ml Salpetersäure erwärmt. Wenn eine klare (oder fast klare) Lösung entsteht wird der Reaktionsansatz dekantiert, mit Wasser aufgeschlämmt, abfiltriert und das Silberpulver auf dem Filter mit heißem Wasser ausgewaschen und getrocknet.

Ich habe das Verfahren an den aus dem Silberschmuck abgeschiedenen 4,9 g Silberchlorid erprobt und 3,4 g gelblichgraues Silberpulver erhalten (92,5 % vom Silberchlorid – die Verluste sind vermutlich durch zu rasches Dekantieren zu erklären)


b) Reduktion mit metallischem Zink:

Das Silberchlorid wird in einer Schale oder einem Becherglas mit verdünnter Salzsäure (10%ig) übergossen, bis es eben gut bedeckt ist, und einige Zinkgranalien in der Mischung verteilt. Um die Zinkstücke bildet sich rasch ein schwarzer Hof, der sich allmählich auf den ganzen Ansatz ausbreitet, dabei allmählich mehr grau wird und einzelne glänzende Flitter ausbildet. Es tritt eine leichte Wasserstoffentwicklung am Zink auf. Man lässt mehrere Stunden stehen, bis die Umsetzung vollständig ist (eventuell abgießen und nochmals frische Salzsäure zugeben). Dann wird das nicht-umgesetzte Zink herausgenommen, der Niederschlag abgegossen (Überstand: Schwermetallabfall!), kurz mit verdünnter Salzsäure ausgekocht, auf dem Filter gut ausgewaschen und getrocknet.

Ausbeute: nicht anzugeben, weil das Ausgangsmaterial nicht gewogen worden war. Zu erwarten ist ein nahezu quantitatives Resultat. Weißgraues, feinkörniges Silber.


c) Reduktion in der Schmelze

Das gut getrocknete Silberchlorid wird mit der gleichen Gewichtsmenge einer Mischung aus gleichen Teilen Kaliumcarbonat und wasserfreiem Natriumcarbonat verreiben. In einen Grillkamin, der mit Grillkohlebriketts gefüllt ist, wird ein ausreichend großer (Mischung bläht sich auf!), leerer Porzellantiegel gestellt und der Kamin angefeuert. Wenn der Tiegel in Rotglut gekommen ist, wird das Pulvergemisch löffelweise eingetragen. Es schmilzt zunächst und färbt sich dunkel, dann setzt ein kräftiges Aufschäumen an, wobei gelegentlich mit einer Sticknadel, gehalten mit einer Tiegelzange, umgerührt wird (wegen der starken Hitze habe ich dabei außerdem lederne Gartenhandschuhe getragen). Das Schäumen lässt nach ca. 15 Minuten nach und hört nach ½ Stunde ganz auf, worauf man den Tiegel aus der Glut nimmt und erkalten lässt.
Das Produkt stellt eine blasig erstarrte, sehr harte Schmelze dar, so dass der Tiegel zerschlagen werden muss. Der graugelbe, schwammig-körnige Inhalt wird zerbröckelt und zweimal mit Wasser ausgekocht. Eine kleine Probe wird wie unter a) in Salpetersäure gelöst. Wenn dabei noch eine deutliche Trübung entsteht wird wie unter b) mit verdünnter Salzsäure und Zink eine Weile stehen gelassen, dann mit Salzsäure ausgekocht, abfiltriert, ausgewaschen und getrocknet.

In meinem Versuch habe ich 31,5 g gesammelte Laboratoriumsabfälle (davon 19 g Silberbromid, Rest ganz überwiegend Silberchlorid) mit 32 g Zuschlag in einem 175 ml-Tiegel umgesetzt. Erhalten wurden 18,8 g grauweißes, körniges Silber (Ausbeute bei Annahme obiger Zusammensetzung ca. 94 %). In einem früheren Versuch hatte ich 6,7 g AgCl in einem Porzellantiegel über dem Bunsenbrenner mit 7 g Zuschlag geschmolzen und 4,58 g Silber erhalten (90 %).

Es ist ratsam, das nach gleich welchem Verfahren erhaltene Silberpulver mit verdünntem (ca 8-10%igem) Ammoniakwasser zu übergießen und für 30-60 Minuten zu rühren um evtl. zurückgebliebenes Silberchlorid zu entfernen. Dabei werden auch Reste von Kupfer – wie sie vor allem durch ungenügendes Auswaschen des Silberchloridniederschlages mitgeschleppt werden können - Großteils gleich mit entfernt, was sich an einer Blaufärbung des Übertandes zeigt. In diesem Falle wird das Rühren mit Ammoniaklösung wiederholt, bis der Überstand farblos bleibt. Die letzten Reste von Kupfer und anderen Verunreinigungen werden später bei der Darstellung von Silbernitrat entfernt.


3. Darstellung von reinem Silbernitrat

Bei der Darstellung von Silbernitrat sind zwei Dinge zu beachten!
- Erstens sollen die Lösungen nicht über Filterpapier filtriert werden, da der Kontakt mit organischer Substanz zu teilweiser Reduktion und damit zur Verunreinigung des Präparates führt. In älteren Vorschriften wird daher die Filtration über Glaswolle oder Asbest angegeben. Ersteres funktioniert nach meiner Erfahrung nicht und Zweiteres scheidet wegen der mit Asbest verbundenen Gesundheitsgefahren aus. Zur Klärung trüber Lösungen ist deswegen der Einsatz der Schwerkraft am besten geeignet: man lässt die Lösungen in Ruhe absitzen oder zentrifugiert sie. Auch das Absaugen des Präparats erfolgt über eine Glasfritte.
- Zweitens ist das Eindampfen der Lösungen über einer Flamme in offenen Gefäßen, besonders Schalen, zu vermeiden, weil die Flüssigkeit grobblasig siedet und zum Spritzen neigt, wobei die Spritzer kaum zu entfernende Flecken hinterlassen. Man dampft daher im geschlossenen System oder auf dem Wasserbad ein.


Vorgehen:

Das Silberpulver wird in einem Kolben mit einer Mischung aus 2,8 ml Salpetersäure (etwa 1,2-fache molare Menge) und 0,65 ml Wasserstoffperoxidlösung 30% (etwa 1,35-fache molare Menge) pro Gramm übergossen und das Ganze in ein 60 - 80 °C heißes Wasserbad gestellt. Der Wasserstoffperoxidzusatz verhindert die Bildung von nitrosen Gasen zum großen Teil. Da aber gegen Ende der Rektion meist doch Stickoxide frei werden (weil sich ein Teil des Wasserstoffperoxids vorzeitig zersetzt) ist auch hier eine Gasableitung notwendig. Die Reaktion ist wenig spektakulär, die Gasentwicklung nur schwach (anfangs wohl überwiegend Sauerstoff) und die Menge des Silbers nimmt nur ganz allmählich ab. Der Ansatz bleibt solange im heißen Wasserbad stehen - je nach Menge bis zu 12 Stunden - bis sich nichts mehr löst. Dann wird in einem hohen Messzylinder 24 Stunden absitzen gelassen, der klare Überstand abgegossen und der den schwarzen Bodensatz enthaltende Rest zentrifugiert wobei der Überstand ebenfalls abgegossen wird. Man kann versuchen, den letzten Rest (bei mir 500 mg von 28 g eingesetztem Silber) durch Erwärmen mit einem Milliliter Salpetersäure im Reagenzglas noch in Lösung zu bringen – bei meinem Versuch blieb dennoch das meiste ungelöst.

Die klaren Lösungen werden dann in einem Rundkolben mit angeschlossenem Kühler über offener Flamme stark eingeengt (Siedeperle aus Glas zugeben!), wobei sich aber noch keine Kristallabscheidung zeigen soll. Die heiße, möglichst konzentrierte Lösung gießt man dann in eine Abdampfschale ab und spült den Kolben mit 2 ml warmem Wasser nach. Die Schale wird auf ein siedendes Wasserbad gestellt und der Inhalt dort unter Rühren bis zur Trockene abgedampft, wobei ein weißer, kristallinischer Rückstand erhalten wird.

Zur weiteren Reinigung muss das erhaltene Silbernitrat geschmolzen werden. Dazu setzt man es in der zuvor gewogenen Schale, oder besser in einem Porzellanpfännchen mit Stiel, auf ein Sandbad. Sobald der Inhalt zu schmelzen beginnt, wird mit einem Glasstab umgerührt. Unter Aufschäumen entweichen Wasser und restliche Salpetersäure (Abzug!). Wenn das Schäumen aufgehört hat, hält man noch einige Minuten (je nach Menge) unter Rühren in der Schmelze und lässt dann abkühlen, wobei man die Schale neigt und dreht, so dass das Salz an den Wänden erstarrt, wo es sich nach dem Abkühlen leicht mit einem Spatel ablösen lässt. Es wird in der Schale grob zerkleinert und durch Wägen die Menge des erhaltenen Rohproduktes festgestellt.

Das Rohprodukt wird in der Schale mit der gleichen Menge Wasser übergossen und unter eventuell leichtem Erwärmen gerührt, bis sich alles gelöst hat. Die Lösung ist in der Regel deutlich trübe und muss zentrifugiert werden. Den klaren Überstand gießt man in eine flache Abdampfschale ab und engt dann erneut auf dem siedenden Wasserbad ein. (Den Bodensatz löst man in etwas verdünntem Ammoniakwasser und führt ihn den Silberabfällen für die nächste Aufarbeitung zu!). Wenn das Volumen der Lösung auf knapp die Hälfte zurückgegangen ist, wird in eine kleine Kristallisierschale abgegossen und diese in ein Kaltwasserbad gestellt. Beim Rühren scheidet sich das Silbernitrat in Form feiner, glitzernder Kristallblättchen ab. Um die Kristallisation zu vervollständigen stellt man für 1-2 Stunden in den Kühlschrak und bringt den Kristallbrei dann auf eine Glasfritte, wo er scharf abgesaugt wird. Man stellt die Saugung ab, suspendiert in wenig Ethanol und saugt erneut scharf ab. Das erhaltene Kristallmehl wird im Trockenschrank bei 100 °C für 1-2 Stunden getrocknet. Man erhält so den überwiegenden Teil des Präparates als schneeweißes Kristallpulver, das analysenrein ist.

Die Mutterlauge wird mitsamt der ethanolischen Waschflüssigkeit wieder auf etwas weniger als die Hälfte eingedampft oder auf der Heizung eindunsten gelassen, und wie oben behandelt. Dabei erhält man eine zweite Fraktion Silbernitrat, die etwas weniger rein ist, einen leichten Graustich aufweist und für qualitative Analysen oder zur Darstellung anderer Silberpräparate verwendet wird.

Die letzte Mutterlauge wird wieder dem Silberabfall zugeführt. Auch sämtliche verwendeten Geräte werden vor der Reinigung mit etwas Wasser ausgespült und dieses Waschwasser ebenfalls zum Silberabfall gegeben.

Ich habe auf die beschriebene Weise 28 g Silber (aus verschiedenen Reduktionsansätzen) umgesetzt. Auffällig war, dass die erste Lösung des Silbernitrats deutlich gelb gefärbt, das beim Eindampfen erhaltene Salz aber rein weiß war. Beim Schmelzen färbte es sich erneut gelb, wobei die Farbe nach dem Abkühlen nicht völlig verblasste. Das Rohprodukt (41,4 g) gab eine trübe gelbe Lösung die einen deutlichen lehmgelben Bodensatz hinterließ. Aus der noch immer blassgelben Lösung kristallisierten in der ersten Fraktion 26,8 g und in der zweiten Fraktion 9,2 g Silbernitrat aus (zusammen 36 g, entsprechend 22,85 g Silber bzw. einer Ausbeute von 81,6 %). Durch Aufarbeitung der Abfälle wurden 3,3 g Silber zurückgewonnen, so dass sich die Gesamtausbeute auf 93,3 % erhöht.


Entsorgung:

Die Zink- und kupferhaltigen Abwässer werden dem Schwermetallabfall zugeführt (mit Natriumcarbonat fällen). Auch das Produkt kann dort entsorgt werden (ist dafür aber viel zu schade).


Erklärungen:

Bei der Verarbeitung von Schmucksilber lösen sich das darin enthaltene Silber und Kupfer in der Salpetersäure. Das ist trotz des “edlen“ Charakters – des positiven Redoxpotenzials – der beiden Metalle möglich, weil zugleich ein Teil der Salpetersäure zu Stickstoffmonoxid reduziert wird:

Ag ---> Ag+ + e- E0 = + 0,8 V

Cu ---> Cu2+ + 2 e- E0 = + 0,34 V

HNO3 + 3 e- + 3 H+ ---> 2 H2O + NO E0 = + 0,96 V

Im Falle des Silbers muss die erste Gleichung mit 3 multipliziert, und mit der letzten summiert werden, wobei die 3 H+ aus weiteren 3 HNO3 stammen. Es resultiert die Summengleichung:

3 Ag + 4 HNO3 ---> 3 AgNO3 + NO + 2 H2O

Die Lösung enthält außerdem Kupfernitrat, Cu(NO3)2, das blau gefärbt ist. Durch Umsetzen mit Salzsäure wird das Silber als Silberchlorid gefällt, während das Kupfer in Lösung bleibt und ausgewaschen werden kann.

AgNO3 + HCl ---> AgCl + HNO3

Der geringe ungelöste Rückstand besteht aus Spuren von enthaltenen Edelmetallen (Gold, Palladium o.ä.) die in Salpetersäure unlöslich sind. Bei mir war es zu wenig, um vom Filter gekratzt werden zu können. Daher habe ich das Filter mit ein paar Tropfen Königswasser erwärmt, worauf sich der Niederschlag löste, und mit 5 ml Wasser verdünnt. Die Lösung nahm beim Zutropfen von Zinn(II)-chloridlösung eine purpur-violette Färbung an, so dass es sich hier wohl um Gold gehandelt hat (Cassius´scher Goldpurpur).

Um das Silberchlorid zu Silber zu reduzieren kann es mit einem Reduktionsmittel in alkalischem Medium umgesetzt werden. Geeignet sind z.B. Formaldehyd oder Glucose, die in ihrer offenkettigen Form ebenfalls eine Aldehydgruppe enthält:

2 AgCl + 2 NaOH + R-CHO ---> 2 Ag + 2 NaCl + H2O + R-COOH

Dass außerdem zahlreiche Nebenreaktionen ablaufen, erkennt man am Karamelgeruch und der tiefbraunen Verfärbung des Ansatzes, denn die in der Gleichung als Oxidationsprodukt der Glukose angegebene Glukonsäure ist farblos. Vorteile dieser Vorgehensweise sind das Arbeiten im wässrigen Medium mit einem leicht verfügbaren Reduktionsmittel. Alternativ kann im sauren Medium mit Zink reduziert werden:

2 AgCl + Zn ---> 2 Ag + ZnCl2

Zn ---> Zn2+ + 2 e- E0 = - 0,76 V

Ein Vorteil ist hier das sehr einfache Arbeiten in der Kälte. Nachteilig ist, dass evtl. überschüssiges oder sich am Silber elektrolytisch niedergeschlagenes Zink durch Auskochen mit Salzsäure entfernt werden muss.

Beim Schmelzen mit Alkalicarbonaten wird Silberchlorid zu Silberoxid umgesetzt, das in der Hitze in Silber und Sauerstoff zerfällt:

2 AgCl + Na2CO3 ---> Ag2O + 2 NaCl + CO2

2 Ag2O ---> 4 Ag + O2

Mit dieser Methode soll es möglich sein, einen kompakten Silber-Regulus zu erhalten, was mir nicht gelungen ist. Möglicherweise war die Hitze des Grillkamins doch nicht ausreichend oder es müsste noch ein Flussmittel (empfohlen werden zum Schmelzen von Silber Kaliumnitrat oder Natriumtetraborat) zugesetzt werden. Andererseits ist es für die Weiterverarbeitung zu Silbernitrat bequemer, das Silber in pulvriger Form zu erhalten. Vorteil der Methode ist, dass Silberabfälle fast jeder Art ohne besondere Vorbehandlung eingesetzt werden können. Allerdings ist sie ziemlich unbequem, indem bei sehr hohen Temperaturen gearbeitet werden muss.

Ein anderes Vorgehen ist in der Literatur beschrieben: man löst das Silberchlorid in konzentrierter Ammoniaklösung und reduziert durch Zusatz von Ascorbinsäure in der Kälte. Angeblich soll das Silber dabei selektiv gefällt werden und z.B. Kupfer in Lösung bleiben.4 Diese Methode habe ich nicht ausprobiert.

In allen Fällen prüft man durch Lösen einer kleinen Menge des erhaltenen Produktes in Salpetersäure, ob chloridfreies Silber vorliegt. Wenn noch viel Silberchlorid vorhanden ist, kann nochmals reduziert oder mit Ammoniaklösung digeriert werden, in der sich Silberchlorid (nicht jedoch -bromid, - iodid oder andere) zu einem Komplex löst:

AgCl + 2 NH3 ---> Ag[NH3]2+ + Cl-

Eine geringe Menge Rest-AgCl stört aber nicht und das erhaltene Silber kann dennoch zu Silbernitrat weiterverarbeitet werden. Dabei wird die Bildung der sehr giftigen Stickoxide durch Zusatz von Wasserstoffperoxid unterdrückt, wodurch zugleich Salpetersäure eingespart werden kann.2,3 Wasserstoffperoxid ist in saurer Lösung ein starkes Oxidationsmittel (siehe dazu auch die Diskussion über die Darstellung von Bleiacetat), und kann daher die Salpetersäure zur Oxidation des Silbers ersetzen:

H2O2 + 2 H+ + 2 e- ---> 2 H2O E0 = + 1,76 V

Als Summengleichung resultiert:

2 Ag + H2O2 + 2 HNO3 ---> 2 AgNO3 + 2 H2O

Die Silbernitratlösung wird durch Absetzenlassen und Zentrifugation von Resten von Silberchlorid und anderen unlöslichen Begleitstoffen geklärt und dann eingedampft. Beim Schmelzen des erhaltenen Silbernitrates wird nicht nur überschüssige Salpetersäure entfernt, was durch Umkristallisieren kaum möglich ist, sondern auch evtl. in den Ansatz gelangtes Kupfer. Kupfernitrat zersetzt sich nämlich schon bei knapp 200 °C nach der Gleichung

Cu(NO3)2 ---> CuO + 2 NO3 + ½ O2

wobei unlösliches Kupferoxid zurückbleibt, von dem später abzentrifugiert werden kann. Auch noch vorhandene Halogenide werden dabei abgetrennt. Silbernitrat schmilzt bereits bei 212 °C, zersetzt sich aber erst deutlich oberhalb von 400°C. Es ist sehr gut wasserlöslich (1 Teil in ca. 0,5 Teilen Wasser bei 20°C), jedoch nicht hygroskopisch und bindet kein Kristallwasser. Seine Lösungen reagieren neutral. Aus der heiß konzentrierten Lösung kristallisiert Silbernitrat vollkommen rein aus und kann nach dem Waschen mit Ethanol (in dem es nicht völlig unlöslich ist, 1 Teil AgNO3 löst sich in ca. 50 Teilen Ethanol) und Trocknen, als Reagenz, z.B. für die Argentometrie, verwendet werden.

Das hohe Redoxpotential des Silbers ist die Ursache für die große Reaktionsfreudigkeit seiner Salze mit allen möglichen reduzierenden Stoffen, und viele Silberverbindungen sind zudem lichtempfindlich. Spritzer von Silbernitratlösung auf organischem Material zersetzen sich daher rasch unter Bildung pechschwarzer Silberflecke, die kaum noch zu entfernen sind (Kaliumcyanidlösung soll am besten geeignet sein…). Immerhin schälen sie sich auf der Haut im Laufe einiger Tage von selbst ab. Silbernitrat war, als “Höllenstein“ in Stangenform gegossen, ein früher in der Medizin viel gebrauchtes Ätzmittel zur Behandlung schlecht heilender Wunden und Schleimhautgeschwüre, was aufgrund seiner Ungiftigkeit und der stark antimikrobellen Wirkung wohl seine Berechtigung hatte.


Bilder:

Silberschmuck.jpg
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Silberschmuckstücke

Lösen in HNO3 1.jpg
Lösen in Salpetersäure

Filterrückstand.jpg
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Goldsol.jpg
Goldsol.jpg (61.07 KiB) 5184 mal betrachtet
Filterrückstand und Nachweis von Gold mit Zinn(II)-chlorid

Fällen von AgCl 1.jpg
Fällen von AgCl 1.jpg (59.93 KiB) 5184 mal betrachtet
Fällen von Silberchlorid

AgCl.jpg
AgCl.jpg (147.69 KiB) 5184 mal betrachtet
Silberchlorid

Reduktion mit Glucose.jpg
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Reduktion mit Glukose in Natronlauge

Silber als Produkt.jpg
Silber als Produkt.jpg (182.3 KiB) 5184 mal betrachtet
Silber aus Silberchlorid, mit Glucose reduziert

Reduktion mit Zink II.2.jpg
Reduktion mit Zink II.2.jpg (66.34 KiB) 5184 mal betrachtet
Reduktion mit Zink in verdünnter Salzsäure

Silber als Produkt II.jpg
Silber als Produkt II.jpg (77.51 KiB) 5184 mal betrachtet
Silber aus Silberchlorid, mit Zink reduziert

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Gesammelte Silberabfälle und Zuschlag

Eintragen.jpg
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Schmelzen 4.jpg
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Reduktionsschmelze in einem Grillkamin

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Produkt nach Zerschlagen des Tiegels

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Silber aus Reduktionsschmelze

Versuchsaufbau 1.jpg
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nach 30 minuten.jpg
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nach 2,5 Stunden.jpg
nach 2,5 Stunden.jpg (77.85 KiB) 5184 mal betrachtet
Lösen von Silberpulver in Salpetersäure und Wasserstoffperoxid (ich habe zunächst die Mischung aus Salpetersäure und Wasserstoffperoxid über den Tropftrichter zugegeben, das ist aber unnötig)

Einengen I.2.jpg
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Einengen der Lösung. Das Destillat enthält nur ein wenig Salpetersäure.

Rohprodukt.jpg
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Erstes Rohprodukt

Schmelzen 1.jpg
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Schmelzen 2.jpg
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Schmelzen des Silbernitrates

Schmelzen 5.jpg
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Zweites Rohprodukt

Einengen III.1.jpg
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Eindampfen der geklärten Lösung auf dem Wasserbad

Kristallisiseren I.jpg
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Kristallisation von Silbernitrat

Produkt 1 und 2.jpg
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Endprodukte: kristallisiertes Silbernitrat pro analysi (erste Fraktion, links) und pro synthesi (zweite Fraktion, rechts)

Silberabfall.jpg
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Die während des Versuchs angesammelten Silberabfälle, als AgCl ausgefällt, die mit Zink erneut zu 3,3 g metallischem Silber reduziert wurden

Handschuh.jpg
Handschuh.jpg (73.55 KiB) 5184 mal betrachtet
... und warum man beim Arbeiten mit konzentrierter Silbernitratlösung Handschuhe tragen sollte


Literatur:

1. Zimmermann/Mohrschulz: Pharmazeutische Übungspräparate; 4. Auflage 1960, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft M.B.H Stuttgart: 83 - 87
2. Hans Keune und Helmut Boeck: Chemische Schulexperimente, Band 1 Anorganische Chemie; 1. Auflage 1998, Verlag Volk und Wissen GmbH & Co KG, Berlin: 283 (ISBN 3-06-032197-3)
3. European Patent Application Number 93303091.8 vom 3.11.1993
4. James Hill und Lena Bellows: Production or Recovery of Silver for Laboratory Use; Journal of Chemical Education 63 (1986): 357
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
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mgritsch
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von mgritsch »

:thumbsup:
Super praktische und nützliche Anleitung!
Die schmelzmethode fand ich interessant, wusste nicht dass sich das so leicht zersetzt. Wenn der Grillkamin nicht genug Hitze hergibt - ein alter Fön unten hingelegt wirkt Wunder! Damit kommst du von rotglut leicht zu heller gelbglut, dann sollten die 952° für Ag drin sein.
Und generell interessant dass sich etwas das so schwer löslich ist wie das Chlorid trotzdem relativ rasch und leicht in Suspension reduzieren lässt.
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lemmi
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von lemmi »

Die Schmelzmthode ist wegen der Aussicht auf einen Silber-Regulus attraktiv, aber bei den beiden Malen, als ich sie durchgeführt habe, kam nur Granulat raus. Von den drei Reduktionsmethoden finde ich die mit Zink am bequemsten.

Woher kann die gelbliche Verfärbung der rohen Silbernitratlösung stammen? Insbesondere wundert mich, dass sie beim Eindampfen zur Trockene verschwand und beim Schmelzen wieder auftrat. Kupfer oder Eisen waren abwesend, darauf habe ich geprüft.
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immi07
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von immi07 »

Hallo lemmi,
nun denke ich wieder mal über (b) in Gel nach, privatlegal und ohne Silbernitrat zu kaufen. :out: :idea2: :out:
Gruß Thomas
Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Pläne zu machen, Arbeit zu verteilen, Werkzeug zu holen und Holz zu schlagen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Dann bauen sie das Schiff von alleine.

Du hast eine Handvoll Brombeeren und wirfst sie zur Erde. Sie verbinden sich mit der Erde zu Erdbeeren. Und Brom wird frei.

Können ist, wenn "Glück gehabt" zur Gewohnheit wird.
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 23:03 Woher kann die gelbliche Verfärbung der rohen Silbernitratlösung stammen? Insbesondere wundert mich, dass sie beim Eindampfen zur Trockene verschwand und beim Schmelzen wieder auftrat. Kupfer oder Eisen waren abwesend, darauf habe ich geprüft.
Schätze dass da das Nitrat/NO2 mitgespielt hat. Wenn es sich nicht um Erd-/Alkalinitrate handelt geht das in der Wärme leicht ab.

Btw du schreibst:
Wenn noch viel Silberchlorid vorhanden ist, kann nochmals reduziert oder mit Ammoniaklösung digeriert werden, in der sich Silberchlorid (nicht jedoch -bromid, - iodid oder andere) zu einem Komplex löst:
Wenn ich mich an den guten alten Trennungsgang von anno dazumal noch richtig erinnere, dann kann man unterscheiden indem sich Chlorid mit NH4HCO3 lösen lässt, Bromid mit NH4OH und nur Iodid ist gegen Ammoniak unempfindlich.
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lemmi
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von lemmi »

Bromid ist in Ammoniak nur "teilweise löslich". Kommt natürlich auf die Mengenverhältnisse an, wie gut man das 'rausgelöst bekommt. Thiocyanat hat in etwa eine Löslichkeit wie Bromid, Cyanid und Iodid darunter.
nun denke ich wieder mal über (b) in Gel nach, ...
Dann nimm einen Kupferdraht und kein Zink. Das ist die klassische Anordnung zur Herstellung eines "Silberbaumes". Auf dem Zink scheidet sich Silber aus der Lösung nicht so schön kristallin ab, mehr wie ein schwarzer Überzug (so hab ich es an meinen Zinkgranalien gesehen). Aber vielleicht lohnt sich ein Vergleich der beiden Versuchsanordnungen?

Silbernitrat ist zwar ätzend, aber nicht giftig und als Nitrat zur Herstellung von Pyrotechnik definitiv ungeeignet, da viel zu teuer. Vielleicht lässt dein Apotheker mit sich reden und verkauft dir ein paar Gramm aus seinem Reagenzienbestand, wenn du ihm sagst, dass du mit deiner Tochter Metallbäume züchten willst ?

In dem Paper, das ich unter 4. angegeben habe haben sie es übrigens genauso gemacht, wie ich es dir mal für euer altes Silberbesteck empfohlen habe: alte versilberte Löffel in Salpetersäure getaucht, bis die Silberschicht abgelöst war, mit Salzsäure (man kann auch Kochsalzlösung nehmen) ausgefällt und weiterverarbeitet. Für Metallbäume muss man ja kein superreines Silbernitrat nehmen. Im alten preussischen Arzneibuch von Achtzehnhundertdunnemals wird übrigens das Silber aus der kupferhaltigen Lösung der Legierung mit Kupfer abgeschieden. Wenn die Blauer Farbe nicht stört, bräuchtest du das Kupfer also nicht mal abzutrennen.
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von BJ68 »

Was war das Verhältnis Salpetersäure zu Wasserstoffperoxid....?


Btw. das Patent European Patent Application Number 93303091.8 verweist auf das Patent EP0568259A1, was ich hier schon mal gebracht habe: viewtopic.php?p=71093


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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Montag 15. Februar 2021, 00:25 Bromid ist in Ammoniak nur "teilweise löslich". Kommt natürlich auf die Mengenverhältnisse an, wie gut man das 'rausgelöst bekommt.
hmmm, einerseits hatte ich es richtig in Erinnerung wie das mit der Unterscheidung im Trennungsgang geht. Andererseits hat eben ein kleiner Test bestätigt dass sich das frisch gefällte AgBr (nach Dekantieren der überstehenden Lösung) zumindest nur sehr schlecht im konz. Ammoniak löst. Naja, hieß nicht umsonst "Ionenlotto" :)
Silbernitrat ist zwar ätzend, aber nicht giftig
Ich denke die größte Gefahr die praktisch davon ausgeht ist
a) das relativ gründliche Schwärzen aller möglichen Dinge damit. Bei der Haut ist es vor allem die rasche Reaktion zu unlöslichem Silberchlorid mit dem Salz auf der Haut bzw innerhalb der obersten Hautschichten - abwaschen unmöglich. Man sieht auch nichts bis man das nächste mal in die Sonne geht :mrgreen: Deine Handschuhe am Bild zeigen so gesehen allenfalls ein "frühes Stadium" :) Aber wie schon mal erwähnt - rotes Blutlaugensalz hilft, siehe https://www.chemieunterricht.de/dc2/fot ... eichen.htm oder alternativ ein mittelsanftes Peeling mit dem Bimsstein.

b) Silberionen sind schon in sehr geringer Konzentration ein extrem wirksames Bakterizid. Für eine Kläranlage ist das eher unlustig, deswegen sollte man die fachgerechte Entsorgung ernst nehmen.

Langfristige "chronische" Exposition hat übrigens eher kuriose Nebenwirkungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Argyrie
Bild
(nein, der ist nicht geschminkt...)
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von mgritsch »

BJ68 hat geschrieben: Montag 15. Februar 2021, 06:03 Was war das Verhältnis Salpetersäure zu Wasserstoffperoxid....?
na, so rechenfaul? :mrgreen:
aus:
lemmi hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 21:53Das Silberpulver wird in einem Kolben mit einer Mischung aus 2,8 ml Salpetersäure 25 % (etwa 1,2-fache molare Menge) und 0,65 ml Wasserstoffperoxidlösung 30 % (etwa 1,35-fache molare Menge) pro Gramm übergossen
ergibt sich ja alles ganz einfach.
In der vorgelegten Mischung liegen 20,4% Salpetersäure und 5,5% Peroxid vor. Oder in Volums-Konzentration (unter Weglassung allfälliger Volumskontraktionen etc) ausgedrückt: 233 g/l HNO3 und 63 g/l H2O2 bzw. 3,7 und 1,85 mol/l. genau stöchiometrische molare Verhältnisse.

Bei der Gelegenheit ist mir auch noch ein kleiner "klassischer" Rechenfehler in lemmis Angabe aufgefallen. 2,8 ml Salpetersäure 25% sind nicht 20 sondern 37% Überschuss! %-Angaben sind immer masse/masse und die Dichte der 25%igen ist 1,147 - um den Faktor liegt man daneben wenn man einfach mit Dichte 1 nähert. Beim H2O2 dürfte das nicht passiert sein, da komme ich auf nur wenig abweichende 1,37-fache molare Menge? Passenderweise haben dann beide Komponenten einen genau gleichen molaren Überschuss. Ob das wer mal genau so geplant und gerechnet hat...? :mrgreen:

Und noch eine Kleinigkeit: am Bild zur Reduktionsschmelze steht am Etikett des Zuschlags-Fläschchen etwas von KNO3... stimmt das Etikett nicht oder die Angabe im Text? KNO3 wäre ja sonst eher eine Oxidationsschmelze...

dann wäre da auch noch:
lemmi hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 21:53Man kann versuchen, den letzten Rest (bei mir 500 mg von 28 g eingesetztem Silber) durch Erwärmen mit einem Milliliter Salpetersäure im Reagenzglas noch in Lösung zu bringen – bei meinem Versuch blieb dennoch das meiste ungelöst.
das ist ja doch einiges und Ag sollte sich gut lösen - möglicherweise Verunreinigungen aus der Reduktions-Schmelze? (Kohlepartikel...?)
lemmi hat geschrieben: Sonntag 14. Februar 2021, 21:53Die klaren Lösungen werden dann in einem Rundkolben mit angeschlossenem Kühler über offener Flamme stark eingeengt (Siedeperle aus Glas zugeben!),
Siedeperlen aus Glas, interessant. Spricht etwas gegen gewöhnliche Siedesteinchen (außer der etwas rauheren Oberfläche an der ein Ticken mehr haften bleibt...)?
BJ68 hat geschrieben: Montag 15. Februar 2021, 06:03Btw. das Patent European Patent Application Number 93303091.8 verweist auf das Patent EP0568259A1, was ich hier schon mal gebracht habe: viewtopic.php?p=71093
hab ich schon damals nicht verstanden wieso man so rare, hoch konzentrierte Ausgangsstoffe für so eine Verdünnungs-Übung verschwendet...
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von BJ68 »

Idee war damals....das Ganze mit 10% Salpetersäure und 30% Wasserstoffperoxid zu machen, um die Probleme der 98/2013 zu umgehen....hat sich ja mit der neuen Gesetzgebung erledigt....für Privatpersonen....plus Nitrose Gase kommen im Heimlabor nicht so gut...

bj68


PS: Habe gerade den ersten Teil des Fachseminars hinter mir... ist Druckbetankung hoch drei....
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von lemmi »

Ich merke, ich muss meine Angaben noch konkretisieren.

Die Salpetersäure ist tatsächlich 25 % m/V d.h. 250 g/l (ich hab mir mal angewöhnt meine ganzen Reagenzien in Lösung als m/V vorrätig zu halten, das macht das Rechnen einfacher - die PH. Eur. macht es übrigens genauso). Das Wasserstoffperoxid ist handelsübliches 30%iges w/w mit der Dichte ca 1,1 g/ml. Klar, das führt zu Verwirrung.
Die molaren Verhältnisse sind ohne jedes Geheminis. Dass man 30-40% Überschuss H2O2 nehmen soll habe ich aus dem Patent (dort wird aber in einem continuos flow gearbeitet). Die 20% HNO3 sind pi mal Daumen. Bei mir hat das H2O2 dennoch nicht gericht, denn irgendwann sah das ganze so aus:

Versuchsaufbau 3.jpg
Versuchsaufbau 3.jpg (98.93 KiB) 5051 mal betrachtet

Aber immerhin ist der Verbrauch an Salpetersäre ca 1/3 niedriger als ohne H2O2.

Irgendwie hatte ich eine Abneigung, Siedesteinchen da reinzutun. Die sind so porös, könnten splittern...

Der Rest hat sich zum Teil schon gelöst, aber halt nicht vollständig. Den letzten Rückstand habe ich nicht mehr gewogen. Woraus er bestand weiß ich auch nicht.

Übrigens habe ich mich gefragt, warum meine konz. Silbernitratlösung nach dem Schmelzen des Rohproduktes trübe war und zentrifugiert werden musste! Dass dass Chlorid war, glaube ich nicht - wie sollte das da reingekommen sein? Ich vermute, das was ich abzentrifugiert habe, war Silbernitrit, das beim Erhitzen entstanden war. Es ist viel schlechter löslich als das Nitrat und in konzentrierter Silbernitratlösung vermutlich so gut wie völlig unlöslich.
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von BJ68 »

lemmi hat geschrieben: Montag 15. Februar 2021, 21:53 (dort wird aber in einem continuos flow gearbeitet).
Das würde mich reizen, auszuprobieren, ob das wirklich so geht wie in dem Patent beschrieben.....


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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von Holger Pfahls »

mgritsch hat geschrieben: Montag 15. Februar 2021, 10:59 ...
Langfristige "chronische" Exposition hat übrigens eher kuriose Nebenwirkungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Argyrie...
Vielleicht machen die gepriesenen Silbergeneratoren doch nicht ganz so gesundes Wasser wie behauptet. Langfristige Nebenwirkungen von kolloidalem Silber in Trinkwasser sind vermutlich nicht ganz auszuschliessen. Aber solange man dafür nicht geächtet wird, gibts vermutlich Schlimmeres. Im Übrigen gibt es für diese Elektrolysegeräte auch noch Elektroden aus Magnesium, Zink, Kupfer oder Gold. Wozu das gut sein soll, erschliesst sich mir nicht.

@lemmi
Das Silbernitrat pro analysi sieht wirklich gut aus.

Leider benötigt dein Verfahren Salpetersäure. Da Salpetersäure zunehmend der Prohibition zum Opfer fällt und Silbernitrat auch nicht mehr gekauft werden kann, aber ein wichtiges Reagenz ist, könnte vielleicht eine Doppelte Umsetzung einen Ausweg aus dem Dilemma bieten - ähnlich wie sie Pok zur Synthese von Perchlorsäure verwendet hat (ich vermisse ihn hier trotz seiner politischen Penetranz):

Ag2SO4(aq) + Ba(NO3)2(aq) -> 2 AgNO3(aq) + BaSO4(s)

Das Bariumnitrat lässt sich durch Doppelte Umsetzung von Bariumchlorid und Kaliumnitrat gewinnen.
Die Gewinnung von Silbersulfat könnte vielleicht durch Elektrolyse von verd. Schwefelsäure mit Silberelektroden möglich sein.
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von mgritsch »

Angeblich soll das kolloidale Silber keine solchen „Nebenwirkungen“ haben da nicht löslich in ionischer Form. Keine Ahnung ob das einen Magen / Verdauungstrakt überstehen kann? Und letztendlich macht die Dosis das Gift. 8)

Desinfizieren tut es sicher, leider behindert es anscheinend trotzdem die wundheilung. Ich kenne da zufällig einen Fall aus der Zahnmedizin wo ein Patient der das ausgiebig nutzt vermutlich Probleme damit verursacht hat... es gab zwar keine Entzündung, aber die Wunde hat sich auch nicht geschlossen.

Und das passt auch dazu, dass man in geöffnete Abszesse eine Einlage aus Silber-imprägnierter Gaze legt bis die Entzündung abgeklungen ist. Die Kavität bleibt damit offen, drainage ist einfach.
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Re: Darstellung von Silbernitrat aus Schmucksilber und Laboratoriumsabfällen

Beitrag von BJ68 »

Holger Pfahls hat geschrieben: Mittwoch 17. Februar 2021, 22:01 Silbernitrat auch nicht mehr gekauft werden kann,
Da wäre mir aber kein Verkaufsverhinderungsgrund bekannt...außer beim Verkäufer selber, dass der keinen Bock hat...


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