Synthese von Blei(II)-acetat

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mgritsch
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Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Synthese von Blei(II)-acetat Trihydrat
[6080-56-4], Bleizucker, Bleiessig, essigsaures Blei

Bleiacetat ist eine schon seit dem Altertum bekannte Chemikalie und im Labor als gut wasserlösliche Bleiverbindung oft nützlich. Sie kann mit relativ einfachen "Haushaltsmitteln" hergestellt werden.

Als Blei-Quelle wurden in dem Fall die Abfälle aus dem Kugelfang für das Luftdruckgewehr benutzt - eine billige Quelle, außerdem liegt das Blei so bereits in passenden kleinen Stückchen vor die sich rascher auflösen. Nachteilig ist allerdings, dass es sich dabei in der Regel nicht um reines Blei handelt - Beilegierungen von Antimon und manchmal Zinn sind üblich, um Härte und Gießbarkeit einzustellen. Natürlich kann auch entsprechend mit reinem Blei gearbeitet werden. Ob die zu Silvester beliebten Sets zum Bleigießen reines Blei enthalten oder auch legiert sind, ist mir nicht bekannt - vermutlich dürfte es hier aber einen Zusatz von Zinn geben, um den Schmelzpunkt zu senken.


Geräte:

Bechergläser, Trichter, Filter, Glasstäbe, Uhrglas, Heizplatte, Sinternutsche


Chemikalien:

Blei Warnhinweis: nWarnhinweis: xnWarnhinweis: attn
Essigsäure 80% Warnhinweis: cWarnhinweis: f
Wasserstoffperoxid 12% Warnhinweis: oWarnhinweis: cWarnhinweis: attn
Ethanol (Brennspiritus) Warnhinweis: fWarnhinweis: attn
Bleiacetat Warnhinweis: nWarnhinweis: xn


Hinweis:

Blei und Bleiverbindungen sind giftig und potenziell krebserregend - beim Umgang damit ist entsprechende Vorsicht geboten (Handschuhe, ggfs Schutzmaske um keine Stäube einzuatmen, im Abzug oder im Freien arbeiten!)
Die Reaktion ist stark exotherm - eine größere Ansatzgröße als hier dargestellt ist nicht zu empfehlen, da es durch die begrenzte Wärmeabfuhr dann leicht zu unkontrolliertem Überkochen kommen kann!


Durchführung:

In einem 100 ml Becherglas wurden 30 g (0,145 mol) Bleigranulat vorgelegt und 20 ml (0,290 mol) einer 80%igen Essigsäure und 40 ml (0,145 mol) einer 12%igen Lösung von Wasserstoffperoxid zugegeben. Das Becherglas wurde mit einem Uhrglas bedeckt um Aerosole und Verdunstung zu vermeiden und mit dem Glasstab immer wieder kurz umgerührt. Rasch kam es zu einer Reaktion, der Ansatz wurde von einem feinen Niederschlag dunkelgrau und erwärmte sich stark (kann bis zu 80 °C heiß werden!). Nach etwa 30 - 60 Minuten, als die Reaktion abgeklungen war, wurde das Becherglas bedeckt auf die Heizplatte gestellt und die Temperatur zur Fertigstellung der Reaktion für weitere 2 Stunden bei ca. 80-90 °C gehalten. Dabei sollte immer wieder gut umgerührt werden. Diese Nachbehandlung sorgte auch dafür, dass sich durch Zusammenballung gröbere Antimon-Aggregate bilden, die leichter filtrierbar sind.

Nun wurde die noch heiße Lösung in ein 250 ml Becherglas abfiltriert, wobei nicht aufgelöste Blei-Stückchen im 100 ml Becherglas verblieben. Auf die verbleibenden Stückchen wurde nun erneut 20 ml (0,290 mol) 80%ige Essigsäure und 40 ml (0,145 mol) 12%ige Wasserstoffperoxidlösung gegeben und die Prozedur wiederholt. Nach dem zweiten Durchlauf waren neben dem grauen Schlamm nur noch wenige ganz kleine Blei-Stückchen übrig.

Die vereinigten Filtrate (zusammen ca 120 ml) wurden nun auf der Heizplatte bei mäßiger Temperatur (80-100 °C) langsam weiter auf ein Volumen von ca. 50 ml eingeengt. Die eingeengte Lösung wurde auskühlen gelassen, wobei sich bereits schöne Kristalle abschieden. Sollte die Kristallisation nicht spontan einsetzen, kann etwas Kratzen mit einem Glasstab oder ein kurzer Aufenthalt im Gefrierfach helfen. Der Ansatz wurde zur Vervollständigung der Kristallisation noch ein paar Stunden im Kühlschrank stehen gelassen und die Kristalle mit der Sinternutsche abgesaugt.

Die Mutterlauge wurde ins Becherglas zurück gegeben und die Kristalle in der Nutsche mit einer kleinen Menge Ethanol nachgewaschen um anhaftende Mutterlauge und Essigsäure abzuwaschen. Im abfließenden Ethanol schied sich erneut eine größere Menge an Kristallen ab die nach ein paar Stunden stehen im Kühlschrank ebenfalls abgesaugt wurden.

Die abgesaugte Mutterlauge aus der ersten Fällung (ca 20 ml) wurde mit Ethanol auf ca 80 ml verdünnt und nach ein paar Stunden stehen im Kühlschrank wurden die ausgefallenen Kristalle ebenfalls abgesaugt.

Alle drei Fraktionen wurden bei Raumtemperatur ein paar Tage getrocknet und gewogen.

Ausbeute:
erste Fraktion: 35,8 g
zweite Fraktion: 3,2 g
dritte Fraktion: 6,1 g
In Summe 45,1 g (82,1% d.Th. bezogen auf die eingesetzte Menge Roh-Blei)


Entsorgung:

Reste und Abfälle kommen zu den schwermetallhaltigen Abfällen


Erklärung:

Blei ist mit einem Standardpotenzial von −0,125 V (Pb2+ + 2 e → Pb) ein nur wenig unedles Metall, darüber hinaus hat Wasserstoff an ihm eine merkliche Überspannung (kinetische Hemmung zu Gasabscheidung). Essigsäure ist mit einem pKs von 4,75 eine schwache Säure, der pH im Ansatz beträgt nur etwa 2. Bei einer Aktivität des H+ von nur 0,01 sinkt das Redox-Potenzial der Halbzellen-Reaktion 2 H+ + 2 e- → H2 auf - 0,118 V und es besteht praktisch fast kein Potenzialunterschied mehr. Das Blei wird daher von der Säure selbst in der Siedehitze nach der Reaktion:

Pb + 2 CH3COOH → Pb(CH3COO)2 + H2

praktisch nicht angegriffen. Historisch wurde Bleiacetat durch langsame Auflösung von Blei in Essig an der Luft gewonnen, dabei kommt es zu einer Oxidation durch den Luftsauerstoff. Rascher geht es durch Zusatz von Wasserstoffperoxid nach der Gleichung:

Pb + 2 CH3COOH + H2O2 → Pb(CH3COO)2 + 2 H2O

Elektronen aus der Halbzellen-Reaktion Pb → Pb2+ + 2 e werden dann an H2O2 übergeben, nach H2O2 + 2e- → 2 OH-. Die Essigsäure fängt die dabei entstehenden OH- unter Bildung von Acetat ab, die Reaktion ist somit abgeschlossen.

Diese Reaktion ist so energisch, dass sich die Lösung dadurch stark erwärmt. Dennoch kommt sie auch hier mit abnehmender Säure- bzw. Peroxid-Konzentration und gleichzeitig zunehmender Blei-Konzentration in der Lösung zum Erliegen - trotz stöchiometrischem Einsatz von Säure und Peroxid bleibt im ersten Durchgang ein wesentlicher Teil des Bleis unaufgelöst zurück. Man könnte den Überschuss an Säure und Peroxid zwar gleich von Anfang an zugeben, aufgrund der hohen Bleikonzentration im Ansatz würde dabei aber trotzdem die Reaktion gebremst und eine langsamere und weniger vollständige Umsetzung erreicht. Daher ist es günstiger, die verbliebenen Reste an Blei mit einem frischen Ansatz aufzulösen.

Bei Verwendung des technischen Bleis aus den Luftgewehr-Kugeln bildet sich eine große Menge eines schwarzen Schlamms - dabei handelt es sich überwiegend um andere Legierungsbestandteile, vor allem Antimon das zur Steigerung der Härte beigemischt ist. Antimon ist mit einem Normalpotenzial von +0,150 V (Sb3+ + 3 e → Sb) bereits deutlich edler als Blei und wird daher unter den Bedingungen nicht angegriffen bzw. wieder abgeschieden - solange noch etwas ungelöstes Blei übrig ist. Auch andere edlere Metalle wie Cu oder Verunreinigungen fallen hier aus. Für die Reinheit des Produkts ist es also günstig, wenn man keine ganz vollständige Auflösung erzielt. Lediglich Zinn, das etwa gleich unedel wie Blei ist, würde ebenfalls aufgelöst. In schwachen, verdünnten Säuren und unter Einfluss eines Oxidationsmittels bildet es aber leicht Zinnoxid (SnO2) das ebenfalls unlöslich ist und mit dem Schlamm abfiltriert werden kann.

Bleiacetat ist ein sehr gut wasserlösliches Salz, es lösen sich in Wasser 456 g/l bei 20 °C. Für eine einigermaßen vollständige Ausfällung ist es also vorteilhaft, die Lösung nochmals stark einzuengen. Bei einem Essigsäuregehalt in der Lösung von <70 % bildet sich dabei das Trihydrat Pb(CH3COO)2 ⋅ 3 H2O, zwischen 70 und 90 % ein "Hemihydrat" Pb(CH3COO)2 ⋅ 0,5 H2O und aus Eisessig kristallisiert es mit 1 Mol Essigsäure. Durch Trocknen im Exsiccator über H2SO4 erhält man es wasserfrei[1].

Bleiacetat löst sich auch in Ethanol merklich auf - die Löslichkeit beträgt immerhin 33 g/l[2]. Durch das Waschen der Kristalle mit Alkohol in der Sinternutsche werden Reste an Mutterlauge und Essigsäure ausgespült, das vereinfacht die Trocknung und steigert die Reinheit des Produkts. Dabei kommt es allerdings wegen der schlechten Löslichkeit im Alkohol zu einer Ausfällung des noch in der Mutterlauge befindlichen Bleiacetats - nach kurzer Zeit bilden sich schöne, feine Nädelchen. Nach dem gleichen Prinzip wurde auch die restliche Mutterlauge aufgearbeitet - nach Zugabe des Alkohols ist die Löslichkeit nunmehr so schlecht, dass ohne weiteres Einengen jede Menge Bleiacetat ausfällt. Die Ausfällung von Kristallen ist dem Eindampfen zur Trockene vorzuziehen, da man so ein reineres Produkt erhält und Verunreinigungen in der restlichen Mutterlauge verbleiben.


Bilder:

00.JPG
Das Ausgangsmaterial - alte Reste aus dem Kugelfang des Luftdruckgewehrs.

01.JPG
Bereit zur Reaktion

02.JPG
Nach Zugabe des Peroxids kommt es sehr rasch zur Reaktion, erkennbar am schwarzen Schlamm aus Antimon

03.JPG
Die Lösung erwärmt sich selbst auf etwas über 80 °C!

04.JPG
Nach dem Einengen in der Wärme scheiden sich beim Auskühlen schöne, lange Kristallnadeln aus Bleiacetat ab

05.JPG
Abnutschen der Kristalle...

06.JPG
Kristallisation aus der Mutterlauge nach Zugabe von Ethanol

07.JPG
Die fertigen Kristallfraktionen

08.JPG
Leider verwittern die Kristalle relativ rasch - nach einem Tag sind sie schon matt und stumpf.


Literatur:

[1] THE SYSTEM LEAD ACETATE, ACETIC ACID, WATER, J. Am. Chem. Soc. 1932, 54, 12, 4537–4544
[2] Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis https://doi.org/10.1002/047084289X.rl004
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lemmi
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von lemmi »

Sehr schön! Eine vernünftige Beschreibung dieses Prozesses habe ich schon seit längerem vermisst.

Was Ihr allerdings noch mal hinterfragen würde ist die Erklärung, dass die Reaktion durch "verschieben des Gleichgewichts nach links" zum Erliegen kommt, wenn man kein Wasserstoffperoxid zugibt. Das würde ja bedeuten, dass der Wasserstoff in das Gleichgewicht eingeht. Wasserstoff wird aber in Gasform laufend aus dem Gleichgewicht entfernt. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass stattdessen eine Passivierung der Metalloberfläche durch den Wasserstoff eintritt, die durch die Zugabe des Oxidationsmittels H2O2 aufgehoben wird.
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Es ist (nach meinem Verständnis) tatsächlich elektrochemie.
Eine steigende Pb-Konzentration steigert das Normalpotential so lange bis es positiver als das von H2 ist. Pb ist schon relativ edel. Wasserstoff muss in die Teilreaktion Pb <-> Pb+2 nicht eingehen...
Allenfalls noch über die andere Seite 2 H+ <-> H2, indem die Konzentration an H+ in der ohnehin schon schwachen Säure immer geringer wird.
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Glaskocher »

Neben dieser Passivierung, die man sehr gut an Zinkblech in 0,1M Salzsäure beobachten kann*, wird auch die Überspannung eine Rolle spielen. Man müßte das Experiment wiederholen und statt des Wasserstoffperoxides eine Dotierung mit einem edleren Metall vornehmen. Dann sollte die Reaktion freiwillig(er) ablaufen, weil die Reduktion der Protonen an einem anderen Ort mit weniger Überspannung stattfindet.

* = Wenn man das Zinkblech mit einem Stück edlerem Metall berührt, dann steigen am z.B. Platindraht (Cu, Ag auch möglich) Wasserstoffblassen auf, während am Zinkblech die anfänglich geringe Bildung von Blasen völlig zum Erliegen kommt.

Wasserstoff sollte an Blei eine recht üppige Überspannung haben, sonst würden Bleiakkus deutlich mehr Knallgas produzieren als Strom speichern.


Die Überspannung von Wasserstoff an Quecksilber ist so hoch, daß Natriumionen elektrolytisch reduziert werden und sich im Quecksilber lösen können. Im Amalganzersetzer der Chlor-Alkali-Elektrolyse schwimmen dann Graphitstücke auf dem Quecksilber, übernehmen die Elektronen und rerduzieren Wasser zu Wasserstoff und Hydroxidionen, die den Ladungsausgleich zu den sich lösenden Natriumionen bilden.
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mgritsch
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Hm, Zink mit -0,76 V löst sich eigentlich ganz gut und ohne zu murren in HCl, spätestens wenn man leicht erwärmt. Dass die Blasen bei Kontakt trotzdem am Cu aufsteigen tut da wenig zur Sache.

Das Argument mit dem Bleiakku hat was, wenngleich die Lade-Reaktion von 2 Platten PbSO4 ausgeht und H2SO4 als Elektrolyt eingesetzt wird - damit überzieht sich das Pb mit einer passiverenden Sulfatschicht. Gut lösliches Acetat würde ich damit nicht vergleichen...

In heißer HCl löst sich Pb zum Beispiel sehr gut, hier orte ich eher das Problem dass in der Kälte die schwerlösliche PbCl2-Schicht blockiert.

Pb in Essigsäure reagiert ja anfangs - da steigen eine Zeit lang brav ein paar Bläschen auf. Es hält bloß nicht lange genug an um damit vernünftig Menge aufgelöst zu bekommen. Eine grundsätzliche Passivierung orte ich also nicht. Werde aber gerne mal den Versuch mit Kontakt mit edlerem Metall machen!

Gibt’s eine „offizielle“ zitierbare Lehrbuch-Stelle an der diese Frage schon beantwortet wurde? Wir sind ja hoffentlich nicht die ersten die darüber nachdenken...
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mgritsch
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Ergänzend noch ein bisschen Rechen-Theorie warum ich zum Schluss gekommen bin dass es aus elektrochemischen Gründen nicht geht:

Eine „ein paar“-molare Essigsäure hat pH ca 2; c(H+) somit 0,01 mol/l
Wenn Wasserstoff entsteht bei Normaldruck ist der Partialdruck 1
In der Nernst-Gleichung bedeutet das, dass das Potenzial von H von 0 Volt auf 0 -2 x 59 = -118 mV sinkt. 0 Volt hat man nur bei pH = 0.

Das Standardpotenzial von Pb beträgt nur -125 mV, das bedeutet wenn ich eine Konzentration an Pb von 1 mol/l erreicht habe (Standardbedingung), gibt es zu den -118 mV (fast) keine Potenzialdifferenz mehr und die Reaktion findet prinzipiell nicht mehr statt. Noch mehr Blei in Lösung und es wäre edler als H.

In meinem Ansatz von ca 60 ml einer ca 4,8 M Essigsäure (ignorieren wir mal vorübergehend das auch noch anwesende H2O2) bedeutet das, dass sich maximal 0,06 mol = 12,5 g Pb auflösen können und dann ist absolutes Ende. Die 30 g die die Stöchiometrie verspricht sind unerreichbar. (Die Essigsäure ist dabei nur von ca 4,8 auf 2,8 mol/l gesunken, das hat noch keinen großen Effekt, allenfalls hat es die letzten mV beigetragen. Konzentration statt Aktivitäten sei dabei als gröbliche Vereinfachung gestattet :mrgreen:)

Praktisch wird schon merklich vorher Schluss sein, zumindest mit in endlicher Zeit erreichbar.

Mag sein dass es Überspannung auch noch gibt (da fehlt ja nicht mehr viel...), aber allein die Redox-Chemie sagt schon „das wird nichts“. Genauso gut könnte man versuchen Platin in Salzsäure aufzulösen :wink:
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von lemmi »

mgritsch hat geschrieben: Dienstag 19. Januar 2021, 23:48 Pb in Essigsäure reagiert ja anfangs - da steigen eine Zeit lang brav ein paar Bläschen auf. Es hält bloß nicht lange genug an um damit vernünftig Menge aufgelöst zu bekommen. Eine grundsätzliche Passivierung orte ich also nicht. Werde aber gerne mal den Versuch mit Kontakt mit edlerem Metall machen!

Gibt’s eine „offizielle“ zitierbare Lehrbuch-Stelle an der diese Frage schon beantwortet wurde? Wir sind ja hoffentlich nicht die ersten die darüber nachdenken...
Meine Lehrbücher sind alle von vor 1960, da steht dazu nichts Konkretes drin :)
Der Hager (1949) schreibt, zur Darstellung von Bleiacetat solle man bleiglätte (PbO) in Essigsäure lösen. War als Ausgangsstoff vermutlcih sogar wirtschaftlicher als metallisches Blei.

Es wird schon so sein, wie du schreibst: die Dissoziation der Essigsäure, i.e. die H+-Konzentration, ist zu klein um den minimlen Potenzialunterschied auszunutzen. Die Frage ist aber: was ändert sich durch die Zugabe von H2O2? Dass es das Gleichgewicht verschiebt, indem es die Bildung von Wasserstoff verhindert, glaube ich nicht, denn wie gesagt, der Wasserstoff gast aus und entfernt sich selbstständig aus dem Gleichgewicht.

Wird das Blei vielleicht vom Wasserstoffperoxid oxidiert? Wie ist das Verhältnis der Redoxpotentiale Pb/Pb2+ und H2O2/H2O?
Oder spielt vielleicht Peressigsäure als Zwischenprodukt eine Rolle, möglicherweise hat die einen kleineren pKs als Essigsäure (hab ich auf die Schnelle nichts dazu gefunden)?

Die Erklärung mit dem Gleichgewicht überzeugt mich jedenfalls nicht.

(P.S. in solchen Fragen ist doch Xyrofl immer sehr gut, wo ist er eigentlich?)
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Glaskocher »

Ich tippe mal darauf, daß das Wasserstoffperoxid die Elektronen aus dem Blei übernimmt und zu Hydroxid-Ionen zerfällt. Die rekombinieren mit den aus der Dissoziation der Essigsäure "übrig" gebliebenen Protonen zu Wasser und die Bilanz müßte stimmen.

Dadurch wird zum Einen die Überspannung und die Polarisation umgangen und zum Anderen geht die Oxidationsfähigkeit der Lösung weit über das hinaus, was die Essigsäure zu bieten hat. Ob sich bei den Konzentrationen nennenswerte Mengen Peressigsäure bilden weiß ich nicht.



Andere Frage:
Es müßte doch für hydrathaltige Salze einen Wasser-Partialdruckbereich geben, innerhalb dessen dieses stabil ist. Bei geringerem Partialdruck wird das Salz verwittern und in nasserer Umgebung wird es entweder zu einer höheren Hydratstufe umgewandelt oder löst sich im einkondensierenden Wasser. Jetzt ist es interessant, in welchem Bereich der Gleichgewichtsfeuchte die entsprechenden Sorten Blaiacetat stabil sind. Eventuell ist es leichter, das Trihydrat zum Monohydrat zu trocknen, als es in sich zu stabilisieren.
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 18:16 Meine Lehrbücher sind alle von vor 1960, da steht dazu nichts Konkretes drin :)
keine gültige Ausrede, auch 1960 kannte man die Grundlagen der Elektrochemie schon recht umfassend :lol:
Die Frage ist aber: was ändert sich durch die Zugabe von H2O2? Dass es das Gleichgewicht verschiebt, indem es die Bildung von Wasserstoff verhindert, glaube ich nicht, denn wie gesagt, der Wasserstoff gast aus und entfernt sich selbstständig aus dem Gleichgewicht.
Ausgasen und entfernt - au contraire! Man denke an die H2-Elektrode wo ein Pt-Blech mit H2-Gas umspült wird, das ist alles andere als weg aus dem Gleichgewicht! Weg ist es erst, wenn es weit weg ist und seine "Konzentration" hängt nicht von der Menge ab, sondern vom Partialdruck. Wenn auch nur eine hauchfeine Bläschen-Schicht dran hängt und das ganze bei normalem Umgebungsdruck stattfindet, hat der H2 an der Elektrode einen Partialdruck von 1 bar (und Gase gehen in Gleichgewichtskonstanten etc einfach mit dem Partialdruck ein). Wenn ich die Säure mit dem Pb allerdings in den Vakuum-Exsiccator stelle müsste die Reaktion wieder stark anspringen - bei 10 mBar ist das Potenzial wieder um 118 mV höher als bei 1 bar!
Wird das Blei vielleicht vom Wasserstoffperoxid oxidiert? Wie ist das Verhältnis der Redoxpotentiale Pb/Pb2+ und H2O2/H2O?
Oder spielt vielleicht Peressigsäure als Zwischenprodukt eine Rolle, möglicherweise hat die einen kleineren pKs als Essigsäure (hab ich auf die Schnelle nichts dazu gefunden)?
H2O2 in saurer Lösung ist ein sehr starkes Oxidationsmittel - E0 für H2O2 + 2 H+ +2e- <-> 2 H2O ist 1,776 V! Das ist stärker als Chlor (1,35V)!
Ob es sich dabei um eine nachgelagerte Oxidation handelt die nascierenden H2 immer weg oxidiert und somit das Potenzial von H+ wieder positiver macht handelt oder ob direkt Pb zu Pb2+ oxidiert wird (zu PbO) das dann bequem wie bei Hager in situ gelöst wird ist ein akademisches Problem. Auch die Bildung von Peressigsäure (die ein nur minimal geringeres Standardpotenzial wie Wasserstoffperoxid hat; nota bene ist sie it einem pKa von 8,3 als Säure sogar viel schwächer als Essigsäure!) hat da keine grundlegende mechanistische Bedeutung.
Fakt bleibt - was die Essigsäure allein nicht kann, nämlich Pb zu Pb2+ zu oxidieren, das schafft das Peroxid und deshalb löst es sich auf.
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 21:16 Ich tippe mal darauf, daß das Wasserstoffperoxid die Elektronen aus dem Blei übernimmt und zu Hydroxid-Ionen zerfällt. Die rekombinieren mit den aus der Dissoziation der Essigsäure "übrig" gebliebenen Protonen zu Wasser und die Bilanz müßte stimmen.
genau das sagt meine Summengleichung aus: Pb + 2 CH3COOH + H2O2 → Pb(CH3COO)2 + 2 H2O

Andere Frage:
Es müßte doch für hydrathaltige Salze einen Wasser-Partialdruckbereich geben, innerhalb dessen dieses stabil ist. Bei geringerem Partialdruck wird das Salz verwittern und in nasserer Umgebung wird es entweder zu einer höheren Hydratstufe umgewandelt oder löst sich im einkondensierenden Wasser. Jetzt ist es interessant, in welchem Bereich der Gleichgewichtsfeuchte die entsprechenden Sorten Blaiacetat stabil sind. Eventuell ist es leichter, das Trihydrat zum Monohydrat zu trocknen, als es in sich zu stabilisieren.
den gibt es sicher, aber wie bekomme ich das Salz erst mal getrocknet ohne dass es schon verwittert? :)
Wenn es nur um die Optik geht am besten feucht ins Glas, das sollte bleiben.
WIkipedia kennt nur die Trihydrat-Stufe, in der Literatur fand ich auch noch ein Hemihydrat und das mit "Kristall-Essigsäure". Eine definierte Stöchiometrie dürfte nur beim Anhydrat zu bekommen sein (Trocknung über H2SO4).
Daneben ist es übrigens auch für die Reaktion mit CO2 aus der Luft zu Carbonat und Essigsäure anfällig - trägt auch zum verwitterten Erscheinungsbild bei. (Eine Auflösung in dest. Wasser ist immer etwas trüb, ein tropfen verd. Essigsäure und es klärt sich.) ich glaube normal an der Luft gelagert verliert es gar nicht mal so massig Kristallwasser!

In Summe sicher keine geeignete Urtitertsubstanz :angel:
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von lemmi »

mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 22:10Fakt bleibt - was die Essigsäure allein nicht kann, nämlich Pb zu Pb2+ zu oxidieren, das schafft das Peroxid und deshalb löst es sich auf.
Essigsäure schafft das auch, nur geht das viel langsamer. Dass wasserstoffperoxid die Reaktion stark beschleunigt ist unbestritten ein Fakt - das verzwickte ist , ihn (richtig) zu verstehen. :wink:
mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 22:10 Ausgasen und entfernt - au contraire! Man denke an die H2-Elektrode wo ein Pt-Blech mit H2-Gas umspült wird, das ist alles andere als weg aus dem Gleichgewicht! Weg ist es erst, wenn es weit weg ist und seine "Konzentration" hängt nicht von der Menge ab, sondern vom Partialdruck. Wenn auch nur eine hauchfeine Bläschen-Schicht dran hängt und das ganze bei normalem Umgebungsdruck stattfindet, hat der H2 an der Elektrode einen Partialdruck von 1 bar (und Gase gehen in Gleichgewichtskonstanten etc einfach mit dem Partialdruck ein). Wenn ich die Säure mit dem Pb allerdings in den Vakuum-Exsiccator stelle müsste die Reaktion wieder stark anspringen - bei 10 mBar ist das Potenzial wieder um 118 mV höher als bei 1 bar!
Platin ist ein extrem gutes Lösungsmittel für Wasserstoff - und dazu tritt an ihm gar keine Überspannung auf (steht in meinem Lehrbuch von 1954! :mrgreen: ). Woher weißt du, dass Blei sich mit einer Schicht Wasserstoff bedeckt? Und ausserdem: ist das eine Gleichgewichtsfrage, oder nicht einfach ein mechanisches Problem "die Säure kommt nicht mehr dran"? Oder ist der Potentialunterschied - wie du oben so schön hergeleitet hast - einfach so klein, dass die rEaktion seeeehr langsam geht 8beim Erhitzen wird sie ja schneller). Was ich in Frage stelle, ist das Argument mit dem verschobenen Gleichgewicht. Das überzeugt mich nicht.
mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 22:10 [H2O2 in saurer Lösung ist ein sehr starkes Oxidationsmittel - E0 für H2O2 + 2 H+ +2e- <-> 2 H2O ist 1,776 V! Das ist stärker als Chlor (1,35V)!
Ob es sich dabei um eine nachgelagerte Oxidation handelt die nascierenden H2 immer weg oxidiert und somit das Potenzial von H+ wieder positiver macht handelt oder ob direkt Pb zu Pb2+ oxidiert wird (zu PbO) das dann bequem wie bei Hager in situ gelöst wird ist ein akademisches Problem.
Jede Fragestellung, die das Verständnis der Welt betrifft ist akademisch. Akademien sind dazu da, dass wir uns über Diskussion der Wahrheit annähern - auch wenn wir sie nie ganz erreichen. :wink:

Es macht einen Untrschied ob Wasserstoff oxidiert wird oder Blei. In einem früheren Beitrag hat Xyrofl mal ausgeführt, dass es sowas wie naszierenden Wasserstoff in Wirklichkeit gar nicht gibt. Ich zitiere:
Nascierender Wasserstoff ist ein uraltes Gedankenkonstrukt aus der Zeit, wo den Leuten heterogene Reaktionen und insbesondere heterogene Katalyse fremd waren.
Damals konnte man wohl auch noch keine Elektrodenpotentiale berechnen. Atomarer Wasserstoff in freier Form kann unmöglich von Zink freigesetzt werden, weil er viel zu energiereich ist. Man braucht den genauen Mechanismus nicht und über atomaren Wasserstoff läuft er nicht.
mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 22:10 Auch die Bildung von Peressigsäure (die ein nur minimal geringeres Standardpotenzial wie Wasserstoffperoxid hat; nota bene ist sie it einem pKa von 8,3 als Säure sogar viel schwächer als Essigsäure!) hat da keine grundlegende mechanistische Bedeutung.
Okay, das scheidet als Erklärung also aus.
mgritsch hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 22:10 Hm, Zink mit -0,76 V löst sich eigentlich ganz gut und ohne zu murren in HCl, spätestens wenn man leicht erwärmt. Dass die Blasen bei Kontakt trotzdem am Cu aufsteigen tut da wenig zur Sache.
Tut es auch, das scheint aber mit dem Cl- zu tun zu haben, so wie beim Aluminium. Ich glaube, glaskocher meinte Schwefelsäure. In Schwefelsäure löst Zink sich spontan fast gar nicht. Die Überspannung wird dann durch Kontakt mit Kupfer oder Platin aufgehoben:

Bild
Links: Zink mit Hexacloroplatinsäure aktiviert - Mitte: Zink mit Kupfersulfat aktiviert - rechts: reines Zink ohne Aktivierung, alle in 25%iger Schwefelsäure.
Ich tippe mal darauf, daß das Wasserstoffperoxid die Elektronen aus dem Blei übernimmt und zu Hydroxid-Ionen zerfällt. Die rekombinieren mit den aus der Dissoziation der Essigsäure "übrig" gebliebenen Protonen zu Wasser und die Bilanz müßte stimmen.
Finde ich die überzeugendste Erklärung bislang. Und nicht das "Gleichgewichtspostulat". Deine Summensformel, @mgritsch, ist mit beidem vereinbar. Aber der dahinterstehende Mechanismus ist verschieden.
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 23:07Essigsäure schafft das auch, nur geht das viel langsamer.
da wäre ich mir nicht so sicher. Historisch stellte man es in sehr langsamen Reaktionen dar - unter Einfluss von Luftsauerstoff! Schon wieder ein oxidatives Hilfsmittel!
Platin ist ein extrem gutes Lösungsmittel für Wasserstoff - und dazu tritt an ihm gar keine Überspannung auf (steht in meinem Lehrbuch von 1954! :mrgreen: ). Woher weißt du, dass Blei sich mit einer schicht Wasserstoff bedeckt? Und ausserdem: ist das eine gleichgewichtsfrage, oder einfach ein mechanisches Problem "die Säure kommt nicht mehr dran"? Was ich in Frage stelle, ist das Argument mit dem verschobenen Gleichgewicht. Das überzeugt mich nicht.
2 verschiedene Themen: dass Pt dafür unzweifelhaft besonders optimal geeignet ist - ja. Unabhängig davon sind die Prinzipien bzw Konventionen wie Gase in einem Gleichgewicht berücksichtigt werden (Partialdruck) gültiger Standard der phys. Chem. Solange das Gas (äußerlich, dazu ist keine Auflösung erforderlich) in Kontakt mit der Elektrode ist, ist das so (per Definition). Und Gasbläschen sind in dem Fall auch definitiv erkennbar wenn man das Pb frisch in die Essigsäure gibt! Selbst wenn nicht in makroskopisch erkennbarer Menge - was würdest du denn sonst in bei der beliebigen Gleichung:

2H+ + A <-> A2+ + H2 ---> K = [A2+][H2]/[H+]²[A]

für die Konzentration an H2 einsetzen? Das ist wie gesagt eine rein druckabhängige Größe und somit über den Umgebungsdruck gesteuert....

Das Argument mit den Gleichgewicht: wie man zum rechnerisch zum Potenzial kommt habe ich oben schon aufgeführt, dann wenden wir noch mal Nernst an: ΔRG = -zFΔE, somit lässt sich aus dem Redox-Potenzial die freie Gibbs'sche Reaktionsenthalpie berechnen. (unter Standardbedingungen für Pb + 2H+ -> Pb+2 + H2 wären das -24,1 kJ/mol - grundsätzlich will es sich auflösen in Säure!)
Mit ΔRG = - RT ln K ergibt sich die zugehörige Gleichgewichtskonstante, womit wir die Reaktion thermodynamisch umfassend beschrieben hätten. Gleichgewicht und Standardpotenzial hängen unmittelbar zusammen! Ich hoffe damit sind die letzten Zweifel ausgeräumt... Die ganze Chemie ist Gleichgewicht! :) In der Anorganik "fühlt" man es nur nicht so oft... die verführt sehr dazu einfache, einseitige Reaktionspfeile zu malen weil viele Reaktionen stark Exergon sind und das GG praktisch vollständig rechts liegt. Tut es aber nicht immer :)

A Priori spielt bei solchen Reaktionen das Anion ja gar keine Rolle. Das ist eine reine Redoxreaktion zwischen Metall und H+.
Das tut es nur indirekt, indem es entweder bestimmt wie viele H+ überhaupt vorhanden sind (gekoppeltes Gleichgewicht der Säuredissoziatation) oder es bestimmt welche Konzentration an Anion in der Lösung vorliegt (Lösungsgleichgewicht, vgl bei AgCl).
Und last but not least kann das Anion passivieren wenn es zu einer unlöslichen Deckschicht führt die effektiv den Zutritt von Säure/H+ an die Metalloberfläche unterbindet (vgl. Passivierung von Alu durch Oxidschicht, Eisen durch Salpetersäure...).

Nota bene - Passivierung ist sozusagen die Extremform der Überspannung. Diverse zusätzliche "Barrieren" chemischer oder physikalischer Natur erschweren den ungehinderten Zugang zu Metalloberfläche, jede dieser Barrieren lässt sich als Spannung ausdrücken.
dass es sowas wie naszierenden Wasserstoff in Wirklichkeit gar nicht gibt.
ist mir bekannt, doch jetzt wird es philosophisch - was ist schon "Wirklichkeit" :) Sind Atome "wirklich"? Oder alles nur eine gelungene Illusion aus den vielen Wellenfunktionen, ja Strings? Sind Wellenfunktionen überhaupt "wirklich"? Auch wenn niemand je "ein Fläschchen naszierenden Wasserstoff" herstellen wird - als Modell so wie die "Elektronenschalen" kann es Sinn machen. Wie weit macht es (für welchen Zweck) Sinn noch unbedingt verstehen zu wollen, was hinter einem Vorgang "in Wirklichkeit" steckt?

Wow, in wenigen Beiträgen von ödem altem Bleizucker zu fundamentalsten Fragen der Erkenntnis :) :yeah:

Peressigsäure:
Okay, das scheidet als Erklärung also aus.
Als stärkere Säure ja, als oxidierende Spezies nicht unbedingt. Vielleicht nimmt sie "in Wirklichkeit" auch Teil an der Reaktion, der temporäre Umweg des H2O2 über Peressigsäure wäre aber (im Sinne von Ockhams Messer) nicht erforderlich und somit nicht sinnvoll für die Erklärung des Beobachteten.
Glaskocher
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Glaskocher »

lemmi hat geschrieben: Mittwoch 20. Januar 2021, 23:07...
Tut es auch, das scheint aber mit dem Cl- zu tun zu haben, so wie beim Aluminium. Ich glaube, glaskocher meinte Schwefelsäure. In Schwefelsäure löst Zink sich spontan fast gar nicht. Die Überspannung wird dann durch Kontakt mit Kupfer oder Platin aufgehoben:...
Ich meinte 0,1M Salzsäure, wie oben beschrieben (und selbst durchgeführt). Auch darin hat reines Zink eine Hemmung, sich aufzulösen. Durch Berühren mit Platindraht wird diese Polarisation durchbrochen und das Zink löst sich auf, während der Wasserstoff am Platin gebildet wird. Es funktioniert auch mit Silber- und Kupferdraht, während Eisendraht kein vorzeigbares Ergebnis bringt.

Die Version mit der Schwefelsäure wrerde ich mir merken, da sie deutlich weniger Reaktion im Ruhezustand (ohne Lokalelementbildung) bietet.
Xyrofl
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Xyrofl »

Kann Wasserstoffperoxid überhaupt Wasserstoff nennenswert oxidieren, z.B. wenn man Wasserstoff einperlt? Es könnte ja auch sein, dass das kinetisch einfach nicht hinhaut. Nicht jedes Oxidationsmittel kann Wasserstoff einfach so bei Raumtemperatur oxdieren - ohne Katalysator sogar fast keines.
Die ganze Überspannung ist auch einfach nur eine kinetische Problematik. Dabei geht es darum, dass Wasserstoff ein diatomares Gas ist und sich nicht ohne energetische Barriere aus Protonen bilden kann, außer eben auf einer katalytischen Oberfläche, wo energetisch günstigere Übergangszustände möglich sind. Da im Artikel von Kupfer, Antimon und wer weiß was noch als Legierungsbestandteil berichtet wird, müssen wir aber davon ausgehen, dass möglicherweise gar keine so hohen Überspannungen auftreten.

Generell liegen Metalle beim Kontakt mit einer Lösung immer in einem Gleichgewicht mit ihren Ionen vor, sie warten nicht auf einen Reaktionspartner, sondern springen immer hin und her mit ihrer intrinsischen Austauschstromdichte. Je mehr Ionen das Metall verlassen, desto negativer wird das Eletrodenpotential. Das Potential würde immer weiter fallen (bis auf Minus unendlich), würden die Ionen nicht logischerweise von dem negativen Potential wieder reduziert werden können. Je früher (niedrigere Konz, höheres Potential) die Ionen wieder reduziert werden, desto schneller begrenzt sich der Potentialabfall und desto edler ist das Metall. Wenn die Metall-Ionen später reduziert werden als ein weiterer Bestandteil der Lösung, dann löst sich das Metall irreversibel auf, z.B. Natrium in Wasser. Lange bevor das Metall durch Abgabe von positiven Ionen ausreichend negativ polarisiert ist, um wieder Natriummetall aus der Lösung abzuscheiden, scheidet sich stattdessen Wasserstoff ab.
Haben wir ein anderes Oxidationsmittel in der Lösung, dann kann das auch reduziert werden. Alle diese Reaktionen laufen parallel ab. Wasserstoffperoxid ist ein wunderbar starkes Oxidationsmittel und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es warten muss, bis Wasser zu Wasserstoff reduziert wurde um den dann zu oxidieren, es kann auch direkt reduziert werden. Sicher kann es auch adsorbierten Wasserstoff oxidieren und so wieder eine blanke Metalloberfläche schaffen. Die beiden Mechanismen müssen sich also nicht ausschließen.
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mgritsch
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Xyrofl hat geschrieben: Donnerstag 21. Januar 2021, 12:55 Kann Wasserstoffperoxid überhaupt Wasserstoff nennenswert oxidieren, z.B. wenn man Wasserstoff einperlt? Es könnte ja auch sein, dass das kinetisch einfach nicht hinhaut. Nicht jedes Oxidationsmittel kann Wasserstoff einfach so bei Raumtemperatur oxdieren - ohne Katalysator sogar fast keines.
hätte ich auch so gesehen. H2 muss definitiv nicht erst als Gas "ausperlen" um anschließend zu reagieren.
Da im Artikel von Kupfer, Antimon und wer weiß was noch als Legierungsbestandteil berichtet wird, müssen wir aber davon ausgehen, dass möglicherweise gar keine so hohen Überspannungen auftreten.
Antimon sicher, Zinn vielleicht, Kupfer und anderes allenfalls in den üblichen "Spurenmengen" technischer Produkte. Keine Ahnung welche davon tatsächlich geeignet wären die Überspannung abzubauen. Ich habe noch mal bisschen recherchiert - zumindest in Schwefelsäure (und da ist das wegen des schwer löslichen Sulfats auch sehr plausibel) hat H2 an Pb eine erkleckliche Überspannung die aber speziell an Ag und auch an Cu rasch zusammenbricht.

Professor Blume merkte dazu sogar mal ganz subversiv an:
Ein mieser Trick, um Leute zu ärgern: Wenn du etwas Lösung eines Silbersalzes oder eines Salzes eines Platinmetalls in den Akku tropfst, kann der nicht mehr geladen werden, weil sich zunächst gemäß 2 Ag+ + Pb ———> 2 Ag + Pb2+ Silber auf den Akkuplatten niederschlägt. Will man den Akku nun laden, gast er nur, d. h. er zersetzt nur Wasser, bis nichts mehr da ist. Grund: Wasserstoff hat an Silber- und vor allem an den Platinmetallen eine besonders niedrige Überspannung, so dass nun Protonen statt Blei-Ionen entladen werden.

Ich bin schockiert :shock: :mrgreen: 8)

Wie auch immer, Versuch macht kluch - ich werde noch die Bleistückchen nach lemmis Zink-Vorbild in verschieden dotierte Esigsäure-Lösungen geben, dann werden wir ja sehen.
Haben wir ein anderes Oxidationsmittel in der Lösung, dann kann das auch reduziert werden. Alle diese Reaktionen laufen parallel ab. Wasserstoffperoxid ist ein wunderbar starkes Oxidationsmittel und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es warten muss, bis Wasser zu Wasserstoff reduziert wurde um den dann zu oxidieren, es kann auch direkt reduziert werden. Sicher kann es auch adsorbierten Wasserstoff oxidieren und so wieder eine blanke Metalloberfläche schaffen. Die beiden Mechanismen müssen sich also nicht ausschließen.
so sehe ich das auch - und letzteres nannte man historisch dann wohl "nascierenden Wasserstoff". Obwohl als Gas unmittelbar schwer oxidierbar, läuft die Reaktion an der Metalloberfläche trotzdem katalytisch ab.

Also in Zusammenschau von allem was wir hier bisher diskutiert haben denke ich die plausibelste Erklärung für das was man beobachten kann ist eine Kombination aus all diesen Dingen.
- durch Überspannung wird de ohnehin schon geringe Potenzialdifferenz noch weiter reduziert (sehr maue H2-Entwicklung)
- den letzten Rest gibt der Reaktion dann das Gleichgewicht wenn durch steigende Pb-Konzentration die Potenzialdifferenz gegen 0 geht
- Elektronen aus dem Pb werden dann eben an H2O2 übergeben, nach H2O2 + 2e- --> 2 OH-. Diese Reaktion käme in neutraler oder basischer Lösung ganz schnell zum erliegen (Passivierung durch unlösliches Hydroxid), die Essigsäure lässt sie aber ablaufen da das Hydroxid aufgelöst wird.

p.s.: ganz so alt ist das Wissen zu den Vorgängen wohl nicht - hier eine Dissertation von 1955 zur Auflösung von Zn in H2SO4 bzw elektrolytische Abscheidung:
http://e-collection.library.ethz.ch/ese ... 726-02.pdf
Vergleichbares von Pb in Essigsäure konnte ich leider nicht finden....

p.p.s: ein wichtiges Learning aus der Diskussion: die Aussage "H hat an X eine Überspannung" ist in der Form definitiv zumindest unpräzise wenn nicht falsch. Viel mehr als auf H und X kommt es anscheinend auf die Umgebung und die Bedingungen an - das Anion, die Temperatur, die Anwesenheit von Komplexbildnern oder bestimmten Spurenverunreinigungen...
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