Synthese von Blei(II)-acetat

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Xyrofl
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Xyrofl »

Ist die Aussage Prof. Blumes zur Konzentration des Sauerstoffes in der Lösung, die er als konstant annimmt, also falsch?
Je nach Kontext ist das mal richtig und mal falsch, weil es natürlich eine Näherung ist. Wenn irgend etwas in einer Lösung geschieht, dann ist sie offensichtlich nicht im Gleichgewicht, d.h. sie mit Gleichgewichten zu modellieren ist immer nur näherungsweise korrekt. Je nachdem ob ein Gleichgewicht sich schnell einstellt oder nicht, kann das alles sein: Von einer guten Näherung, über eine grobe Abschätzung bis hin zu unrealistisch und falsch.

Nehmen wir als ganz einfaches Beispiel das Kochen von Wasser: Wann bilden sich Blasen im kochenden Wasser?
Wenn der Dampfdruck von H2O den Raumdruck übersteigt oder wenn er den H2O-Partialdruck der Raumluft (also die Luftfeuchte) übersteigt? Normalerweise ersteres, oder? Aber die Theorie sagt doch auch, dass Wasser verdunsten muss, wenn der H2O-Partialdruck in der Flüssigphase höher ist als in der Gasphase (der Luft). Und ja, das passiert auch, denn Wasser das bei 25°C an der offenen Luft steht, verdunstet ja auch und das abhängig von der Luftfeuchte (So funktioniert ja ein Exsikkator). Es gibt den Austausch mit der Luft, der abhängig von der Zusammensetzung der Luft ist schon, aber der ist sehr langsam (Verdunsten) und es gibt eben noch den alternativen Fall, wo die Lösung direkt Blasen aus reinem Gas bildet und der ist schneller (Kochen). So ist das bei Gasen wie Sauerstoff, Chlor oder Wasserstoff auch. Sie können in Form von Blasen ausperlen (schnell und nur abhängig vom Raumdruck) oder langsam an der Oberfläche ausdiffundieren (langsam und von der Zusammensetzung des Gases über der Flüssigkeit abhängig).

Die sehr langsamen Prozesse spielen oft einfach keine Rolle, außer man wartet sehr lange. Wenn ich z.B. Salzsäure mit H2O2 umsetze, dann erhalte ich erst einmal gesättigtes Chlorwasser, denn überschüssiges Chlor das sich nicht mehr lösen perlt schnell aus. Wenn ich aber auf die vollständige Einstellung des Gleichgewichtes mit der Umwelt warte, dann kriege ich erst Wasser ohne Chlor, weil Chlorwasser an der Luft langsam Chlor abgibt, wie jeder weiß und dann irgendwann sogar einen trockenen Kolben weil auch das Wasser verdunstet, denn Wasser im Kolben ist kein Gleichgewichtszustand, außer er ist komplett dicht, oder in meinem Labor ist 100% Luftfeuchte.
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mgritsch
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 24. Januar 2021, 23:06 Okay, ich akzeptiere, dass der gasförmige Wasserstoff in das Gleichgewicht eingeht. Irgendwas in mir denkt zwar immer noch, das Ausgasen würde ihn aus dem Gleichgewicht entfernen, aber das, habe ich der Diskussion entnommen, scheint nicht so die Rolle zu spielen.
dazu ein klares "jein" :D

Spielt das Ausgasen eine Rolle für das Potenzial - (kurzfristig) nein. Eine Rolle würde es aber genau dann spielen, wenn du die Reaktion in einem geschlossenenen Gefäß durchführst, denn dann sammelt sich das Gas an und der Druck steigt und das schiebt wiederum das GG nach links! Dass Reaktanden bzw Produkte im Reaktionsgefäß verbleiben ist ja sonst eher der Normalfall. Insofern - ja, er wird aus dem GG entfernt, aber sinkt nicht auf 0 sondern bleibt auf (während die Reaktion läuft und Gas am Metall ist) dem Umgebungs-Partialdruck, und zwar in erster Näherung konstant. Und das ist bei einer GG Reaktion auch schon einiges wert!

In dem Sinne kann so eine Reaktion dann auch quantitativ verlaufen, was bei "eingesperrtem Gas" wohl eher nicht der Fall wäre. Insofern auch "ja, durch Entfernen aus dem GG wird die Reaktion nach rechts verschoben". Aber eben im Vergleich zu "wenn es ein geschlossenes System wäre" und nicht unendlich weit...
Ist die Aussage Prof. Blumes zur Konzentration des Sauerstoffes in der Lösung, die er als konstant annimmt, also falsch?
Wörtlich schreibt er wenn er die Nernst-Gleichung aufstellt:
Wir berücksichtigen die Konzentration des Sauerstoffs, die man im Allgemeinen als Partialdruck pO2 angibt, nicht weiter, da sie wegen des Gasaustauschs zwischen Lösung und Luft als konstant anzunehmen ist.

Das ist konsistent mit dem was ich oben geschrieben habe. Sie ist konstant, allerdings nur bei konstantem Druck! Jedes Redox-Potenzial in dem eine gasförmige Komponente vorkommt, ist druckabhängig! Würde die gleiche Reaktion im Autoklaven oder unter vermindertem Druck durchgeführt, sieht das ganz anders aus! Das ist auch konsistent mit der allgemeinen Regel, dass ein GG einer Reaktion bei der das Volumen zunimmt (Gas entsteht) durch Drucksteigerung nach links, durch Druckminderung nach rechts verschoben wird.

wäre mal ein lustiger Demonstrationsversuch eine H2-Elektrode mit steigendem Druck zu betreiben und zuzusehen wie sie immer negativer wird (um 0,059 V pro Faktor 10) ... oder ein Metall, das sich bei 100 oder 1000 bar Druck nicht mehr in HCl auflöst... leider technisch nicht so leicht realisierbar. Praktisch relevant könnte sowas aber zB bei Metallkonstruktionen am Meeresgrund sein!
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mgritsch
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

So, Erklärung ist angepasst, Tempi auch :mrgreen: aus meiner Sicht wär's dann soweit abgeschlossen.
Ich bedanke mich nochmal ausdrücklich bei allen Mitdiskutanten für die angeregte und anregende Diskussion und Beharrlichkeit beim Nachbohren... macht Spass und ist immer wieder schön wenn man auch die anscheinend trivialen Dinge so lange hinterfragt bis man (einigermaßen) sagen kann "jetzt hab ich's verstanden" :thumbsup:
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Vanadium
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Vanadium »

Weiß jemand zufällig, wie rein das Blei aus diesen Bleiziegeln ist? :D
Glaskocher
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Glaskocher »

Wofür braucht man "diese" Bleiziegel?
Wenn es Strahlenschutz-Blöcke sind, dann könnte man sie aus dem Blei machen, das nach der Entfernung vom Silber (und dem dazu verwendeten Zink) übrig bleibt. Es muß ja nur hauptsächlich Blei sein, ansonsten ist es der Strahlung recht egal, ob da noch Antimon, Bismut, Zinn und Spuren Kupfer drin sind. Es wird vermutlich schon 98+% rein sein.
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Vanadium
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Vanadium »

Hmm, ich habe nochmal nachgesehen, und offiziell werden die Teile "Blei-Dachpfannen" genannt. Sorry für das Missverständnis...
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immi07
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von immi07 »

Hallo,
Vanadium hat geschrieben: Samstag 20. März 2021, 22:24 Weiß jemand zufällig, wie rein das Blei aus diesen Bleiziegeln ist? :D
Walzbleidatenblatt pdf

Gruß
Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Pläne zu machen, Arbeit zu verteilen, Werkzeug zu holen und Holz zu schlagen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Dann bauen sie das Schiff von alleine.

Du hast eine Handvoll Brombeeren und wirfst sie zur Erde. Sie verbinden sich mit der Erde zu Erdbeeren. Und Brom wird frei.

Können ist, wenn "Glück gehabt" zur Gewohnheit wird.
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Vanadium
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Vanadium »

Ahh okay, vielen Dank! Besser als gedacht die Reinheit!
Kermit
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Kermit »

Ich habe den Versuch nach dieser Anleitung nachvollzogen, allerdings habe ich das H2o2 zugetropft um ein Überschäumen zu verhindern. Hat auch prima funktioniert. Dabei traten allerdings wieder Fragen auf.
Als die Tropfen mit dem Schaum reagierten änderte sich die Farbe des weißen Schaumes kurzzeitig in gelb. Ich vermute das Bleiacetatschaum zu PbO reagierte. Reicht unter dieser Umständen die errechnete Menge an H2O2 noch aus??
Ich habe dann unterhalb der Schaumkrone mit der Pipette bewusst überdosiert.
Daraus folgt die nächste Frage: kann durch die Überdosierung von Wasserstoffperoxid Blei(IV)-acetat entstanden sein?? Falls möglich, wie kann ich das nachweisen??
Nächste Frage: Verwendet wurden Feilspäne aus 99.99%Pb Bleibarren. Die geringen Bleireste der der Reaktion waren Kupferfarben. Was kann das nun wieder sein?? Können das "Anlassfarben" wie beim Anlassen von Stahl sein ??
Ich zähle auf euch!
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lemmi
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von lemmi »

Die gelbe Verfärbung ist sicher auf Blei(Ii)-oxid zurückzuführen . Ich wüsste jedenfalls nicht, was sonst in Frage käme. Solange es sich danach wieder auflöst (Bleioxid reagiert leicht mit Essigsäure) ist ja alles in Ordnung.

Blei(IV)-acetat ist in wässriger Lösung nicht stabil, sondern hydrolysiert und es entstehen Blei(IV)-oxid und Essigsäure. Das würdest Du bemerken, bzw das Blei(IV)-oxid würde als unlöslicher Rückstand zurückbleiben.

Wenn dein Blei tatsächlich die spezifizierte Reinheit hat, kann es sich bei den Verfärbungen eigentlich nur um Anlauffarben handeln - oder eben um einen dünnen Überzug aus Blei(IV)-oxid.
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Kermit »

Danke Iemmi,
ja, die Gelbfärbung verschwand wieder innerhalb einer Sekunde.
Ich folgere aus Deiner Antwort, das eine Überdosierung an Wasserstoffperoxid folgenlos ist.

Danke für die schnelle Antwort!! :)
Vanadiumpentoxid
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Meine Bleiacetat-Synthese ist beim Versuch, das Produkt auskristallisieren zu lassen, leider fehlgeschlagen.

Ich habe wirklich alles versucht: immer wieder einengen und abkühlen lassen, auch in der Kältemischung, zwischendurch filtrieren, kratzen mit dem Glasstab und impfen (eine winzige Menge hatte ich von früher noch da) und ausfällen mit Ethanol - absolut nichts half. Zum Schluss war die Lösung kurz vor dem vollständigen Eindampfen auf dem Sandbad. Ich habe dann abgebrochen, weil das fast trockene Bleiacetat bei hohen Temperaturen (nach meiner Erfahrung auch schon deutlich unter 200 Grad Celsius) bereits sehr schnell in das basische, unlösliche Salz übergeht - von der vorher ohnehin schon mangelnden Reinheit des Produktes mal ganz abgesehen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich den Ansatz 1:5 verkleinert hatte - mehr Bleiacetat hätte ich einfach nicht benötigt. Kann das der Grund fürs Misslingen gewesen sein?

Zukünftig arbeite ich im Bedarfsfall für eine kleine Menge wässriger Lösung (die ich eigentlich eh nur zur Herstellung von Bleiacetat-Papier benötige) wohl wieder über die Umsetzung vom Nitrat zum Acetat über das Hydroxid. Und wenn ich ein etwas vom Feststoff brauche, bestelle ich ihn mir bei Onyxmet... Bleinitrat habe ich zum Glück noch vorrätig, denn das selber herzustellen ist heutzutage ja auch so ein Problem...

Edit: aus einem anderen Thread hierher verschoben (dort gelöscht, um Doppelposting zu vermeiden) und überarbeitet.
Gott gebe mir die Kraft, zu ändern, was ich verändern kann,
die Gelassenheit, hinzunehmen, was ich nicht verändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
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Ist das noch o. k. oder auch schon wieder zu viel?...
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mgritsch
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Hm, 1:5 ist nicht dramatisch verkleinert, das sollte problemlos gehen. Was oft mehr hilft als alles Kratzen und Heizen ist einfach etwas Geduld. Kühl stellen und warten. Dass mit Ethanol nichts fällt ist aber sehr seltsam, das sollte keine Geduldsfrage sein. Wirklich nur verkleinerter Maßstab oder auch andere Konzentration eingesetzt?
Vanadiumpentoxid
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von Vanadiumpentoxid »

Ich habe es jedesmal solange gekühlt, bis die Kältemischung flüssig geworden war...

Sämtliche Mengen 1:5 verkleinert, gleiche Konzentrationen verwendet: H2O2 hab ich eh nur 12 %ig da, Eisessig vorher auf 80 % runterverdünnt - hat es einen bestimmten Sinn, dass die genau 80 % haben soll?
Gott gebe mir die Kraft, zu ändern, was ich verändern kann,
die Gelassenheit, hinzunehmen, was ich nicht verändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
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Re: Synthese von Blei(II)-acetat

Beitrag von mgritsch »

Nein, die 80% habe ich genommen weil das für viele Hobbychemiker als Essigessenz leicht verfügbar ist ;) genau so wie die 12% Peroxid.
Aber es macht schon so oder so Sinn etwas verdünnter zu arbeiten damit sich das Produkt gut löst und sich das kristalline Hydrat abscheiden kann. Zu konzentriert ist auch nicht gut. Vielleicht hast du es zu gut gemeint und schon zu viel eingeengt? Bei der Kristallisation braucht es keine Kältemischung, dafür etwas Zeit. Wenn es nicht will dann lass es lieber einen Tag lang oder 2 im Kühlschrank als nur kurz schocken mit Eis. Kristalle haben ihre eigene innere Uhr ;)

Der wesentliche Unterschied bei up-/downscaling ist normalerweise nur der Wärmefluss - kleine Ansätze muss man tendenziell erwärmen da die Reaktionswärme zu schnell abgeführt wird, bei großen ist das Risiko dass die Wärme nicht rasch genug abgeführt wird und es einen „Thermal Runaway“ gibt, vulgo überkochen oder schlimmer.
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