Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

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mgritsch
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Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von mgritsch »

Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin
(N-((7-Hydroxy-4-methyl-2-oxo-2H-1-benzopyran-8-yl)methyl)glycine, 2-[(7-Hydroxy-4-methyl-2-oxochromen-8-yl)methylamino]acetic acid)

Wilkins [1, 2] hat 1960 erstmals unter den Namen "Calcein Blue" (auch: "Umbellicomplexone") und "Methyl Calcein Blue" zwei Fluoreszenz-Indikatoren für die komplexometrische Titration ("metallofluorochromer" Indikator) hergestellt bzw deren Anwendung beschrieben. Beide basieren auf 4-Methylumbelliferon an das mittels einer Mannich-Reaktion Iminodiessigsäure bzw. N-Methylglycin (Sarcosin) kondensiert wird. Die Indikatorwirkung der beiden beruht darauf, dass entweder die kräftige blaue Fluoreszenz des 4-Methylumbelliferons im pH-Bereich 4-10 durch Cu gelöscht bzw. im Fall des Diiminoessigsäure-Derivats die durch Ringöffnung des Lactons erloschene Fluoreszenz bei pH 12-13 durch Ca wieder hergestellt wird.

1967 stellte G.M. Huitink im Rahmen ihrer Dissertation[3] noch weitere Analoge her und untersuchte deren Eigenschaften bzw. publizierte sie in den Folgejahren noch mehere weitere Papers rund um das Thema. In diesem Artikel wurde das Glycinderivat analog dieser Arbeit hergestellt das grundsätzlich fast identische Eigenschaften wie das Methyl Calcein Blue hat und aufgrund der einfachen Verfügbarkeit von Glycin besonders leicht herstellbar ist.


Geräte:

100 ml Rundkolben, Rückflusskühler, Bechergläser, Filternutsche, Magnetrührer mit thermostatisierbarem Heizbad


Chemikalien:

4-Methylumbelliferon Warnhinweis: attn
Glycin
37% Formaldehyd Warnhinweis: tWarnhinweis: cWarnhinweis: xn
2 mol/l Kaliumhydroxid Warnhinweis: c
Salzsäure Warnhinweis: cWarnhinweis: attn
Methanol Warnhinweis: tWarnhinweis: f


Durchführung:

In einem 100 ml Rundkolben mit Rückflusskühler wurden 10,57 g (0,06 mol) 4-Methylumbelliferon, 6,8 g Glycin (0,09 mol) und 8,6 ml einer 37%igen Formaldehyd-Lösung (0,12 mol) in 50 ml Wasser vorgelegt. Das Heizbad wurde auf eine Temperatur von 75°C eingestellt und das Rühren gestartet. Während sich das Glycin rasch auflöste, verblieb das 4-Methylumbelliferon in Suspension. Die Reaktionsmischung wurde so über Nacht belassen, am nächsten Tag hatte sich ein beige-gelbes Produkt gebildet und teils an den Wänden abgeschieden. Das Heizbad wurde ausgeschaltet und der Ansatz einen Tag lang stehen gelassen. Am nächsten Tag wurde das Produkt abgenutscht, mit etwas Wasser gewaschen, in 2 mol/l Kalilauge gelöst und durch Zugabe von konz. Salzsäure wieder gefällt. Das Produkt wurde erneut abgenutscht. Nachdem eine DC (das Produkt selbst ist kaum löslich in den gängigen org. Lösungsmitteln bzw. läuft in der DC nicht - daher konnten nur Verunreinigungen zuverlässig erkannt werden) noch geringe Reste an 4-Methylumbelliferon anzeigte, wurde es in heißem Methanol suspendiert, gut gerührt, auskühlen gelassen und erneut abgenutscht. Eine erneute Kontrolle zeigte keine Verunreinigungen mehr an.

Der Schmelzpunkt lt Literatur ist >300°, eine Kontrolle der Reinheit auf diesem Wege ist nicht sinnvoll möglich.

Ausbeute: 10,9 g (69,1% d.Th.)


Entsorgung:

Abfälle werden zu den halogenfreien organischen Abfällen gegeben.


Erklärung:

Im ersten Reaktionsschritt greift das Glycin den Formaldehyd nucleophil an. Anschließend wird die Hydroxygruppe als Wasser abgespalten und es bildet sich ein Carbenium-Iminium-Ion:
Bild


Im zweiten Schritt der Reaktion greift das Cumarin das Carbenium-Iminium-Ion nucleophil an und es bildet sich die Mannich-Base. Die Reaktion findet dabei selektiv in der 8-Stellung statt:
Bild


Bilder:


Bild
Reaktionsansatz nach der Umsetzung bei 75°


Bild
Ansatz nach dem Umfällen aus KOH / HCl


Bild
Kontrolle der Reinheit mittels DC (Laufmittel: EtOAC:PE 1:1; UV365 nm); links das Ausgangsprodukt 4-Methylumbelliferon; rechts ein Extrakt aus dem Produkt - auch in kochendem Methanol löst es sich nur in geringem Maße auf. Eine geringe Verunreinigung durch Edukt ist noch feststellbar, daher wurde das Produkt mit heißem Methanol digeriert.


Bild
Das fertige Produkt nach der Reinigung mit Methanol


Literatur:

[1] D. H. Wilkins, Anal. Chim. Acta, (1960), 23, p.309-311
[2] D. H. Wilkins, Talanta (1960), 4, p.182-184
[3] Dissertation: Huitink, Geraldine Marie, "Substituted coumarins as metallofluorochromic indicators " (1967). https://lib.dr.iastate.edu/rtd/3942
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Bei dem Laufmittel muss es eine Optimierung geben. Versuch mal kleine Mengen Säure zuzusetzen (HCOOH, AcOH oder TFA, ein paar Tropfen für den Anfang). Alternativ gibt es dann vielleicht noch andere Laufmittel (wesentlich aggressivere, evtl vergleichbar mit denen für Flanaoide oder auch Hypericin, mit einem recht großen Anteil Säure). Falls du hast RP-Phasen mit MeOH Laufen lassen oder Normalphasen nochmal mit ACN:H2O:KNO3. ggf noch leicht ansäuern.
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

Als Aminosäure gehe ich mal davon aus dass einfacher Säurezusatz wenig hilft, wenn dann müsste man nahe an den isoelektrischen Punkt. ACN:H2O:KNO3 ist sicher einen Versuch wert, aber die erste Frage ist mal "wie kriege ich die Probe aufgelöst"... Eine Spatelspitze mit 1 ml MeOH gekocht - da ist keine merkliche Auflösung zu sehen. Die Spots/Fransen des Startflecks rühren auch daher dass ich mit der Kapillare wohl ein wenig Niederschlag mit erwischt und aufgetragen habe. Mal sehen ob AcCN, Dioxan, THF, DMF odgl hilfreich sind... so wichtig war mir die DC dann auch wieder nicht, den Zweck der Reinheitskontrolle auf Edukt hat sie ja grundsätzlich erfüllt. Anwendung dann in eigenem Artikel zum Thema Titrationen mit Fluoreszenz-Indikatoren :)
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NI2
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Beitrag von NI2 »

DMSO.
Kann auch ruhig warm sein, da lösen sich meist auch schwerlösliche Proben... da dein Stoff einen Schmelzpunkt jenseits der 300 °C hat danach einfach mit der Heatgun die Platte heiß machen, so 1-2 Minuten aber aufpassen dass nix verbrennt. Damit bekommt man fast alles aufgetragen.
Mit der Aminosäure hast du recht, evtl hilft aber eine Veresterung im Reagenzglas hier. Mit HCl und MeOH kochen lassen. Evtl auch TMSCl. Klick.
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lemmi
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von lemmi »

[EDIT: korrekturgelesen und Formatierung angepasst, soweit fertig zum Verschieben]

Was ich noch unklar finde ist, dass unter dem ersten Bild steht “nach dem Rückflusskochen“. In der Versuchsbeschreibung ist davon aber gar nicht die Rede, es wird nur im WB auf 75 °C erwärmt :conf:
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mgritsch
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Samstag 16. Januar 2021, 19:51 Was ich noch unklar finde ist, dass unter dem ersten Bild steht “nach dem Rückflusskochen“. In der Versuchsbeschreibung ist davon aber gar nicht die Rede, es wird nur im WB auf 75 °C erwärmt :conf:
hm, naja... also richtig ist bei 75° Badtemperatur ist das kein "Rückfluss-Kochen" im engeren Sinne - das bisschen Kondenswasser das da zurück tropft... wie würdest du es sonst benennen?
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von Glaskocher »

Rückflusskochen ist bei mir definiert als "durch die Siedetemperatur des Lösemittels begrenzte Erwärmung", bei der jede zusätzliche Wärmezufuhr unmittelbar am gesteigerten Kondensatstrom abgelesen werden kann. Somit würde ich das Wort durch "Nachrühren bei ...°C" ersetzen.
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mgritsch
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von mgritsch »

Glaskocher hat geschrieben: Dienstag 19. Januar 2021, 14:19 Rückflusskochen ist bei mir definiert als "durch die Siedetemperatur des Lösemittels begrenzte Erwärmung", bei der jede zusätzliche Wärmezufuhr unmittelbar am gesteigerten Kondensatstrom abgelesen werden kann. Somit würde ich das Wort durch "Nachrühren bei ...°C" ersetzen.
hm, englisch schreiben sie einfach nur "refluxed" und das bedeutet nicht unbedingt immer "sieden". Einen Rückflusskühler habe ich ja auch drauf gehabt, soll ja nicht eingedampft werden.
Nachrühren beinhaltet für mich ein "Nach-"... ja nach was denn? Das war der einzige Schritt :)
Nachdem es nur um eine Bildunterschrift geht - vielleicht wäre "Reaktionsansatz nach Umsetzung" am neutralsten sachlich?
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lemmi
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von lemmi »

Und dass du einen Rückflusskühler aufgesetzt hattest sollte man noch in der Versuchsbeschreibung erwähnen. Wenn ich "bei 70 °C gerührt" lese denke ich, das geht in einem offenen Kolben... :)
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mgritsch
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 19. Januar 2021, 14:44 Und dass du einen Rückflusskühler aufgesetzt hattest sollte man noch in der Versuchsbeschreibung erwähnen. Wenn ich "bei 70 °C gerührt" lese denke ich, das geht in einem offenen Kolben... :)
drum stand da "Rückfluss gekocht" :mrgreen: so schließt sich der Kreis. Aber stimmt, das ist nur mit etwas Phantasie und genauem hingucken erkennbar dass da am Foto der RF Kühler im Schliff steckt...
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lemmi
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Re: Synthese von 4-Methylumbelliferon-8-Methylenglycin

Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: verschoben]
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