2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat

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Cyanwasserstoff
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2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat

Beitrag von Cyanwasserstoff »

2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat

Von allen Edelgasen hat das Xenon die reichhaltigste Chemie. Dennoch sind isolierbare Verbindungen recht selten und nur unter besonderen Bedingungen zu gewinnen. Insbesondere sollte der Bindungspartner des Xenons sehr elektronegativ sein. So sind die Xenonfluoride recht stabil, aber schon fast alle Verbindungen mit Xenon-Sauerstoff-Bindungen extrem empfindlich. Umso mehr überrascht es, dass es xenonorganische Verbindungen gibt, also solche mit einer direkten Xenon-Kohlenstoff-Bindung. Ein Beispiel einer solchen Verbindung wird hier mittels einer grundsätzlich ganz normalen elektrophilen aromatischen Substitution dargestellt.

Geräte:

PTFE-Schraubdeckelgefäß 100 mL, Dewar, Thermometer mit geeignetem Messbereich (idealerweise bis unter -80 °C), Messpipetten, Messzylinder, Waage, Trockeneis

Chemikalien:

Xenon(II)-fluorid Warnhinweis: oWarnhinweis: t
Dichlormethan, absolutiert Warnhinweis: xn
Trifluoressigsäure
Trifluormethansulfonsäure
1-Fluor-4-nitrobenzol Warnhinweis: xn
2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat Warnhinweis: unknown
Fluorwasserstoff

Hinweis:

Xenon(II)-fluorid ist ein außerordentlich starkes Oxidationsmittel, das nicht mit Metallen, Glas oder (nicht-perfluorierten) Kunststoffen in Kontakt kommen sollte! Trifluormethansulfonsäure ist eine Supersäure.
Das Schraubdeckelgefäß ist nur so lange wie nötig offen zu halten und muss sonst insbesondere während der Reaktionszeiten verschlossen sein, damit keine Feuchtigkeit in das Reaktionsgemisch gelangt!

Durchführung:

Xenon(II)-fluorid (300 mg, 1,77 mmol) wird in einem PTFE-Schraubdeckelgefäß in absolutiertem Dichlormethan (15 mL) gelöst. Die Lösung wird mittels eines Trockeneis-Dichlormethan-Kältebads abgekühlt. Hat die Lösung -20 °C erreicht wird unter kräftigem Rühren wasserfreie Trifluoressigsäure (274 µL, 3,55 mmol, 1,00 eq.) zugegeben und weiter gekühlt. Bei -40 °C wird wasserfreie Trifluormethansulfonsäure (265 µL, 1,77 mmol, 1,00 eq.) unter Rühren zugegeben. Nach 30 Minuten ist die Lösung schwach gelblich und trüb. Nun wird unter Rühren tropfenweise 1-Fluor-4-nitrobenzol (250 µL, 2,36 mmol, 1,33 eq.) zugegeben und noch drei Stunden bei -78 °C stehen lassen. Danach haben sich am Boden des Gefäßes gelblichbraune Kristalle von 2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat abgeschieden. Die überstehende Lösung wird abdekantiert und die Kristalle mit wenig Dichlormethan nachgewaschen.

Entsorgung:

Alle Lösungen werden zu den halogenhaltigen organischen Lösemittelabfällen gegeben. Trockeneis lässt man verdampfen. Verunreinigtes Xenon(II)-fluorid sollte im Vakuum sublimiert und dann weiterverwendet werden.

Erklärung:

Zunächst bildet sich Xenon(II)-trifluoracetat. Durch Zugabe der Trifluormethansulfonsäure entsteht vermutlich Xenon(II)-trifluoracetat-trifluormethansulfonat, welches das 1-Fluor-4-nitrobenzol elektrophil angreift, wobei 2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat gebildet wird.

Bild

Literatur:

1. Naumann, D., Tyrra, W., Gnann, R., Pfolk, D., „Synthesis of Arylxenon Trifluoromethanesulfonates via Electrophilic Substitution of F- and CF3-substituted Aromatics.“ J. Chem. Soc., Chem. Commun., 2651-2653 (1994).

Bilder:

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Kühlen im Trockeneis-Dichlormethan-Kältebad

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Nach Zugabe der Trifluoressigsäure

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Nach Zugabe der Trifluormethansulfonsäure

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Nach Zugabe des 1-Fluor-4-nitrobenzols

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2-Fluor-5-nitrophenylxenontrifluormethansulfonat


Ich danke Kaliumperoxid für die Mitarbeit.
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

So, das andere Projekt was ich mit Patrick durchgeführt habe. Wie schon angemerkt leider unter Vorbehalt, da ich analytisch noch nichts weiter machen konnte. Für das 13C-NMR (vllt. auch noch ein 19F-NMR) fehlt das passende Lösemittel; es wird CD3CN benötigt, welches wir im Arbeitskreis aber nicht da haben. Evtl. probiere ich es nächste Woche mit DMSO-d6. So oder so werde ich wohl nur noch Zersetzungsprodukte nachweisen können, aber immerhin.

Es ist anzumerken, dass in einem anderen Lösemittel gearbeitet wurde als im Paper angegeben. Dort wurde Trichlorfluormethan verwendet.

Jedenfalls verhält sich die Substanz schonmal so wie im Paper beschrieben. Sie scheint eigentlich fast farblos zu sein wie auch im Paper angemerkt (die braune Farbe lässt sich durch Waschen mit Dichlormethan zumindest teilweise entfernen). Wie ebenfalls beschrieben ist die Substanz nicht in Dichlormethan löslich, ebenso wenig wie ihr Zersetzungsprodukt (?) bei Raumtemperatur. Dafür löst sich letzteres aber, wie beschrieben, in Acetonitril. Lässt man die "reine" Substanz nach Abdekantieren des Dichlormethans in einem verschlossenen Gefäß auf Raumtemperatur erwärmen, verflüssigt sie sich und es entsteht ein Überdruck im Gefäß. Gibt man nur 1-Fluor-4-nitrobenzol oder TFA oder beide zusammen bei -78 °C in Dichlormethan entsteht jeweils eine klare, fast farblose Lösung, aber kein Niederschlag (TfOH konnte ich leider wegen zu wenig Substanz nicht mehr testen; direkt nach der Zugabe zum Reaktionsgemisch war es jedenfalls soweit erkennbar eine klare Lösung). Auch das Xenondifluorid ist bei -78 °C in der angegebenen Menge Dichlormethan vollständig löslich.
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worldmaker
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Beitrag von worldmaker »

1-Fluor-4-nitrobenzol

Fehlt in deiner Stoffliste ;-)
Ich gebe keine Drohungen ab, ich mache nur Versprechungen ;-)
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Weiß nicht was du meinst. :mrgreen:

...

Danke für den Hinweis. Achja, und die wichtigste Anmerkung überhaupt habe ich auch vergessen: Fluornitrobenzol riecht echt lecker nach Marzipan. 8)
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Sehr interessant Jan! Du scheinst Dich wie Hannes auf "ganz ausgefallene" Verbindungen zu spezialisieren... :thumbsup:

Wenn man die Möglichkeiten hat, sollte man sie auch nutzen. :wink:
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„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

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Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Nur Zersetzungsprodukte? Also keine Xe-C-Bindung mehr? Ich frage mich nämlich grade, wie man den Shift des quartären aromatischen Kohlenstoffes am Xenon vorraussagen möchte. Empirisch siehts ein bisschen mau aus und quantenchemisch rechnen ist da wohl auch deutlich vertrackter.
Fluornitrobenzol riecht echt lecker nach Marzipan.
Besser/anders als Nitrobenzol?
Wenn die Menschen und die Dschinn sich zusammentäten, etwas, das diesem Post gleicht, zustande zu bringen, würde ihnen das nicht gelingen – selbst wenn sie einander helfen würden.
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Sieh dir das Paper an falls du kannst; der fragliche Kohlenstoff hat δ = 102 ppm (Aromat normal so 120 ppm, also durch das Xenon schon ganz schön upfield-verschoben). :wink: Die haben allerdings auch direkt nach der Synthese und bei -20 °C gemessen.

Ich hab noch keine Analytik gemacht, kann also durchaus auch sein dass da noch Organoxenonverbindung da ist. Halte ich persönlich bei Lagerung bei RT aber für unwahrscheinlich.

Ich muss zugeben Nitrobenzol noch nicht gerochen zu haben, kann also keinen Vergleich anstellen.
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Final Destillation
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Beitrag von Final Destillation »

Echt super genial!


MfG TC
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Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Die Frage war eher, wie man sowas vorhersagt, also wo man das zu erwarten hat. Ich hätte nicht geschätzt, dass es bei 102 ppm liegt. Andererseits, Iodbenzol hat 94,37 ppm am quartären C.
Die schweren Substituenten sind einfach böse. Schau dir an, was ChemDraw mit Iodoform macht:

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Protocol of the C-13 NMR Prediction:

Node     Shift    Base + Inc.   Comment (ppm rel. to TMS)

  CH    -140.9        -2.3      aliphatic
                     -21.6      3 alpha -I
                    -117.0      general corrections
Einfach komisch und ich glaube, dass man diese merkwürdigen Shifts kaum qualitativ begreifen kann. Der Unterschied zwischen Shift und Elektronenmangel ist bedeutend.
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Ja, das stimmt natürlich. Das ist auch wieder ein Grund, warum ich immer mit einem breiten Grinsen daran denken muss, was mal einer meiner Computational Chemistry-Dozenten meinte. Er sagte, er finde es sehr schade, dass bei theoretischen Vorhersagen immer so viel danach gefragt werde, was das Experiment dazu sagt...bedarf das noch eines Kommentars...? :mrgreen:
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Xyrofl
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Beitrag von Xyrofl »

Er sagte, er finde es sehr schade, dass bei theoretischen Vorhersagen immer so viel danach gefragt werde, was das Experiment dazu sagt.
Ich hoffe das war anders gemeint.
Ich kann mir vorstellen, dass er meint, dass bei begrenzten Modellsystemen, z.B. isolierte Moleküle mit fixen Koordinaten eine Rechnung besser mit einer Benchmarkrechnung am gleichen unrealistischen System verglichen werden sollte, als mit der Messung des realen Systems, das ergibt ja Sinn.
Eine Methode, die für das einzelne Wassermolekül den Flüssigphasenshift exakt vorraussagt ist nicht gut sondern nur glücklich falsch.

Abgesehen davon ist ChemDraw alles andere als Computational Chemistry. Aber ich glaube es wird nicht besser wenn man es quantenchemisch rechnet, es dürften auch kaum geeignete Basissätze dafür zu finden sein.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Achja: An der Stelle möchte ich auch nochma sagen, dass ich das ganze extrem interessant, wenn auch kostenaufwändig und (Durch das Destillieren von Micromengen Flüssigkeiten) unpraktisch finde...

Schick gemacht :D Würde mich über Einkeistalle zum Fotomachen freuen ^^ *mit dem Zaunspfahl wink*
IOC

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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Wie gesagt, die Substanz oder deren Zersetzungsprodukt ist bei RT flüssig, Einkristall geht also leider nicht. Bzgl. XeF2 hatte ich ja schon was vorgeschlagen... :wink:

Kostenaufwändig...oh ja, durchaus. Aber wie war das noch mit Hobbies? Mit größtmöglichen Kosten ...? :mrgreen:
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Ohne gute Teflongefäße nur net so einfach^^

Bei dem anderen müsste man's eben versuchen mit LN2 passend runterzukühlen und andere Lichtquellen (LED) nehmen, damit man dann nicht irgendwelche langweiligen Tropfen die ins Papier eingezogen sind zu fotografieren versuhcht :D
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Cyanwasserstoff
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Beitrag von Cyanwasserstoff »

Stimmt, aber guck mal von Zeit zu Zeit auf Ebay.
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