Kupferkomplexe mit Cyanursäurederivaten

Organische und anorganische Versuche ohne weitere Zuordnung.

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Visko
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Kupferkomplexe mit Cyanursäurederivaten

Beitrag von Visko »

Kupferkomplexe mit Cyanursäurederivaten

Kupfer(II) ist bekannt dafür, in vielen Verbindungen grüne oder blaue Farben anzunehmen. In diesen Versuchen sollen daher Verbindungen mit ungewöhnlichen Farben für Kupfer hergestellt werden. Die Komplexe enthalten Cyanursäure bzw. Natriumdichloroisocyanurat, welche beide als Poolzubehör verwendet werden.


Geräte:

Bechergläser, Heizplatte mit Magnetrührer, Waage, Vakuumpumpe + Fritte (alternativ Trichter + Filterpapier)


Chemikalien:

Kupfersulfat Pentahydrat Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Kupferacetat Monohydrat Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Cyanursäure
Ammoniak (25 %) Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Natriumhydroxid Warnhinweis: c
Natriumdichloroisocyanurat Dihydrat Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: oWarnhinweis: attn
Wasser (demin.)
Diamminkupfer(II)-cyanurat Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Triamminkupfer(II)-cyanurat Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Tetraamminkupfer(II)-cyanurat Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Natriumtetrakisdihydrogencyanuratocuprat(II) Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn
Natriumtetrakisdichloroisocyanuratocuprat(II) Warnhinweis: cWarnhinweis: nWarnhinweis: attn


Hinweis:

Natriumdichloroisocyanurat riecht unangenehm nach Chloraminen und entwickelt beim Kontakt mit Säuren giftiges Chlor. Gleiches gilt für seinen Kupferkomplex.


Durchführung:

Diamminbisdihydrogencyanuratokupfer(II):
2,6 g (20 mmol) Cyanursäure werden unter Rühren in 100 mL Wasser unter Erwärmen gelöst. Dazu werden 2 g NH3 (25 %) gegeben. In einem zweiten Becherglas werden 2,5 g (10 mmol) Kupfer(II)-sulfat Pentahydrat in 50 mL kochendem Wasser gelöst. Zu dieser Lösung werden 3,5 g NH3 (25 %) gegeben, was dazu führt, dass sich der Niederschlag fast ganz wieder auflöst. Die Kupferlösung wird unter Rühren in die heiße, aber nicht kochende, Cyanursäure-Lösung gegossen, wobei der Komplex sofort ausfällt. Er wird mit der Fritte abfiltriert, mit etwas Wasser gewaschen, etwas trocken gesaugt und auf Filterpapier auf der Heizung getrocknet.

Ausbeute: 3,039 g (8,6 mmol, 86 % d. Th.) als blassrosa (pfirsichblütenrotes) Pulver.

Triamminbisdihydrogencyanuratokupfer(II):
6 g (17 mmol) des Diammins werden mit 400 ml Wasser versetzt mit 50 g NH3 (25 %, 735 mmol) für eine halbe Stunde unter Rühren gesiedet, dann für fünf Stunden (besser wären einige Tage) stehen gelassen. Während dieser Zeit kristallisiert der Rest des Produktes aus. Der violette Niederschlag wird abfiltriert und auf Filterpapier auf der Heizung getrocknet.

Ausbeute: 4,103 g (11 mmol, 65 % d. Th.)

Tetraamminbisdihydrogencyanuratokupfer(II):
10,3 g (29 mmol) des Diammins werden mit 25 g NH3 (25 %, 368 mmol) übergossen und für fünf Minuten verrührt und alle Klumpen möglichst zerdrückt. Die Farbe geht über ein Violett in ein Blau über. Der Niederschlag wird abgenutscht und für drei bis vier Minuten trocken gezogen, anschließend in Filterpapier und mit Küchenpapier ausgepresst. Der Komplex verliert leicht Ammoniak und riecht stark danach, wodurch Trocknen ohne Zersetzung nicht möglich ist. Bereits nach 30 Minuten an der Luft hat das Salz ganz und gar die blaue Farbe verloren und ist violett gefärbt, weshalb es schnell in ein Vorratsgefäß überführt wird.

Ausbeute: etwa 15 g (39 mmol, 133 % d. Th., keine sinnvolle Angabe)

Natriumtetrakisdihydrogencyanuratocuprat(II):
13 g (100 mmol) Cyanursäure und 3.2 g (80 mmol) NaOH werden in 500 ml Wasser unter Sieden gelöst. Eine zweite Lösung aus 2 g (10 mmol) Kupferacetat Monohydrat in 50 ml lauwarmen Wasser wird vorbereitet. Sobald die Cyanuratlösung klar ist wird sie dazugegeben. Die Lösung verfärbt sich zunächst bläulich und dann violett, wobei Produkt ausfällt. Es wird für fünf Minuten gerührt, der Niederschlag sich absetzen gelassen und heiß filtriert. Aus dem Filtrat scheiden sich farblose Nadeln aus, die mitsamt Mutterlauge verworfen werden. Das Produkt wird auf der Heizung getrocknet.

Ausbeute: 6,093 g (9,8 mmol, 98 % d. Th.)

Natriumtetrakisdichloroisocyanuratocuprat(II):
10,24 g (20 mmol) Natriumdichloroisocyanurat Dihydrat werden in 125 mL Wasser unter Rühren und Erwärmen gelöst. Währenddessen wird eine Lösung von 2,5 g (10 mmol) Kupfer(II)-sulfat Pentahydrat in 25 mL Wasser unter Erwärmen vorbereitet. Sobald die erste Lösung weitesgehend klar ist, wird die Kupfersulfatlösung hineingegeben. Die Lösung färbt sich kurz dunkelblau und dann violett, wobei die Ausscheidung des Produktes beginnt. Die Lösung wird für fünfzehn Minuten gerührt, kurz stehen gelassen, abfiltriert, das Produkt mit etwas Wasser gewaschen und auf der Fritte so trocken wie möglich gesaugt. Anschließend wird auf Filterpapier auf der Heizung getrocknet.

Ausbeute: 8,973 g (8,0 mmol, 80 % d. Th.) als kräftig violettes Pulver.


Entsorgung:

Die Restlösungen in allen Fällen enthalten sehr geringe Mengen Kupfer, sollten aber dennoch in einem Behälter für Kupferabfälle gesammelt werden.


Erklärung:

Diamminbisdihydrogencyanuratokupfer(II) besitzt die Formel [Cu(C3H2N3O3)2(NH3)2] und bildet sich nach folgender Reaktionsgleichung:

Cu2+ + C3H2N3O3- + 2 NH3 → [Cu(C3H2N3O3)2(NH3)2]

Es existieren auch noch das entsprechende Triammin und Tetraammin, welche violett und blau sind.[1] Diese bilden sich wie folgt:

[Cu(C3H2N3O3)2(NH3)2] + NH3 → Cu(C3H2N3O3)2 • 3 NH3
[Cu(C3H2N3O3)2(NH3)2] + 2 NH3 → Cu(C3H2N3O3)2 • 4 NH3

Der Tetraamminkomplex verliert leicht Ammoniak und geht dabei in das Triammin über.

Nach den Auffassungen von Claus und Putensen handelt es sich hierbei um entsprechende Ammoniaksalze, es finde also weitere Deprotonierung der Cyanursäuren statt.[1]

Bild

Werner argumentiert dagegen, da entsprechende Verbindungen auch bei Dimethylderivaten der Cyanursäure gefunden wurden (mit der selben, ungewöhnliche Farbe) müsse es sich um Amminkomplexe handeln, wobei das Tetrammin wahrscheinlich als gewöhnliches Tetraamminkupfer(II)-Ion mit Cyanurat als Gegenion vorliegt.[4]

Bild

Natriumtetrakisdihydrogencyanuratocuprat(II) wird nach der Vorschrift von Werner dargestellt, wobei ein großer Überschuss an Natriumcyanurat zum Einsatz kommt.[4] Ein Teil kristallisiert davon unverbraucht am Ende aus, weshalb die Lösung heiß filtriert werden muss. Die Bildung findet wie folgt statt:

2 Na+ + 4 C3H2N3O3- + Cu2+ → Na2[Cu(C3H2N3O3)4]

Natriumtetrakisdichloroisocyanuratocuprat(II) besitzt die Formel Na2[Cu(C3N3O3Cl2)4] und bildet sich nach folgender Reaktionsgleichung:

2 Na+ + 4 C3N3O3Cl2- + Cu2+ → Na2[Cu(C3N3O3Cl2)4]

Es werden noch weitere Komplexe beschrieben, zum Beispiel das Nickel(II)-Analog, welches allerdings keine außergewöhnliche Farbe besitzt[2][3]


Bilder:


Bild
Diamminbisdihydrogencyanuratokupfer(II) direkt nach dem Ausfällen.


Bild
Beim Erhitzen des Diammins mit Ammoniak geht ein Großteil in Lösung, beim Abkühlen fällt die violette Verbindung aus.


Bild
Beim Verrühren des Diammins mit konzentriertem Ammoniak färbt es sich blau, das Tetraammin bildet sich.


Bild
Frisch gefälltes Natriumtetrakisdihydrogencyanuratocuprat(II).


Bild
Natriumtetrakisdichloroisocyanuratocuprat(II) auf der Fritte.


Bild
Di-, Tri- und Tetraammin (von links nach rechts) im Vergleich.


Bild
Natriumtetrakisdihydrogencyanuratocuprat(II) (links) und Natriumtetrakisdichloroisocyanuratocuprat(II) (rechts) nebeneinander


Quellen:

[1] - Claus, A.d. and Putensen, O. (1888), XI. Beiträge zur kenntniss der cyanursauren Salze. J. Prakt. Chem., 38: 208-229. doi:10.1002/prac.18880380116
[2] - Patent US3055889 "Dichlorocyanurate complex salts", https://patents.google.com/patent/US3055889
[3] - https://woelen.homescience.net/science/ ... /TCCA.html
[4] - Ley, H. and Werner, F. (1913), Salz‐; und Komplexsalz‐;Bildung bei Imidverbindungen. (10. Mitteilung über innere Komplexsalze). Ber. Dtsch. Chem. Ges., 46: 4040-4050. doi:10.1002/cber.191304603203
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
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Pok
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Beitrag von Pok »

Sehr hübsch, diese violette Farbe. Das hatte ich auch mal bei Sciencemadness gesehen. Kupfer ist ein tolles Metall für Komplexe und auch für Einsteiger.
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Jetzt kommt Farbe ins Spiel!

Diese Komplexe sehen interessant aus. In Lösung kann man mit 1,2-Diaminoethan ebenfalls einen violetten Kupferkomplex erzeugen und mit sehr großen Überschüssen Ammoniak bekommt das Blau ebenfalls einen violetten Stich.

Ein Bräunliches Gelb erscheint, wenn Du Kupfer(II)-chlorid in konz. Salzsäure löst. Dann bekommst Du die Tetrachloridokuprat(II)-ionen.


Bei https://woelen.homescience.net gibt es noch weitere Rezepturen zu ungewöhnlich gefärbten Kupferverbidungen.
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Ich finde das Farbenspiel sehr gelungen! :thumbsup:
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Visko
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Beitrag von Visko »

Pok hat geschrieben:Sehr hübsch, diese violette Farbe. Das hatte ich auch mal bei Sciencemadness gesehen. Kupfer ist ein tolles Metall für Komplexe und auch für Einsteiger.
Danke! Ich liebe die Farben von Kupferverbindungen auch.
Glaskocher hat geschrieben:Diese Komplexe sehen interessant aus. In Lösung kann man mit 1,2-Diaminoethan ebenfalls einen violetten Kupferkomplex erzeugen und mit sehr großen Überschüssen Ammoniak bekommt das Blau ebenfalls einen violetten Stich.
Wenn Ethylendiamin nur leichter zu bekommen wäre... Das Chloridocuprat ist auch sehr schön, nur weiß ich nicht, ob es sich isolieren lässt.
Glaskocher hat geschrieben:Bei https://woelen.homescience.net gibt es noch weitere Rezepturen zu ungewöhnlich gefärbten Kupferverbidungen.
Woelens Seite ist sehr schön. Der Tetrabromido-Komplex ist auch spannend gefärbt, ein krätiges Braun-Rot. Aber auch hier weiß ich nicht, ob er sich isolieren lässt.
Uranylacetat hat geschrieben:Ich finde das Farbenspiel sehr gelungen! :thumbsup:
Dankeschön!
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Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Visko hat geschrieben:... Das Chloridocuprat ist auch sehr schön, nur weiß ich nicht, ob es sich isolieren lässt. ...
Man kann sogar eine thermochrome Verbindung herstellen, das Bis-diethylammonium-tetrachloridocuprat(II). Aber dazu braucht man Diethylamin und möglichst wasserarme Reaktionsbedingungen, da die Zielverbindung recht gut löslich ist. Die homologe Nickelverbindung ist ebenfalls thermochrom.
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Sorry für die späte Antwort! Alles wegen der Coronakrise .... :mrgreen:

Sehr schöne Versuche! Die Farben der Präparate sind toll! Irgendwie mag ich Komplexchemie ... :D

Mich würde die Struktur dieser Komplexe sehr interessieren! Wir hatten hier ja schon mal die Frage diskutiert ob Kupfer die Koordinationszahl 6 oder 4 hat. In wässriger Lösung ist sie offenbar 6 , in Feststoffen oft 4. Hier sind 4 Liganden koordiniert wobei sich an den Cyanursäurekomplex offenbar noch weitere Ammoniakmoleküle anlagern können, bis die Koordinationszahl 6 erreicht ist. Ein entsprechender Versuch - kann man das veilleicht als einfache RG-Demonstration machen? - um den von dir beschriebenen Farbwechsel zu zeigen, würde ich als sehr breichernd ansehen (dem Artikel, wie es immer heißt, "Mehrwert" verleihen).

Ich hätte auch gerne eine Erklärung wie die Bezeichnung des ersten Komplexes zu verstehen ist. Wieso "dihydrogencyanurato"? Die Cyanursäure ist doch hier deprotoniert und nur einwertig?
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Visko
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Beitrag von Visko »

lemmi hat geschrieben:Mich würde die Struktur dieser Komplexe sehr interessieren! Wir hatten hier ja schon mal die Frage diskutiert ob Kupfer die Koordinationszahl 6 oder 4 hat. In wässriger Lösung ist sie offenbar 6 , in Feststoffen oft 4. Hier sind 4 Liganden koordiniert wobei sich an den Cyanursäurekomplex offenbar noch weitere Ammoniakmoleküle anlagern können, bis die Koordinationszahl 6 erreicht ist.
Richtig, es gibt das Diammin, das Triammin und das Tetraammin. Wahrscheinlich ist es ähnlich wie im Tetraamminkupfer(II)-sulfat, welches sich durch behandeln mit Ammoniakgas in das Hexammin überführen lässt.
Viel weiß ich allerdings nicht über die genauen Koordinationsverhältnisse. Der Komplex wurde laut Gmelin beschrieben von Wiedemann 1849 und Wöhler 1847 beschrieben, dann später von Claus und Putensen 1888... Und spätere Literaturangaben habe ich nicht gefunden.
lemmi hat geschrieben:Ein entsprechender Versuch - kann man das veilleicht als einfache RG-Demonstration machen? - um den von dir beschriebenen Farbwechsel zu zeigen, würde ich als sehr breichernd ansehen (dem Artikel, wie es immer heißt, "Mehrwert" verleihen).
Ich kann versuchen, das Triammin und Tetraammin noch darzustellen. (Das Diaamin muss einfach in verdünnten oder konzentriertem Ammoniak erhitzt werden.) Es gibt auch noch einen Komplex, der ganz ähnlich zum Dichloroisocyanuratokomplex aufgebaut ist.
lemmi hat geschrieben:Ich hätte auch gerne eine Erklärung wie die Bezeichnung des ersten Komplexes zu verstehen ist. Wieso "dihydrogencyanurato"? Die Cyanursäure ist doch hier deprotoniert und nur einwertig?
Ist die nicht einfach deprotoniert und hat noch zwei acide Protonen übrig? Ist ja wie bei Dihydrogenphosphat.
Allerdings habe ich die Benennung nicht der Literatur entnehmen können, ich kann mich auch beim Benennen geirrt haben.
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Glaskocher
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Beitrag von Glaskocher »

Wieso "dihydrogencyanurato"?
Ich interpretiere das als einfach deprotonierte Cyanursäure als Ligand. Zum Verständnis verweise ich mal auf das Lithiumdihydrogenphosphat, ein sehr leicht lösliches Salz. Durch die einfache Deprotonierung kommt der Ladungsausgleich im Kupferkomplex zustande.

Um die Kristallstruktur zu ergründen braucht man möglichst Einkristalle, zur Röntgendiffraktometrie. Zur Not tut es auch mikrokristallines Pulver, um eine Pulverdiffraktometrie durchzuführen. Letztere ist allerdings wesentlich aufwändiger in der Auswertung, da viele Signale garnicht (oder im Rauschen untergehend) oder von wichtiger Zusatzinformation befreit detektiert werden. Auch scheint das Thema, vermutlich weil zu lange schon "Bekannt", in der aktuellen Forschung irrelevant zu sein, Man kann damit keine Artikel füllen, die in renomierten Magazinen zur Publikation angenommen werden.

Aber über die Farbe, eventuell UV-Vis-IR-Spektroskopie, sollte man einige Erkenntnis bekommen, so die Geräte verfügbar sind und man die Ergebnisse interpretieren kann.
Calciumcitrat
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Beitrag von Calciumcitrat »

lemmi hat geschrieben:
Mich würde die Struktur dieser Komplexe sehr interessieren!
Ich werde heute abend mal in die CSD (Cambridge structural database) gucken, ob es davon Röntgenstrukturen gibt...
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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ist die nicht einfach deprotoniert und hat noch zwei acide Protonen übrig? Ist ja wie bei Dihydrogenphosphat.
Allerdings habe ich die Benennung nicht der Literatur entnehmen können, ich kann mich auch beim Benennen geirrt haben.
Ist Cyanursäure dreibasisch wie Phosphorsäure? Ich habe dazu keine Angaben gefunden.
Ich vermute, hier liegt ein Irrtum vor und der Kopmlex müsste heißen Diamminbiscyanuratokupfer(II).

Ist Cyanursäure ein Mittel zur Pool-Behandlung? Wofür wird sie verwendet?
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mgritsch
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Beitrag von mgritsch »

https://de.wikipedia.org/wiki/Cyanurs%C3%A4ure
https://en.wikipedia.org/wiki/Cyanuric_acid

ja sie ist dreibasig (die 3 OH-Gruppen; pKa 6,88 / 11,4 / 13,5). Zwischen pH 7 und 10 liegt somit fast ausschließlich das CyH2- vor.
Haupt-Einsatzprodukt ist die Trichlor-Isocyanursäure. Durch die Chlorierung an den 3 N ist das sonst vorliegende tautomere Gleichgewicht zwischen Cyanursäure und Iso-C.säure blockiert. (Die Cyanursäure ist sonst wegen des aromatischen Charakters die dominierende Spezies). Wird das Chlor hydrolytisch abgespalten (worauf die Wirkung beruht, Bildung von Hypochlorit) liegt wieder iso- bzw. Cyanursäure vor.
Zweithäufigstes Einsatzprodukt als "Schockchlor" (aufgrund der viel besseren Wasserlöslichkeit) ist das Na-Salz der Dichlor-Isocyanursäure (als Monohydrat). Sonst gleiches Wirkprinzip.
Cyanursäure selbst wird mitunter extra als Chlor-Stabilisator zugesetzt (Gleichgewicht der Hydrolyse nach links verschieben...)
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Beitrag von lemmi »

Okay, dann ist "dihydrogencyanurato" wohl korrekt?
Visko hat geschrieben:Der Komplex wurde laut Gmelin beschrieben von Wiedemann 1849 und Wöhler 1847 beschrieben, dann später von Claus und Putensen 1888... Und spätere Literaturangaben habe ich nicht gefunden.
Ging mir bei meinen Literaturrecherchen auch oft so!
Wie heißt der Komplex denn im Gmelin?
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Beitrag von Visko »

lemmi hat geschrieben:Ist Cyanursäure ein Mittel zur Pool-Behandlung? Wofür wird sie verwendet?
Cyanursäure wird als "Chlorstabilisator" für Pools eingesetzt. Zum Beispiel hier: https://www.obi.de/pflege-reinigung-zub ... /p/6169379

[Ah, sehe gerade, dass mgritsch auch schon geantwortet hat]
lemmi hat geschrieben:Wie heißt der Komplex denn im Gmelin?
Im Gmelin stand leider nur "Cu-Cyanuratammin-Komplexe", die Formel und später wird sich als "Diammin-Komplex" darauf bezogen. (Das war glaube ich Kupfer Teil B Lieferung 4...)

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Beitrag von lemmi »

Na, nach diesen Angaben scheinen sich doch die mehr Ammoniak enthaltenden Komplexe ziemlich einfach darstellen zu lassen! Solche Angaben lassen immer mehrere Fragen offen, hier z.B.: was ist unter "verdünnter NH3-Lösung" zu verstehen? Das kann sich über die Jahrzehnte ändern! Häufig kann man sich da an den damals gültigen Arzneibüchern orientieren oder man muss mal in Lehrbücher aus der Zeit schauen. Interessant finde ich auch die Frage, ob sich die Reaktionen unter den angegebenen Bedingungen (Kochen mit verdünntem Ammoniak bzw. übergießen mit conc. Ammoniak) hinreichend genau steuern lassen um Präparate einer definierten Zusammensetzung zu erhalten.

Ich würde das tun und dann in jedem der Präparate den Ammoniakgehalt in Relation zum Kupfer bestimmen (analog zu hier), um die Zusammensetzung zu überprüfen :angel:
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