Phthalsäure, Gewinnung aus PVC-Handschuhen

Organische und anorganische Versuche ohne weitere Zuordnung.

Moderator: Moderatoren

Antworten
Benutzeravatar
Visko
Illumina-Mitglied
Beiträge: 176
Registriert: Donnerstag 29. März 2018, 23:30

Phthalsäure, Gewinnung aus PVC-Handschuhen

Beitrag von Visko »

Phthalsäure, Gewinnung aus PVC-Handschuhen

Phthalsäureester wie Bis(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP, mittlerweile nicht mehr zugelassen) oder Diisononylphthalat (DINP) werden PVC als Weichmacher zugesetzt, um dieses elastischer zu machen, wodurch es möglich ist, aus dem Plastik Handschuhe herzustellen. Der Weichmacher kann zur Phthalsäure hydrolysiert werden, wie hier gezeigt werden soll.


Geräte:

1000 mL Rundkolben, Bechergläser, Rückflusskühler, Destillationsapparatur, Magnetrührer/Heizplatte


Chemikalien:

Isopropanol (70 % v/v) Warnhinweis: fWarnhinweis: attn

Natriumhydroxid

Salzsäure (30 %) Warnhinweis: cWarnhinweis: attn

Wasser

Vinylhandschuhe mit Phthalatweichmacher (DINP)

Phthalsäure


Hinweis:

Isopropanol ist leicht entzündlich. Auf mögliche Zündquellen achten.


Durchführung:

122 g Vinylhandschuhe werden abgewogen, in kleine Stückchen geschnitten und in den 1 L Rundkolben überführt. Die Handschuhstückchen werden mit Isopropanol bedeckt, in diesem Fall wurden etwa 600 ml Isopropanol verwendet. Anschließend wird der Rundkolben mit einem Rückflusskühler versehen und für etwa zwei Stunden unter Rückfluss erhitzt. Der Isopropanol wird abgegossen, die Handschuhstückchen aus dem Rundkolben entfernt und der Isopropanol zurück in den Rundkolben gegossen. Es wird nun etwa die Hälfte des Isopropanols abdestilliert, hier wurden 400 mL Isopropanol zurückgewonnen.

In etwa 100 mL Wasser wurden 20 g NaOH gelöst und in den Rundkolben gegeben. Der Rückflusskühler wird erneut aufgesetzt und für drei Stunden refluxiert. Das Gemisch im Kolben trennt sich in zwei Phasen, sobald die Natronlauge hinzugegeben wird. Es ist sehr wichtig, dass dieser Schritt unter möglichst starkem Rühren durchgeführt wird, da sich die Phasen sonst nicht vermischen, was die Ausbeute sehr stark senkt! Das zweiphasige Gemisch wird aus dem Rundkolben entnommen und die untere wässrige Phase abgetrennt. Die obere organische Phase kann zur weiteren Rückgewinnung von Isopropanol aufbewahrt werden. Die wässrige Phase wird solange mit Salzsäure versetzt, bis die Lösung einen stark sauren pH-Wert von etwa 1 aufweist. Ein weißer Niederschlag aus Phthalsäure fällt aus, welcher unter Erhitzen wieder in der gleichen Lösung aufgelöst wird. Diese Lösung wird dann langsam abkühlen gelassen (hier etwa eine Woche), wobei Phthalsäure auskristallisiert. Erfahrungsgemäß dauert das etwas, deshalb sollte man zur Sicherheit etwas länger warten, bevor die Lösung verworfen wird.

Ausbeute: 13,49 g Phthalsäure, welche einmal in kleinen Kristallen auf dem Boden entstehen und einmal in großen, massiven Kristallen, die nach oben in die Lösung wachsen.


Entsorgung:

Die Fettalkohole mit den Isopropanolresten (obere, organische Phase) werden aufbewahrt, um den Isopropanol zu einem späteren Zeitpunkt zurückzugewinnen. Die Lösung nach dem Kristallisieren kommt in den organischen Abfallbehälter.


Erklärung:

PVC ist ein eher unflexibles Plastik und würde sich nicht gut als Ausgangsstoff für Handschuhe eignen. Aus diesem Grund werden Weichmacher zugesetzt, welche das Plastik geschmeidig und flexibler machen. In den hier verwendeten Handschuhen handelt es sich laut Verpackung um den Phthalsäureester DINP. Es sollte bei der Wahl der Handschuhe darauf geachtet werden, meine Handschuhe trugen den Hinweis "PHT - DINP". Ebenfalls wären ungepuderte Handschuhe geeignter - ich hatte nur gepuderte, weshalb meine Lösung etwas trüb ist. Dieser wird im heißen Isopropanol aus den Handschuhen gelöst, welche weiß und spröde werden. Die beiden Esterbindungen zwischen Phthalsäure und Isononylalkohol werden durch Verseifung mit Natronlauge hydrolysiert. In der wässrigen Phase liegt nun das Dinatriumphthalat vor, welches durch Salzsäure in die wenig wasserlösliche Phthalsäure überführt wird.

Bild

Da 13,49 g Phthalsäure erhalten wurden, kann errechnet werden, dass in den 122 g an Handschuhen 34 g, also fast 28 % Weichmacher enthalten ist! Hier ist es allerdings auch von Marke zu Marke unterschiedlich, wie viel Weichmacher verwendet wird. Die Fettalkohole riechen unangenehm, nach konzentriertem Waschmittel mit fruchtigen, penetranten Geruch.

Das während der Hydrolyse gerührt wird hat sich als wichtig herausgestellt. Ohne Rühren sinkt die Ausbeute stark. Aus vorherigen Durchführungen habe ich folgende Ausbeuten erhalten:
51 g Handschuhe, 2.90 g Phthalsäure (kein Rühren während der Hydrolyse)
52 g Handschuhe, 7.77 g Phthalsäure (Rühren während der Hydrolyse)

Bilder:

Bild
Die verwendeten Handschuhe. Man achte darauf, ob diese auch wirklich Phthalatweichmacher enthalten!

Bild
122 g PVC-Handschuhe mit Isopropanol im Rundkolben.

Bild
Nach dem Kochen unter Rückfluss haben sich die Handschuhe weiß verfärbt und sind nun spröde.

Bild
Nach dem Abdestillieren von 400 mL Isopropanol sieht der Rundkolben so aus.

Bild
Nach Zugabe der Natronlaugelösung und Kochen unter Rückfluss bilden sich zwei Phasen im Kolben.

Bild
Die wässrige Phase enthält das Natriumphthalat.

Bild
Durch Salzsäure wird Phthalsäure ausgefällt.

Bild
Nach dem Auflösen durch Erhitzen wachsen langsam Phthalsäurekristalle.

Bild
Kleine Phthalsäurekristalle.

Bild
Große Phthalsäurekristalle.

Quellen:

Diisononylphthalat, https://de.wikipedia.org/wiki/Diisononylphthalat
How to get Phthalic Anhydride from Vinyl Gloves, http://amateurchemistry.weebly.com/extr ... loves.html
UC235, "Phthalic Acid and Fatty Alcohols from Vinyl Gloves: Part 1"
Nile Red, "How to make Phthalic acid and Phthalic Anhydride"
bahmtec, "Phenolphthalein, Darstellung aus der Hausapotheke" https://illumina-chemie.org/phenolphtale ... t4159.html
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4375
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: Phthalsäure, Gewinnung aus PVC-Handschuhen

Beitrag von mgritsch »

Gratuliere, sehr schöner Artikel, sehr sauber dokumentiert :D

Ein paar kleinere Fragen/Anmerkungen:
Visko hat geschrieben:Der Weichmacher kann in Phthalsäure überführt werden
hier könntest du den chemischen Fachausdruck "zur Phtahlasäure hydrolysiert" benutzen statt "überführt"... (sagt man eher bei Derivaten)
Das Gemisch im Kolben trennt sich in zwei Phasen. Es ist sehr wichtig, dass dieser Schritt unter möglichst starkem Rühren durchgeführt wird, da sich die Phasen sonst nicht vermischen, was die Ausbeute sehr stark senkt!
das kommt für mich nicht ganz klar uas dem Text: erfolgt die Phasentrennung schon vorher beim Zugeben der Lauge oder erst durch die Hydrolyse? (vermute zweiteres). Warum / wie viel sinkt die Ausbeute? Hast du das getestet?
Die obere organische Phase kann zur weiteren Rückgewinnung von Isopropanol aufbewahrt werden.
hättest du nicht Lust auch das iso-Nonanol daraus zu isolieren? (dann könntest du auch einen Gegencheck mit der Ausbeute machen, evtl sogar unter Berücksichtigung des Rest-Gewichts der Handschuh-Schnipsel nach der Extraktion...)
Ein weißer Niederschlag fällt aus, welcher unter Erhitzen wieder aufgelöst wird. Die Lösung wird langsam abkühlen gelassen (hier etwa eine Woche), wobei Phthalsäure auskristallisiert. Erfahrungsgemäß dauert das etwas, deshalb sollte man zur Sicherheit etwas länger warten, bevor die Lösung verworfen wird.
also wie jetzt, du hast die selbe Soße aus der du ausgefällt hast einfach noch mal heiß gemacht?

Normalerweise würde man hier abfiltrieren und den ersten, rohen Niederschlag dann nochmal mit einer (bei Siedetemperatur minimal erforderlichen) Menge frischen dest. Wassers auflösen, dann kristallisiert die Säure bereits beim auskühlen schön aus (vergleiche zB hier zur Zimtsäure - https://illumina-chemie.org/synthese-von ... t4791.html; kennst du sicher auch von Nilered).

Abgesehen davon dass es schneller geht erhältst du dann auch ein reineres Produkt weil die ganzen Verunreinigungen schon mit der ersten Mutterlauge weggehen und der Anteil in der zweiten schon viel geringer ist.
Eine Woche stehen lassen hilft zwar die schönen großen Kritalle wachsen zu lassen, ob in dem feineren Anteil aber evtl schon Salz mit drin ist (Verdunstung?) kann dann auch nicht ausgeschlossen werden. Die Ausbeute erhöht es tendenziell sicher nicht, was nach 1 Tag nicht gefallen ist kommt auch nicht mehr. Wenn dann hilft stehen lassen im Kühlschrank weil in der Kälte die Löslichkeit nochmal geringer ist.

Evtl lohnt es sogar, die erste Mutterlauge nochmal etwas einzuengen, kann sein dass da nochmal 1/2 g oder so zu holen ist was ebenfalls in die Umkristallisation mit rein gehen kann.

Wie sieht es mit einer Reinheitskontrolle aus? Schmelzpunkt? DC? irgendwas möglich?
Die beiden Esterbindungen zwischen Phthalsäure und Isononylalkohol werden durch Verseifung mit Natronlauge gespalten.
etwas korrekter: hydrolysiert :) es geht ja Wasser mit ran, "spalten" wäre eher bei einer echten Teilung in zwei "Bruchstücke" (homolytisch - zu radikalen oder heterolytisch - zu ionen...)
Die Fettalkohole riechen unangenehm nach Waschmittel.
also bei mir ist der Begriff "Waschmittel" eher positiv besetzt, kein unangenehmer Geruch, aber was weiß ich womit du deine Wäsche wäscht? ;)
Benutzeravatar
Visko
Illumina-Mitglied
Beiträge: 176
Registriert: Donnerstag 29. März 2018, 23:30

Re: Phthalsäure, Gewinnung aus PVC-Handschuhen

Beitrag von Visko »

Ich verbessere mal die Formulierungen und erweitere die Stellen im Text, die du verbesserungswürdig findest.
mgritsch hat geschrieben:
Das Gemisch im Kolben trennt sich in zwei Phasen. Es ist sehr wichtig, dass dieser Schritt unter möglichst starkem Rühren durchgeführt wird, da sich die Phasen sonst nicht vermischen, was die Ausbeute sehr stark senkt!
das kommt für mich nicht ganz klar uas dem Text: erfolgt die Phasentrennung schon vorher beim Zugeben der Lauge oder erst durch die Hydrolyse? (vermute zweiteres). Warum / wie viel sinkt die Ausbeute? Hast du das getestet?
Die Phasentrennung erfolgt, sobald die Natronlauge dazugegeben wird. Tatsächlich kann auf diese Weise Isopropanol nahezu absolutiert werden. Siehe http://www.sciencemadness.org/talk/view ... 7#pid69593

Die Ausbeute sinkt stark. Aus vorherigen Durchführungen habe ich folgende Ausbeuten erhalten:
51 g Handschuhe, 2.90 g Phthalsäure (kein Rühren während der Hydrolyse)
52 g Handschuhe, 7.77 g Phthalsäure (Rühren während der Hydrolyse)

Der Grund dafür liegt wahrscheinlich daran, dass die wässrige Phase hauptsächlich das NaOH enthält und die Isopropanolphase hauptsächlich den Ester. Ohne Vermischung dauert die Hydrolyse wahrscheinlich viel länger.
mgritsch hat geschrieben: hättest du nicht Lust auch das iso-Nonanol daraus zu isolieren? (dann könntest du auch einen Gegencheck mit der Ausbeute machen, evtl sogar unter Berücksichtigung des Rest-Gewichts der Handschuh-Schnipsel nach der Extraktion...)
Iso-Nonanol siedet bei etwa 200 °C, wäre also eher nicht so angenehm zu destillieren, und ich weiß nichts damit anzufangen. Aber vielleicht mache ich es trotzdem irgendwann.

Die Handschuhstücke könnte ich wiegen - die Frage ist aber, ob ich auch alle Schnipsel wiederfinde. Es war etwas schwierig, sie aus dem Rundkolben zu bekommen, daher sind sie nicht alle am selben Ort. Ich muss nachher mal schauen, und trocknen müsste ich sie auch noch.
mgritsch hat geschrieben:
Ein weißer Niederschlag fällt aus, welcher unter Erhitzen wieder aufgelöst wird. Die Lösung wird langsam abkühlen gelassen (hier etwa eine Woche), wobei Phthalsäure auskristallisiert. Erfahrungsgemäß dauert das etwas, deshalb sollte man zur Sicherheit etwas länger warten, bevor die Lösung verworfen wird.
also wie jetzt, du hast die selbe Soße aus der du ausgefällt hast einfach noch mal heiß gemacht?
Ja, genau. Die Lösung wurde auf 80 °C erwärmt und alles gelöst, dann erneut abkühlen lassen.
mgritsch hat geschrieben: Normalerweise würde man hier abfiltrieren und den ersten, rohen Niederschlag dann nochmal mit einer (bei Siedetemperatur minimal erforderlichen) Menge frischen dest. Wassers auflösen, dann kristallisiert die Säure bereits beim auskühlen schön aus (vergleiche zB hier zur Zimtsäure - https://illumina-chemie.org/synthese-von ... t4791.html; kennst du sicher auch von Nilered).

Abgesehen davon dass es schneller geht erhältst du dann auch ein reineres Produkt weil die ganzen Verunreinigungen schon mit der ersten Mutterlauge weggehen und der Anteil in der zweiten schon viel geringer ist.
Eine Woche stehen lassen hilft zwar die schönen großen Kritalle wachsen zu lassen, ob in dem feineren Anteil aber evtl schon Salz mit drin ist (Verdunstung?) kann dann auch nicht ausgeschlossen werden. Die Ausbeute erhöht es tendenziell sicher nicht, was nach 1 Tag nicht gefallen ist kommt auch nicht mehr. Wenn dann hilft stehen lassen im Kühlschrank weil in der Kälte die Löslichkeit nochmal geringer ist.
Das stimmt, aber bei solchen kleinen Ansätzen habe ich oft das Problem, dass relativ viel im Filter hängen bleibt, und zwar für immer. Große Kristalle sind da viel schöner zum Handhaben. Und die Ausbeute erhöht das lange stehen unter Garantie, nach einem Tag war vielleicht ein Gramm erst kristallisiert. Mein Labor ist auch ohnehin kalt wie ein Kühlschrank: 4 °C Raumtemperatur :?
mgritsch hat geschrieben: Evtl lohnt es sogar, die erste Mutterlauge nochmal etwas einzuengen, kann sein dass da nochmal 1/2 g oder so zu holen ist was ebenfalls in die Umkristallisation mit rein gehen kann.
Die Salzverschmutzung macht das sicher nicht besser, aber ja, das hätte man machen können.
mgritsch hat geschrieben: Wie sieht es mit einer Reinheitskontrolle aus? Schmelzpunkt? DC? irgendwas möglich?
Nicht wirklich, nein. Ich habe kein Thermometer, das auf 200 °C kommt (nur IR, aber das ist nicht so zuverlässig hier).
mgritsch hat geschrieben: also bei mir ist der Begriff "Waschmittel" eher positiv besetzt, kein unangenehmer Geruch, aber was weiß ich womit du deine Wäsche wäscht? ;)
Die organische Phase hat einen penetranten, fruchtigen Geruch, eine Mischung aus künstlichem Obst und konzentriertem Waschmittel. Es riecht nicht gut.
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5625
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Beitrag von lemmi »

Ich finde das auch gut dokumentiert und interessant.

Mir ist aufgefallen, dass deine Natriumphtalatlösung trübe ist, wofür es eigentlich keinen vernünftigen Grund gibt. Dann habe ich gesehen, dass du gepuderte Handschuhe verwendet hast. Womöglich hast du Talkum(puder) als Verunreinigung in deinem Produkt! Filtrieren/absaugen der heißen lösung vor der Kristallisation könnte helfen. Oder noch besser gleich puderfreie Handschuhe verarbeiten.

Wie mgritsch würde mich auch die Isolierung des Iso-Nonanols interessieren. Das müsste durch Abdestillieren des Isopropanols doch zu machen sein. Wann siedet der denn? Auch interessant fände ich, ob sich aus dem Alkohol und niedermolekularen Carbonsäuren (Essigsäure, Ameisensäure ...) Ester darstellen lassen, die vielleicht viel angenehmer riechen, als der Alkohol selbst!? dazu müsste er nichtmal besonders rein sein. Einfach mal ausprobieren!
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Benutzeravatar
Visko
Illumina-Mitglied
Beiträge: 176
Registriert: Donnerstag 29. März 2018, 23:30

Beitrag von Visko »

Ungepuderte Handschuhe mit Phthalatweichmachern hatte ich nicht gefunden, sonst hätte ich die genommen. Und eine Filtration wäre gut gewesen, das stimmt. Ist jetzt für mich kein Problem, da ich die Phthalsäure zu Phthalsäureanhydrid durch Sublimation verarbeiten will, aber sollte erwähnt werden.
lemmi hat geschrieben: Wie mgritsch würde mich auch die Isolierung des Iso-Nonanols interessieren. Das müsste durch Abdestillieren des Isopropanols doch zu machen sein. Wann siedet der denn? Auch interessant fände ich, ob sich aus dem Alkohol und niedermolekularen Carbonsäuren (Essigsäure, Ameisensäure ...) Ester darstellen lassen, die vielleicht viel angenehmer riechen, als der Alkohol selbst!? dazu müsste er nichtmal besonders rein sein. Einfach mal ausprobieren!
Hmmm... Tatsächlich, ich müsste eigentlich noch nichtmal das Iso-Nonanol destillieren, ich bräuchte nur den Isopropanol und Wasser abdestillieren. Siedepunkt von 200 °C, das sind 100 K Unterschied, also sollte eine einfache Destillation genügend Trennleistung bringen.

Das mit den Estern ist ehrlich gesagt eine tolle Idee! Ob das mit Eisessig + konz. H2SO4 klappen würde? Da hätte ich auch noch eine Verwendung für die restlichen Fettalkohollösungen aus vorherigen Wiederholungen.
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4375
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Re: Phthalsäure, Gewinnung aus PVC-Handschuhen

Beitrag von mgritsch »

Visko hat geschrieben:Die Phasentrennung erfolgt, sobald die Natronlauge dazugegeben wird. Tatsächlich kann auf diese Weise Isopropanol nahezu absolutiert werden. Siehe http://www.sciencemadness.org/talk/view ... 7#pid69593
naja, ganz vergleichbar ist das nicht da dort festes NaOH zugegeben wird. Aussalzen eben. Du benutzt aber ca 20%ige (von der ich erwarten würde dass sie sich mischt), aber vlt liegt das am schon hohen Anteil Ester dass nicht.
Ich hätte sonst eine Phasentrennung erst nach der Hydrolyse erwartet, das Nonanol schwimmt sicher auf.
Die Ausbeute sinkt stark. Aus vorherigen Durchführungen habe ich folgende Ausbeuten erhalten:
51 g Handschuhe, 2.90 g Phthalsäure (kein Rühren während der Hydrolyse)
52 g Handschuhe, 7.77 g Phthalsäure (Rühren während der Hydrolyse)
sowas ist gut, bau das gerne ein!
Iso-Nonanol siedet bei etwa 200 °C, wäre also eher nicht so angenehm zu destillieren, und ich weiß nichts damit anzufangen. Aber vielleicht mache ich es trotzdem irgendwann.
bisschen Vakuum und gut ist's :)
auch 200° geht durchaus, da braucht es nicht viel Kühler und eine eher kompakte Apparatur und dann flutscht das ganz leicht.
Das stimmt, aber bei solchen kleinen Ansätzen habe ich oft das Problem, dass relativ viel im Filter hängen bleibt, und zwar für immer. Große Kristalle sind da viel schöner zum Handhaben. Und die Ausbeute erhöht das lange stehen unter Garantie, nach einem Tag war vielleicht ein Gramm erst kristallisiert. Mein Labor ist auch ohnehin kalt wie ein Kühlschrank: 4 °C Raumtemperatur :?
ca 300 ml Mutterlauge / 15g Produkt sind nicht gerade"klein"...

wie auch immer, ich verstehe deinen Gedankengang aber es täuscht. Erstens ist das was in so einem Filter hängt weniger als man glaubt und zwotens kann man es auch vom Filter spülen in so einem Fall (oder trocknen und herunterklopfen). Am besten ist natürlich eine Sinternutsche - da verliert man fast gar nichts. Wenn du über die nächsten Anschaffungen nachdenkst sollte das ganz oben sein wenn du präparativ weiter arbeiten willst!
Das Ausbeute-Problem und den Grund für das lange Warten sehe ich eher bei deinem großen Volumen: Phthalsäure hat eine sehr steile Löslichkeitskurve und löst sich in siedendem Waser zu ca 18 g/100 ml, bei 80° nur noch ca 8 g/ 100 ml (mit Säure /Salz evtl nochmal weniger). Dass du nur bis 80° erwärmen musstest ist ein klares Indiz dafür dass du vermutlich einiges in der Mutterlauge blieb.

Über Puderrückstände hat lemmi schon etwas gesagt, auch vor der Fällung filtrieren macht Sinn.

Letztendlch verliert man durch (richtig gemachte) Umkristallisation weniger "echtes" Produkt als man meint (einiges vom Gewichstverlust ist ja der gewünscht zu entfernende Schmodder), und ein schön reines Präparat ist erstens professionell, zwotens befriedigend und drittens für alles was du noch damit machen willst eine viel bessere Ausgangsbasis! Qualität vor Quantität...
Nicht wirklich, nein. Ich habe kein Thermometer, das auf 200 °C kommt (nur IR, aber das ist nicht so zuverlässig hier).
Da sie ohnehin (als Anhydrid) sublimiert auch kaum eine Option, genauer betrachtet. Aber eine schöne Möglichkeit der Reinigung wäre es! Sowas geht schon mit sehr einfachen Mitteln, zB Becherglas und oben mit einem Rundkolben mit kaltem Wasser bedecken und unten heizen... sieht auch spektakulär aus ;)

DC Equipment sollte auch mit ganz nach oben auf die Einkaufsliste ;)
Die organische Phase hat einen penetranten, fruchtigen Geruch, eine Mischung aus künstlichem Obst und konzentriertem Waschmittel.

Das ist eine schöne Beschreibung, passt besser :)
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4375
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

Visko hat geschrieben:Hmmm... Tatsächlich, ich müsste eigentlich noch nichtmal das Iso-Nonanol destillieren, ich bräuchte nur den Isopropanol und Wasser abdestillieren. Siedepunkt von 200 °C, das sind 100 K Unterschied, also sollte eine einfache Destillation genügend Trennleistung bringen.
Mit Blick auf Verunreinigungen die dann alle drin kleben (inkl Resten gelöster Lauge...) nee, nicht wirklich. Handschuhe sind kein reiner Ausgangsstoff, es kann auch immer noch unhydrolysierter Ester drin sein usw... Das wird bestenfalls eine trübe gelbe Suppe.
kurze Destillationsapparatur, beherzt angeheizt und geht schon rüber.

Abschließende Frage - die Einsatzmenge waren umgerechnet wieviele Handschuhe? Nicht die ganze Packung, oder? wenn du nur den Preis der Handschuhe ansetzt - was kostet dich dann ein Gramm Produkt?
Benutzeravatar
Visko
Illumina-Mitglied
Beiträge: 176
Registriert: Donnerstag 29. März 2018, 23:30

Beitrag von Visko »

Um die anderen Sachen kümmere ich mich heute Nachmittag, nur das schon mal vorweg:
mgritsch hat geschrieben: Abschließende Frage - die Einsatzmenge waren umgerechnet wieviele Handschuhe? Nicht die ganze Packung, oder? wenn du nur den Preis der Handschuhe ansetzt - was kostet dich dann ein Gramm Produkt?
Etwa 26 Handschuhe. Somit sind das für einen Handschuh etwa 510-520 mg. Pro Gramm Phthalsäure komme ich da auf etwa 6,5 Cent, womit der Isopropanol wahrscheinlich das teuerste dieser Extraktion war. (Ganz genau schaue ich den Preis noch mal später nach, ich habe mich nach den Online-Preisen der Handschuhe gerichtet.)
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Benutzeravatar
mgritsch
Illumina-Admin
Beiträge: 4375
Registriert: Montag 8. Mai 2017, 10:26
Wohnort: in den Misanthropen

Beitrag von mgritsch »

Ok, also etwa 1/4 Packung, macht dann für deine Ausbeute von 13,5 g 1 Euro wenn ich zB das zugrude lege: https://kk-hygiene.de/arbeitsschutz/han ... gK7j_D_BwE

Puderfrei kosten sie sogar etwas weniger - damit wären es dann 5 ct pro Gramm:
https://www.aponeo.de/02243942-vinyl-20 ... gLuaPD_BwE
Das ist im Vergleich zu dem was Phthalsäure bei s3 kostet weniger als die Hälfte!

Iso-nonanol ist ein Isomeren-Gemisch:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Isononanol
Wie es zu einem ätzend Gefahrensymbol kommt wissen nur die Götter, während Phthalsäure gerade mal reizend ist...

Fyi - das habe ich zur Löslichkeitskurve von Phthalsäure gefunden:
Bild
Benutzeravatar
Visko
Illumina-Mitglied
Beiträge: 176
Registriert: Donnerstag 29. März 2018, 23:30

Beitrag von Visko »

Die Preise überraschen mich ehrlich gesagt. Aber ja, das teureste war für mich der Isopropanol, aber da der in a) großen Gebinden günstiger und b) recyclebar ist, sollte das nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Beim Handschuhkauf auf die Zeichen schauen, nicht das da gar kein Phthalatweichmacher drin ist!

Bild
mgritsch hat geschrieben: Das ist im Vergleich zu dem was Phthalsäure bei s3 kostet weniger als die Hälfte!
Es ist erstaunlich, wie teuer (26 € pro 100 g) Phthalsäure da ist, während das Anhydrid billiger (9 € pro 100 g) zu haben ist.
mgritsch hat geschrieben: Iso-nonanol ist ein Isomeren-Gemisch:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Isononanol
Wie es zu einem ätzend Gefahrensymbol kommt wissen nur die Götter, während Phthalsäure gerade mal reizend ist...
Das habe ich auch nicht verstanden, aber Wikipedia sowie Quelle von Wikipedia geben es so an. Kann ich mich ehrlich gesagt aber nicht richtig vorstellen...

Danke für die Löslichkeitskurve!
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
EDTA
Illumina-Mitglied
Beiträge: 94
Registriert: Donnerstag 13. August 2015, 13:39
Wohnort: Salzburg

Beitrag von EDTA »

Schöner Versuch!

Wieviel Salzsäure hast du eingesetzt?

Ich habe vor einiger Zeit den selben Versuch durchgeführt und zu wenig Salzsäure eingesetzt. Das Ergebnis waren unterschiedliche Kristallformen (ähnlich wie in deinem Bild) und Dinatriumphthalat im Produkt. Ich habe dann die gesamte Kristallmasse nochmal aus Wasser und mehr Salzsäure umkristallisiert - dann war das Kristallbild einheitlich.

Hast du getestet, ob bei weiterer Zugabe aus der Mutterlauge mehr Phthalsäure gefällt werden kann?

Eventuell kann man auch testen, ob das Produkt (nahezu) restlos zu Phthalsäureanhydrid sublimiert werden kann?
Benutzeravatar
Visko
Illumina-Mitglied
Beiträge: 176
Registriert: Donnerstag 29. März 2018, 23:30

Beitrag von Visko »

EDTA hat geschrieben: Wieviel Salzsäure hast du eingesetzt?
Etwa 50 mL.
EDTA hat geschrieben: Ich habe vor einiger Zeit den selben Versuch durchgeführt und zu wenig Salzsäure eingesetzt. Das Ergebnis waren unterschiedliche Kristallformen (ähnlich wie in deinem Bild) und Dinatriumphthalat im Produkt. Ich habe dann die gesamte Kristallmasse nochmal aus Wasser und mehr Salzsäure umkristallisiert - dann war das Kristallbild einheitlich.

Hast du getestet, ob bei weiterer Zugabe aus der Mutterlauge mehr Phthalsäure gefällt werden kann?
Nein, aber der pH-Wert war ja schon bei etwa eins, also war Salzsäure schon gut im Überschuss vorhanden.
EDTA hat geschrieben: Eventuell kann man auch testen, ob das Produkt (nahezu) restlos zu Phthalsäureanhydrid sublimiert werden kann?
Aus früheren Experimenten kann ich sagen, dass etwas leicht angebranntes normalerweise zurückbleibt. Ich verliere leider bei der Sublimation immer einiges an Produkt, weil die Kristalle aus dem Becherglas fliegen - sie sind zu fein und leicht (Ausbeuten so um die 50 %).
Es ist eine bedeutende und allgemein verbreitete Tatsache, dass Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen.
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5625
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Beitrag von lemmi »

[EDIT by lemmi: korrektur gelesen und verschoben]
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Antworten