Kristallolumineszenz von Kaliumnatriumsulfat

Organische und anorganische Versuche ohne weitere Zuordnung.

Moderator: Moderatoren

Benutzeravatar
Pok
Gesperrt
Beiträge: 1636
Registriert: Montag 19. August 2013, 01:03
Kontaktdaten:

Kristallolumineszenz von Kaliumnatriumsulfat

Beitrag von Pok »

Kristallolumineszenz von Kaliumnatriumsulfat

Das folgende Experiment kommt ohne gefährliche Chemikalien aus und ist trotzdem eines der eindrucksvollsten Beispiele für die Kristallolumineszenz.


Geräte:

Kochtopf mit Deckel, Erlenmeyerkolben (1 L), Kaffefilter mit Halter


Chemikalien:

Kaliumsulfat

Natriumsulfat

Wasser


Durchführung:

Eine Mischung aus 174 g Kaliumsulfat mit 71 g wasserfreiem Natriumsulfat (oder 161 g Natriumsulfat-Decahydrat / Glaubersalz) wird in 900 ml Wasser einige Zeit bis zum Sieden erhitzt bis eine klare Lösung entstanden ist.1 Das funktioniert am besten in einem Kochtopf mit Deckel. Wenn sich nicht alles löst, werden noch wenige Dutzend ml Wasser hinzugefügt. Die noch fast kochende Lösung wird schnell über einen gut durchlässigen Filter (z.B. Kaffefilter) in einen Erlenmeyerkolben gegossen und dieser zügig mit Frischaltefolie abgedeckt. Man lässt auf einer hitzebeständigen, mäßig isolierenden Unterlage (z.B. Pappe) abkühlen. Nach einiger Zeit bilden sich auf dem Boden des Kolbens kleine Kristalle, die langsam größer werden. Der Kolben wird in einen vollständig abgedunkelten Raum gestellt und man gewöhnt die Augen möglichst lange an die Dunkelheit. Nach ca. einer Stunde leuchten am Boden des Kolbens kleine Lichtblitze auf, die mit der Zeit zahlreicher und heller werden und nach einer weiteren Stunde ihre größte Helligkeit und Frequenz erreichen. Pro Sekunde sind einige dutzend Blitze zu sehen, welche hell genug sind, um in der Dunkelheit die Umrisse des Kolbens erkennen zu lassen. Bei einigen Blitzen ist ein sehr leises Knacken zu hören. Anschließend nimmt das Leuchten ab, um nach etwa 4 - 5 Stunden ganz zu verschwinden. Wird die überstehende Lösung abgegossen und die Kristalle im Kolben geschüttelt oder die Kristalle zwischen zwei Urgläsern zerdrückt, blitzt es erneut auf. Nach einigen Stunden verlieren die Kristalle diese Fähigkeit jedoch.

Wenn man das Experiment wiederholen möchte, indem man den Kolbeninhalt erneut zum Sieden erhitzt bis sich die Kristalle lösen, ist häufig keine Lumineszenz beim Abkühlen mehr zu beobachten. Man muss stattdessen die heiße gesättigte Lösung erneut in ein sauberes, trockenes Gefäß filtrieren, damit die Wiederholung gelingt. Sollte sie auch dann erfolglos sein, sind entweder bereits Kristallkeime im Kolben, der dann ausgewaschen und getrocknet werden muss. Oder die Konzentration an Sulfationen ist zu groß. In diesem Fall kann man Kochsalz statt Natriumsulfat einsetzen, wodurch das Experiment mit größerer Zuverlässigkeit gelingen soll.2

Je nach Durchführung kann die Zeit bis zum Erscheinen der ersten Blitze variieren. Bei sehr langsamer Abkühlung, z.B. in einem isolierten Gefäß, bilden sich große Kristalle und die einzelnen Blitze werden heller, während ihre Frequenz abnimmt.


Erklärung:

Beim Abkühlen der Lösung kristallisiert ein Doppelsulfat mit der Zusammensetzung K4Na2(SO4)3 bzw. 2 K2SO4 · Na2SO4. Der Mechanismus des Kristallolumineszenz ist kaum erforscht. Die Lichtemission ist unter anderem abhängig von der Anwesenheit von Sauerstoff und/oder Peroxiden, deren Zersetzung durch frisch gebildete, katalytisch wirksame Kristalloberflächen zur Chemolumineszenz führen könnte.3 Aufgrund der Knackgeräusche, die einige Blitze begleiten, erscheint auch eine Bildung von Mikrorissen denkbar, wobei ähnlich der Tribolumineszenz Energie in Form von Licht freigesetzt wird. Eine allgemeine Theorie geht davon aus, dass während der Kristallisation Kristallkeim-Cluster mit einander kollidieren und so angeregte Zustände entstehen, die beim Übergang in den Grundzustand die Lumineszenz hervorrufen.4 Das beim anschließenden Zerbrechen der Kristalle auftretende Leuchten ist Tribolumineszenz.

Bei erneutem Auflösen und Abkühlen kann es passieren, dass statt des Doppelsulfats die beiden Salze Kalium- und Natriumsulfat getrennt von einander kristallisieren, ohne eine Lichterscheinung dabei zu zeigen. Die ersten Beobachter gingen davon aus, dass das Doppelsalz immer durch Zusammenschmelzen frisch hergestellt werden muss, da eine Phasenumwandlung vom amorphen zum kristallinen Zustand als Ursache für das Lichtphänomen vermutet wurde.2 Diese Annahme wurde später jedoch widerlegt.5 Das erneute Filtrieren in einen sauberen Kolben könnte durch die schnelle lokale Abkühlung der heißen Lösung beim Kontakt mit dem kalten Gefäßboden dafür sorgen, dass sich Natrium- und Kaliumionen relativ "unordentlich" gemeinsam im Kristallgitter einfügen, sodass sich mit größerer Wahrscheinlichkeit das Doppelsulfat bildet.

Die entstehenden Kristalle sind isomorph mit Kaliumsulfat. Die Anleitung (Quelle 1) gibt an, dass es sich um ein Decahydrat handelt, was jedoch nicht richtig ist. Beim Erhitzen einer Probe von 0,76 g auf ca. 300 °C ergab sich kein messbarer Gewichtsverlust und in anderen Quellen gibt es ebenfalls keinen Hinweis auf ein Hydrat.


Entsorgung:

Lösung und Kristalle können wiederverwendet oder verdünnt über das Abwasser bzw. den Hausmüll entsorgt werden.


Bilder:

Bild
Die zwei Salze Natriumsulfat-Decahydrat (links) und Kaliumsulfat (rechts)

Bild
Beim Abkühlen der heiß gesättigten Lösung bilden sich auf dem Kolbenboden Kristalle, von deren Oberfläche das Leuchten ausgeht.

Bild
Langzeitbelichtung der Kristallolumineszenz (4 min). In diesem Fall wurde die Lösung beim Abkühlen isoliert, wodurch hellere, aber weniger Blitze entstehen. Die hellen Punkte sind Kristalle im Licht der von ihnen ausgehenden Blitze. Die verschwommenen Bereiche entstehen durch Reflektionen an der Gefäßwand.

Bild
Kristalle nach dem Abkühlen

Bild
Tribolumineszenz der Kristalle


Video:

Video der Kristallolumineszenz (etwas kleinerer Ansatz, nur die hellsten ca. 10 % der Blitze sind hier zu erkennen)


Danksagung:

Ich danke dem youtube-Mitglied SuperR450 für die Erlaubnis, sein Video einbetten zu dürfen.


Quellen:

[1] O. M. Olgin (1988) Experiments without Explosions, S. 230. ISBN 5030005617 (Volltext)

[2] H. Rose (1841) Ueber Lichterscheinungen bei der Krystallbildung. Pharmaceutisches Central-Blatt für 1841, Band 12, 661-665. (link)

[3] A. I. Voloshin et al. (1994) Time Distribution of Groups of Crystalloluminescence Photons upon Crystallization of 2K2SO4 · Na2SO4 Binary Salt from Aqueous Solutions. High energy chemistry, 28, 208-210.

[4] T. A. Ring (2001) Nano-sized cluster nucleation. Advances in Colloid and Interface Science, 91, 473-499. doi: 10.1016/S0001-8686(00)00073-7

[5] E. Bandrowski (1895) Über die Lichterscheinungen während der Krystallisation. Bulletin international de l'Académie des sciences de Cracovie - Comptes rendus, 75-78. (link)
Benutzeravatar
Pok
Gesperrt
Beiträge: 1636
Registriert: Montag 19. August 2013, 01:03
Kontaktdaten:

Beitrag von Pok »

Anmerkung: da mit meiner Kamera im Dunklen keine akzeptablen Videos möglich sind, habe ich ausnahmsweise ein fremdes Video verwendet. Ansonsten wäre die Anleitung nicht anschaulich genug.

Den Versuch hatte ich vor einigen Jahren schonmal auf VC veröffentlicht, aber ohne Fotos. Er ist mir damals nicht wieder gelungen (siehe Probleme oben), weshalb ich ihn hier bisher nicht nochmal gezeigt hatte. Durch die Filtrationstechnik scheint es aber reproduzierbar zu sein. Bei allen Versuchen damals und vor kurzem misslang der Versuch, wenn die Kristalle einfach im ursprünglichen Kolben aufgelöst wurden. Bei allen (3) Versuchen mit dem Umfüllen über das Filtrieren in einen leeren Kolben hat es dagegen bisher funktioniert.
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Beitrag von lemmi »

Sehr schön, daß du diesen Versuch hier nochmal publizierst! Als Schauverscuh scheint er aber eher weniger geeignet zu sein, wenn man bis zum Erkennen, der Lichtblitze 1 Stunde warten muss - oder? :wink:

Das Leuchten soll durch die Zersetzung von Peroxid entstehen? Ist das unstrittig? Wie entsteht das Peroxid denn? Es kommt mir unglaublich vor, daß mit den genannten Stoffen Mengen an Peroxid enstehen sollten, die ausreichend für eine Lichterzeugung sind, aber veilleicht schätze ich die für die Lichterzeugung nötige Energie falsch ein. Und wenn das so ist: ist das dann noch Kristallolumineszenz - oder nicht eher "kristallkatalysierte Chemolumineszenz"?

Wie ist das bei anderen Kristallolumineszenzen (NaCl, As2O3)? Was erzeugt da die Lichtenergie?
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Benutzeravatar
Newclears
Illumina-Moderator
Beiträge: 4997
Registriert: Montag 10. August 2009, 15:48
Wohnort: Alt-Erschwede

Beitrag von Newclears »

Interessanter Versuch. Wenn das Ganze tatsächlich durch Peroxidzersetzung verursacht wird, wäre es doch mal interessant der Lösung etwas Wasserstoffperoxid zuzusetzen und zu beobachten ob sich die CL nicht dadurch intensivieren lässt.
"...wie ein Sprecher betont,hat für die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden."
"...mittlerweile rostet das Miststück..." E.v. Däniken
Benutzeravatar
Uranylacetat
Illumina-Mitglied
Beiträge: 1220
Registriert: Sonntag 8. August 2010, 23:17
Wohnort: Berlin-Pankow

Beitrag von Uranylacetat »

Schön, dass Du diesen Versuch nochmal publizierst! :wink:

Aber: Peroxid als quasi als Katalysator für die Licht-Emission? Wie entsteht es denn...? Das kann ja dann nur in intermediären Bereichen ablaufen...
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
Benutzeravatar
Pok
Gesperrt
Beiträge: 1636
Registriert: Montag 19. August 2013, 01:03
Kontaktdaten:

Beitrag von Pok »

lemmi hat geschrieben:Als Schauverscuh scheint er aber eher weniger geeignet zu sein, wenn man bis zum Erkennen, der Lichtblitze 1 Stunde warten muss - oder? :wink:
Naja, man muss es einfach 1 Stunde vorher vorbereiten. Die Zeit gilt nicht für die Adaptation der Augen an die Dunkelheit. Da reichen einige Minuten bis max. 30 min. Länger braucht das Auge bei jungen Menschen nicht, um sich vollständig zu adaptieren. Am besten führt man es abends vor, wenn vorher einige Zeit bei Zimmerlicht verbracht wurde. Dann muss man sich nur 5-10 min an die Dunkelheit gewöhnen, um es optimal zu erkennen zu können.

Das mit den Peroxiden habe ich ehrlich gesagt auch nicht richtig kapiert, deshalb schrieb ich vorsichtshalber "vermutlich". Möglicherweise entstehen Spuren davon aus Luftsauerstoff (eigene Vermutung). Wenn man die Lösung unter Stickstoff kocht, bleibt das Leuchten anschließend aus. Ebenso, wenn man reduzierende Verbindungen zusetzt (Fe2+ oder Sn2+), die Peroxide zerstören. Wenn man hingegen Peroxodisulfat-Ionen zusetzt, werden etwas (!) mehr helle Blitze erzeugt. Diese ganzen Infos stammen aus dem Abstract und einigen Schnipseln der google-"Snippet"-Ansicht von der 3. Quelle. Zitat aus dem Abstract: "The observed crystalloluminescence is associated with chemiluminescent degradation of peroxide compounds, which is induced by the crystallization process."

Man könnte es auch Chemolumineszenz nennen, wenn das stimmt. Aber Kristallolumineszenz ("XTL") ist erstmal auf jeden Fall richtig, weil der Begriff nur beschreibt, dass Licht beim Kristallisieren ausgesandt wird. Da kommt es auf den Mechanismus nicht an. Einige Quellen schreiben allgemein auch davon, dass es sich immer um eine Art Tribolumineszenz (TL) handelt bzw. Mikrorisse entstehen. Das scheint einerseits die einfachste Erklärung zu sein, weil man oft ein Knacken hört (bei anderen XTL-Salzen ist das noch viel lauter). Es ganz einfach auf TL herunterzubrechen, kann aber auch viele Beobachtungen nicht erklären.

Eine neueres Paper (link), das sich mit der Keimbildung bei der Kristallisation beschäftigt, erklärt die XTL allgemein mit angeregten Zuständen und Grundzuständen von "Clustern" / Kristallkeimen, also vergleichbar mit der Chemolumineszenz. In dem paper wird aber die Erklärung irgendwie von der Art der Lumineszenz getrennt: "Die meisten der bisherigen Untersuchungen konzentrieren sich v.a. auf die Art der Lumineszenz [dieses Phänomens], z.B. Mechanolumineszenz, Tribolumineszenz oder Chemolumineszenz. In keinem dieser Fälle gibt es eine theoretische Erklärung der Kristallolumineszenz." (welche dieses Paper liefern will)

Was das NaCl angeht, hatte Xyrofl zu dem Artikel schonmal was geschrieben. Da wüsste ich auch nicht, wie man das richtig erklären kann. Beim As2O3 ging man von Ionen-Rekombinationen bzw. Phasenumwandlung von einer in die andere Modifikation (link) aus, wobei aber wiederum verschiedene Mechanismen denkbar sind.

Insgesamt sind diese ganzen Theorien relativ kompliziert und man findet keine einfachen, lehrbuchartigen Erklärungen dazu. Die Erklärung habe ich nochmal überarbeitet und diese anderen Theorien eingefügt.

@Lars: hatte ich gemacht, aber mit H2O2 gab es (damals) keine merkliche Aufhellung. Ozonisierung und Zugabe von Peroxodisulfat-Ionen haben etwas unterschiedliche Einflüsse auf die Helligkeit, wobei im zweiten Fall nur die hellsten Blitze häufiger sind. Ich hab auch mal Peroxomonosulfat und -disulfat (jeweils einige mg pro Liter) eingesetzt als die Lösung schon kühler war, damit sich die Salze nicht zersetzen. Aber auch da konnte ich keine Verstärkung erkennen.
Benutzeravatar
lemmi
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 5606
Registriert: Freitag 6. Januar 2012, 09:25

Beitrag von lemmi »

[EDIT: verschoben]
"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)

"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)

"Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie gesehen haben." (Alexander v. Humboldt, 1769 - 1859)
Antworten