Oszillierende Fluoreszenz und Chemolumineszenz

Organische und anorganische Versuche ohne weitere Zuordnung.

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lemmi
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Oszillierende Fluoreszenz und Chemolumineszenz

Beitrag von lemmi »

Oszillierende Fluoreszenz und Chemolumineszenz

Geräte:

Waage, Messzylinder 50 ml, Erlenmeyerkolben 100 ml, Messpipette 200-500 µl, UV-Lampe (sogenannte Wood-Lampe, λmax= 365 nm), z.B. ein Geldscheinprüfer, Magnetrührer (optional)


Chemikalien:

Malonsäure Warnhinweis: xn
Kaliumbromat Warnhinweis: oWarnhinweis: t
Schwefelsäure 6 N Warnhinweis: c
Tris-(2,2´-bipyridyl)-ruthenium(II)-chlorid
Ammoniumcer(IV)-sulfat


Durchführung:

Man setzt getrennt folgende Lösungen an:

Lösung A: 2,0 g Malonsäure und 30 ml 6 N Schwefelsäure werden mit destilliertem Wasser auf 50 ml aufgefüllt
Lösung B: 0,75 g Kaliumbromat und 25 mg Ammoniumcer(IV)-sulfat in 50 ml destilliertem Wasser
Lösung C: 2,5 mg Tris(bipyridyl)-ruthenium(II)-chlorid in 500 µl destilliertem Wasser

Man stellt den Erlenmeyerkolben mit Lösung A auf den Magnetrührer und fügt 250 µl Lösung C zu. Dann wird der Raum abgedunkelt und der Kolben von der Seite mit der UV-Lampe beleuchtet. Man schaltet den Magnetrührer ein und gibt Lösung B zu.

Die Flüssigkeit fluoresziert zunächst nicht. Nach einigen Minuten tritt eine helle rosafarbene Fluoreszenz auf, die in der Folge alle 25-30 Sekunden für etwa 5 Sekunden verschwindet und dann erneut auftritt (sollten die Oszillationen nach 5 Minuten noch nicht eingesezt haben, so hilft ein vorsichtiges Erwärmen des Kolbenbodens auf dem Drahtnetz über einem Brenner: es tritt dann, von der erwärmten Stelle ausgehend, eine rosarote Fluoreszenz auf, die sich bald auf die ganze Flüssigkeit ausbreitet). Schaltet man die UV-Lampe aus, so erkennt man - nach Adaptation der Augen im völlig abgedunkelten Raum - ein periodenweises schwaches Aufleuchten der Flüssigkeit etwa alle 25-30 Sekunden, das wenige Sekunden anhält. Bei Licht beobachtet man einen Farbwechsel von gelborange nach blassgelb und zurück. Die Oszillationen halten für über 15 Minuten an. Nach einigen Minuten wird in der Flüssigkeit eine leichte Gasentwicklung erkennbar.


Entsorgung:

Die Lösung kann nach Neutralisation zum Abwasser gegeben werden.


Erklärung:

Bei der Oxidation von Malonsäure durch Bromat im sauren Medium mit Cer(IV)-Ionen als Katalysator entstehen letztlich Bromid, Ameisensäure, Wasser und Kohlenstoffdioxid.

KBrO3 + CH2(COOH)2 ---> HCOOH + KBr + 2 CO2 + H2O

Der Reaktionsablauf ist jedoch sehr komplex. Es spielen sich mehrere konkurrierende Prozesse ab, die dazu führen, daß die Konzentrationen bestimmter Reaktionszwischenprodukte in periodischen Abständen schwanken (zum detaillierten Mechanismus der Reaktion siehe Literatur). Durch kurzzeitig auftretende starke Oxidationsmittel (insbesondere BrO2-) wird Ruthenium(II) zu Ruthenium(III) oxidiert. Das dreiwertige Ruthenium fluoresziert im UV-Licht nicht, wodurch die im Versuch beobachteten Oszillationen eintreten. Die Rückbildung von Ruthenium(II) aus der dreiwertigen Oxidationsstufe ist mit einer - in dieser Versuchsanordnung schwachen, aber sichtbaren - Chemolumineszenz verbunden (siehe dazu auch hier: https://illumina-chemie.org/chemilumines ... html#47291).


Bilder:

Bild
Versuchsaufbau

BildBild
Oszillation unter UV-Licht

BildBild
Oszillation bei Tageslicht


Literatur:

Field, R. J., Schneider, F. W., "Oszillierende chemische Reaktionen und nichtlineare Dynamik." Chemie in unserer Zeit 22 (1988): 17-29

Brandl, H., Oszillierende chemische Reaktionen und Strukturbildungsprozesse. Praxis Schriftenreihe Chemie Band 46, Aulis-Verlag Deubner Co. KG Köln, 1987 (ISBN N 3-7614-0993-1)
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Uranylacetat
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Beitrag von Uranylacetat »

Ein sehr schöner Versuch! :thumbsup:
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frankie
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Beitrag von frankie »

Sehr schön lemmi, ....gefällt mir :-D


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lemmi
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Beitrag von lemmi »

Ehrlich gesagt hatte ich mir den Effekt etwas spektakulärer vorgestellt. Vielleicht ist er mit etwas mehr Rutheniumkomplex eindrucksvoller.

Die andere Hälfte der mir zur Verfügung stehenden Lösung C habe ich für einen zweiten Ansatz verbraucht der auch dem Buch von Brandl entnommen ist und so aussieht: in 25 ml 1N H2SO2 löst man nacheinander 0,25 g KBrO3, 0,5 g Malonsäure und 0,25 g Ammoniumcer-IV-sulfat und gibt dann 250 µl der Rutheniumkomplexlösung C zu. Im Dunklen leuchtet die Flüssigkeit für einige Sekunden hellrot auf, dann erlischt das Leuchten und kehrt im Abstand von ca. 3 1/2 Minuten für je 5-8 Sekunden wieder. Leider ist es - obwohl viel stärker als in dem Versuch oben - zu schwach als daß ich es fotografieren konnte und nach 4 Zyklen war endgültig "zappenduster". Durch Erwärmen des Versuchsansatzes könnte man die Periodendauer wahrscheinlich verkürzen.
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NI2
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Beitrag von NI2 »

Also für 2,5 mg schon ein schickes Ergebnis,....

gefällt mir ;)
IOC

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Apoman111
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Re: Oszillierende Fluoreszenz und Chemolumineszenz

Beitrag von Apoman111 »

Einer meiner Lieblingsversuche. Die Malonsäure in dem hier beschriebenen Ansatz kann hervorrgagend durch DL-Äpfelsäure ersetzt werden. 2g Malonsäure entspricht einer Stoffmenge von (gerundet) 0,02 mol, was wiederum 2,7g DL-Äpfelsäure (M = 134,09 g/mol) entspricht. Die erzielte Oszillation dieser Variation ist erstaunlich lang anhaltend und lässt sich meiner Erfahrung nach über einen Zeitraum von ca. 90 Minuten hinweg beobachten.
Glaskocher
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Re: Oszillierende Fluoreszenz und Chemolumineszenz

Beitrag von Glaskocher »

Zitronensäure wird auch genannt als mögliches Reagenz. Wichtig scheint hier zu sein, daß eine CH2-Gruppe zwischen zwei Carbonyl- oder Carbioxyl-Gruppen steht, um ausreichend aktiviert zu sein für diese Reaktion.

Neben der gerührten Variante (nix für J.B.) gibt es auch die Petrischalen-Variante. Dabei bilden sich dann wandernde Wellen farbiger Reaktionsfronten. Das kann recht interessante Muster über einen längeren Zeitraum geben, die man als psychedelisches Hintergrundbild nutzen kann. Da der Indikator nicht nur den Zustand der Reaktion visualisiert, sondern selbst Bestandteil der gekoppelten Redox-Oszillationen ist, hat seine Konzentration auch Einfluß auf die Reaktionsgeschwindigkeit.
Apoman111
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Re: Oszillierende Fluoreszenz und Chemolumineszenz

Beitrag von Apoman111 »

Zitronensäure wird auch genannt als mögliches Reagenz. Wichtig scheint hier zu sein, daß eine CH2-Gruppe zwischen zwei Carbonyl- oder Carbioxyl-Gruppen steht, um ausreichend aktiviert zu sein für diese Reaktion.
Exakt. Für die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion ist die Anwesenheit einer organischen Substanz essenziell, die eine oder mehrere aktive Methylengruppen aufweist, welche leicht bromiert werden kann (siehe http://www.jkrieger.de/bzr/facharbeit.pdf). Zitronensäure stellt dabei ein mögliches Substrat dar welches diese Bedingungen theoretisch erfüllt. In der Praxis sind Ansätze mit Zitronensäure hingegen suboptimal, da im Reaktionsverlauf Monobromzitronensäure gebildet wird, welche schwerlöslich ist und sich im Reaktionsmedium anreichert. Zu erkennen ist dies an einer zunehmenden Eintrübung. Mit Äpfelsäure besteht dieses Problem meiner Erfahrung nach hingegen nicht.
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